Für die Ferien

[106] Nibelungenlied. Die heidnischen und christlichen Anschauungen scharf hervorzuheben, ebenso die ethischen Ideen. Die Charaktere sind im Gegensatz zu den homerischen zu betrachten. Der ästhetische Standpunkt des Liedes bei der Darstellung des Schrecklichen und des Schönen.

Zu lesen mit der Lachmannschen Ausgabe; zu beobachten das ältere und das neuere. Am besten frühmorgens zu lesen im Freien. Aber mit genauen Auszügen.

Persius und Juvenal. Wesentlich vom ästhetischen Standpunkt aus. Rückschlüsse auf den Charakter der Männer und auf ihre Zeit. Gedanken über die Satire. Das Poetische in der Satire nachzuweisen, gerade an Persius und Juvenal.

Zu lesen mit den Übersetzungen und den Texten. Vielleicht am besten von neun bis zwölf zu lesen, um nach der Nibelungenlektüre eine scharfe Abwechslung zu haben.

Novum Testamentum. Jesus als Volksredner zu betrachten, dazu die Evangelien durchzulesen. Er errät die Gedanken. Die Gleichnisrede und ihr Zweck. Seine Familienreden vor seinen Jüngern. Das Poetische in seinen Reden.

Zu lesen in Gorenzen vornehmlich mit Gerlachs Übersetzung und der Tischendorfschen Ausgabe. Früh wohl am besten. Dann dem Onkel vorzulegen.

Emerson. Eine Skizze des Buches für meine Freunde. Seine Betrachtungsweise amerikanisch. »Das Gute bleibt, das Böse vergeht.«[106] Über Reichtum. Schönheit. Kurze Auszüge aus allen Essays. Über Philosophie im Leben.

Vielleicht in Sangerhausen zu schreiben, morgens. Mit Muße und Sorgsamkeit.

Gedichte. 1. Windsbraut. Das schweifende Geschick sucht sich mit den unheimlichen Tiefen des Menschen zu vereinigen und vernichtet alles, wenn die Vereinigung geschehn.

2. Irrstern. Wandelung durch den Weltkreis, suchend die verlorne Bahn. O daß seine Augen geöffnet würden, denn er geht den vorgeschriebnen gleichen Weg durch die Ewigkeit. Und so jede Seele, die ein ewiges Ziel im Auge hat, sie wandelt eine sichere Bahn, ob sie gleich in Nacht und Irrtum zu wallen scheint.

3. Gesang des Sommers. Grundidee: »Das Gute bleibt, das Böse verschwindet.« Noch nichts Näheres. Jedenfalls Schlußgedicht von den »Sturmliedern«.

Einige Nächte sind zum Komponieren zu verwenden. Zuerst Fortsetzung des Allegro der Sonate. Vorläufig zweihändig. »So lach doch mal« gut abzuschreiben. Ebenso »Aus der Jugendzeit« für Stöckert. Dann vor allem »O Glockenklang in Winternacht«. Aus Leipzig muß ich mir wieder Notenpapier verschaffen.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 106-107.
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