150.
An Elisabeth Nietzsche

[1176] Genua, den 10. Februar 1882


Hier ist zunächst der Revers für Bayreuth, welcher nun, nach Overbecks Anweisung, seinen Weiterweg an Feustel in Bayreuth zu machen hat, und zwar mit einer ausdrücklichen Erklärung Deinerseits, meine liebe Schwester, für welchen von den drei Tagen der Hauptaufführung Du Dich entschieden hast (26., 28. oder 30. Juli), dann wird er Dir die Karte senden.[1176]

Bis jetzt ist es mit Dr. Rées Besuch gegangen, wie es zu erwarten stand, nicht gut. Der erste Tag sehr guter Dinge; den zweiten hielt ich mit Benutzung aller Stärkungsmittel aus; den dritten Erschöpfung, nachmittags eine Ohnmacht; die Nacht kam der Anfall; den vierten zu Bett; den fünften stand ich wieder auf, um mich nachmittags wieder zu legen, den sechsten und bis jetzt immer Kopfschmerz und Schwäche. Kurz, wir müssen es noch lernen, zusammenzusein. Es ist eben gar zu angenehm, mit Dr. Rée zu verkehren; es gibt nicht leicht einen erquicklicheren Verkehr. Aber ich bin an das Gute nicht gewöhnt. –

Es gefällt ihm, oder vielmehr: er ist ganz überrascht, wie sehr es ihm hier gefällt. –

Mit Sarah Bernhardt hatten wir Unglück. Wir waren in der ersten Aufführung; nach dem ersten Akte fiel sie wie tot nieder. Nach einer peinlichen Stunde Wartens spielte sie weiter, aber mitten in diesem Akte überfiel sie ein Blutsturz, auf der Bühne – da war es denn aus. Es war ein unerträglicher Eindruck, zumal sie eben eine Kranke der Art spielte (la dame aux camélias von Dumas fils). – Trotzdem hat sie mit ungeheurem Erfolg am nächsten und nächstnächsten Abende wieder gespielt und Genua überzeugt, daß sie »die erste lebende Künstlerin« sei. – Sie erinnerte mich, in Aussehen und Manieren, sehr an Frau Wagner. – Mitte März geht Dr. Rée nach Rom zu Frl. v. Meysenbug. – Mit der Schreibmaschine ist noch nichts entschieden; ein äußerst geschickter Mechaniker hat jetzt eine Woche daran gearbeitet, sie herzustellen. Morgen soll sie »fertig« sein. Hoffen wir das Beste!

Wie bin ich von Euch, meine Lieben, beschenkt worden! Und ich höre auch von Dr. Rée lauter Erfreuliches von Euch.

Mehr erlaubt die Gesundheit durchaus nicht zu schreiben. Verzeihung!

In der größten Dankbarkeit Euer Fr.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 3, S. 1176-1177.
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Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.1, Bd.1, Briefe von Nietzsche, Juni 1850 - September 1864. Briefe an Nietzsche Oktober 1849 - September 1864.
Briefwechsel, Kritische Gesamtausgabe, Abt.2, Bd.2, Briefe an Nietzsche, April 1869 - Mai 1872
Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in 8 Bänden.
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