121

[632] Es ist eine Feinheit, daß Gott griechisch lernte, als er Schriftsteller werden wollte – und daß er es nicht besser lernte.


122

Sich über ein Lob freuen ist bei manchem nur eine Höflichkeit des Herzens – und gerade das Gegenstück einer Eitelkeit des Geistes.


123

Auch das Konkubinat ist korrumpiert worden: – durch die Ehe.


124

Wer auf dem Scheiterhaufen noch frohlockt, triumphiert nicht über den Schmerz, sondern darüber, keinen Schmerz zu fühlen, wo er ihn erwartete. Ein Gleichnis.


125

Wenn wir über jemanden umlernen müssen, so rechnen wir ihm die Unbequemlichkeit hart an, die er uns damit macht.


126

Ein Volk ist der Umschweif der Natur, um zu sechs, sieben großen Männern zu kommen. – Ja: und um dann um sie herumzukommen.


127

Allen rechten Frauen geht Wissenschaft wider die Scham. Es ist ihnen dabei zumute, als ob man damit ihnen unter die Haut – schlimmer noch! unter Kleid und Putz gucken wolle.
[633]


128

Je abstrakter die Wahrheit ist, die du lehren willst, um so mehr mußt du noch die Sinne zu ihr verführen.


129

Der Teufel hat die weitesten Perspektiven für Gott, deshalb hält er sich von ihm so fern – der Teufel nämlich als der älteste Freund der Erkenntnis.


130

Was jemand ist, fängt an, sich zu verraten, wenn sein Talent nachläßt – wenn er aufhört, zu zeigen, was er kann. Das Talent ist auch ein Putz; ein Putz ist auch ein Versteck.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 632-634.
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