Zweiter Abschnitt.
Nothwendigkeit die Religion zu studiren.

[234] Möchten die, welche die Religion bekämpfen, wenigstens lernen, welcher Art sie ist, ehe sie sie bekämpfen. Wenn diese Religion sich rühmte eine klare Kenntniß von Gott zu haben und sie unverhüllt und ohne Schleier zu besitzen, so wäre sie schon bekämpft, wenn man sagte, daß man in der Welt nichts sieht, was ihn mit Evidenz zeigt. Aber weil sie im Gegentheil sagt, daß die Menschen in der Finsterniß und in der Entfernung von Gott sind, daß er sich ihrer Erkenntniß verborgen hat und daß dies selbst der Name ist, den er sich in der Schrift giebt, der verborgene Gott und endlich wenn sie sich gleichmäßig Mühe giebt diese beiden Stücke fest zu stellen, daß Gott in der Kirche merkliche Zeichen niedergelegt hat um sich von denen erkennen zu lassen, die ihn aufrichtig suchen würden und daß er diese Zeichen dennoch auf solche Weise verhüllt hat, daß er nur von denen wird bemerkt werden, die ihn suchen von ganzem Herzen: welchen Vortheil können sie davon ziehen, wenn sie nach ihrem offnen Geständniß die Wahrheit zu suchen verabsäumen und dann wehklagen, daß nichts sie ihnen zeigt,[234] indem diese Dunkelheit, in welcher sie sind und die sie der Kirche vorwerfen, eben das eine von den Stücken, die sie behauptet, nur noch mehr feststellt, ohne das andre zu rühren und ihre Lehre bestätigt, weit entfernt sie um zu stoßen?

Um sie zu bekämpfen, müßten sie klagen, daß sie alle Anstrengungen gemacht haben, sie zu suchen überall und selbst in dem, was die Kirche aufstellt, um sich davon zu unterrichten, aber ohne die geringste Befriedigung. Wenn sie so sprächen, so würden sie doch wirklich eine ihrer Behauptungen bekämpfen. Aber ich hoffe hier zu zeigen, daß es keinen vernünftigen Menschen giebt, der so sprechen könne und ich wage sogar zu sagen, daß nie einer es gethan hat. Man weiß genugsam in welcher Art die handeln, die dieses Geistes sind. Sie glauben große Anstrengungen gemacht zu haben, um sich zu unterrichten, wenn sie einige Stunden auf das Lesen der Schrift verwendet und irgend einen Geistlichen über die Wahrheiten des Glaubens befragt haben. Darnach rühmen sie sich gesucht zu haben ohne Erfolg, in den Büchern und unter den Menschen. Aber in Wahrheit ich kann mich nicht enthalten ihnen zu sagen was ich oft gesagt habe, daß diese Nachlässigkeit nicht zu ertragen ist. Es handelt sich hier nicht um das flüchtige Interesse für eine fremde Person, es handelt sich hier um uns selbst und um unser Alles.

Die Unsterblichkeit der Seele ist eine Sache, die uns soviel angeht und die uns so tief berührt, daß man alles Gefühl verloren haben muß um gleichgiltig darüber zu sein, ob man weiß was daran ist. Alle unsere Handlungen und alle unsere Gedanken müssen so verschiedene Richtungen nehmen, je nachdem es ewige Güter zu hoffen giebt oder nicht, so daß es unmöglich ist einen Schritt zu thun mit Sinnen und Vernunft ohne ihn zu bestimmen durch die Hinsicht auf[235] diesen Punct, der unser erster Gegenstand der Betrachtung sein muß.

Also unser erstes Interesse und unsere erste Pflicht ist es uns auf zu klären über diesen Gegenstand, von dem unsere ganze Lebensweise abhängt. Deswegen bei denen, die davon nicht überzeugt sind, mach ich einen großen Unterschied zwischen denen, die mit allen ihren Kräften sich zu unterrichten arbeiten und denen, die leben ohne sich darum Mühe zu machen und ohne daran zu denken.

Ich kann nur Mitleid haben mit denen, die aufrichtig seufzen in diesem Zweifel, die ihn für das äußerste Unglück ansehn, die nichts sparen um daraus zu entkommen und aus dieser Untersuchung ihre hauptsächliche und ernstlichste Beschäftigung machen. Aber die, welche ihr Leben hinbringen ohne an dieses letzte Ende des Lebens zu denken und die aus dem Grunde allein, weil sie nicht in sich überzeugende Einsichten finden, es vernachlässigen sie anderwärts zu suchen und bis auf den Grund zu erforschen, ob diese Meinung eine von denen ist, die das Volk mit einer leichtgläubigen Einfalt annimmt, oder eine von denen, die, obgleich an sich dunkel, nichts desto weniger einen sehr festen Grund haben, die sehe ich auf eine ganz verschiedene Weise an. Diese Nachlässigkeit in einer Sache, wo es sich handelt um sie selbst, um ihre Ewigkeit, um ihr Alles, erzürnt mich mehr, als sie mich rührt, sie setzt mich in Erstaunen und erschreckt mich, es ist mir eine Unnatur. Ich sage das nicht in dem frommen Eifer einer geistlichen Verzückung. Ich verlange im Gegentheil, daß die Eigenliebe, daß das menschliche Interesse, daß der einfachste Schimmer der Vernunft uns diese Gesinnungen geben soll. Man braucht dazu nur zu sehn, was die am wenigsten geistreichen Menschen sehn.

Man braucht nicht einen sehr hohen Geist zu haben um zu begreifen, daß es hier keine wahrhafte und bleibende Befriedigung[236] giebt, daß alle unsere Freuden nur eitel, unsere Uebel unendlich sind und daß zuletzt der Tod, der uns jeden Augenblick drohet, in wenig Jahren oder in wenig Tagen uns versetzen muß in einen ewigen Zustand des Glücks oder des Unglücks oder der Vernichtung. Zwischen uns und dem Himmel, der Hölle oder dem Nichts ist also nur das Leben, das zerbrechlichste Ding der Welt und da der Himmel gewiß nicht für die ist, welche zweifeln, ob ihre Seele unsterblich ist, so haben sie nur die Hölle oder das Nichts zu erwarten.

Nichts ist wahrer als das, nichts schrecklicher. Mögen wir uns so keck stellen als wir wollen, das ist das Ende, was das schönste Leben der Welt erwartet.

Umsonst wenden sie ihre Gedanken von jener Herrlichkeit ab, die sie erwartet, als könnten sie sie zu nichts machen dadurch, daß sie nicht daran denken. Sie besteht trotz ihnen, sie rückt vor und der Tod, der sie ihnen aufschließen muß, wird sie unfehlbar in kurzer Zeit in die furchtbare Nothwendigkeit versetzen ewig entweder vernichtet oder unglücklich zu sein.

Das ist ein Zweifel von furchtbarer Wichtigkeit und es ist gewiß schon ein großes Unglück in diesem Zweifel zu sein, aber es ist wenigstens eine unerläßliche Pflicht zu suchen, wenn man darinnen ist. Also der, welcher zweifelt und sucht nicht, ist zugleich sehr ungerecht und sehr unglücklich. Und wenn er dabei ruhig und zufrieden ist, daß er das geradezu bekennt und noch gar sich daraus eine Ehre macht und in diesem Zustande selbst den Gegenstand seiner Freude und Eitelkeit findet, ich habe keine Worte um ein so ungereimtes Geschöpf zu bezeichnen.

Wo kann man diese Gesinnungen hernehmen? Welchen Grund zur Freude findet man darin nichts als Elend ohne Hilfe zu erwarten? Welchen Grund zur Eitelkeit sich in[237] undurchdringlichen Dunkelheiten zu sehn? Welchen Trost nie einen Tröster zu hoffen?

Diese Ruhe in dieser Unwissenheit ist eine Unnatürlichkeit, deren Ungereimtheit und Unverstand man denen, die darin ihr Leben hinbringen, fühlbar machen muß, indem man ihnen zeigt, was in ihnen vorgeht, um sie durch den Anblick ihrer Thorheit zu schlagen. Denn in folgender Art urtheilen die Menschen, wenn sie erwählen zu leben ohne zu wissen, was sie sind und ohne darüber Aufklärung zu suchen.

Ich weiß nicht, wer mich in die Welt gesetzt hat, noch was die Welt ist, noch was ich bin. Ich befinde mich in einer erschrecklichen Unkenntniß aller Dinge. Ich weiß nicht: was ist mein Leib, meine Sinne, meine Seele und selbst dieser Theil von mir, der denkt was ich sage und der über alles und über sich selbst Betrachtungen anstellt, kennt sich nicht mehr als alles Uebrige. Ich sehe diese Staunen erregenden Räume des Universums, die mich umschließen und finde mich gebannt in einen Winkel dieser weiten Ausdehnung ohne zu wissen, warum ich vielmehr an diesen Ort gestellt bin als an einen andern, noch warum die kurze Zeit, die mir gegeben ist zu leben, mir vielmehr an diesem Punct angewiesen ist als an einem andern in der ganzen Ewigkeit, die mir voran gegangen ist und die mir folgt. Von allen Seiten sehe ich nichts als Unendlichkeiten, die mich verschlingen wie ein Atom und wie einen Schatten, der nur einen Augenblick dauert ohne Rückkehr. Alles, was ich weiß, ist, daß ich bald sterben muß, aber was ich am Meisten nicht weiß, ist dieser Tod selbst, dem ich nicht zu entgehen im Stande bin.

Wie ich nicht weiß, woher ich komme, weiß ich auch nicht, wohin ich gehe und ich weiß bloß: wenn ich aus dieser Welt gehe, falle ich für immer entweder in das Nichts oder in die Hände eines erzürnten Gottes ohne zu wissen,[238] welches von diesen beiden Verhältnissen mir ewig zu Theil werden soll.

So ist mein Zustand voll von Elend, von Schwäche, von Dunkelheit. Und aus alle dem schließe ich, daß ich also alle Tage meines Lebens hinbringen soll, ohne an das was mir begegnen wird zu denken und daß ich nur meinen Neigungen folgen soll ohne Nachdenken und ohne Unruhe, indem ich alles Gehörige thue, um in das ewige Elend zu sinken, im Fall das, was man davon sagt, wahr ist. Vielleicht könnte ich in meinen Zweifeln einige Aufklärung finden, aber ich will mir um sie nicht Mühe geben noch einen Schritt thun sie zu suchen und mit Verachtung behandle ich diejenigen, welche sich an dieser Sorge abarbeiten und will ohne Voraussehn und ohne Fürchten einem so großen Ereigniß entgegen gehen und mich geduldig zum Tode führen lassen, in der Ungewißheit über die Ewigkeit meines künftigen Zustandes.

Wahrlich es ist ehrenvoll für die Religion so unvernünftige Menschen zu Feinden zu haben und deren Widerspruch ist ihr so wenig gefährlich, daß er vielmehr dient zur Bestättigung der hauptsächlichsten Wahrheiten, die sie uns lehrt. Denn der christliche Glauben geht hauptsächlich nur darauf hin diese beiden Stücke fest zu stellen, das Verderben der Natur und die Erlösung Jesu Christi. Nun denn, dienen sie nicht die Wahrheit der Erlösung zu zeigen durch die Heiligkeit ihrer Sitten, so dienen sie doch vortrefflich das Verderben der Natur zu zeigen durch so unnatürliche Gesinnungen.

Nichts ist so wichtig für den Menschen, als sein Zustand, nichts ist ihm so furchtbar als die Ewigkeit. Also, wenn sich Menschen finden, die gleichgültig sind gegen den Verlust ihres Seins und gegen die Gefahr einer Ewigkeit voll Elend, so ist[239] das gar nicht natürlich. Sie sind ganz anders im Betreff aller andern Dinge, sie fürchten selbst für die geringsten Kleinigkeiten, sie sehen sie voraus und empfinden sie und derselbe Mensch, der Tage und Nächte in Wuth und in Verzweiflung zubringt wegen des Verlusts einer Stelle oder wegen einer eingebildeten Verletzung seiner Ehre, ist derselbe, der weiß, daß er alles verlieren wird durch den Tod und der nichts desto weniger ohne Unruhe bleibt, ohne Sorge und ohne Bewegung. Diese seltsame Unempfindlichkeit für die schrecklichsten Dinge in einem Herzen, das so empfindlich ist für die unbedeutendsten, ist ein Unding, eine unbegreifliche Verzauberung, eine übernatürliche Einschläferung.

Wenn ein Mensch in einem Kerker nicht weiß, ob sein Urtheil gefällt ist und nur noch eine Stunde hat um es zu erfahren und diese Stunde wäre hinreichend, wenn er weiß daß es gefällt ist, den Widerruf zu bewirken, so ist es gegen die Natur, wenn er diese Stunde anwendet, nicht um sich zu erkundigen, ob dieses Urtheil gefällt ist, sondern um zu spielen und sich zu vergnügen. Das ist der Zustand, in welchem sich jene Menschen befinden, mit dem Unterschied, daß die Uebel, von denen sie bedroht werden, weit andre sind als der bloße Verlust des Lebens und eine vorübergehende Strafe, welche der Gefangene zu fürchten haben würde. Indessen sie laufen ohne Sorge in den Abgrund, nachdem sie sich etwas vor die Augen gebunden haben, um ihn nicht sehn zu können und sie spotten derer, die sie auf denselben aufmerksam machen.

Also nicht nur der Eifer derer, die Gott suchen, beweist die wahre Religion, sondern auch die Blindheit derer, die ihn nicht suchen und die in dieser gräßlichen Nachlässigkeit leben. Es muß eine seltsame Umkehrung der menschlichen Natur Statt finden um in diesem Zustand zu leben und noch mehr um sich dessen zu rühmen. Denn wenn sie eine[240] völlige Gewißheit hätten, daß sie nach dem Tode nichts zu fürchten haben als in das Nichts zu fallen, wäre das nicht ein Gegenstand vielmehr des Verzweifelns als des Rühmens? Ist es denn nicht eine undenkbare Thorheit sich nun, da man dessen nicht sicher ist, eine Ehre daraus zu machen, daß man zweifelt?

Und dennoch ist es gewiß: der Mensch ist so entartet, daß in seinem Herzen ein Keim von Freude hierüber liegt. Dieses gleichsam thierische Ruhigsein zwischen der Furcht der Hölle und des Nichts scheint so schön, daß nicht bloß die, welche wirklich in diesem unseligen Zweifel sind, sich dessen rühmen, sondern daß selbst die, welche nicht darin sind, glauben, es sei ihnen rühmlich sich zu stellen, als wären sie darin. Denn die Erfahrung lehrt uns, daß die Mehrzahl derer, die sich dazu zählen, zu dieser letzten Gattung gehören, daß es Leute sind, die sich verstellen und die nicht so sind, wie sie scheinen wollen. Das sind Menschen, die gehört haben, daß der gute Ton der Welt darin bestehe auf solche Art seine Kühnheit zu zeigen. Das nennen sie das Joch abgeschüttelt haben und die Mehrzahl thut es nur um den andern nach zu ahmen.

Aber wenn sie nur, sei es auch noch so wenig, gefunden Menschenverstand haben, ist es nicht schwer ihnen begreiflich zu machen, wie sehr sie sich irren, indem sie dadurch Achtung zu erlangen suchen. Das ist nicht das Mittel Achtung zu erwerben, ja, selbst nicht unter den Weltleuten, die verständig über die Dinge urtheilen und die wissen, daß der einzige Weg dazu zu gelangen ist: sich rechtlich zeigen, treu, verständig und fähig seinen Freunden mit Nutzen zu dienen; weil die Menschen natürlicher Weise nur das lieben, was ihnen nützlich sein kann. Also welchen Vortheil gewährt es uns einen Menschen sagen zu hören, wie er das Joch abgeschüttelt hat, wie er nicht glaubt, daß es einen Gott giebt,[241] der über seine Handlungen wacht, wie er sich als alleinigen Herrn seines Thuns betrachtet, wie er davon nur sich Rechenschaft zu geben denkt? Meint er uns so dahin gebracht zu haben, daß wir seitdem rechtes Vertrauen zu ihm fühlen und von ihm erwarten Trost, Rath und Hilfe bei den Bedürfnissen des Lebens? Meint er uns recht ergötzt zu haben, wenn er uns sagte, daß er zweifelt, ob unsere Seele etwas anders ist als ein wenig Wind und Rauch und besonders wenn er uns das mit einem stolzen und selbstzufriedenen Ton sagte? Ist das denn eine Sache lustig zu sagen und nicht vielmehr eine Sache traurig zu sagen wie die traurigste Sache von der Welt?

Dächten sie ernstlich darüber nach, so würden sie sehn, daß das so falsch aufgefaßt ist, so wider allen gesunden Sinn, so entgegengesetzt aller Rechtlichkeit, und in jeder Art so entfernt von jenem guten Ton, den sie suchen, daß nichts mehr dazu geeignet ist ihnen die Verachtung und den Abscheu der Menschen zu zu ziehen und sie als Leute ohne Geist und ohne Urtheil zu zeigen. Und in der That, wenn man sie auffordert, Rechenschaft zu geben von ihren Meinungen und von den Gründen, die sie haben an der Religion zu zweifeln, werden sie so schwache und seichte Dinge vorbringen, daß sie vielmehr vom Gegentheil überzeugen werden. Das sagte ihnen einmal jemand sehr passend: Wenn ihr fortfahret so zu sprechen, sagte er, so werdet ihr mich wahrlich bekehren. Und er hatte Recht, denn wer möchte sich nicht scheuen Meinungen zu haben, in denen man so verächtliche Menschen zu Genossen hat?

Also diejenigen, welche diese Meinungen bloß vorgeben, sind recht unglücklich, daß sie ihrer Natur einen Zwang anthun um sich zu den Ungereimtesten unter den Menschen zu machen. Sind sie ärgerlich im Innersten ihres Herzens, daß sie nicht mehr Einsicht haben, so mögen sie es nicht[242] verheimlichen. Dieser Erklärung brauchen sie sich nicht zu schämen. Man braucht sich über nichts zu schämen, als wenn man keine Scham hat. Nichts entdeckt mehr eine wunderliche Geistesschwäche, als wenn man nicht erkennt, wie groß das Unglück ist eines Menschen ohne Gott. Nichts bezeichnet mehr eine recht tiefe Niedrigkeit des Gemüths, als wenn man nicht verlangt nach der Wahrheit der ewigen Verheißungen. Nichts ist feiger als sich dreist stellen gegen Gott. Mögen sie denn diese Gottlosigkeiten denen überlassen, die unselig genug sind ihrer wirklich fähig zu sein; mögen sie wenigstens rechtliche Leute sein, wenn sie noch nicht Christen sein können und mögen sie endlich erkennen, daß es nur zwei Arten von Menschen giebt, die man vernunftig nennen kann; die, welche Gott dienen von ganzem Herzen, weil sie ihn kennen und die, welche ihn suchen von ganzem Herzen, weil sie ihn noch nicht kennen.

Also nur für diejenigen, welche aufrichtig Gott suchen und ihr Elend erkennend wahrhaftig aus demselben heraus zu kommen verlangen, nur für die ist es recht zu arbeiten, um ihnen zu helfen, daß sie das Licht finden, welches sie nicht haben.

Aber diejenigen, welche leben ohne ihn zu kennen und ohne ihn zu suchen, halten sich selbst so wenig ihrer eignen Sorge werth, daß sie fremder Sorge nicht werth sind, und man muß alle die Liebe der Religion, die sie verachten, besitzen um sie nicht so sehr zu verachten, daß man sie in ihrer Thorheit verläßt. Aber weil diese Religion uns verpflichtet sie immer, so lange sie in diesem Leben sind, an zu sehn als der Gnade fähig, die sie erleuchten kann und zu glauben, daß sie in kurzer Zeit mehr voll Glauben sein können als wir es sind und daß wir umgekehrt verfallen können in die Blindheit, in der sie sich finden: so müssen wir für sie thun, was wir wünschen würden, daß man für uns thäte,[243] wenn wir an ihrer Stelle wären und müssen sie auffordern Mitleid mit sich selbst zu haben und wenigstens einige Schritte zu thun um zu versuchen, ob sie nicht Licht finden werden. Mögen sie dem Lesen dieses Buchs einige von den Stunden schenken, die sie sonst anderswo so unnütz verwenden! Vielleicht werden sie hier etwas antreffen, oder wenigstens werden sie dabei nicht viel verlieren. Aber von denen, die eine vollkommene Aufrichtigkeit und ein wahrhaftes Verlangen nach Erkenntniß der Wahrheit dazu mitbringen, hoffe ich, daß sie hier Befriedigung finden sollen und daß sie von den Beweisen einer so göttlichen Religion, die hier zusammengetragen sind, sollen überzeugt werden.

Quelle:
Pascal's Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände. Berlin 1840, S. 234-244.
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Universal-Bibliothek Nr. 1622: Gedanken: Über die Religion und einige andere Themen
Gedanken: Über die Religion und einige andere Themen. (Reihe Reclam)

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