Schrebergärten

[419] Schrebergärten (Arbeiter-, Familien-, Heim-, Klein-, Lauben-, Fabriks-, Eisenbahngärten), zu größeren Gruppen vereinigte kleine Pachtgärten. Die Errichtung von S. soll dem schädlichen Einfluß des Groß- und Industriestadtlebens auf die ärmere Bevölkerung in wirtschaftlicher, gesundheitlicher und sittlicher Beziehung entgegenwirken.

In Deutschland entstanden die ersten derartigen Gärten durch Gemeinden, indem Bedürftigen anstatt Barunterstützungen Gartenland zur Bewirtschaftung unentgeltlich oder gegen geringen Pacht übergeben wurde (Leipzig 1832 die Armengärten). Der im Jahre 1881 in Leipzig verstorbene Arzt Dr. Schreber machte es sich zur Lebensaufgabe, für die naturgemäße Erziehung der Kinder zu wirken. In Verfolgung dieser Bestrebungen regte Dr. Hauschild in Leipzig 1884 die Gründung des Ersten Eltern- und Erziehungsvereines an, der »Schreber«-Verein genannt wurde. Die in weiterer Folge allerorts entstandenen gleichartigen Vereine bezwecken die Anlage von Spielplätzen für Kinder, umgeben von Kleingärten. Die Zahl der von den Schrebervereinen errichteten S. ist infolge ihrer großen Bedeutung für das Volkswohl im Laufe der Jahre mächtig gestiegen. So hatte Leipzig im Jahre 1913 bereits 15.000 S., die etwa 100.000 Menschen Erholung boten. Die Schrebervereine haben sich zu Verbänden, diese wieder im »Zentralverband deutscher Arbeiter- und Schrebergärten« in Berlin zusammengeschlossen, dem auch der allgemeine Verband der Eisenbahnvereine mit über 760 Vereinen und 440.000 Mitgliedern angehört.

Die deutschen Bahnverwaltungen legten Gärten auf Bahngrund für ihre Bediensteten nur in einzelnen Fällen selbst an; im allgemeinen wird Bahngrund, Staats- oder gepachteter Grund zur Anlage von S. an die Eisenbahnvereine der Staatsbahnen pachtweise überlassen.

In Österreich-Ungarn hat zunächst die Aussig-Teplitzer Eisenbahn seit 1913 für ihre Bediensteten in Aussig und Komotau über 170 Gärten mit Spielplätzen, Baumschulen und Warmbeeten hergestellt. Seither hat auch die österreichische Staatseisenbahnverwaltung der Errichtung von S. ihre besondere Aufmerksamkeit und Fürsorge zugewendet. Größere Anlagen mit meist 70–200 Kleingärten befinden sich in mehr als 20 Stationen der Staatsbahnen. Besondere Beachtung verdient die Einrichtung eines Muster- oder Muttergartens in der Station Leitmeritz. Dort wurden auf einer ungefähr 3000 m2 großen Gartenfläche die verschiedensten Gemüsearten gepflanzt und im Frühjahr 1915 über 25.000 in Warmbeeten gezogene Pflanzen[419] an die Kleingärtner des Nordwestbahnbereiches abgegeben, deren Bedarf an Sämereien gleichfalls durch den Leitmeritzer Garten zur Gänze gedeckt wird. Die Verallgemeinerung dieser äußerst beachtenswerten Einrichtung ist seitens der Staatseisenbahnverwaltung im Zug.


Für die Anlage der S. auf Bahngrund ist vor allem Eignung des Bodens der verfügbaren Flächen und nicht zu große Entfernung vom Wohnort der Bediensteten erforderlich. Durch Aufbringung von Muttererde, Dünger, Straßenschmutz u. dgl. kann auch schlechter Boden anbaufähig gemacht werden; so konnten z.B. viele deutsche S. auf Ablagerungsplätzen für Schutt und Abfälle errichtet werden, wenn nur eine Wasserversorgung möglich war. Die Größe der einzelnen Gärten ist mindestens mit 100 m2 und mit Rücksicht auf die beschränkte, den Bediensteten zur Verfügung stehende Zeit mit höchstens 300 m2 zu bemessen. Wasserversorgung, Wege, Einfriedungen und Spielplatz sind nach einheitlichem Plan anzulegen. Der Pachtzins soll niedrig und nötigenfalls in Teilbeträgen zahlbar sein. Die Aufrechthaltung der Ordnung überlasse man möglichst den Garteninhabern selbst, die einen Gartenausschuß selbst wählen; wünschenswert ist die fachliche Aufsicht durch einen Gartenbaukundigen. Vorträge Fachkundiger über Gartenbau, Verwertung der Erzeugnisse, allgemeine Lebenshaltung, Kindererziehung u. dgl. wecken und erhalten die Teilnahme an der ganzen Einrichtung. Dem gleichen Zweck dienen auch alle Maßnahmen, die den Ehrgeiz der Garteninhaber und ihren Wetteifer zu heben geeignet sind: so insbesondere die Aussetzung von Preisen für die am besten und erfolgreichsten gepflegten Gärten; die Preise bestehen am besten in Büchern, Zwergobstbäumchen von edler Art, Blumenzwiebeln für die Zimmerpflege im Winter, Sämereien von Zierblumen u. dgl. Die Verteilung der Preise geschieht am besten durch den Gartenausschuß. Wenn möglich sorge man für einen Raum, in dem dieser seine Beratungen abhält; dort können auch Fachblätter zur Benutzung durch die Teilnehmer aufliegen. Alles, was vom persönlichen Geschmack abhängt wie die Ausschmückung der Gärten durch kleine Gartenhäuschen u.s.w., überlasse man nach Möglichkeit den Garteninhabern; doch verhindere man offenbare Geschmacklosigkeiten und erlasse auch Vorschriften in jenen Grenzen, die durch billige Rücksichtnahme auf die Gartennachbarn (Schatten u.s.w.) gegeben sind. Auch in der Neigung für Zwergobst-, Blumen- oder Gemüsezucht u. dgl. beschränke man die Garteninhaber möglichst wenig; man verbiete nur den Kartoffelbau, weil durch diesen der Wert der Gärten als Bildungsmittel für den Ordnungs- und Schönheitssinn und als Beschäftigungsmittel und Erholungsort zu sehr beeinträchtigt wird. Die Anlage von Baumschulen, Warmbeeten und sonstigen Einrichtungen zur Versorgung der Anlage mit Bäumen, Beerensträuchern und Pflanzen ist zweckmäßig. Kleintier- und Bienenzucht ist in der Anlage selbst nicht zu gestatten, kann jedoch den Gärten angegliedert werden (s. auch Bepflanzung).

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 8. Berlin, Wien 1917, S. 419-420.
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