Nördling

[364] Nördling, hervorragender Eisenbahntechniker, geboren 29. August 1821 in Stuttgart, gestorben 6. November 1908 in Paris. Nach Vollendung der Studien in Stuttgart und Paris war er in Frankreich zunächst im Straßen- und dann im Eisenbahnbau tätig. Er baute u.a. die Eisenbahn von Frouard bei Nancy nach Forbach. Später trat er in die Dienste der Orléansbahn und wurde ingénieur en chef dieser Bahngesellschaft. N. baute auch die Cantalbahn zur Verbindung von Lyon mit Bordeaux, eine höchst schwierige Gebirgsbahn, die Steigungen bis zu 1 : 33 als Vollbahn gebaut aufweist. Auch in der Schweiz war N. im Auftrag[364] französischer Gesellschaften tätig und entwarf die Pläne für die Bahn von Lausanne nach Freiburg. 1870 verließ N. Frankreich und folgte einem Ruf nach Österreich als technischer Konsulent des Handelsministeriums mit dem Titel eines Hofrats. N. schied infolge von Unstimmigkeiten schon 1872 noch vor dem Ablauf der 5jährigen Vertragsdauer aus dieser Stellung und wurde Generaldirektor der Theißbahn in Budapest. 1875 nahm er den Abschied, kehrte nach Österreich zurück und wurde noch im selben Jahre Sektionschef des Handelsministeriums und Generaldirektor des österreichischen Eisenbahnwesens. N. konnte bei seinen Plänen über den Ankauf von Bahnen nach dem kommerziellen Werte, bei seinen Theorien über die Monopolisierung des Verkehrs und über die Schmalspur nicht die Zustimmung des Parlaments finden. Den Kernpunkt des Meinungsstreites bildete die Frage der Tunnelanlage der Arlbergbahn. N. vertrat schon 1875 den Plan eines hochliegenden, 7 km langen, einspurigen, billigeren Tunnels, während andere Fachmänner mit Rücksicht auf die Bedeutung der Bahn sowie die Wahrung der Regelmäßigkeit und Sicherheit des Betriebs den Bau eines tiefer liegenden doppelgleisigen Tunnels von größerer Länge (10∙27 km) befürworteten. 1879 ging die Regierung daran, den in der Thronrede angekündigten Bau der Arlbergbahn einzuleiten. Der Handelsminister berief eine Enquete ein. Diese entschied mit überwiegender Mehrheit gegen den Vorschlag N. Der Minister trat auf die Seite der Enquete und N. gab die Demission.

Es ist N. als Verdienst anzurechnen, daß er die vielen Zwistigkeiten hinsichtlich der Auslegung der Garantieabrechnungen der Privatbahnen behoben und die Erledigung der zahlreichen Rückstände an Garantievorschüssen bewirkt hat.

Nach seinem Rücktritt lebte N. noch einige Jahre in Wien und übersiedelte dann nach Paris. Er benutzte seine Muße zu fachwissenschaftlichen Vorträgen und Arbeiten.

Er schrieb u.a.: Die Alternativtrassen der Vorarlbergbahn, Wien 1879; Über die bosnischen und serbischen Eisenbahnen, Wien 1880; Die Selbstkosten des Eisenbahntransports und die Wasserstraßenfrage, Wien 1885; Die Bosnabahn, Wien 1882; ferner: Note sur le Raccordement des déclivites et des courbes des voies de fer, Paris.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 7. Berlin, Wien 1915, S. 364-365.
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