Der erste Traktat, von der Philosophia

[503] Weil in der Philosophie der Grund der Arznei liegt, so ist uns allen erstlich not zu wissen, wie aus der Philosophie der Grund genommen werden möge. Vorher aber und eh das erzählt werde, erfordert die Notdurft, die falsche Philosophie, die mir da einen Widerstand tun könnte, auszulegen, denn mir werden allein die widerwärtig werden, die aus der falschen Philosophie geboren sind und sich selbst doch für die gerechten achten, wie es denn bisher gesehen ist, daß allein der Abhub der Philosophie, das ist das Mies und der Schaum, wider mich aufgestanden ist; aber es ist des fex Art: sie tun gleich wie ein Schaum im Hafen, der ist nichts als ein Kot, doch schwimmt er über das Gute empor und fliegt am höchsten; aber er wird hinunter in die Asche geworfen und in den Kot, und die Suppe, als das gute, bleibt im Hafen. So werden auch die falschen philosophi geschäumt werden und in die Mistlache geworfen, und ich und meine Philosophie werden bleiben, und von uns werden die Essenden[503] gesättigt werden und nit, wie bisher, weiter von dem Schaum, denn es sind allein Schaumärzte, die mit Prügeln in den Säutrog geworfen werden sollten.

Nun liegt die Philosophie in dem, daß allein der Krankheiten Art, materia und Eigenschaft, mit samt deren allen Wesen, aus ihr und nicht aus einer andern Kunst, allein aus der Philosophie, verstanden werde. Und wenn wo anders als aus dieser Philosophie ein Grund hergenommen wird, so ist es ein Betrug. Und das kann wohl ein Betrug heißen; ursach: der Kranke wird dadurch betrogen, und das, was die Natur dem Kranken gibt, das wird ihm durch einen solchen Arzt, der aus falscher Arznei geboren wird, entzogen; denn die Natur ist die, die dem Kranken Arznei gibt. So sie nun die gibt, so muß sie ihn auch erkennen und wissen, denn ohne Erkenntnis kann sie ihm nichts geben. Nun liegt die Erkenntnis nit im Arzt, sondern in der Natur, und darum in der Natur: sie kann die Natur in sich selbst wissen, der Arzt nit. Drum, weil allein die Natur die selbige weiß, so muß sie auch die selbige sein, die das Rezept komponiert. Denn aus der Natur kommt die Krankheit, aus der Natur kommt die Arznei und aus dem Arzt nit. Weil nun die Krankheit aus der Natur, nit vom Arzt, und die Arznei aus der Natur, auch nit vom Arzt kommt, so muß der Arzt der sein, der aus den beiden lernen muß, und was sie ihn lehren, das muß er tun. Und lehren sie ihn nichts, so kann er nichts und weiß nichts, denn bei der Natur ist die Arznei und die Krankheit und ihr selbst eigner Arzt.

Wenn nun der Arzt aus der Natur wachsen soll und muß, und in ihm und von ihm und aus ihm ist nichts, alles aus und in der Natur, so ist es von nöten, daß er aus der Natur geboren werde und nit zu Leipzig oder zu Wien. Denn was sie da lehren, findet man zu Deventer und Schwollen auch und am Deutschen Meer zu Überlingen. Die Natur lehret den Arzt, nit der Mensch. So nun in der Natur so viel liegt, so ist es von nöten, von ihr zu traktieren, wer die Natur sei; das ist nun philosophisch[504] (gehandelt). Nun ist zu wissen von nöten, was die Philosophie sei, denn da ist ein Zank zwischen mir und dem Gegenteil. Was sie für Philosophie halten, halte ich für eine Drüse; das ist: sie sind eben gleich dem Arzt, der seine Kunst aus den Drüsen nimmt; die wachsen außen am Leibe und sehen dem Leibe gleich; es ist aber nit das, dem es gleich sieht; so ist der Arzt auch nichts. So sind die philosophi, sie wachsen aus einem Schwämme, der nur außen am Baume hängt und nichts taugt; ebenso liegen sie außen in der Philosophie und nit in der Philosophie. Daß sie auf meine Philosophie (etwas) halten, kann nicht gut sein, denn (die zeigt ihre Torheit, und) der Roßdreck läßt sich nicht verachten. Darum wird meine Philosophie von ihnen nit gebraucht, und von andern Narren auch nicht.

Es würde eine lange Rede brauchen, das lauter und klar aufzudecken, was hierin, in diesem Widereinander, notdürftig zu begreifen sei. Jedoch, um in der Kürze den Unterschied zu begreifen, lege ich ein solches vor: daß der Arzt als erstes die Himmel und Erden in ihrer materia specie und essentia, wissen muß – und so er darin unterrichtet ist, so ist er dann einer der in die Arznei treten kann, denn nach (dem Erwerb) dieser Erfahrenheit, Wissen und Kunst fängt der Arzt an. Nun ist dies mein Vorhaben und Behauptung: daß es also mit der Arznei siehe, daß aus dem äußeren Arzt der innere geboren werde, und wo der äußere nit sei, da sei auch der innere nit, und was dann der innere treibt, führt und lehrt aus seinen Subjekten, das ist umsonst. Denn die innere Philosophie lehrt nichts als ein Erdichtetes; das ist, daß man spricht, die Krankheit ist cholerisch. Die cholera ist aber nichts und nie von einem Philosophen erkannt worden. Ursach: sie kommt nit von der äußeren Philosophie, sondern von der inneren, und die innere lehrt nichts, als was der Mensch selbst spekuliert. Aus der Spekulation nimmt cholera ihren Namen und ihren Ursprung. Die äußere Philosophie erwächst aus keiner Spekulation, sondern sie erwächst aus dem äußeren Menschen und zeigt und lehrt,[505] was der innere sei. Weil dieser nun Lehrmeister ist, so ist es von nöten, die Spekulation zu lassen und dem nachzugehen, das nit aus einem Spekulieren kommt, sondern aus der Deutung und Darlegung. Darin besteht nun unser Widereinander und der Krieg, daß mein Widerteil spekuliert und ich lehre aus der Natur. Nun ist Spekulieren Phantasieren, und Phantasieren macht einen Phantasten. Nun ist Phantasie: auf keinen Grund bauen, sondern es ist einem jeglichen freiledig anheimgestellt, daß einer sich selbst zu genüge genug phantasieren mag und was er will und wie er will, und ist im Effekt nichts anders als gleich einem, der etwas wünscht; der hat nichts, was er wünscht. So sind die auch, die spekulieren, phantasieren, und es ist doch nichts, das sie spekulieren und phantasieren. Auf solchem Grunde steht ihre Arznei. Hier in diesem merke nun meinen und ihren Grund.

Wenn die Spekulation gut und nütze wäre, dann wäre Wünschen auch nütze, so könnte daraus wohl ein guter Handel wider mich werden; aber nichts, das Bestand hat, wird da wider mich gehandelt. Denn der Grund, den ich lege, ist nit speculatio, sondern ist inventio, – nicht speculatio, sondern naturae proprietas, – denn so, auf diese Art sollt ihr die indem äußeren archeus gegründete Philosophie erkennen, daß ihr nicht sprechen sollt: das ist cholerisch, das ist melancholisch, sondern: das ist arsenisch, das ist alaunisch. Wenn ihr sprechen werdet: das ist jovisch, das ist saturnisch, kann ich nicht wider euch handeln. Werdet ihr sprechen: das ist acoria aegritudo und der morbus ist anthera, so würde ich sprechen: ihr seid gelehrte doctores, und würde das mit der Wahrheit reden können. Denn so geht die Erkenntnis aus der Philosophie. Und so ihr sprechen werdet: der morbus ist pulegii, der ist melissae, so sehe ich, daß ihr in diesen Krankheiten Verstand habt. Sprecht ihr aber: das ist cholera, das ist phlegma, so weiß ich, daß ihr keinen Verstand habt, sondern aus der Spekulation und Phantasie, die nie mit der Wahrheit etwas geboren haben, geboren seid. Drum ist es nicht arzneiisch geredet, sondern phantastisch und spekulativisch, wie allen[506] Narren erlaubt ist, solchen Grund zu erdenken. Nun in dysenteria! Sagt ihr, es sei sanguis, sanguinisch, so ist es nit wahr; sagt ihr, es sei vitium stomachi, ein Gebrechen des Magens, so ist es aber nit. Ist alles nur Wähnen bei euch, denn nur ein Wähnen brauchen die cholerischen und phlegmatischen und melancholischen und sanguinischen. Wenn ihr aber reden würdet, es ist morbus hermodactyli, es ist morbus coloquinthidis, es ist morbus elleborinus, so müßte ich euch loben und Gutes von euch sagen, denn ihr würdet auf dem rechten Grunde sein und ginget mit der Wahrheit um. Die Namen sollen aus dem Grunde gehen und im Grunde stehen und nit in der Phantasie. Denn colica heißt sibethina, iliaca heißt moschata. Warum das? So lehrt es die äußere Philosophie, die der inneren alle Namen, Art und Eigenschaft und Zeichen gibt, lehrt und vor Augen hält. Und außerhalb dieser wird kein Arzt geboren, sondern nur Betrüger und Irrer, Phantasten und Eselsweisheit.

Weil nun der Arzt sein erstes Wissen aus der Philosophie nehmen soll, – Philosophie ist nit aus dem Menschen, sondern aus Himmel und Erden, Luft und Wasser. In denselben liegt nun aller Ärzte Wissen und Verständnis, denn von den Dingen reden und traktieren die philosophi, nit von cholera, phlegmate, melancolia und sanguine. Drum ist es nix, von ihnen zu reden; alle philosophi traktieren allein die mineralia, die Früchte, die impressiones, die influentias usw., keiner aber gedenkt der humores. Wenn nun der Spekulierarzt sprechen will: ich kann die Philosophie und habe mit ihr noch nicht genug; ich muß mehr wissen, drum so setze ich vier humores usw., so kann ich es verstehen, und muß nun weiter und mehr wissen, als die Philosophie anzeigt und innehält, – da merke: daß du unrecht dran bist, denn Ursache: nichts ist im Leib, daß dir nie auswendig genügend angezeigt werde, sondern alles ist mannigfaltig vorgelegt, drum solltest du sonderlich ein Wissen der Philosophie haben, so brauchtest du nicht nach weiterem Grunde zu spekulieren. Weil du aber im Grunde der Philosophie einen Mangel hast, drum[507] mußt du solches Flickwerk brauchen, und handelst ebenso wie die Hundefänger, die sich von den ehrlichen Leuten weg in eine andere Gasse setzen und einen Handel führen, in den ihnen niemand etwas hineinredet oder -tut. So ist es mit euch Ärzten auch: ihr habt mit euerm Spekulieren (Namen) erdacht und gemacht, daß euch niemand in euer Ding hineinreden kann, das ist, ihr habts so welsch und niederländisch gemacht, daß kein Biedermann euch verstehen kann und sie müssen euch also ungeschehen lassen; damit habt ihr den Parchent, den Preis erlaufen. Aber fürwahr, kennten die philosophi diese eurer Spekulation Eigenart ebensogut wie ich, sie sprächen: was mit den Hundeschlägern! Billig haltet ihr euch von allen Gelehrten mit euern dictionibus und vocabulis, Aussagen und Namen, besonders, denn sollte man es verstehen, dann röche es alle Welt wohl, daß es Bescheißerei wäre. Wie zum Exempel: in der Apotheke schreibt ihr an: anthos, cheiri, buglossa, veronica usw. Wenn das die Bauern verstünden, so müßten sie einfältig sein, daß sie so viel Geld dafür gäben. Es ist ein Betrug, in den niemand hineinreden kann, denn niemand versteht das Rotwelsch, und sind doch Bauernnamen. So ist die Medizin von allen Professionen geschieden und mit Sprache, Weise und Gebärde von allen Gelehrten gesondert, damit sie ohne Einrede bleibe. Das aber ist keine Philosophie, sondern eine Spekulation.

Nun ist hier mein Vornehmen, die Philosophie zu erklären, zu einem Eingange in die Arznei, was ein Arzt sein soll, – und das auf deutsch, damit das Besondere genommen und ins Gemeine gebracht werde, also daß die Philosophie dermaßen gelehrt werden solle, daß in ihr der Mensch ganz erscheine und begegne und in ihr finde alle Krankheiten und Zufälle, Gesundheit und Trübsal, alle Glieder und Gliedmaßen, alle Teile und Teile der Glieder, so viel am Menschen und im Menschen ist oder sein kann, und so viel wir in der Natur sehen, wissen und erfahren, so viel vom ersten Menschen bis zum letzten einfallen kann oder eingefallen ist, so ganz und vollkommen,[508] daß auch die Augen, die Ohren, die Stimme, der Atem in der Welt gefunden wird, auch die Beweglichkeit, die verdauenden Glieder, die austreibenden, die anziehenden, und alles, das da ist, und alles, das im Leib zur Hülfe, zur Gesundheit, zu allen Dingen not ist, daß dasselbe außen verstanden, gelehrt und gefunden werde, außen auf die Probe gebracht und als richtig gefunden, auswendig durch das Feuer getrieben und gereinigt werde, auswändig der Harn besehen, der Puls gegriffen, die Farben der Physiognomie beurteilt werden. Und so das alles auswändig in dir erfahren worden ist, dann bis du in den Dingen erfahren, alsdann gehe in den inneren Menschen, und alsdann, wenn du auswändig alle Schulrecht und Fragstücke erfahren hast und bewährt sind, darnach besieh den Seich, greif den Puls, darnach arznei innen wie außen. Das ist die Philosophie, von der ich dir sage. So ihr nun solche Philosophie nicht wißt noch könnt, wie könnt ihr dann so kühn und so hochmütig sein, daß ihr auf eure Spekulation und Phantasie hin eine solche Menge Volks arzneit, verderbt tötet, verkrüppelt und erlahmt und dazu gar blind macht?! Das müssen frevlerische Anfänger sein, die es wagen und werden darin, daß sie bescheißen, nit ersättigt, sondern sie lehrens auch andern, damit der Betrug nit absterbe! Seid ihr so kühn, das zu tun, so seid ihr auch so kühn wider mich zu schreiben, denn der Teufel steht nicht müßig, wenn man seine Kinder anrührt. So ihr der Kranken Nutz betrachtetet, so müßtet ihr euch einen andern Grund vornehmen, – aber es ist alles Büberei und nicht dahinter. Es ist genug, daß ir den Glauben habt, seien gleich eure Werke tot oder lebendig. Wenn man nur an euch glaubt, so ist eure Küche fett. Es ist bei euch ein Glauben ohne Werke; das ist der tote Glaube. Es fehle wie es wolle, so hats Gott getan.

Damit ich aber den philosophus beschreibe, so wißt: daß er in zween Wegen wächst, einer ist im Himmel, der andere in der Erde, das ist aus jedweder Sphäre einer, und ist eine jegliche Sphäre ein halber Anfang, beide ein[509] ganzer Anfang. Nun obwohl das hier in Bezug auf beide Seiten ein philosophus genannt wird, so ist es doch dem Namen nach nicht so, sondern der ist ein philosophus, der die untere Sphäre erkennt; der die obere weiß, ist ein astronomus. Es sind aber beide astronomi, beide philosophi, beide eines Verstehens, beide einer Kunst. Nun aber, sie sind astronomi in allen vier (Gebieten der Natur); denn der ist ein astronomus, der da das Herkommen der Metalle und die Eigenschaft der Erze weiß; und der ist auch ein astronomus, der die Früchte der Erde kennt; der auch, der das Manna (in der Luft) kennt ebenso wie der, der den Saturn und Jupiter usw. weiß und kennt. Hingegen ist auch der ein philosophus, der des Himmels Impression, seine Influenz, seinen Lauf weiß; auch ist der ein philosophus der die Luft kennt ebensowohl wie der, der die Erde allein kennt. Denn das, das die Natur betrifft, ist die Philosophie. Nun ist es eine Anatomie, eine essentia, eine materia in den vieren. Denn der Saturn ist nicht allein im Himmel, sondern auch im Untersten des Meeres und im Hohlsten der Erde. Melissa ist nicht allein im Garten, sondern auch in der Luft und auch im Himmel. Was meint ihr, daß Venus sei, als allein artemisia? Was artemisia oder Beifuß, als allein Venus? Was sind sie beide? Matrix oder Mutter, conceptio oder Empfangen, vasa spermatica oder Samengefäße. Was also ist ferrum oder Eisen? Nichts als Mars. Was ist Mars? Nichts als ferrum, – das ist, sie sind beide ferrum oder Mars. Dasselbe ist auch urtica oder die Brennessel, auch (das Harz) tereniabin quarta, – und ist alles eins. Wer Mars kennt, der kennt ferrum, und wer ferrum kennt, der weiß, was Mars ist, und wer die kennt, der weiß, was tereniabin ist, und auch was urtica ist. Drum ist ein philosophus, der eins in dem einen weiß, und der weiß dasselbe auch in den andern, – mit dem allein die Formen betreffenden Unterschied, und nix weiter, – deshalb weil nicht vier sind, sondern nur eins ist. – Wer will den Regen beurteilen? Der astronomus. Wer will beurteilen den Tau? Der astronomus. Wer will den Talk beurteilen? der philosophis. Wer[510] den cachimia? der philosophus. Der eins beurteilt, der weiß das andere. Und obwohl da verschiedene Namen sind, sind aber die Künste nit geschieden oder geschieden die Wissen, das ist scientiae. Denn eins ist in allen.

Das ergibt nun: einfache pilosophi, das ist: allein in einem bekannt; der ist aber nichts. Etliche sind in zweien bekannt, – ist auch nix, nix in dreien, in vieren etwas, und so sie alle vier einschließen, so ist es ganz da; das ist: die Arznei ist das Ganze und Letzte aller der Dinge. Denn wozu ist das gut, daß der astronomus den Regen, den Schnee weiß, und weiß nit, wozu sie tauglich sind. So ist er nichts; er muß auch seines Subjekts Eigenschaft wissen, ohne das ist er nichts. Ganz sein macht den Medikus. Daß die Ärzte bisher nicht ganz und ungewiß in der Arznei gewesen sind, das ist euch leicht festzustellen, denn sie haben in der Philosophie geirrt. Noch bis heute haben sie nicht gewußt, was Zinn sei; was das sei, das in ihm fließe; was ihm die Farbe gebe, und dergleichen; diese Dinge haben sie alle noch nie traktiert und wollen doctores und philosophi sein. Wenn sie das nit wissen, so werden sie auch nit wissen, was solche Krankheiten sind. Denn zuerst müssen sie wissen, woher das Zinn, woher das Kupfer, das Gold, das Eisen wächst und wie es wächst und was ihm zusteht, was es für Krankheiten leiden muß und was in ihm zufallen kann. Wenn sie das wissen, so wissen sie doch nur ein Glied im Menschen. Wie hart wird es sie ankommen, daß sie nur ein Metall so gründlich verstehen und in ihm lernen sollen; wie hart werden sie dann die andern sieben, die andern vierundzwanzig, die andern all, deren mehr als tausend sind, ankommen. Was das nötigste in aller Philosophie und Medizin ist, das lassen sie aus.

Nun merkt ferner: sie sagen, nach der alten philosophischen Lehre: aus mercurius oder Quecksilber und sulphur oder Schwefel wachsen alle Metalle; item: vom reinen Erdreich wächst kein Stein. Nun seht an, was für Lügen! Denn Ursach: wer ist der, der als die materia der Metalle allein sulphur und argentum vivum oder Quecksilber[511] zu sein befindet, da doch alle Metalle und alle mineralischen Dinge in drei Dingen stehen und nit in zweien. Ein Fehl ist das. Also ist ihre Philosophie erlogen, denn sie wissen nichts Weiteres vom Wachsen, vom Ende, und von anderem mehr, – aber sie sollten das alles wissen. Gleicherweise wie sie sich berühmen, aus dem Seich, aus dem Puls usw. die Krankheiten und alle ihre Hülfe zu erkennen, so sollten sie ihre judicia in diesen Dingen haben, daß sie den Seich, den Puls des Himmels, der Erde und der Luft auch wüßten; aber sie wissen weder das noch anderes. So sagen sie auch, daß vom reinen Erdreich kein Stein werde. Vom Erdreich wächst gar kein Stein; sie wachsen vom Wasser, das ist ihr Element, in dem sie wachsen. (Daß sie derlei sagen), drum sind sie irrig und sie wissen die Philosophie nicht.

Obwohl diese Philosophie von Aristoteles, Albertus usw. geschrieben worden ist, – wer will aber den Lügnern glauben, die da nicht aus der Philosophie, das ist aus dem Lichte der Natur reden, sondern aus der Phantasie?! Gleich wie sie in der Medizin vier humores, cholera, phlegma usw. erdacht haben, so haben sie auch hier, in der Philosophie, die Lüge mit mercurius und sulphur erdacht; wie sich eins reimt, so auch das andere. Sie berufen sich viel auf den Albertus, Thomas; nit Albertus, Thomas, sondern sie, das ist ihr, sollen dafür einstehen. Denn Albertus hat diese Lehre nit vom Hl. Geist, sondern aus vergebener Spekulation gehabt. So auch Thomas und andere, Hermes und Archelaus. Das wisset, ihr Ärzte, alle: ihr dürft solche Dinge, Lehre und Kunst, was zu dieser Profession gehört, nit dem Hl. Geist zulegen, sondern dem Lichte der Natur. Wo ist das nun anders als in der Natur? Der Hl. Geist lehrt den Glauben usw.; darum ist das der »Glaube«; ebenso die Dinge sind die Natur, drum aus der Natur müssen sie gelernt werden. Sie liegen nit im Hl. Geist, sie liegen in der Natur; drum mußt du dich aus der Natur unterrichten lassen, von der Albertus, Thomas, Aristoteles, Avicenna, Actuarius usw. keinen Verstand anders als aus Spekulieren, das ist Wähnen, gehabt haben. Weil nun so[512] viel darin liegt zu wissen, was die Natur sei, auf das wisset, daß euch hier billig der Grund der Arznei vorgetragen wird. Denn das soll der Arzt wissen: was schmilzt im Blei? Und soll wissen: was ist das, das im Wachs zergeht? Was ist das, das im Demant so hart ist? Und was ist das, das im Alabaster so weich ist? Wenn er nun das weiß, so kann er sagen, was das sei, das ein apostem reif oder unzeitig mache, was Karbunkel mache, was Pest mache; außerhalb dieses Weges kann er es nicht wissen. Darum sind alle Schriften die von diesen und andern Krankheiten geschrieben wurden, falsch, denn sie haben aus der Spekulation und nit aus der Philosophie geschrieben, und weil sie die Philosophie nicht gekannt haben, ist all ihr Schreiben umsonst; sie gleichen einem Bauern, der das Stroh neben der Ähre, in dem nichts liegt, dreschen will. Seine Absicht ist gut, aber der Handel nicht; er dünkt ihm gut zu sein und ist doch nicht gut. So ist es auch mit den Ärzten, die solche Krankheiten beschreiben und wissen deren Philosophie nicht, und wissen ihre Art, Kunst noch Wissen nicht, und schreiben, und gebrauchen ihre Phantasie und Spekulation, – und am letzten ist es mit einem Dreck versiegelt. Das bezeugen all ihre Kranken, daß sie – nach der Subtilität geredet – Narren seien; nach der Grobe spricht man: Buben. Aber die verlogenen Schulmeister, correctores, procuratores, visitators, beanen oder junge Studenten, patres usw., wenn sie Arzt werden, so tun sie nichts anderes, sie gehen ebenso daran. Nur dran, nur dran mit euern Partheken!

Sie haben ein Buch meteororum oder zwei und mehr, und viel Glossen. Wahrlich, sie sind wenig besser als der Johannes de Garlandria, der über den zweiten Teil Alexanders schrieb. Denn was ist das meteororum des Aristoteles? Nichts als Phantasie. Ursache: es ist nichts im Himmel, womit desselben exhalationes oder Dünste, impressiones bewiesen werden können, anders als das es alles eine Phantasie und eine große polyphemische Art ist. Nun ist das meteororum nichts als Lüge, – und sie bauen auf solche weise Meister und loben sie und beschirmen sie, und[513] wissen nicht, was es ist und was sie beschirmen. Sind das nicht Gugelhahne? Aber sie werden sich um dessentwillen nicht weiter mit mir anlegen; es sei gerecht oder nicht, sie fragen dem nicht viel nach. So tun sie dergleichen auch mit andern Dingen. Ihnen liegt an nichts mehr, als daß sie das Geld mit Geschwätz aus den Leuten bringen. Weiter: ob man könne, oder man könne nichts, das ist alles gut, nur Geld her! Helft, daß der Herr Doktor aus dem Bettel kommen könne und auf der Gasse wie ein Fastnachtsbutz herumstreiche, und meine Frau Doktor neben andern Frauen auch leuchten möge. Obwohl eine große Armut in der Küche ist, müssen sie sich doch auf der Gasse und in der Kirche und am Tanz aufmutzen wie die Katze, wenn sie scheißen will. Solche Ärzte setzen ihre Kunst gering, sie haben keinen Grund noch Wahrheit darin, allein die Phantasie muß bei ihnen der Grund sein.

Nun ist aber hier mein Vornehmen, daß ein guter Grund gesetzt werde und sei, nicht auf die Meister der Casualien, nicht auf die Mörselstoßer, nicht auf die hungrigen conventores und Pröpste. Ihr Grund ist kein anderer als, er ist ein geschickter magister (id est malvister), er liest die physica und hat das letzte Jahr de coelo et mundo gelesen, der wird ein guter Arzt werden. Aus dem conventore wird ein Licht und ein auserwählt Faß, (er wird ein Narr). Wenn ihr solche conventores so betitelt, und sprächet: er ist ein Schütz und ein Cornut und kann nichts und weiß nichts, und ist ein guter pater, der nichts besser kann als die Kappen tragen und seine Glorie, und er ist ein karger Filz und ein Schinder, das hat er in der Burse gelernt, und so will er auch in der Arznei bleiben, – ist das der Grund, auf den die Arznei bei euch gerichtet und gesetzt ist, so helfe Gott den Kranken, wenn sie unter die Bachanten kommen; sie wären besser und lägen sanfter unter den Weißgerbern.

Nun ist über das, das hier gemeldet wurde, noch das: weil die Ärzte, die wider mich sind, weder dieser Philosophie noch anderer sich gebrauchen, sondern von allen Gelehrten sich entfernten, – so muß man sie wieder hineintreiben[514] und absondern, so daß weder der theologus, Jurist, Artist, astronomus, philosophus, alchemicus und alle andern nichts mit ihnen gemein haben noch sie mit den andern; das ist die Ursache, daß man ihren Beschiß nicht merkt.

Wenn nun dem also ist, so muß ihre Kunst durch eine Gewalt geschehen, durch einen erzwungenen Glauben, nämlich daß mans glaub, was sie sagen, die Schrift aber laute, wie sie wolle. Und so etwa in einem Jahr ein Kranker von ihnen gesund gemacht wird, so berühmt ihr euch dess' zehn Jahre lang, und ob schon der Kranke ohne euch eher gesund geworden wäre als durch euch.

Mit solchen Taten und dem sich-Brüsten bestätigt ihr den Glauben (an euch), und mit euerm vielen Schwätzen, Laufen, Rennen und sehr fleißig sein.

Das sind aber alles Küchenarbeiten. Das ist ihr Laufen um das Geld, nicht wegen der Gesundheit. Denn hättet ihr richtige Arznei, was bedürftet ihr da des Laufens, Rennens, den Seich besehen und der Bosselarbeit, die alle einen ungelehrten Arzt anzeigen, der nichts kann noch weiß.

Wo lehrt eure philosophia, so mit den Kranken umzugehen? Wo habt ihr es aus der Natur erfahren? Aber aus euerm Unverstand und Nichtkönnen müßt ihr solches treiben, damit ihr gesehen werdet, fleißig zu sein und (auf eure Kranken) gute acht zu haben. Da meinen die Bauern, ihr tut es aus großer Kunst, dabei geschieht es aus großer Narrheit. Und wenn ihr schon Aristoteles selbst wäret und Porphyrius und Albertus, dazu Avicenna, Galen selbst, noch ist kein Grund da, daß ihr einen einzigen Kranken auf eure Philosophie vertrösten dürftet, denn wer will sich auf Lügnerei und Spekulieren vertrösten lassen. Niemand.

Drum ist aller euer Grund kein Grund, denn er geht nicht aus der zu deutenden Natur, sondern aus der Phantasie, von einem zum andern vererbt und hergebracht.

Was außerhalb der deutenden, zeigenden, augenscheinlichen Philosophie gelehrt und gebraucht wird, das ist[515] alles umsonst, und alle Arznei, die außerhalb solches Grundes gebraucht wird, ist Betrügerei und nichts als ein Geratewohl und ein Glückszufall.

Und alle die Rezepte, die sie in aller ihrer Physik und Chirurgik haben, sind auf der Schnellwaage gelegen, und allein daß sie einen Glückszufall treffen und ohne ihr Dafürkönnen einen günstigen Himmel und freundliche Zeit und willige Natur, sonst erwürgten sie alles, was sie angriffen und nur anrührten, denn es ist nichts als Erzbachanterei in ihnen und nichts als lauter unerfahrener Grund, der wie ein Henker unter frommen Leuten sitzt. So sitzen sie mit ihrer Kunst unter den gelernten. Nota: de vexatione contra medicos.

Das schmeckt euch übel, daß euer Grund und eure Philosophie in den Dreck muß und ihr mit ihr, und die Säue müssen in euch wühlen und werden nichts Nützliches bei euch finden als den Dreck. Das ist: nix ist bei euch nutz; der Dreck ist das beste an euch, das andere sind eitel Blindschleichen, und die Maulwürfe nisten da in euern roten Kapuzen und mit Hagedorn gekrönten Köpfen. O, was für eine große Schande wird da aufstehen, wenn ihr und euer Aristoteles, Avicenna usw. in der Lache herumgezogen werden und die Kinder auf der Gasse werden über euch »Narr! Narr!« schreien, denn ihr habt keinen Grund in der Arznei, und euer Grund ist auf Sand gebaut. Weil es aber so ein seltsamer Sand gewesen ist, der wie Katzensilber glitzert, hat alle Welt gemeint, ihr seid silbern und golden, und jedermann hat euch um euers Spengelwerks willen geehrt, – das wird nun jetzt gefunden werden, daß es nichts ist als Katzensilber und Katzengold. O Talk, wachst du auf den Hohen Schulen? O cachimia, bist du zu Leipzig, und ich wähnte, du lägest im Lungau. O Markasit, o Magnesia, wie leuchtet ihr beim Gold, seht aus wie Gold, der Markasit auch, und im Feuer, da ist es Schwefel und Pech, Arsenik und Spießglanz. So wird der Erzgräber vom Schein betrogen, und so die Kranken ebenso von euch; sie wähnen auch, ihr wäret Ärzte, so seid ihr Vielfräße. Der Galmei ist es,[516] der das Messing macht, dem Kupfer die Farbe gibt, und ist doch ein Dreck. So werdet ihr gefärbt und bleibt doch Cornuten. O calaminaris, du wirst zu allerletzt Auripigment werden. Dann wird sich der Narr in dir lustig abschilfern und eine Haut über die andere abziehen und für und für glitzern, das gefällt den Bauern wohl. Das weißt du wohl, darum tust du das. Aus dem folgt: ein Arzt muß schön gekleidet gehen, soll einen Talar mit Knöpfen tragen, eine rote Gugel und ganz und gar rot, (warum rot? Das gefällt den Bauern wohl) und das Haar fein gestrählt und ein rotes Barett drauf, Ringe an den Fingern, Türkise, Smaragde, Saphire dadrin, und wo das nit, dann auf das wenigste mit schönem Glas, – so wird der Kranke einen Glauben an ihn haben. Und die Steine haben so eine treffliche Natur, daß sie den Kranken ihr Herz dir gegenüber zu Liebe entzünden: o du meine Liebe! O du mein Herr Doktor! – Ist das physica? ist das der hippokratische Eid? ist das Chirurgie? ist das Kunst? ist das der Grund? – O du Katzensilber! Das heißt Katzensilber, das im Sande liegt und glitzert, als sei es Silber und Gold, wie man dess' auf den Bergwerken kundig ist. Das heißt pro forma gegangen, pro doctore. Der ist gelehrt, züchtig und hat einen ehrbaren Gang und ist freundlich mit den Leuten, neigt sich allemal und grüßt alle Welt. O Pharisäer! Könntest du, wessen du dich berühmst, so wärest du kein Pharisäer, o Simon.

Weh tut es dem, der im Bösen nit aufhört, bis er seine Schande entdeckt und ganz offenbar macht, und andern Ursache gibt, die offenbar zu machen. – Nun aber, damit ihr alle wißt, was die Philosophie sei, die den Bau der Arznei trägt, ist es so, wie oben erklärt steht, daß der Arzt in der Erden, im Wasser, im Feuer, in der Luft einen Menschen suchen soll, und in den selbigen nicht vier Menschen, sondern in allen einen Menschen allein, und in den selbigen lernen, was diesem gebricht, worin er ascendiere, absteige, in was er sich erhöhe, erniedrige, wo er da gesund, wo er da krank liege. Und wenn er diesen[517] äußeren Menschen wohl weiß und ihn wohl erkannt und erfahren hat, dann soll er sich in die Fakultät der Arznei geben, und den äußeren in den inneren wenden und den inneren im äußeren erkennen, und er soll sich alleweg hüten, daß er da keineswegs in dem inneren Menschen (wie es die Hohen Schulen tun) lern, denn da ist nichts als Verführung und der Tod. Denn bis sie (ohne den äußeren Menschen) des Menschen Anliegen erkennen könnten, wie viel Feld und Äcker müßten zu dieser Erkenntnis zu Kirchhöfen werden, – wie sie denn von grundauf lügen, daß sie durch solche Erfahrenheit zu der Kunst kommen wollten. Welcher Weg ist das? der doktorische oder mörderische? Ein jeder weise Mann mag das beurteilen, ob uns Gott auf Erden durch solche Mörderei zu unserer Gesundheit zu helfen gedacht habe oder nit, da doch in Gott keine Mörderei, kein Betrug, kein Falsch ist. Sie aber sagen, so sei die Arznei von Gott verordnet; so soll der Arzt in die Arznei eingehen, das ist: durch solche Mörderei. Nach ihrem Denken ist es so. Aber es ist von Gott nit so geordnet, sondern allein von ihnen erdacht. Gott hat den äußeren Menschen geordnet, aus dem selbigen lerne denselben erkennen; den können wir nicht töten noch verderben. Und wenn wir den selbigen erkannt haben, sollen wir darnach in dem Menschen vollbringen, was wir gelernt haben; so können wirs und morden nichts. Nun habt in euch selbst den Verstand und laßt euer Gewissen einen Richter sein, und laßt ihm so viel Luft, daß es über mein Schreiben vom Äußeren lerne und vom Inneren, urteile – so wird euch euer Gewissen unterweisen, daß ihr in das Haus einsteigt und nit zur rechten Tür hineingeht. Das ist: ihr geht wie Mör der in die Arznei und steigt über die Dächer hinein und geht nicht zu der rechten Tür in die Arbeit ein, das ist: ihr nehmt eure Kunst, wie ihr es täglich mit Verderben und löten. Würgen und Verkrüppeln erfahrt; das ist falsch eingegangen in die Arznei. Aber alle Hohen Schulen im deutschen Lande steigen so in die Arznei, und die welschen desgleichen. O weh, ihr Betrüger, vos latrones furesque,[518] ihr setzt euerm Eingänge ein Deckmäntlein, das ist: dem Schalk eine Decke, auf.

Es soll die Anatomie dieses äußeren Menschen ganz dem Arzte eingebildet oder eingeprägt sein, und so ganz, daß er nit ein Härlein auf dem Haupte, nit eine Pore darin auslasse, sondern alles ganz aus dem Inaugenscheinnehmen heraus verstehe. Daraus folgt nun, daß das Setzen von Rezepten ebenso geordnet werden muß, auf daß Glied zu Glied komme, je eins dem andern gegeben werde, und nit nach den Graden eins, zwei, drei, vier, medium, finis, principium etc. Denn die Kunst der Ordinierung der Rezepte nach den Graden ist falsch und ein Betrug, und ist dermaßen ein Betrug, daß dadurch Verführungen und Erwürgungen geschehen. Denn weder die Krankheiten noch die Arznei sollen und wollen also in die Ordnung geführt werden, und die Natur erzittert darüber, daß sie in die Grade geführt werden soll. Die rechte Ordnung der Natur will, daß Anatomie mit Anatomie verglichen werde, Glied mit Glied, nit stärker noch schwächer, nicht stärker und noch stärker, denn die Krankheiten gradieren sich nicht, noch auch die Arznei. Das sie im ersten Grad gradieren, ist ein Glied, das sie in dem Mittleren des Gradus gradieren, ist ein ander Glied, das sie in dem Ende dieses Gradus gradieren, ist ein ander Glied. Und es ist nit, wie sie sagen, ein Grad. »Grad« ist nichts als eine spekulierte, unsinnige Anfängerei. So ist auch, das sie in secundum gradum setzen, ein ander Glied, im dritten ein ander Glied. Hieraus folgt nun, daß in einer solchen Aufteilung Glied zu Glied verordnet werden soll, nicht Grad zu Grad. Denn wenn ein Glied leidet und das andere auch und das dritte auch, das ist nit ein Grad; denn da sind dreierlei Leiden, also müssen da auch dreierlei Arzneien sein, nit in einem Grad, nit in einer complexio oder Qualitaet, sondern in drei Arcanen. Das ist ein trefflicher anfängerischer Einfall, den die doctores mit den Graden haben! Wenn eine Krankheit da wäre, und wäre heiß, und wollte durch Kälte gesund werden, so soll man dieser Kälte nicht die Kraft zulegen, sondern[519] dem arcanum, das da handelt, – nicht die Kälte handelt. Das ist gleich wie bei einem Menschen, der ein Ding tun soll, – was hilft ihm Wärme oder Kälte dazu? Nichts. Was nützt die Hitze der Stimme? Was nützt die Kälte den Ohren? Nichts. Diese Dinge, Wärme und Kälte, sind in allen Dingen; sie handeln aber nichts. Da liegt ihr anfängerischer Einfall, den sie auf den Hohen Schulen pflegen und gebrauchen. Dazu haben sie auch das Nötigste vergessen; sie setzen nur eine Wärme, nur eine Kälte, und müssen dabei doch bekennen, daß es, dieweil es nur eine Kälte und eine Wärme sein soll, nit einerlei Kraft habe. Sondern: in der Kälte ist die, in der die (Kraft), in der Hitze das, in der Hitze das; aus der Ursache müssen sie fehlen, wenn sie Kaltes wider Heiß, Heiß wider Kaltes gebrauchen. Und was ihnen darin gerät, das tut das arcanum, von dem sie nichts gewußt haben. Drum so kann ich billig sagen, daß Glied zu Gliede gehöre, nach dem Maße der äußeren und inneren Arznei, und nicht Grad zu Grad. So soll eure Arznei sein und nicht so, wie euer Einfall ist. Das ist philosophia, daß ihr den äußeren Menschen erkennt und durch ihn den Mikrokosmos. Jetzt kannst du ein Arzt geheißen werden, auf einen Felsen gebaut, und nicht auf einen Sumpf oder Moos, so wie eure Doktrin nach einer solchen stinkenden Dreckpfütze gebaut ist, und steht. Pfui dich, du stinkender Bachant aus Meißen, säubere dich einmal und gehe ins Bad.

Nach dem Inhalt und Maß dieser Anatomie sollt ihr die Krankheiten zu nehmen wissen und dieselbigen wissen zu verstehen und zu erkennen, damit ihr dann wißt, warum der Skorpion das skorpionische Gift heile; darum nämlich, weil er des andern Anatomie ist; so ist der äußere Mensch der inneren Anatomie, je eins die des andern. Denn also heilt Arsenic den arsenicum, so Realgar realgar, so Herz das Herz, Lunge die Lunge, Milz die Milz; nit die Milz von Kühen, nit das Hirn von Säuen das Hirn des Menschen, sondern das Hirn, das des inneren Menschen äußeres Hirn ist. Aus der und dieser[520] Anatomie traktiert die Philosophie, und das ist die Philosophie, und ist die Philosophie, aus der der Arzt wächst. Ihr lieben Ärzte all, wie groß ist die Person des äußeren Menschen! Wie groß seine arcana, seine Tugenden, Eigenschaften, Wesen und Kraft! Was ist eure speculatio und Invention? Mundificieren, abstergieren, reinigen und abwischen, im Grunde recht zu erkennen, ihr Leib- und Wundärzte! Hieraus sollt ihr wachsen, hieraus sollt ihr entspringen, nit aus euern Anfänger-Köpfen, in denen nicht ist als Verführung und Irrung. Ihr beide, Leibarzt und Wundarzt, sollt (beide) aus der Philosophie gehen und im Grunde ungeteilt stehen; allein in der Praktik sollt ihr euch teilen. Aber ein jeglicher Leib-und Wundarzt soll zu beiden Seiten sein und nit geteilt als in der Praktik.

Dazu sagen viele: Theophrastus sei kein philosophus, sei kein physicus, sei nur ein chirurgicus, (der noch euer aller Patron und Fürst werden wird). Betrachtet eure Blindheit im Grunde recht und beurteilt alle Dinge nach euerm Gewissen, so werdet ihr finden, daß Theophrastus noch der größte physicus ist, der in der physic euch noch alle mit Ruten streichen wird. Aber ihr könnt wohl mit den Juden, alldieweil ihr in der Arznei jüdisch handelt, sprechen, ich sei ein Verführer des Volkes, ich habe den Teufel, ich sei besessen, ich sei aus der Nigromantie belehrt worden, ich sei ein magus; diese Dinge all sprachen die Juden auch zu Christus. Ich bin so viel, daß ihr mir nicht die Riemen vom Schuh auflösen könnt, und denkt nicht anders: ich sei ein nigromanticus, ein geomanticus, ein hydromanticus oder ein magus, so werdet ihr doch unter meinen Füßen liegen; und braucht all eure Kunst und was ihr wißt, es wird euch alles nichts helfen; ich will euch dem Teufel, den ihr sagt, er sei in mir, heimschicken, denn er gehört euch, nit mir. Es ist aber die Art aller Bescheißer und der Bauchpharisäer und Hypocriten, daß ihr euch so beschirmt und schützt; das in euch ist und damit ihr besessen seid, das legt ihr andern auf; doch das hilft euch nichts, man muß nichtsdestominder,[521] ihr Stadtesel und Kälberärzte der Fürsten und gloridoctores auf den Hohen Schulen, eurer Kunst inne werden. Ihr zeugt über euch selbst, daß ihr diejenigen, (die das Heilen verstehen), seid, und eure Kundschaft ist gut und richtig, denn ihr gebraucht eine ausgeklaubte, auserlesene Büberei; ihr heißt den lapis lazuli die melancholia purgieren, den Helleborum das phlegma und den Rhabarber die cholera. Wer hat euch gesagt, daß dem so sei? Der Narr sticht euch. Es ist ein klarer Handel: wenn es wahr wäre, was ihr gradiert, componiert, ordiniert, wer sollte noch krank sein? Drum aber, weil es nichts ist, wer kann gesund sein?

Damit ich meine Hörer nicht zu lange aufhalte, will ich diese meine Philosophie, in der angezeigt worden ist, das sie wissen sollen, beschließen. Wenn sie die Dinge, die darin behandelt werden, nicht in ihnen haben, sollen sie sich keineswegs unterstehen in die Arznei zu gehen, – und sollen ihrer Lehrer Werk begreifen lernen, wie die so gar keine Nothelfer in Nöten sein und so wenig gesund machen und leider so viel verderben. Und sollen dasselbe allemal in Gedanken fassen, auf ihre Lehrer acht zu haben, wie da der falsche Arzt mitlaufe, auf daß ihr nit in ihre Fußstapfen kommt; und beurteilt selbst ihre Lehre und laßt sie sie nit selbst urteilen, denn sie geben sich nicht verloren, haben allemal recht, und bleibt ihnen allemal Recht über. Ich schreib aber, daß ihr nit verführt werdet, und bitte euch, lests und durchlests mit Fleiß, nit mit Neid, nit mit Haß, weil ihr doch Hörer seid in der Arznei; lernt auch von meinen Büchern, auf daß ihr mein Urteil und das der andern vor euch nehmt, und führt euern Willen nach euerm guten Urteil. Denn so lange euch der Grund der Arznei nicht dahin führt, daß ihr die Gleichheit der vier Elemente erkennt, und sie nicht als den Mikrokosmos findet und haltet, so lange könnt ihr nit zum Grunde kommen. Denn ihr habt das Metall im Wasser, ebenso habt ihr auch in der Erden Metalle, ebenso im Feuer, ebenso auch in der Luft. Ihr habt mercurius, das ist Quecksilber, im Wasser und einen gleichen[522] mercurius in der Erden, das ist sanguinea, und einen gleichmäßigen mercurius im Feuer, das ist der mercurius an sich selbst, und in der Luft einen solchen, manna. Also sind viererlei mercurii, vielerlei Metall, und sind doch im Menschen einerlei Wirkung. Denn viererlei ist der Mensch, viererlei die Arznei, je Glied auf Glied; so findet ihr viererlei Schnee, viererlei Melissen, viererlei thereniabin, viererlei der Amethysten. Und es sei denn Sach, daß ihr in diesen Dingen wohl unterrichtet seid, sonst werdet ihr, ohne betrogen worden zu sein, und ohne Verführung durch eure Fakultät, nicht vollenden. Denn ihr müßt die viererlei Chelidonien, die viererlei Verbenen, die viererlei Angelica, anthos, antheras wissen und kennen. Wenn ihr die wißt, so könnt ihr vollkommen und wohl in die Arznei gehen, denn hierin liegt die Erkenntnis des Herzens, der Leber, der Milz, der Nieren, des Hirns und aller Teile im Leibe. Es wird bei euch keine Wahrheit gefunden werden, wenn ihr nit der Figur folgt, welche die Natur gezeichnet hat. Denn ihr seht, daß nichts im Menschen liegt, das nicht außen an ihm bezeichnet ist, seine Treu, sein Falsch usw., – die Natur zeichnet ihn. Nun ist sie aber so subtil, daß sie solche doctores und Lehrer, Meister und andere dergleichen nit am Leibe zeichnen kann; Ursach: sie sind nimmer in der Form, dem Model, in der Mutter. Sollten sie mit solcher ihrer Phantasei und Narrenfakultät geboren werden, man würde Wunder von seltsamen Figuren sehen, wie die Natur sie seltsam bezeichnen würde. Nun aber, damit sie nicht unbezeichnet bleiben, und weil sie doch nit im Mutterleib liegen, so zeichnet sies durch die magica so: sie legt ihnen Kleider, Kappen an usw., wodurch sie Narrenzeichen tragen, und nit allein Narrenzeichen, sondern auch Bescheißerzeichen; das sind die pharisäische Kleidung, Ornamente, fimbriae oder Krausen, Ringe und anderes solches Spengelwerk, Bulletten oder Kapseln, Barettlein, Narrenkappen; welche äußere Zierden nit aus dem Grunde der Arznei, sondern aus dem Grunde des Lichts der Natur, die ihre entlaufenen Narren also zeichnet,[523] kommen. O, liebe Freunde, die Natur zeichnet den Menschen und das ist wahr; aber ein Großes ist es, daß sie ihre Zeichen so gut verbergen können und nehmen andere und anderes an sich. So sie zum zweiten Male von der Natur auf ihre Kunst, Weisheit und was sonst in ihnen wäre, und was sie sonst wissen und können, die Form nehmen, ihr würdet wunderliche Figuren sehen; seltsamere monstra würde Arabia, über alle Kameltiere und Büffel hinaus, nit haben. Es würden Figuren zerfließen, bis ein Jeglicher sein Zeichen hätte, denn es sind wohl sehr viele dieser Gäuche; es wäre ein groß Verwundern, dem der es erkennen würde. Die magica aber macht es kurz, hängt ihnen Kappen an und läßts dabei bleiben; es ist einem jeden Narren genug an seinem Kolben oder an der Kappe.

Quelle:
Theophrast Paracelsus: Werke. Bd. 1, Darmstadt 1965, S. 503-524.
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