81

[627] Es ist furchtbar, im Meere vor Durst zu streben. Müßt ihr denn gleich eure Wahrheit so salzen, daß sie nicht einmal mehr – den Durst löscht?


82

»Mitleiden mit allen« – wäre Härte und Tyrannei mit dir, mein Herr Nachbar! –


83

[627] Der Instinkt. – Wenn das Haus brennt, vergißt man sogar das Mittagsessen. – Ja: aber man holt es auf der Asche nach.


84

Das Weib lernt hassen, in dem Maße, in dem es zu bezaubern –verlernt.


85

Die gleichen Affekte sind bei Mann und Weib doch im Tempo verschieden: deshalb hören Mann und Weib nicht auf, sich mißzuverstehn.


86

Die Weiber selber haben im Hintergrunde aller persönlichen Eitelkeit immer noch ihre unpersönliche Verachtung – für »das Weib«. –


87

Gebunden Herz, freier Geist. – Wenn man sein Herz hart bindet und gefangenlegt, kann man seinem Geist viele Freiheiten geben: ich sagte das schon einmal. Aber man glaubt mir's nicht, gesetzt, daß man's nicht schon weiß...


88

Sehr klugen Personen fängt man an zu mißtrauen, wenn sie verlegen werden.


89

Fürchterliche Erlebnisse geben zu raten, ob der, welcher sie erlebt, nicht etwas Fürchterliches ist.


90

Schwere, schwermütige Menschen werden gerade durch das, was andre schwer macht, durch Haß und Liebe, leichter und kommen zeitweilig an ihre Oberfläche.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 2, S. 627-628.
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Jenseits von Gut und Böse. Zur Genealogie der Moral. Herausgegeben von G. Colli und M. Montinari.
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