3. Verborgene Seligkeit

[31] Giën Wu fragte den Liën Schu und sprach: »Ich hörte Worte von Dsië Yü, die waren groß, aber unanwendbar. Sie verloren sich in überstiegenen Höhen. Ich wurde beunruhigt durch seine Worte, denn sie waren wie die Milchstraße ohne Ziel und Ende. Sie gingen ihre eigenen Pfade, fernab von allen menschlichen Verhältnissen.«[31]

Liën Schu sprach: »Wie lauteten denn seine Worte?«

»Er sagte, fern auf dem Gu Schê Berge wohnten selige Geister. Ihr Leib sei kühl wie Eis und Schnee; sie seien zart wie Jungfrauen; sie lebten nicht von Brot und Korn, sondern schlürften den Wind und tränken den Tau; sie führen auf Wind und Wolken und ritten auf fliegenden Drachen weit hinaus jenseits der Welt. Ihr Geist sei so gesammelt, daß sie die Natur vor Seuche und Krankheit bewahren könnten und Jahr für Jahr das Korn zur Reife komme. Das scheint mir verrückt, und ich glaube es nicht.«

Liën Schu sprach: »Nun wohl! Einem Blinden kann man nicht den Anblick eines Kunstwerks verschaffen. Einem Tauben kann man nicht die Klänge von Musik vernehmbar machen. Es gibt aber nicht nur leiblich Blinde und Taube, sondern es gibt auch solche, die es an Erkenntnis sind. Und deine Worte zeigen, daß du auch dazu gehörst.

Der Einfluß eines Menschen jener Art durchdringt die ganze Schöpfung. Wie könnte er, weil ein einzelnes Geschlecht in seiner Verwirrung ihn anruft, sich damit abmühen, die Ordnung des Reichs zu seiner Aufgabe zu machen? Einem solchen Menschen kann nichts in der Welt etwas anhaben. Eine Sintflut, die bis an den Himmel reicht, kann ihn nicht ertränken, und Gluten der Hitze, in denen Metalle und Steine zerschmelzen und die Erde und die Berge verdorren, können ihn nicht brennen. Aus dem Staub und der Spreu, die von seinem Wesen abfallen, könnte man noch die größten Männer formen. Wie sollte der gewillt sein, die Außenwelt als seine Sache anzusehen!«

Ein Mann aus Sung handelte mit Seidenhüten und ging damit zu den Wilden im Süden. Die Wilden aber trugen kurzgeschorenes Haar und tätowierten ihren Leib. Sie hatten keinen Bedarf dafür.

Yau hatte alles Volk unter dem Himmel beherrscht und die ganze Welt zum Frieden gebracht. Da ging er hin, um die vier Vollkommenen in den fernen Gu Schê Bergen zu besuchen. Als er von dort über den Grenzfluß zurückgekommen war, da verlor sich sein Reich vor seinem verzückten Auge.

Quelle:
Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 31-32.
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