Die fünf Elemente.

[82] Frage. Es fragte einst ein scharfer Forscher der Literatur und sprach: Da nun die Natur sowohl des ruhenden als des bewegenden Princips und der fünf Elemente von einer und derselben Urmaterie ernährt wird, so ist wohl auch deren Natur bloss eine und dieselbe?

Antwort. So ist's. Auch sagt man: Das Gleiche ist die Urkraft und das Ungleiche ist die Urmaterie; und wiederum: Dasjenige, wodurch der Ordnung gemäss das Werden der fünf Elemente erfolgt, das ist eines jeden Dinges Natur.

Frage. (Kang)tsie fragte und sprach: Als noch kein Baum da war, so wurden daraus die Bäume; als noch kein Feuer da war, so ward daraus das Feuer, – ist diess Alles aus | einer Urkraft?

Antwort. Der Lehrer antwortete und sprach: Man kann das Licht zum Beweise anführen: das Licht ist die Quelle der Klarheit und Dunkelheit, und doch ist bloss ein Licht.

Das Reinste der Urmaterie ist der Geist. Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde sind als solche nicht Geist; der Geist ist aber[82] dasjenige, wodurch Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde sind. In dem Menschen ist der Geist die Urkraft, dasjenige nämlich, wodurch Menschlichkeit und Gerechtigkeit, Sitten, Weisheit und Treue sind.

Obgleich man behauptet, dass Metall, Holz, Wasser, Feuer, Erde und die fünf Elemente die ihnen eigenthümliche Natur enthalten: so enthalten sie doch alle einen Theil der Urkraft. Diess wird man leicht einsehen; denn Kang tsie hat diess vortreflich erforscht.

Der Himmel ist das Eins, und hieraus ward das Wasser; die Erde ist das Zwei, und hieraus ward das Feuer. War einmal das Wasser und vereint nach Unten, so war, wie man sich denken kann, das Wasserelement vorhanden; war das Holz, so ward der weiche Grund; das Metall, | so konnte der feste Grund hervorgehen. Die Erklärung der fünf Elemente im Tschi mong ist sehr gut. Daselbst heisst es auch: Das Holz ist die feinste Blüthe der Erde, so wie dann (im Gegentheil) Wasser und Feuer zusammen nicht aus der Erde hervorgehen. Im ersten Abschnitte des Tschi mong wird diess sehr gut erklärt, und man braucht kein einziges Wort zu verändern.

Frage. Es fragte Hoang sse tsching und sprach: Haben die Fundamentalkräfte des Metalls, des Holzes, Wassers und Feuers wohl eine Beziehung zur Erde?

Antwort. Der Tschi mong giebt eine gute Erklärung; es heisst daselbst: Die Fundamentalkräfte des Metalls und Holzes haben eine Beziehung zur Erde, nicht aber die des Wassers und Feuers.

Frage. Das Feuer hat seinen Anhaltspunct am Holze und wird von diesem erzeugt, es bezieht sich also in keinem Fall auf die Erde, oder ist's nicht so?

Antwort. Das Feuer ist die Thätigkeit eines Leeren.

Frage. Das Feuer entstand wohl, als die Urmaterie erhitzt wurde, oder ist's nicht so?

Antwort. So ist's. Wasser und Feuer sind das Feine; Metall und Holz sind das Grobe. Auch die Erde gehört zum Groben.

Frage. Wie definirt man das ruhende und das bewegende Princip und die fünf Elemente?

[83] Antwort. Schao kang tsie definirt sie durch die Worte: Geheimniss der Norm; Hong ku definirt sie mit den Worten: das Durchdringen der Urkraft; Pe ouen und Itschuan | mit dem Worte Leben. Die Untersuchungen Tscheou's, Meou's und Schu's zielten ebenfalls darauf hin; aber ihre Lehre ist nicht so weit durchgedrungen, um die Elemente als Theile der Urkraft zu erkennen. Kin fu sagt: Itschuan hat dieses noch nicht ausgesprochen, wohl aber Pe ouen und Wang tsay, diese haben schon die Wahrheit erfasst.

In hat sein Fundament in Yâng, und Yâng hat sein Fundament in In: das Wasser ist innerlich hell und äusserlich dunkel; das Feuer ist innerlich dunkel und äusserlich hell. Hong ku sagt: Die reine Natur des In und Yâng findet sich zusammen an einer und derselben Stätte. Diese Ansicht hat Grund.

Das ein wenig Glänzende enthält Schatten, das durchaus Glänzende ist fern von allem Schatten; ein wenig Glänzendes ist Metall und Wasser, durchaus Glänzendes das Feuer und die Sonne. Wasser und Feuer sind die Urmaterie: sie gehen hervor durch die Bewegung und sie werden bewegt durch den Fluss, – sie sind die Kräfte der äussersten Leere. Als sie vollendet waren, ward aber keine Ruhe, sondern es wurden Holz und Metall, und dann erst erfolgte Ruhe. Die zuerst gewordenen, Wasser und Feuer, und (die spätern) Holz und Metall wurden der Erde anvertraut, so wie (die andern) fünf Metalle: alles Gewordene bewegte sich in der Erde.

| Um es mit einem Worte zu sagen: das All erzeugte die Dinge, zuerst das Reine und Klare, und darauf erfolgte das Unreine und Dichte. Der Himmel erzeugte zuerst das Wasser und hierauf die Erde das Feuer. Diese zwei Wesen sind das Klarste und Reinste der fünf Elemente; Metall und Holz sind schwerer, als Wasser und Feuer; die Erde ist noch schwerer, als Metall und Holz. Wie diess bei der Musik der Fall ist: Luy luy ist schwer und unzart im ersten Grade, Kong ist noch schwerer und unzarter, alsdann folgt Nan, alsdann Kio, alsdann Tschy und am allerletzten Ju1.[84]

In In und Yâng sind die fünf Elemente enthalten: Holz und Feuer sind Yâng, Metall und Wasser sind In. Sind sie (die Elemente) getrennt, so sind sie; sie sind aber auch nichts desto weniger, wenn sie noch vereint sind. Das Holz verhält sich wie das erste Zeichen des zehnjährigen Cyclus, Kia genannt; das Feuer wie das dritte, Ping genannt; die Erde wie das fünfte, Meou genannt; das Metall wie das siebente, Keng genannt; das Wasser wie das neunte, Jin genannt. Alle diese (d.h. alle diese ungeraden Zahlenverhältnisse) beziehen sich auf das Princip der Bewegung; alle andere cyclische Zeichen (oder gerade Zahlenverhältnisse), I, Ting, Ki, Sin und Kuei genannt, beziehen sich auf das Princip der Ruhe. Durch diese Auseinandersetzung erlangt man auch die Einsicht von der Urkraft des Unbiegsamen und Nachgiebigen, so wie von den fünf Cardinaltugenden2.

| Frage. Das erste ist Wasser, das zweite Feuer, das dritte Holz, das vierte Metall, das fünfte Erde. Der Anfang des Werdens in der Urmaterie geschah auf eine verborgene Weise, sie war lau und Nichts weiter. Aus der laulichen Wärme entstand eine grosse feuchte Hitze, aus dieser Hitze das Zerfallen in Theile, aus diesem Zerfallen in Theile das Feste und aus dem Festen der formelle Grund; dieser besteht aus fünfen, obgleich im Grunde sie zusammen bloss eines sind. Ist diese Erklärung richtig und vernunftgemäss?

Antwort. Man merke auf die Erklärung des Wu teounan, nach welcher nämlich Alles, was geschieht, aus den fünf Grundvorrichtungen (Elementen) hervorgeht. Es ist der Vernunft gemäss, dass Alles auf dieser Anordnung beruhe. Dieser Ausspruch hat einen guten Sinn.

Frage. Die zwei Urmaterien (In und Yâng) und die fünf Elemente erzeugen alle Dinge; die eine öffnet und die andere schliesst. Sie verändern sich und produciren auf eine zahllos mannichfaltige Weise, und doch ist diess immer die eine Urmaterie der fünf Elemente. Aus den Wandelungen des Wassers und des[85] Feuers entstehen Donner und Wind; diese enthalten wiederum das Ungleiche und Verschiedene der zwei Urmaterien. Die Schu setzen fest, dass alle Dinge durchaus so vorbereitet waren (in der Urmaterie), wie die Urmaterie selbst, wodurch die Menschen erhalten werden. Alles war vorbereitet, das Schiefe wie das Gerade.

Frage. Wenn man sagt: alle Dinge sind vorbereitet, so heisst diess wohl nur so viel, als: alle Dinge sind in so weit vorbereitet, dass sie durch die fünf Elemente vollendet werden können, sowohl | das Grosse als das Kleine. Man möge aber wohl bedenken, dass Alles noch versenkt und noch nicht zur Klarheit gekommen ist?

Antwort. Die Urmaterie der fünf Elemente ist gleichsam das Warme und Kalte, die Kälte und Hitze, das Trockne und Nasse, das Harte und Weiche, dasjenige, welches die Mitte des Alls anfüllt. Jedes Ding erhält sich und war in den fünf (Elementen) vorbereitet: nur durch sie ward Alles und Jedes.

Frage. Die Anordnung und Aufzählung bezieht sich wohl auf ihre Entstehung in der Zeit, und deshalb hiess es (in folgender Ordnung): Wasser, Feuer, Holz, Metall und Erde; Wasser und Holz aus Yâng, Feuer und Metall aus In, wie diess die vollendete Tafel (des Absoluten) aus einander setzt, nach der angegebenen Ordnung. Warum nennt man aber Wasser und Holz Yâng und Feuer und Metall In?

Antwort. Der Himmel erzeugte zuerst das Wasser und hernach die Erde das Feuer; der Himmel in der dritten Potenz das Holz, die Erde in der vierten das Metall: Eins und Drei sind Jâng, Zwei und Vier sind In.

Frage. Die Ordnung in der Aufzählung der fünf Elemente bezieht sich wohl auf die (Aeusserungen) der Urmaterie: Holz, Feuer, Metall, Erde und Wasser. Holz und Feuer sind Yâng, | Metall und Wasser sind In, und man führt sie wohl in dieser Ordnung auf in Betracht ihrer Thätigkeit. Warum heisst nun Holz und Feuer Yâng, Metall und Wasser aber In?

Antwort. Man giebt ihnen aus demselben Grunde diese Namen, aus welchem man von den vier Jahreszeiten Frühling[86] und Sommer Yâng nennt, Herbst und Winter aber In3.

Lasst uns nun hier Alles zusammen fassen, lasst uns aufzählen die Productionen der ernährenden Urmaterie und aus ihr gleichsam einen Auszug machen. In und Yâng zertheilen sich und werden die fünf Elemente; in jedem der fünf Elemente sind aber In und Yâng zugleich: eins und zwei sind Holz, drei und vier sind Feuer; der Frühling hat eine Beziehung zum (Element) Holz und die Sonne zum Feuer. So verhält es sich mit den Jahren, Monaten, Tagen und Stunden. So lange die Urmaterie der fünf Elemente noch nicht vorhanden war, waren diese (Jahre u.s.w.) auch noch nicht vorhanden; es waren nicht 1, 2, 3 und 4. Als sie vorhanden war, hatte sie eine Beziehung zu In und Yâng, und diess ist die Urmaterie der zweimal Fünf. Des Menschen Urmaterie enthält sowohl das Reine als das Unreine, das Edle wie das Gemeine, langes und kurzes Leben. Alles ward durch sie, und deshalb findet sich auch das Verschiedene ungesondert neben einander gereiht. Yâng bewegte die in ihm verschlossene Ruhe und erzeugte Wasser, Feuer, Holz, Metall und die Erde. In und Yâng zusammen sind die Urmaterie, sie erzeugen das Fundament der fünf Elemente; Himmel und Erde erzeugen die Dinge. Die (reinen Theile) der fünf Elemente waren zuerst allein da; die gewöhnliche Erde ward aus der reinen Erde. War die reine Erde mit der Masse umgeben, dann konnte sie die Metalle, Holz und dergleichen in sich aufnehmen. Wie hätte ohne die fünf Elemente, ohne In und Yâng eine Vermittelung im All Statt finden können! Diese Sieben | waren zusammen in kochender Gährung, auf dass der feste Grund der Dinge gelegt werden, die fünf Elemente sich ausbreiten und die vier Zeiten in Thätigkeit gerathen konnten. Die Elemente Metall, Holz, Wasser und Feuer beziehen sich (jedes einzelne für sich) auf Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Glänzend durchschreitet die Erde die vier Jahreszeiten, wenn der Frühling[87] sich auf das Element Holz bezieht, und rein und klar erfolgen dann die zwölf Monate. Durchschreitet die Erde auf eine glänzende Weise die Jahreszeiten, so enthält eine jede Zeit achtzehn glänzende Tage, (in allen vier Jahreszeiten) zusammen zwei und siebzig. Enthält die Sommerszeit achtzehn glänzende (heitere) Tage, alsdann ist die Urmaterie der Erde sehr klar und das Metall des Herbstes wird entstehen. Diess kann man aus der Tafel (des Absoluten) ersehen: Holz erzeugt Feuer, Metall, Wasser u.s.w. Alle Dinge haben ihren Anfang und ihren Höhepunct, wo sie sich wechselseitig berühren, so dass das Feuer in Erde sich verwandelt und die Erde in Metall. Dieses allein dringt in das Innere der Erde; alles Uebrige nähert sich ihm, aber es bleibt doch zurück. Diess ist klar.

1

Ueber diese verschiedenen Tonarten steht eine Abhandlung in dem zweiten Bande der Mémoires sur les Chinois. Vgl. auch Meng tse, von Julien, Bl. 28 des Chinesischen Textes.

2

Die cyclischen Zeichen werden auch hier, wie sonst häufig, dazu gebraucht, um blosse Zahlenverhältnisse anzudeuten, wie das Gerade und Ungerade und dergleichen.

3

Tschu tse setzt hier, wie an vielen andern Stellen der Naturphilosophie, den Theil der Chinesischen Weltweisheit voraus, der Sing li (Anthropologie und Kosmologie) genannt wird. Deshalb lasse ich hier wieder eine Stelle, als für sich allein ganz unverständlich, weg.

Quelle:
Die Natur- und Religionsphilosophie der Chinesen. In: Zeitschrift für die historische Theologie. Neue Folge, Stück 1, Nr. 1, Gotha 1837, S. 82-88.
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