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[100] Wachstum nach dem Tode. – Jene kleinen verwegenen Worte über moralische Dinge, welche Fontenelle in seinen unsterblichen Totengesprächen hinwarf, galten seinerzeit als Paradoxien und Spiele eines nicht unbedenklichen Witzes; selbst die höchsten Richter des Geschmacks und des Geistes sahen nicht mehr darin – ja vielleicht Fontenelle selber nicht. Nun ereignet sich etwas Unglaubliches: diese Gedanken werden Wahrheiten! Die Wissenschaft beweist sie! Das Spiel wird zum Ernst! Und wir lesen jene Dialoge mit einer andern Empfindung, als Voltaire und Helvetius sie lasen, und heben unwillkürlich ihren Urheber in eine andere und viel höhere Rangklasse der Geister, als jene taten – mit Recht? Mit Unrecht?

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 100.
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Werke, Kritische Gesamtausgabe, Abt.5, Bd.2, Idyllen aus Messina; Die fröhliche Wissenschaft; Nachgelassene Fragmente Frühjahr 1881 - Sommer 1882
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Sämtliche Werke: kritische Studienausgabe in 15 Einzelbänden - Teil 3. Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft
Morgenröte / Idyllen aus Messina / Die fröhliche Wissenschaft. Herausgegeben von G. Colli und M. Montinari.
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