Viertes Kapitel.
Von der Elektrizität65

[218] Bis jetzt kannten wir nur Eine Kraft der Natur, Licht und Wärme, die in ihrer Wirksamkeit nur durch das Entgegenstreben toter Stoffe gehemmt werden konnte; jetzt erweckt ein ganz neues Phänomen unsere Aufmerksamkeit, in welchem Tätigkeit gegen Tätigkeit, Kraft gegen Kraft aufzustehen scheint. Dies ist aber auch das Einzige beinahe, was wir vom Ursprunge jenes merkwürdigen Phänomens Gewisses und Zuverlässiges wissen. Daß entzweite Kräfte da sind und wirken, glauben wir zu sehen, und die genaueste Untersuchung, die das Phänomen verstattet, hat es beinahe zweifellos gemacht. Aber was eigentlich die Natur und Beschaffenheit jener beiden Kräfte sei, ob sie Erscheinung einer und derselben ursprünglichen Kraft sind, die nur durch irgend eine dritte Ursache mit sich selbst entzweit ist, oder ob zwei ursprünglich einander entgegenstrebende Kräfte, die im gewöhnlichen Zustande irgend ein Drittes gebunden hält, hier – man weiß nicht wie – entfesselt und miteinander in Streit gesetzt sind, dies sind Fragen, auf die es bis jetzt noch keine zuverlässige Antwort gibt. Vielleicht gibt es keine Erscheinung in der Natur, die in allen[218] ihren Verhältnissen, in allen einzelnen Wendungen, die sie nimmt, mit solcher Genauigkeit beobachtet ist, als das Phänomen, von dem wir sprechen. Das schnelle Vorüberschwinden der elektrischen Erscheinungen nötigte die Naturforscher, auf künstliche Mittel zu denken, die sie in den Stand setzten, jene Erscheinungen, so oft es ihnen beliebte, so stark oder so schwach es ihrem jedesmaligen Zweck gemäß war, zu erregen. Beinahe mit gleichem Dank wurde die Erfindung der Maschine, wodurch die größtmögliche Elektrizität erregt, und der halbleitenden Platte, durch welche die schwächste noch fühlbar gemacht wird, aufgenommen; der Triumph ihrer Maschinerie aber war der Harzkuchen, der durch besondere Vorrichtungen die Elektrizität länger als jedes andere Instrument zurückhält. Dadurch wurde die Lehre von der Elektrizität beinahe mehr eine Aufzählung der Maschinen und Instrumente, die man zu ihrem Behuf erfand, als eine Erklärung ihrer Phänomene. Je mehr aber mit Hilfe dieser Erfindungen Erscheinungen und Beobachtungen sich vervielfältigten, desto weniger fügten sie sich in die Schranken der bisherigen Hypothesen, und man kann wirklich behaupten, daß, den Einen großen Hauptsatz dieser Lehre und einige demselben untergeordnete Sätze ausgenommen, in der ganzen Lehre von der Elektrizität nicht ein einziger allgemeiner Grundsatz zu finden ist.

Nachdem man die Einteilung der Körper in elektrische und unelektrische aufgegeben, und eine andere in Leiter, Nichtleiter und Halbleiter an ihre Stelle gesetzt hat, hat man doch bis jetzt noch kein Gesetz gefunden, nach welchem die Körper Leiter oder Nichtleiter sind. Körper, die man unter eine Klasse gesetzt hatte, versetzte bald eine erweiterte Erfahrung in beide. Veränderungen der Quantität, der Temperatur usw. machen auch Veränderungen in der Leitungsfähigkeit der Körper. Glühendes Glas leitet, trockenes Holz ist ein Halbleiter, völlig gedörrtes oder ganz frisches ein Leiter. Selbst die besten Nichtleiter, wie Glas, können durch häufigen Gebrauch Leiter werden. Noch viel weniger aber weiß man, woher eigentlich dieser ganze Unterschied der Körper kommt, und der möglichen Vorstellungsarten hierüber gibt es auch jetzt noch mehrere. Man hat den Grund[219] davon bald in der größeren oder geringeren Anziehung, bald in der größeren oder geringeren Kapazität dieser Körper gegen die elektrische Materie gesucht. Besser vielleicht hätte man beides verbunden. Gibt es Körper, die gegen die elektrische Materie (so müssen wir uns auf jeden Fall ausdrücken, so lange wir das Phänomen nehmen, wie es den Sinnen auffällt) weder Anziehung noch Kapazität beweisen? Hierher würden alle Materien gehören, die sich durch keine innere Qualitäten auszeichnen, wie das Glas, dessen Durchsichtigkeit schon verrät, wie sehr es aller inneren qualitativen Eigenschaf ten beraubt ist. Dienen diese Körper vielleicht eben deswegen am besten dazu, Elektrizität anzuhäufen, die, von nichts angezogen, wie eingeschläfert auf ihnen ruht, bis ein anderer Körper, der gegen sie Anziehung beweist, in ihren Wirkungskreis kommt? –

Gibt es außer diesen Körpern andere, die jene Materie stark anziehen, ohne eine verhältnismäßige Kapazität für sie zu haben? Das Maximum, was sie in jedem einzelnen Punkt davon aufnehmen können, wäre sogleich erreicht, die überall gleich starke Anziehung führte die Materie über die ganze Oberfläche weg; ebenso leicht, als sie die elektrische Materie aufgenommen hätten, würden sie dieselbe an andere Körper verlieren. –

Eine dritte Klasse wären diejenigen Körper, die gegen die elektrische Materie ebensoviel Kapazität als Anziehung beweisen, in denen sie daher ebenso leicht erregt als zurückgehalten wird. Gehörten unter diese Klasse etwa alle die Körper, die durch Wärme leicht schmelzbar sind [wie Harz, Pech u.a.m.]. Dies sind nichts als Möglichkeiten, die vielleicht erst im Zusammenhange mit anderen erwiesenen Sätzen Wahrscheinlichkeit oder Gewißheit erlangen.

In derselben Ungewißheit sind wir bis jetzt noch in Ansehung der Erregung der elektrischen Erscheinungen. Ist es der bloße Mechanismus des Reibens, der die elektrische Materie im Innern der Körper in Bewegung setzt? Oder ist es die durch Reibung zugleich erregte Wärme, die erst auf jene Materie wirkt, sie elastischer macht, oder wohl gar zersetzt? Oder – doch[220] ich will nicht alle Möglichkeiten, auf die wir im Verlauf der Untersuchung stoßen müssen, zum voraus erschöpfen.

Man darf beinahe nur die ersten einfachsten Experimente, die Äpinus mit dem Tourmalin angestellt hat, lesen66, um überzeugt zu werden, wie unwissend wir noch in Ansehung dieser Fragen sind. Dieser Stein, sobald er erwärmt ist, zieht an und stößt ab nach Gesetzen der Elektrizität, er vereinigt in sich entgegengesetzte Elektrizitäten, ungleich erhitzt verwechselt er, um mich so auszudrücken, seine elektrischen Pole, überhaupt scheint er ebenso nahe dem Magnet als dem Bernstein verwandt zu sein.

Die verschiedenen Elektrizitäten können wir bis jetzt gar nicht anders als durch ihr wechselseitiges Anziehen unterscheiden. Anfangs wollte man sie nach den Körpern unterscheiden, in welchen sie erregt werden. Allein schon jetzt kennen wir wirklich nur noch Einen Körper, der nicht beider Elektrizitäten fähig wäre67. Selbst Glas, wenn es mattgeschliffen ist, oder eine rauhe Oberfläche hat, oder (nach Cantons Versicherung) so lange gerieben ist, bis es Glanz und Durchsichtigkeit verliert, ist negativer Elektrizität fähig. Hingegen bleibt so viel sicher, daß gewisse Körper an gewissen gerieben immer dieselbe Elektrizität zeigen. Aber darüber gibt: es nur einzelne Erfahrungen, und, so viel ich weiß, bis diese Stunde noch keine bestimmte Angabe, die den Namen eines Gesetzes, nach welchem verschiedene Elektrizitäten erregt werden, verdiente. Das wissen wir, daß die Elektrizität völlig gleichartiger Nichtleiter = 0 ist, vorausgesetzt, daß beide auf der ganzen Oberfläche gleich stark aneinander gerieben werden. Dies ist aber eine Voraussetzung, die selten zu erfüllen ist; daher kommt es, daß jene Regel selten eintrifft. Indes können diese kleinen Erfahrungen doch zu einigen Schlüssen hinreichen.[221] Vorerst bemerke ich, daß, wenn wir zwei ursprünglich einander entgegengesetzte Elektrizitäten annähmen, die Gesetze, nach welchen jetzt die eine, jetzt die andere Elektrizität erregt wird, vielleicht gar nicht zu erfinden wären. Denn, um beide elektrische Materien in Ruhe zu denken, müßten wir sie wechselseitig durcheinander binden lassen. Demnach müßten in jedem Körper beide erregt werden können. Nun ist wirklich jeder Körper, den wir jetzt kennen, beider Elektrizitäten fähig; allein durch welche Mittel erhält man diese verschiedene Elektrizität? Daß z.B. der geriebene Körper eine glatte oder rauhe Oberfläche hat, kann auf die verschiedene Erregbarkeit heterogener Elektrizitäten, d.h. solcher, die nicht der Quantität, dem Mehr oder Weniger, sondern ihrer inneren Qualität nach voneinander verschieden sind, keinen Einfluß haben. Höchstens hat diese Oberfläche Einfluß auf den Mechanismus des Reibens, das in diesem Fall mit stärkerer Friktion geschieht. Dadurch aber entsteht höchstens ein Unterschied in der Leichtigkeit der Erregung. Und diese größere oder geringere Leichtigkeit der Erregung macht einen Unterschied der Elektrizitäten selbst? Ich will noch einige Beispiele geben. Warum ist oft die Elektrizität desselben Körpers verschieden, je nachdem ich ihn stärker oder schwächer gerieben habe? Warum bringt ein verschiedener Grad der Trockenheit verschiedene Elektrizitäten hervor? Feuchte Körper sind Leiter, d.h. sie beweisen starke Anziehung gegen die Elektrizität; aber sie leiten beide Elektrizitäten gleich stark; also bleibt hier, wie es scheint, nichts übrig, was die Verschiedenheit der in feuchten und in trockenen Körpern erregten Elektrizität erklären könnte, als die größere Leichtigkeit, mit der sie in den letzteren erregt werden. Also ist es auch hier wieder der Unterschied in der Leichtigkeit der Erregung, der den Unterschied der Elektrizitäten zu machen scheint. Es fragt sich aber, was denn den Unterschied in der Leichtigkeit der Erregung macht, und mit dieser Frage werden wir der Sache vielleicht näher kommen.

Im gewöhnlichen Zustande der Körper ruht die Elektrizität. Diese Ruhe hat man auf verschiedene Art erklärt. Die elektrische Materie ist dann überall gleich verbreitet und also im[222] Gleichgewicht mit sich selbst, sagt Franklin. Dieser Hypothese zufolge beginnen alle elektrischen Erscheinungen erst dann, wenn zwei Körper, miteinander gerieben, mehr oder weniger Elektrizität bekommen, als sie im gewöhnlichen Zustande haben. Das einzige in diesem Fall Tätige ist die positive Elektrizität, d.h. die in einem Körper angehäufte elektrische Materie. Allein es gibt Erscheinungen, bei welchen auch die negative Elektrizität nicht untätig zu sein scheint. Darauf gründet sich die Symmersche Hypothese von zwei positiv entgegengesetzten elektrischen Materien. Allein die Erfahrungen, auf welche sich diese Theorie beruft, setzen nicht notwendig voraus, daß diese Elektrizitäten einander ursprünglich entgegengesetzt seien. Sie könnten gar wohl erst durch die Mittel, die wir anwenden, sie zu erregen, entzweit werden, und doch beide positiv, d.h. tätig erscheinen.

Eine solche Hypothese würde die Vorteile der Franklinschen und der Symmerschen vereinigen, während sie den Schwierigkeiten beider entginge. Auch wird das System der Natur offenbar einfacher, wenn wir annehmen, die Ursache der elektrischen Erscheinungen – die Kraft, die Tätigkeit, oder wie wir uns darüber ausdrücken wollen, die in den elektrischen Erscheinungen in Streit gesetzt erscheint, sei Eine, ursprünglich ruhende Kraft, die in ihrer Einigkeit mit sich selbst vielleicht bloß mechanisch wirkt und eine höhere Wirksamkeit erst dann erhält, wenn sie die Natur zu besonderem Behuf mit sich selbst entzweit. Ist das, was die elektrischen Erscheinungen bewirkt, ursprünglich Eine Kraft oder Eine Materie – (denn beides gilt für jetzt bloß hypothetisch) – so läßt sich daraus begreifen, warum entgegengesetzte Elektrizitäten sich zufliegen – entzweite Kräfte sich zu vereinigen streben. Offenbar ist, daß beide nur in ihrem Streit wirklich sind, daß nur das wechselseitige Streben nach Vereinigung beiden eine eigene, abgesonderte Existenz gibt.

Ist diese Hypothese wahr, so kann man das Entgegengesetztsein beider nur durch Voraussetzung eines Dritten begreifen, durch das sie in Streit gesetzt sind und das ihre Vereinigung hindert. Dieses Dritte könnte nun nirgends anders als in den Körpern selbst gesucht werden. Welche Verschiedenheit zeigen[223] nun Körper, die, miteinander gerieben, verschiedene Elektrizitäten zeigen?

Was uns auf den ersten Anblick auffallen kann, ist die verschiedene Elastizität dieser Körper. Da man sich das Phänomen entgegengesetzter Elektrizitäten aus einer ungleichen Erregung einer und derselben Kraft erklären könnte, so wäre begreiflich, warum die Elektrizität im minder elastischen Körper schwächer (negativ), im elastischem stärker (positiv) erregt würde. Die Analogie läßt sich wirklich sehr weit treiben. Man weiß, daß Reiben überhaupt Elastizität vermehrt oder vermindert, je nachdem es verhältnismäßig oder unverhältnismäßig geschieht. Alles was Elastizität vermehrt oder vermindert, scheint auch die Erregung der Elektrizität zu befördern oder zu verhindern. Ein Körper, durch Wärme übermäßig ausgedehnt, verliert seine Elastizität. So wird glühendes Glas zum Leiter. Ein Körper verliert von seiner Elastizität, wenn er feucht wird. Dasselbe erfolgt mit der Elektrizität. Sie wird, wenn der Körper feucht ist, schwächer erregt, und ein verschiedener Grad von Trockenheit bringt auch verschiedene Elektrizitäten hervor. Das polierte und das mattgeschliffene, das reine und das unreine Glas unterscheiden sich, wie es scheint, bloß durch größere oder geringere Elastizität, und doch geben beide verschiedene Elektrizitäten. Auch braucht man etwa nur von Du Fays Harz- und Glaselektrizität gehört zu haben, um den Schluß zu machen: das spröde Glas ist elastischer als das Harz, also usw.

Beinahe könnte man sich wundern, daß noch kein Naturforscher auf den Gedanken gekommen ist, die elektrische Materie möchte etwa das Fluidum sein, das einige Physiker in den Körpern zirkulieren lassen, um ihre Elastizität zu erklären. Freilich hieße dieses, etwas Ungewisses durch etwas noch Ungewisseres zu erklären; indes wäre dies eben nicht der erste Fall dieser Art. – –

Diese ganze Vorstellungsart dient also vorläufig nur dazu, im Allgemeinen darauf aufmerksam zu machen, daß wir vielleicht durch Untersuchung des verschiedenen Verhältnisses der Körper zur Elektrizität, oder der Elektrizität zu den Körpern allmählich auf ein sicheres Resultat über die Natur dieser Erscheinungen[224] kommen können. Dies ist zugleich das sicherste Mittel, sich gegen eine träge Naturphilosophie zu verwahren, die alles erklärt zu haben glaubt, wenn sie die Ursachen der Erscheinungen als Grundstoffe in den Körpern voraussetzt, aus denen sie nur dann (tamquam Deus ex machina) hervortreten, wenn man ihrer bedarf, um irgend eine Erscheinung auf die bequemste und kürzeste Art zu erklären.

Besser also wir betrachten das verschiedene Verhältnis der Elektrizität zu verschiedenen Körpern noch etwas näher, als bisher geschehen ist. Jeder Aufschluß, den wir über die Verschiedenheit beider Elektrizität erhalten, ist zugleich ein Aufschluß über die Elektrizität überhaupt. Die Frage ist also diese: Durch welche Beschaffenheit zeichnet sich unter zwei aneinander geriebenen Körpern derjenige, welcher positiv-elektrisch wird, vor dem andern aus, welcher negativ-elektrisch wird, oder umgekehrt?

Am schnellsten kommt man ohne Zweifel zum Zweck, wenn man unter den Körpern Extreme wählt, z.B. Glas und Schwefel, Glas und Metalle, Harz und Metalle usw.

Also: Glas und Schwefel aneinander gerieben, geben – jenes positive, dieser negative Elektrizität. Durch welche Qualitäten unterscheiden sich diese beiden Körper? Glas ist, wie es scheint, für sehr viele qualitative Beziehungen nach außen tot68. Das Licht setzt ungehindert seinen Weg dadurch fort, und die Brechung, die es beim Glas erleidet, richtet sich bloß nach dem Verhältnis seiner Dichtigkeit. Wasserdämpfe, durch glühende Glasröhren geleitet, ändern ihre Natur nicht, weil das Glas keinen ihrer Grundstoffe anzuziehen, keine Zersetzung des Wassers zu bewirken fähig ist. Glas ist im Feuer nur schmelzbar, nicht verbrennlich. Schwefel dagegen ist ein Körper, der durch Farbe, Geruch, Geschmack verrät, daß er innere Qualitäten besitzt. Noch mehr unterscheidet er sich durch seine Verbrennlichkeit, durch die starke Anziehung, die er gegen das Oxygene der Lebensluft beweist. – Ebenso Glas und Siegellack, Glas und Harz usw.

Vergleichen wir aber brennbare Körper mit brennbaren, etwa[225] Haar mit Siegellack, Holz mit Schwefel usw., was ergibt sich? – Haar und Siegellack miteinander gerieben, werden – jenes positiv-, dieses negativ-elektrisch. Holz mit Schwefel zeigen – jenes positive, dieses negative Elektrizität. Wie unterscheiden sich diese Körper – vorzüglich in Rücksicht auf ihre Brennbarkeit? – ein Verhältnis, worauf wir schon durch die erste Erfahrung aufmerksam gemacht sind. Antwort: beide sind brennbar, beide beweisen Anziehung gegen das Oxygene – aber brennbarer sind und stärkere Anziehung gegen das Oxygene beweisen diejenigen, welche negativ-elektrisch werden. Nach der Franklinischen Theorie ausgedrückt steht das Mehr oder Weniger der Elektrizität im umgekehrten Verhältnis mit dem Mehr oder Weniger des Brennbaren in den Körpern (so sage ich der Kürze halber).

Vergleichen wir alle bis jetzt untereinander verglichene Körper mit den Metallen, so werden Siegellack und Schwefel – dieselben Körper, die vorher mit andern negativ wurden – mit Metallen positiv-elektrisch. – Vergleichen wir Glas und Metall, so zeigt auch hier Glas immer noch positive, dieses negative Elektrizität. Metalle aber unterscheiden sich durch nichts so sehr, als durch ihre Verwandtschaft zum Sauerstoff, die groß genug ist, um sie einer Verkalkung fähig zu machen. (Man vergleiche hierüber das erste Kapitel.)

Also, dies ist der Schluß, den wir zu ziehen berechtigt sind: dasjenige, was die Körper negativ-elektrisch macht, ist zugleich dasjenige, was sie brennbar macht, oder mit andern Worten: von zwei Körpern wird immer derjenige negativ-elektrisch, der die größte Verwandtschaft zum Sauerstoff hat69. Also (dieser Schluß folgt unmittelbar[226] aus dem vorhergehenden, wenn man nämlich überhaupt eine elektrische Materie annimmt und nicht noch willkürlicher diese Materie zu einer absolut von allen bekannten verschiedenen machen will): die Basis der negativen elektrischen Materie ist entweder der Sauerstoff selbst, oder irgend ein anderer, ihm völlig homogener Grundstoff70.

Sieht man nun auf die Art, wie Elektrizität erregt wird, so ist außer den zwei geriebenen Körpern dabei nichts gegenwärtig, als die umgebende Luft. Aus den Körpern kann kein Sauerstoff kommen – also aus der Luft? – Aus der Luft aber wird der Sauerstoff nur durch Zersetzung erhalten. Wird also etwa beim Elektrisieren die Luft auch zersetzt? Aber dann müßten wir die Phänomene des Verbrennens dadurch bewirken. Wie unterscheiden sich also Elektrisieren und Verbrennen? Das letztere erfolgt nie ohne chemische Zersetzung der Luft. Diese kann beim Elektrisieren ohnehin nicht stattfinden. Überdies wird die Elektrizität in der Regel wenigstens durch bloßes Reiben, d.h. durch ein bloß mechanisches Mittel erregt.

Also: Wie eine chemische Zersetzung der Lebensluft die Phänomene des Verbrennens bewirkt, so bewirkt eine mechanische Zerlegung, worunter hier überhaupt jede nur nicht chemische verstanden wird, derselben die Phänomene der Elektrizität – oder: was das Verbrennen in chemischer Rücksicht ist, ist das Elektrisieren in mechanischer Rücksicht. Bekannt ist, daß Reiben nicht nur Elektrizität, sondern immer auch Wärme und in gewissen Fällen[227] sogar Feuer erregt. Der Wilde bereitet sich sein Feuer selten anders, und in der Sprache ehemals und zum Teil jetzt noch wilder Völker (wie der Araber) sind noch jetzt die Worte vorhanden, mit denen sie die beiden Hölzer bezeichneten. Diesen ganzen Unterschied aber: – ob nämlich Wärme und Elektrizität – oder ob auch Feuer erregt wird, macht, wie es scheint, das stärkere oder schwächere Reiben. Wird durch das Reiben eine totale und insofern chemische Zersetzung der Luft bewirkt, so muß Feuer entstehen; eine geringere – und insofern, bloß mechanische – Dekomposition bewirkt Wärme, und wenn die beiden Körper Nichtleiter oder isoliert sind und, was die Hauptsache ist, gegen den Sauerstoff – (denn gleichartige Körper mit gleichartigen gerieben geben o) – ein verschiedenes Verhältnis haben – Elektrizizität. Ich leugne also nicht, daß auch durch ein bloßes Reiben eine chemische Luftzersetzung bewirkt werden kann. Indem der Körper gerieben wird, kann er, auf welche Art es sei, in einen Zustand versetzt werden, in welchem er das Oxygene stärker anzieht, und dadurch kann Feuer entstehen. Aber ich leugne, daß dies bei der Elektrizität stattfinde, ja es gibt Fälle, in welchen das Reiben die Wärme offenbar bloß durch mechanische Dekomposition der Luft bewirken konnte.

Ich könnte hier schließen und die weitere Anwendung andern überlassen. Ich behaupte auch nicht, durch die folgenden Erklärungen alles erschöpft zu haben. Es ist gar wohl möglich, daß zu den elektrischen Erscheinungen noch mehrere Materien (etwa die azotische Luft?) mitwirken. Darüber müssen Experimente entscheiden, welche anzustellen ich andern Glücklicheren überlassen muß. Das Folgende also macht auf keine andere als hypothetische Gültigkeit Anspruch. Denn es beruht auf der Voraussetzung, daß die elektrischen Phänomene der Lebensluft allein ihren Ursprung verdanken, was zu beweisen (nicht bloß als möglich darzustellen), ich mich außerstande sehe.

Worin besteht also eigentlich die mechanische Dekomposition der Lebensluft, durch welche nach der Voraussetzung die elektrischen Phänomene entstehen? Die Dekomposition kann, dem Obigen zufolge, nicht total sein, d.h. es kann keine völlige[228] Trennung der Wärme und des ponderabeln Stoffs vorgehen. Werden also zwei ungleichartige Körper aneinander gerieben, so setzt die Luft, die, zwischen beiden Körpern eingeschlossen, dem ganzen Druck des Reibens ausgesetzt ist, den größten Teil ihres ponderablen Grundstoffs, der jedoch von der Wärme nie völlig sich losreißt, an denjenigen von beiden Körpern ab, der gegen das Oxygene die größere Anziehung beweist. Der Rest der Luft, durch diesen Verlust beweglicher – elastischer – gemacht, häuft sich als positive Elektrizität auf dem andern Körper so lange an, bis er, von einem dritten stärker angezogen, jenen verläßt. So wird also, wenn die Maschine ein Glaszylinder ist, die Luft ihren Sauerstoff großenteils an das Reibzeug absetzen. Daher der Vorteil des Amalgamas, vorzüglich des Quecksilberamalgamas, womit jenes überzogen ist. Der Rest der zerlegten Luft aber hängt sich an den Glaszylinder an und ruht, halbangezogen, so lange bis ein anderer Körper in seine Nähe kommt, der ihn ableitet. Wo das Reibzeug den Zylinder berührt, oder wo dieser mit dem ersten Leiter zusammenhängt, sieht man Licht, zum offenbaren Beweis, daß hier eine Luftzersetzung erfolgt ist. – Besteht die Maschine aus einem Harzzylinder, so wird gerade der umgekehrte Prozeß stattfinden. (Es fragt sich, welche Beschaffenheit des Reibzeugs in diesem Fall die vorteilhafteste ist.)

Was großen Einfluß auf die Phänomene der elektrischen Materie zu haben scheint, ist der Druck der umgebenden Luft, den sie zu erleiden hat. Zu schwach, um die Luft zu zersetzen, und doch angezogen von ihr, verweilt sie weit länger auf dem festen Körper, auf welchem sie sich angehäuft hat. Schwingt sie sich von einem Körper zum andern, so erfährt sie auch hier denselben Widerstand der Luft, den sie jedoch überwindet. Einen Raum, in welchem die Luft verdünnt ist, durchläuft sie eben deswegen mit wunderbarer Schnelligkeit und zersetzt die ganze in ihm eingeschlossene Luft augenblicklich. Läßt man einen elektrischen Feuerpinsel in eine gläserne Röhre mit verdünnter Luft gehen, so erfüllt sich im Augenblick der ganze Raum mit Licht; ein Funken, der durch sie geht, zeigt blitzähnliche Erscheinungen. Wird dieselbe gläserne Röhre von außen gerieben,[229] so dringt die erregte positive Elektrizität von außen ein, und der ganze Raum leuchtet.

Daß man unter der Glocke der Luftpumpe Elektrizität zu erregen imstande ist71, beweist nichts gegen die angenommene Hypothese, teils weil man keinen luftleeren Raum hervorzubringen imstande ist, teils weil wahrscheinlich die darüber angestellten Experimente, nach den damaligen Begriffen von Elektrizität, nicht mit der Sorgfalt angestellt wurden, die nötig wäre, wenn sie etwas gegen die Hypothese beweisen sollten72. Weit entscheidender müßte ein in reiner Lebensluft angestellter Versuch sein.

Wahrscheinlich hat der Widerstand der Luft auch großen Einfluß auf elektrisches Anziehen und Zurückstoßen. (Daß es auch in verdünnter Luft erfolgt, beweist nichts dagegen.) Die elektrische Materie würde mit weit größerer Schnelligkeit fortgehen, wenn sie imstande wäre, den Widerstand der Luft zu überwinden. Sie strebt daher, sich durch die Luft Weg zu machen, und wird natürlicherweise dahin gezogen, wo sie den mindesten Widerstand findet. Weit geringeren Widerstand aber findet sie da, wo sie der schwesterlichen Elektrizität begegnet, als wo sie den ganzen Zusammenhang der Luftteilchen unter sich zu überwinden hat. Ebenso begreiflich ist aber, daß gleichartige Elektrizitäten einander mehr Widerstand leisten, als ihnen die Luft entgegenzusetzen vermag, und daß sie deswegen einander[230] abstoßen. Ungleichartige Elektrizitäten aber sind auch ungleich-elastisch, sie können also ihre Elastizitäten gegeneinander verwechseln, und deswegen ziehen sie sich an. Jetzt ist alle entgegengesetzte Elektrizität verschwunden; nur dieses Streben und Gegenstreben beider hatte ihre abgesonderte Existenz zu Momenten ausgedehnt.

Daraus folgt nun auch das große Gesetz der Verteilung und der elektrischen Wirkungskreise, das allein fast alle Phänomene der Elektrizität erklärt. Die positive Elektrizität bewirkt in den nächstliegenden Luftteilchen eine Trennung und zieht, zufolge ihres Bestrebens nach Verbindung, die ponderablen Teile der Luft an; dasselbe tut die negative Elektrizität, indem sie die elastischen Teilchen an sich zieht. Daher entsteht, wenn ein nichtelektrisierter Körper in die Atmosphäre eines positiv-elektrischen kommt, immer negative und positive Elektrizität zugleich; negative an der der positiven zugekehrten, positive an der entgegengesetzten Seite, und umgekehrt; und diese Verteilung setzt sich um so weiter fort, je stärker die ursprüngliche Elektrizität, je größer also auch ihr Wirkungskreis ist. Daher die elektrischen Zonen, die vorzüglich Aepinus bemerkt hat.

Keine Elektrizität ist also je ohne die andere da; denn jede ist nur im Gegensatz gegen die andere das, was sie ist, keine erzeugt sich, ohne daß die andere mit erzeugt werde73. Darauf allein beruht der ganze Mechanismus der Leidener Flasche, des Elektrophors und des Kondensators.

Ein anderes Merkmal, wodurch man negative und positive Elektrizität unterscheidet, ist das verschiedene Licht beider, der leuchtende Punkt, das beständige Phänomen der ersteren, und der Strahlenpinsel, das Phänomen der letzteren. Dieser erscheint jedoch nur, wenn man dem elektrisierten Körper eine Spitze entgegenhält. Bekanntlich ist man über die elektrische Ableitungsfähigkeit der Spitzen noch nicht einig. Hr. de Lüc (in seinen Ideen über die Meteorologie) hat gezeigt, daß die elektrische[231] Materie um die abgerundeten Leiter herum im Kreise geht. Deswegen setzt die runde Gestalt des Leiters, aus dem man einen Funken ziehen will, seiner Erweckung große Hindernisse entgegen. Wird daher einem solchen Leiter seine Elektrizität durch einen stumpfen Körper entrissen, so bricht sie mit Gewalt und in Gestalt eines Funkens aus. Wird ihm aber eine Spitze entgegengestellt oder wird auf seiner Oberfläche eine Spitze errichtet, so wird der Kreislauf der elektrischen Materie leichter unterbrochen, sie strömt beinahe ohne Geräusch mit einem leisen Wellen aus der aufgerichteten Spitze aus oder der entgegengehaltenen Spitze zu, vorausgesetzt, daß der Körper positiv elektrisiert ist; denn, ist er negativ, so zeigt sich auf seiner Seite der Punkt an der entgegengesetzten Spitze der Strahlenkegel. Dieser Unterschied des elektrischen Lichts erklärt sich sehr gut aus unserer Voraussetzung. Denn es ist begreiflich, daß die freiere Elektrizität (die positive) leichter (in Strahlen) ausströmt, während die entgegengesetzte, deren ponderable Teile vom Körper weit stärker angezogen werden, diesem nur mit Mühe entrissen, immer als ein Punkt erscheint, so wie auch die positive nur dann in Strahlen ausströmt, wenn ihr eine Spitze entgegengehalten, d.h. wenn sie sehr leicht abgeleitet wird. – Auf demselben Gesetz, scheint es, beruhen die Lichtenbergischen Figuren, die, durch positive Elektrizität entstanden, gerad ausfahrende Strahlen zeigen, im entgegengesetzten Falle aber stumpf und abgerundet sind.

Über das verschiedene Verhältnis der Körper zur Elektrizität kann nun keine Frage mehr sein. Zur Anhäufung der positiven Elektrizität laugt am besten ein Körper, der gegen den Grundstoff der Lebensluft geringe oder gar keine Anziehung beweist. Doch kann auch ein Körper, bei dem der entgegengesetzte Fall stattfindet, positiv-elektrisch werden, vorausgesetzt, daß der andere Körper, mit dem er gerieben wird, noch größere Verwandtschaft zum Oxygene habe.

Da die elektrische Materie nichts anderes ist als eine zerlegte Lebensluft, so werden alle Körper Anziehung gegen sie beweisen, die gegen Wärme und Oxygene Anziehung beweisen74.[232] Unter den Körpern aber, welche die elektrische Materie anziehen, kann ein zweiter Unterschied in Ansehung der Kapazität stattfinden. Diejenigen, welche zwar große Anziehung, aber geringe Kapazität gegen die elektrische Materie beweisen, werden sie fortleiten, bei den andern wird das Gegenteil stattfinden. Also ergibt sich aus den kombinierten Verhältnissen der Anziehung und der Kapazität, welche die Körper gegen Elektrizität beweisen, der Unterschied zwischen Leitern, Halbleitern und Nichtleitern, wovon schon oben die Rede war.

Der Ursprung der elektrischen Erscheinungen macht nun begreiflich, wie und warum Elektrizität eines der stärksten Zersetzungsmittel ist, dessen sich die Natur im Großen vielleicht ebenso oft, als wir im Kleinen, bedient. Die elektrische Materie verläßt die eine Verbindung, nur um eine andere einzugehen. Frei, aber der Freiheit ungewohnt, strebt sie zu trennen, was entgegengesetzte Kraft gebunden hält, und findet gewöhnlich in diesem Bestreben selbst ihren Untergang. Genauere Beobachtungen haben gelehrt, daß die Elektrizität in Rücksicht auf den Weg, den sie nimmt, denselben Gesetzen folgt, denen das Licht folgt, daß sie unter verschiedenen Körpern denjenigen aussucht, der sie entweder am schnellsten fortleitet, oder denjenigen, welcher der zersetzbarste ist, und daß sie nur da, wo in dieser Rücksicht alles gleich ist, dem dichteren Körper zueilt. Daraus ist begreiflich die Zerstörung, die sie im Innern der Körper anrichtet, wo sie mit Gewalt trennt, was vorher verbunden war, oder verbindet, was vorher sich floh – begreiflich ihre gewaltsame Wirkung auf den animalischen Körper, in dessen Innerstes sie eindringt, unaufhaltsam den Muskeln, dem Sitz der animalischen Kontraktilität, zueilt, um überall zu verbinden, was in der Ökonomie eines lebendigen Körpers ewig getrennt sein sollte – begreiflich daher auch ihre große Wirksamkeit zu Wiedererweckung der erloschenen Lebenskraft im ganzen Körper oder in einzelnen Teilen, weil sie, auf Augenblicke wenigstens, dasjenige wieder trennt, mit dessen Trennung das Leben beginnt[233] – ein Phänomen, auf das unsere Untersuchungen späterhin zurückkommen und dessen Erklärung sie in der hier vorgetragenen Hypothese finden werden.

Ebenso begreiflich ist, daß der elektrische Funke Metalle verkalt und wiederherstellt75, andere Metalle, die keiner Verkalkung fähig sind und nur in der Hitze des Brennpunkts sich verflüchtigen, in Dunst verwandelt, das letztere, wohl zu merken, ohne Verminderung der Lebensluft, in der es geschah, zum Beweis, daß hier die Elektrizität allein vermochte, was man sonst nur von einer Zersetzung der Lebensluft erwarten konnte. Kein Wunder, daß auch in mephitischen Luftarten (in der Salpeterluft, in brennbarem, in kohlengesäuertem Gas nach van Marum) der Erfolg derselbe ist. Zum Beweis, daß die elektrische Materie den zum Verkalken der Metalle erforderlichen Grundstoff ebenso hergibt, als ihn sonst die Lebensluft herzugeben pflegt.

Priestley fand, daß die atmosphärische Luft durch den Funken zugleich vermindert wird. Da die Lakmustinktur, mit der die Glocke gesperrt wird, (auf der Oberfläche wenigstens) gefärbt wird, so ist offenbar, daß dabei eine Zersetzung der beiden Luftarten, der Lebensluft und der azotischen, vorgeht, und daß aus der atmosphärischen Luft, gerade so, wie (nach Cavendish Versuch) aus einer künstlichen Mischung von azotischer und reiner Lebensluft, Salpetersäure niedergeschlagen wird. – Aus Kalkwasser gezogen schlägt der elektrische Funke den Kalk nieder. – Die Zersetzung des Wassers gelang den holländischen Physikern vermittelst des elektrischen Funkens76 –.

Offenbar aber ist, wenigstens bei einigen dieser Versuche (z.B. bei Verkalkung der Metalle in mephitischen Luftarten durch den elektrischen Funken), daß die Elektrizität dabei nicht bloß mechanisch gewirkt hat, und so ist es glaublich, daß sie in allen diesen Versuchen selbst chemisch mitwirkte. Ich[234] weiß nicht, ob man bei so völlig gleichen Wirkungen beider – der Elektrizität und der Lebensluft – noch evidentere Beweise für ihre Identität verlangen kann. Begreiflich ist, daß die Zersetzungsfähigkeit der Elektrizität doppelt stark sein muß, da sie zugleich Kraft und Mittel ist, weil sie dem Feuer einerseits und dem Grundstoff der Luft, der zu allen Zersetzungen mitwirken muß, andererseits gleiche nahe verwandt ist.

Ist die Elektrizität ein so gewaltiges Zersetzungsmittel, so kann es auch im Großen nicht unbenutzt bleiben. Zu derselben Zeit, da die Natur am tätigsten wirkt, beginnt auch das oft wiederholte Schauspiel der Gewitter. Ohne Zweifel durchdringt ein elektrisches Fluidum selbst unsere Erde, sobald sie die Fesseln des Winters abgestreift hat. Daher jene Regungen der Lebenskraft, die mit dem ersten Strahle der Frühlingssonne alles, was lebt und vegetiert, zu durchdringen scheinen, daher das schnelle, allgemeine Keimen im Reiche der Organisationen und das neue Leben, das, wie mit einem Hauch, alles in der Natur zu verjüngen scheint. Je stärker im freien Raume des Himmels die elektrische Materie sich anhäuft, desto fühlbarer werden jene Bewegungen im Innern der Erde, und in diesem Moment scheint es wirklich, daß nicht [mehr] allein Gesetze der Schwere, sondern daß lebendige, elektrische Kräfte uns gegen die Sonne ziehen. Gewitterjahre sind nicht selten Jahre großer Erderschütterungen, auf jeden Fall sind sie die fruchtbarsten. – Nicht selten brechen entfernte Vulkane zu gleicher Zeit aus, und das Wasser auf der Oberfläche und im Innern der Erde ist vielleicht das schnellste Vehikel elektrischer Ströme. Die Erschütterung, welche durch die großen elektrischen Explosionen erfolgt, scheint nicht bloß mechanisch zu wirken77. Ohne Zweifel bewirkt sie wenigstens im Reiche der Vegetabilien nicht nur, sondern auch im Innern der Erde wohltätige chemische Revolutionen.

Wie die Elektrizität der Atmosphäre entstehe, bleibt, nach allen bisherigen Untersuchungen, noch ein Rätsel. Daß sie nach demselben Gesetze, nach welchem wir sie zu erregen imstande sind, auch in den Höhen der Atmosphäre erregt werde, ist wohl[235] außer Zweifel. Aber es fragt sich, durch welche Mittel die Natur eine solche mechanische Zerlegung der Luft im Großen bewirke. Daß es dieser Mittel sehr viele geben kann, ist abermals glaublich. Aber es fragt sich, welcher sich die Natur nach den Erfahrungen, die wir von unserm Standpunkt aus machen können, wirklich bediene.

Gewiß ist, daß, wo sich Dämpfe und Dünste erzeugen, auch Elektrizität erzeugt wird. Wo wir sie nicht bemerken, da ist sie entweder zu schwach, oder die Mangelhaftigkeit unserer Instrumente ist daran schuld. Cavallo fand, daß, wenn man auf glühende Kohlen in einem isolierten metallenen Körper Wasser gießt, dieser Körper Zeichen von negativer Elektrizität gebe; Hr. von Saussüre fand, daß sich nicht selten positive Elektrizität erzeuge. Hr. Volta, auf ähnliche Erfahrungen gestützt, nahm an, in der Atmosphäre gehe der umgekehrte Prozeß vor; indem Dünste wieder Wasser werden, werde Elektrizität frei usw. Hr. de Lüc78 macht ihm den Einwurf, dies würde dann allgemein gelten, und so oft Dünste sich zu Wasser niederschlügen, müßte sich auch Elektrizität zeigen. Volta konnte diesen Einwurf zugeben, denn wirklich ist selten Regen ohne Elektrizität; daß sie unsere Elektrizitätszeiger bisweilen nicht anzeigen, beweist nichts dagegen.

Diese Bemerkungen nun reichen vielleicht hin, einige Aufschlüsse über die Erzeugung der Elektrizität im Großen zu geben. Daß, wo Dämpfe und Dünste entstehen oder niedergeschlagen werden, eine Zerlegung der Luft vorgeht, ist begreiflich, weil im ersten Fall ein Aufwand von Wärme nötig ist, im andern Wärme frei wird. Daß aber diese Zersetzung keine totale, chemische Zersetzung ist, begreift man ebenfalls. Also ist diese Zerlegung der Luft durch Dünste ungefähr wenigstens dieselbe, die wir durch Reiben zu erregen pflegen, d.h. eine bloß partielle und insofern mechanische Zerlegung. Auch geht diese Zerlegung gewiß weit öfter vor, als wir uns einbilden. Aus den Rauchwolken des Vesuvs brechen Blitze aus, wir würden etwas Ähnliches bei jedem Rauche gewahr werden, wenn die erregte Elektrizität nicht zu schwach wäre. Bei jedem Dampf kann sie sich[236] erzeugen, nur daß sie nicht die Wirkung tun kann, wie die durch große, über weite Landstrecken hin sich ausdehnenden Gewölke erzeugte Elektrizität. Wirklich entsteht nie ein Gewitter ohne Wolken, wenigstens sobald Donner gehört wird, erzeugen sich Wolken, und es geschieht oft, daß Gewitter und Gewölke in Einem Moment da sind. Indem also Dünste als Wolken sich niederschlagen, kann nicht nur in der Luftregion, aus welcher sie sich niederschlagen, sondern auch in der unteren, zu welcher sie herabsinken, Elektrizität erzeugt werden, weil in beiden eine Zerlegung der Luft vorgeht, wodurch zugleich die Erzeugung entgegengesetzter Elektrizitäten in der Atmosphäre erklärbar ist.

Indes brauchen wir uns gar nicht auf diese einzige Möglichkeit zu beschränken. Elektrizität kann überall erzeugt werden, wo keine totale Zersetzung der Luft (wie beim Feuer) stattfindet, und die einmal rege gewordene Aufmerksamkeit der Naturforscher, unterstützt durch die neuerfundenen Instrumente, wird bald noch mehrere Beispiele, als bisher bekannt sind, zur Bestätigung jenes Satzes auffinden können.

Die wohltätigste Wirkung der großen elektrischen Explosionen auf unsere Atmosphäre ist ohne Zweifel die Zersetzung, die sie in ihr bewirken. Die Luft der untersten Atmosphäre ist mit einer Menge fremdartiger, ponderabler Teile erfüllt, welche allmählich die reinere Luft in die Höhe treiben. Daher kommt, größtenteils wenigstens, die Bangigkeit, die vor jedem Gewitter vorhergeht, und der dumpfe Zustand, in welchen dann alles zu versinken scheint. Vielleicht hat selbst auf die Entstehung der Gewitter im Sommer die häufigere Entwicklung der Lebensluft großen Einfluß. Der Erfolg eines Gewitters ist, daß die heterogenen Teile aus der Luft niedergeschlagen werden, daß sich die beiden Luftarten, aus welchen die Atmosphäre besteht, inniger vermischen. Die erfrischende Kühle nach dem Gewitter ist teils eine Folge der verdünnten Luft, auf welche das Licht nicht mehr so wie auf die dichtere zu wirken vermag, teils des Aufwands von Wärme, der sogleich wieder für den reichlich gefallenen Regen gemacht wird, deswegen oft erst ein lange anhaltender Regen die ganze Wirkung eines Gewitters auf unsern Luftkreis vollendet.[237]

Die bisher vorgetragene Hypothese über die Ursache der elektrischen Erscheinungen kann nicht völlig neu heißen. Spuren davon findet man schon bei früheren Naturforschern, deren Sprache man nur in die der jetzigen Chemie und Physik übersetzen darf, um den Keim jener Hypothese bei ihnen zu entdecken. So wollte Dr. Priestley durch elektrische Experimente, die er mit verschiedenen Luftarten anstellte, gefunden haben, daß der elektrische Funke in ihnen einen phlogistischen Prozeß bewirke. Seinem Systeme gemäß vermutete er daher, Elektrizität sei entweder das Phlogiston selbst oder enthalte wenigstens Phlogiston. Noch mehr glaubte er seine Hypothese durch die Bemerkung zu unterstützen, daß das, was alle leitenden Körper, auch das Wasser (das Priestley jedoch ausnimmt), Gemeinschaftliches haben, das Phlogiston ist. Daß sie aber ihre leitende Eigenschaft nur dem Phlogiston verdanken, schloß er daraus, daß sie jene Eigenschaft mit dem Phlogiston beibehalten und mit demselben verlieren79. Daß Priestley die Elektrizität – eine ihrem Grunde nach unbekannte Erscheinung – durch ein noch unbekannteres, prekäres Prinzip – das Phlogiston – zu erklären unternahm, war gewiß nicht der Hauptgrund, warum seine zwar hier und da wiederholte, aber nur selten öffentlich angenommene oder gar verteidigte Hypothese nicht mehr Beifall fand. Priestleys Bemerkung, daß der allen leitenden Körpern gemeinschaftliche Bestandteil das Phlogiston ist, bleibt auf jeden Fall in ihrem Wert, denn die Sache ist richtig, nur die Erklärung ist falsch. Allein, was dieser Hypothese fehlt, ist, daß man selbst mit der gewissesten Überzeugung, die elektrische Materie sei entweder das Phlogiston selbst oder ein Bestandteil desselben, die elektrischen Phänomene noch lange nicht erklärt hat.

Es ist eine unnötige Mühe, die sich viele gegeben haben, zu beweisen, wie ganz verschieden Feuer und Elektrizität wirken. Das weiß jeder, der einmal etwas von beiden gesehen oder gehört hat. Aber unser Geist strebt nach Einheit im System seiner Erkenntnisse, er erträgt es nicht, daß man ihm für jede einzelne Erscheinung ein besonderes Prinzip aufdringe, und er[238] glaubt nur da Natur zu sehen, wo er in der größten Mannigfaltigkeit der Erscheinungen die größte Einfachheit der Gesetze und in der höchsten Verschwendung der Wirkungen zugleich die höchste Sparsamkeit der Mittel entdeckt. Also verdient auch jeder – selbst vor jetzt rohe und unbearbeitete – Gedanke, sobald er auf Vereinfachung der Prinzipien geht, Aufmerksamkeit, und wenn er zu nichts dient, so dient er wenigstens zum Antrieb, selbst nachzuforschen und dem verborgenen Gang der Natur nachzuspüren.

Auch darf man nicht glauben, daß jener Gedanke nie weiter verfolgt oder weiter ausgebildet worden sei, als ihn Priestley ausgebildet hatte. Henly (derselbe, dem wir das bekannte Elektrometer verdanken) nahm zufolge verschiedener von ihm angestellten Versuche an, die elektrische Materie sei weder Phlogiston noch Feuer selbst, aber doch eine verschiedene Modifikation beider – alle jene Phänomene seien nichts als verschiedene Zustände, welche dasselbe Prinzip durchlaufe, und in Welchen es immer neue und verschiedene Erscheinungen zeige. Er stützte sich vorzüglich auf folgende Beobachtungen: daß Körper, welche dieselbe Quantität Phlogiston enthalten, wie Metalle, aneinander gerieben, wenig oder gar keine Elektrizität zeigen: daß ein gewisser Grad des Reibens Elektrizität, ein gewaltsameres Reiben aber Feuer und keine Elektrizität hervorbringt, daß Körper, welche eine größere Menge Phlogiston enthalten, mit andern, die weniger davon enthalten, gerieben, negativ-elektrisch werden, weil sie (wie er es nach seiner Voraussetzung – freilich falsch – erklärt) ihren Überfluß an elektrischer Materie in den andern Körper übergehen lassen. So werden z.B., sagt er, vegetabilische Körper, besonders aromatische Gewächse, am Tuche gerieben, negativ, animalische positiv, weil jene weit mehr Phlogiston enthalten als diese, also die elektrische Materie an andere Körper abgeben, während diese sie aufnehmen. Aus diesen Beobachtungen schloß nun Henly: Phlogiston, Elektrizität und Feuer seien bloß verschiedene Zustände desselben Elements, das erste sei sein ruhender Zustand, die zweite der erste Grad seiner Wirksamkeit und das letzte der Zustand seiner heftigen Bewegung80.[239] Ich verfolge die Geschichte dieser Hypothesen jetzt nicht – (ohnehin kann sich jeder selbst aus Werken, wie Gehlers Wörterbuch und andere, darüber unterrichten), ich habe meinen Zweck erreicht, wenn man einerseits an diesen Beispielen das allgemeine Bestreben bemerkt, die Prinzipien der Natur zu vereinfachen, andererseits darauf aufmerksam wird, daß wir, seitdem die neuen Entdeckungen über die Natur des Feuers, des Lichts, der Wärme allmählich immer gewisser und zuverlässiger geworden sind, auch ein größeres Recht haben, mit unsern zuverlässigeren Prinzipien denselben Versuch, den man früher mit unvollkommeneren Prinzipien wagte, aufs neue zu unternehmen.

Die Erscheinung des Lichts bei den elektrischen Experimenten war wirklich ein Fingerzeig der Natur, eine Einheit der Prinzipien zwischen beiden Erscheinungen aufzusuchen. So ist die Hypothese, welche Hr. de Lüc in seinen Ideen über die Meteorologie von der Elektrizität aufgestellt hat, völlig analog seiner Hypothese vom Licht. Er unterscheidet auch hier wieder das fluidum deferens (fluide déferant) der Elektrizität (das Licht) von der elektrischen Materie, und, wenn ich mich nicht irre, hält er das erstere für die Ursache der positiven, so wie die letztere für die der negativen Elektrizität. Ferner, der spezifische Geruch, der sich in einem Zimmer verbreitet, in welchem man elektrisiert, der säuerlich-zusammenziehende Geschmack, den man empfindet, wenn man einen elektrischen Strahlenpinsel auf die Zunge gehen läßt, konnte längst darauf aufmerksam machen, daß bei der Elektrizität Zersetzungen vorgehen oder daß die elektrische Materie in Verbindung mit einem ponderablen Grundstoff stehe oder gestanden habe, ehe sie erregt wurde. – Vielleicht wurde hierdurch Herr Krazenstein veranlaßt, zu behaupten, die elektrische Materie bestehe aus Phlogiston und einer Säure. Herr Hofrat Lichtenberg, dem ich diese Notiz verdanke, machte noch nicht lange den Vorschlag, die elektrische Materie aus Oxygene, Hydrogene und Calorique bestehen zu lassen81. Früher schon behauptete Lametherie, die elektrische Materie sei nichts anderes als eine Art von inflammabler Luft. Auch Herr von Saussüre[240] zeigte sich geneigt, das elektrische Fluidum als das Resultat einer Verbindung des Feuerelements mit irgend einem andern noch unbekannten Prinzip anzusehen. Dies wäre, sagt er, eine der brennbaren Luft ähnliche, aber bei weitem subtilere Flüssigkeit82. Mit dieser Hypothese stimmt die unsrige insofern wenigstens überein, als sie die positive Elektrizität aus der Lebensluft durch eine Absetzung des Oxygens an den Einen Körper entstehen läßt.

Noch merkwürdiger in dieser Rücksicht sind die von Herrn van Marum angestellten Versuche zum Erweise, daß in dem elektrischen Fluidum Wärmestoff zugegen ist83. Es ist dadurch ausgemacht, daß die Thermometerkugel, in elektrische Ströme gehalten, steigt, und daß der Grund davon nicht in einer Zersetzung der atmosphärischen Luft liegen kann: daß ferner nicht-elastische Flüssigkeiten durch Elektrizität in elastische, luftförmige verwandelt werden (wie Wasser, Alkohol, flüchtiges Alkali) usw. Wichtig ist das Resultat dieser Versuche, das mit der vorgetragenen Hypothese völlig übereinstimmt: »Es ist sehr evident (so beschließt Herr van Marum die Erzählung84 seiner Versuche), daß das elektrische Fluidum nicht der Wärmestoff selbst ist; denn wenn es da, wo wir es als Funken von dem einen Körper in den andern übergehen sehen, bloßer durch Reiben freigewordener Wärmestoff wäre, so müßte es die Körper erwärmen, durch welche es geht. Da aber die beschriebenen Versuche zeigen, daß Körper nicht im geringsten erwärmt werden, wenn auch die Quantität des elektrischen Fluidums, die sie aufnehmen, im Verhältnis ihrer Masse sehr beträchtlich ist, so erhellt, daß das elektrische Fluidum, welches man in Form der Funken von einem Körper in den andern gehen sieht, nicht Wärmestoff allein ist. Diese Versuche verstatten also anzunehmen, daß der Wärmestoff, welcher sich im elektrischen Fluidum befindet, daselbst mit einer andern Substanz verbunden ist, welche ihn hindert, bei einigen elektrischen Erscheinungen frei zu wirken, und daß folglich das elektrische Fluidum nur dann allein die Körper erwärmt, wenn der Wärmestoff von der Substanz, womit[241] er verbunden ist, getrennt und dadurch in freie Wirksamkeit gesetzt wird.«

»Wenn diese aus den vorhergehenden Experimenten hergeleiteten Folgerungen gegründet sind, wie sie es mir wirklich zu sein scheinen, so beweisen sie zugleich, daß das elektrische Fluidum nicht einfach und nicht ganz von allen andern Flüssigkeiten unterschieden ist, wie mehrere Personen sich eingebildet haben, sondern daß es ein zusammengesetztes Fluidum ist, worin der Wärmestoff mit einer andern noch unbekannten Substanz verbunden ist

Können also Auktoritäten gelten, so sieht man, daß die vorgetragene Erklärung die Hypothesen sowohl, als die Versuche bedeutender Naturforscher für sich hat, und es ist kein Zweifel, daß Experimente in der Absicht, sie zu prüfen, angestellt, sie bald ebenso sehr bestätigen würden, als sie bereits durch die oben angeführten Versuche des Herrn van Marum (vorzüglich die Verkalkung der Metalle in mephitischen Luftarten vermittelst des elektrischen Funkens) bestätigt ist.

65

Wer eine neue Hypothese aufzustellen wagt, muß nicht bloß die Resultate hinstellen. Vorteilhafter für die Sache selbst und für ihn ist es, wenn er den ganzen Gang seiner Untersuchungen verfolgt bis dahin, wo keine andere Möglichkeit mehr übrig blieb, als die, welche er eben jetzt zur Untersuchung vorlegt.

66

Aepinus zwo Schriften von der Ähnlichkeit der elektrischen und magnetischen Kraft und von den Eigenschaften des Tourmalins. Deutsch übersetzt, Gräz 1771. In dieser Schrift findet man auch Nachricht von einem Schwefelelektrophor, dessen der Verfasser bereits sich bediente.

67

Man siehe die Tafel bei Cavallo über die Elektrizität. Deutsche Übersetzung. S. 19.

68

von allen inneren Qualitäten völlig entblößt. (Erste Auflage.)

69

Ich leugne nicht, daß es scheinbare Ausnahmen gibt, sobald man z.B. Leiter mit Nichtleitern reibt, da ein und dasselbe Gesetz sich allerdings verschieden modifizieren kann, je nachdem zwei Körper derselben Klasse oder von verschiedenen in Konflikt gesetzt werden. Überhaupt aber läßt der Begriff der Brennbarkeit des Grades der Verwandtschaft zum Sauerstoff noch große Zweideutigkeit zu, so lange nicht bestimmt ist, wonach jene und dieser geschätzt werde.

(Diese Anmerkung lautet in der ersten Auflage: Ich leugne nicht, daß es scheinbare Ausnahmen gibt, so bald man Leiter mit Nichtleitern reibt. Das Metall z, B. hat offenbar größere Verwandschaft zum Sauerstoff, als ein seidenes Band, das jedoch mit jenem gerieben negative Elektrizität zeigt. Allein in diesem Falle zeigt das Metall gar keine Elektrizität, ein Beweis, daß es hier blos als Leiter gedient hat, der die positive elektrische Materie leichter, als die negative entführte, und daher die letztere an den nichtleitenden Körper absetzte.)

70

Sehr merkwürdig wird dadurch die Erfahrung, daß – alles Übrige gleich gesetzt – die Farbe der Körper den Unterschied der Elektrizitäten bestimmt. Nach den Versuchen von Symmer (in den Philosoph, transact Vol. LI. P. 1. Nr. 36) z.B. werden, schwarze und weiße Bänder aneinander gerieben, jene negativ, diese positiv. Man erinnere sich des Zusammenhangs, in welchem die Farbe der Körper mit ihrem Verhältnis zum Oxygene steht, um dies erklärbar zu finden.

71

Erxlebens Naturlehre. S. 487.

72

Nach Hrn. Pictets Erfahrungen wird in verdünnter Luft sogar weit mehr Hitze als in gewöhnlicher durch gleiches Reiben erregt. (Versuch über das Feuer, deutsche Übersetzung. Tübingen, 1790. S. 184 ff.) Man darf hierbei nicht vergessen, daß, wenn Indifferenz der im Prozeß begriffenen Körper die vornehmste Bedingung der Erregung von Wanne durch Reibung ist, die verdünnte Luft weit weniger, als selbst different und als Mittel zur Differenzierung, die erwähnte Erregung verhindert als dichtere Luft. Dagegen ist die Bedingung für die Elektrizitätserregung die entgegengesetzte der angegebenen, womit denn auch andere Beobachtungen jenes Gelehrten trefflich übereinstimmen, z.B. S. 189, daß das Reiben in verdünnter Luft keine Funken, sondern nur an den Berührungspunkten der beiden Körper einen phosphorartigen Schein zeigt, der dem ähnlich ist, welchen man beim Aneinanderschlagen harter Steine in der Dunkelheit erblickt. Hrn. Ps. Apparat kann zur Prüfung der oben vorgetragenen Hypothese sehr leicht benützt werden.

73

Bei den Phänomenen der Verteilung kann man am wenigsten zweifelhaft sein, daß alle Elektrizität aus der Luft komme, da diese Phänomene sich bei leitenden Körpern, die also auch äußerst schwer selbst elektrisch werden, am gewöhnlichsten und am auffallendsten zu zeigen pflegen.

74

Man vergleiche Memoire sur l'analogie, qui se trouve entre la production et les effêts de l'électricité et de la chaleur de même qu'entre la propriété des corps, de conduire le fluide électrique et de recevoir la chaleur, par Mr. Achard. (Rozier T. XXII. Avril. 1785.)

75

Frage: Zeigt sich dabei kein Unterschied positiver und negativer Elektrizität?

76

Vielleicht läßt sich aus der vorgetragenen Hypothese leichter erklären, was sonst nicht so leicht erklärbar ist (vergl. Grens Journal Band III, Heft I, S. 14) warum sich bei der Wasserzersetzung durch den elektrischen Funken brennbare Luft ohne Lebensluft erzeugt.

77

Quo bruta tellus – – concutitur. Horat.

78

Idées sur la Météorologie. Vol. II. § 644.

79

Observations on different Kinds of air. Vol. II. Sect. 12. 13. Cavallo a. a. O. 2., 3. Kapitel.

80

Man vergl. Cavallo a. a. O. 2. Kapitel.

81

Vorrede zur 6. Auflage von Erxlebens Naturlehre. S. XXXI.

82

Voyages dans les Alpes. Tome III. § 222.

83

Grens neues Journal der Physik. Dritten Bandes erstes Heft, S. 1 ff.

84

S. 16-17.

Quelle:
Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling: Werke. Band 1, Leipzig 1907, S. 218-242.
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