Übergabegleis

[440] Übergabegleis (delivery line; voie de sortie ou de transbordement; binario di transbordo), Gleis zum Aufstellen der an eine andere Verwaltung oder Betriebsstelle zu übergebenden beladenen oder leeren Wagen (s. Bahnhöfe u. Anschlußbedienung).


Solche U. werden namentlich an solchen Stellen erforderlich, wo die Bahnnetze zweier Eisenbahnverwaltungen aneinanderstoßen, ohne daß dort ein Gemeinschaftsbahnhof mit vollständiger Betriebsgemeinschaft angelegt wäre, d.h. wo entweder jede der beiden Eisenbahnverwaltungen einen besonderen Bahnhof besitzt oder wo zwar ein Gemeinschaftsbahnhof vorhanden ist, die Betriebsgemeinschaft aber für gewisse Betriebszweige, zwischen denen Wagen zu übergeben sind, gar nicht oder nicht vollständig durchgeführt ist, so z.B. schon dann, wenn die den Gemeinschaftsbahnhof der Eigentumsbahn mitbenutzende Bahn eigene, von ihr selbst betriebene Ortsgüteranlagen besitzt. Die Ü. werden in der Weise benutzt, daß die eine Verwaltung die zu übergebenden Wagen in die Ü. hineinsetzt, die andere sie herausholt. Da in der Regel Wagen in beiden Richtungen zu übergeben sind, so empfiehlt es sich, in der Regel hierfür mindestens 2 Ü. anzuordnen. Wo sonst der Betrieb der beiden Bahnnetze hinsichtlich des Güterverkehrs vollständig[440] getrennt ist, werden nur die Ü. von den Lokomotiven beider Bahnverwaltungen befahren.

Ü. sind ferner an solchen Stellen erforderlich, wo ein nicht im eigenen Betrieb der Eisenbahn befindlicher Hafen, eine Zeche, eine industrielle Anlage, ein Steinbruch u.s.w. an die Eisenbahn angeschlossen ist. Nur bei ganz kleinen Anschlüssen begnügt man sich oft damit, daß die Bahnverwaltung die zu übergebenden Eisenbahnwagen unmittelbar in das Anschlußgleis hineinsetzt und die zu übernehmenden Wagen aus diesem wieder herausholt. Bei allen größeren Anlagen empfiehlt es sich schon, um die Haftung genau zu begrenzen, eigentliche Ü. vorzusehen, in die die Eisenbahn die Wagen hineinsetzt und aus denen die angeschlossene Anlage sie herausholt, und umgekehrt. Bisweilen verbinden sich mehrere angeschlossene Anlagen zu einer Betriebsgemeinschaft, mit gemeinsamen Ü. Wo die angeschlossenen Anlagen sehr groß sind, wachsen sich die Ü. zu einem ganzen Bahnhof, einem Übergabebahnhof, aus, in dem die angeschlossene Anlage die übernommenen Wagen für ihre Ladestellen ordnet und in dem bisweilen auch eine Verordnung der an die Eisenbahnverwaltung zurückzugebenden Wagen stattfindet.

Mit dem Namen Ü. belegt man schließlich auch, nicht sehr glücklich, Gleise innerhalb eines Verschiebebahnhofs, die dazu dienen, Eisenbahnwagen vorübergehend aufzunehmen, die dann von ihnen aus nach einer andern Stelle des Bahnhofs oder nach einem andern Bahnhof oder Bahnhofsteil derselben Eisenbahnverwaltung überführt werden sollen. Solche Bezeichnung kommt z.B. vor bei Gleisen für Wagen, die beim Verschiebegeschäft für die Ortsgüteranlagen, für eine Umladebühne, für die Werkstätte ausgesondert werden, ferner auch bei Richtungsgleisen für sog. Umkehrwagen, die auf einem 2seitigen Verschiebebahnhof zuerst bunt ausgesondert werden, um dann auf die andere Bahnhofseite übergeführt zu werden, wo sie zusammen mit den in entgegengesetzter Richtung angekommenen Wagen endgültig geordnet werden (s. Verschiebebahnhöfe).

Cauer.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 440-441.
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