6. Der Opferpriester und die Schweine

[201] Der Opferpriester trat in seinem langen, dunklen Gewand an das Gitter des Schweinestalls und redete also zu den Schweinen: »Weshalb wollt ihr euch vor dem Tode scheuen? Ich werde euch mästen drei Monate lang; ich werde mich kasteien zehn Tage lang und drei Tage fasten. Dann werde[201] ich die Matten von weißem Stroh ausbreiten; ich werde eure Schultern und euren Schwanz auf geschnitzte Opferschalen legen. Was wollt ihr noch mehr?«

Dann dachte er nach, was wohl den Schweinen lieber sei, und sagte: »Sie haben's besser, wenn man sie mit Spreu und Kleie füttert und sie in ihrem Stall stehen läßt.«

Für sich selber aber war er bereit, wenn er nur im Leben Staatskarossen und prächtige Kleider haben konnte, der Gefahr des Todes sich auszusetzen. Das Los, das er vom Standpunkt der Schweine aus verwarf, hat er für sich selbst gewählt. Warum denn wollte er's anders haben als die Schweine?

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Dschuang Dsï: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. Düsseldorf/Köln 1972, S. 201-202.
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