1. Philebus.

[312] Zeitlich folgt auf den Sophisten unfraglich der Staatsmann und dann erst der Philebus. Doch scheint es geeignet, den dialektischen Inhalt der ersteren Schrift anhangsweise nach dem Philebus vorzuführen.[312] Denn es handelt sich dabei hauptsächlich um bloße Vorandeutungen des im Philebus ausführlich Entwickelten, die völlig durchsichtig erst werden, wenn man von diesem zum Staatsmann zurückgeht. Zugleich bahnt sich im Staatsmann eine Gedankenrichtung an, die sich ganz erst im nächsten Werk, dem Timaeus, durchsetzt. Auch aus dieser Rücksicht empfiehlt sich ausnahmsweise hier die Abweichung von der übrigens unzweifelhaft feststehenden chronologischen Folge.

Der Philebus nun hat zum Thema den Begriff des Guten. Die Gleichsetzung des Guten mit der Lust wird in tief eindringender psychologischer Untersuchung widerlegt, die Gleichsetzung mit der Erkenntnis oder Vernunft, die aus allen früheren Schriften, gewissermaßen auch aus dem Staat (s. S. 197) am ehesten gefolgert werden konnte, wird zwar im Kern der Sache nicht preisgegeben, aber so eingeschränkt, daß zugleich der berechtigte Anspruch der gereinigten Lust zu der ihm gebührenden Geltung kommt.

In der Frühzeit PLATOS hätte eine derartige Untersuchung, als rein ethische, zwar nicht ohne logische Voraussetzungen, aber doch ohne tieferes Eingehen auf diese geführt werden können. Auf der Höhe der platonischen Philosophie ist das nicht mehr angängig, sondern die ethische Entscheidung fordert ein breites logisches Fundament. So ist dieser Dialog sogar einer der wichtigsten für PLATOS Logik, obgleich er nur zum kleineren Teil direkt ihr gewidmet ist. In seinen logischen Untersuchungen aber knüpft er nicht minder bestimmt als der Sophist an die Errungenschaften des Parmenides an, die sich nach neuen Seiten hier entfalten. Die Anknüpfung ist besonders greifbar im ersten auf dialektische Probleme bezüglichen Abschnitt.

Quelle:
Paul Natorp: Platos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus. Leipzig 21921, S. 312-313.
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