Stopfbüchsen

[235] Stopfbüchsen (stuffing-boxes; boîtes à garniture, boîtes à étoupe; premistoppa), Vorrichtungen, die eine Umfangsdichtung bei Kolbenstangen und Spindeln an deren Austrittsstelle aus einem mit gespanntem Dampf, Wasser, Luft u.s.w. gefüllten Raum bewirken und gleichzeitig der Kolbenstange oder der Spindel eine Längs- oder Drehbewegung gestatten.

S. werden angewandt im Dampfmaschinen- und Kesselbau bei Kolben- und Schieberstangen, bei den Spindeln der verschiedenartigsten Armaturventile (auch bei den Hahnwirbeln größerer Hähne), bei Wellen, die, von außen in Drehung gesetzt, im Innern des Kessels Schieber bewegen, und bei den Plungern aller hydraulischen Apparate (Krane und Aufzüge).

Die Bauart der S. beruht darauf, daß ein biegsamer, federnder, weicher Stoff – Hanf, Jute, Asbest, Leder, Weißmetall u.s.w., Packung genannt – um die zu dichtende Stange oder Spindel gewunden, durch Zusammenpressen vermittels eines durch Schrauben nachstellbaren Ringes (Druckbüchse) sich derart fest gegen die Stange oder Spindel anlegt, daß ein Entweichen der Druckflüssigkeit unmöglich wird.

Das Anpressen des Dichtungsstoffs kann auch durch das Druckmedium selbst geschehen – Manschettendichtung bei hydraulischen Apparaten.

Um die durch die Pressung der Packung hervorgerufene Reibung möglichst zu verringern, müssen die S. – insbesondere bei Kolben- und Schieberstangen der Dampfmaschinen – mit Schmiergefäßen versehen sein.

Mechanische Abnutzung der Packung, ferner Eintrocknen durch die Hitze des Dampfes hat zur Folge, daß nach Verlauf einiger Zeit die S. nicht mehr dicht halten. Um diesem Übelstand zu begegnen, sind alle mit Hanf-, Asbest-, Jute- oder Lederpackung versehenen S. derart eingerichtet, daß durch Niederschrauben der Druckbüchse das locker gewordene Dichtungsmaterial wieder zusammengedrückt werden kann.

Da die gewöhnlich angewendete Packung sich sehr rasch abnutzt, werden in neuerer Zeit S. mit metallischer Packung hergestellt, bei denen das Anpressen der Packung – Ringe aus Weißmetall – selbsttätig durch Spiralfedern bewirkt wird.

Beschreibung einiger S. Abb. 238 stellt eine bei Kolben- und Schieberstangen von Lokomotiven und Stabilmaschinen angewendete Bauart dar.

Es bezeichnet K die Kolbenstange, G den Grundring aus Metall, gegen den die Packung gepreßt wird, P die Packung (Zöpfe aus Hanf-[235] oder Jutefaser oder Zöpfe aus Hanf mit Asbestpulver gefüllt), D die Druckbüchse, an die ein Schmiergefäß S (Abb. 238) angegossen ist, und F einen Futterring, der immer dann notwendig ist, wenn, wie in Abb. 238 gezeichnet, das Keilende der Kolbenstange stärker als der Kolbenstangenschaft ist. Futterring und Grundring sind in diesem Fall behufs Aufbringung auf die Stange zweiteilig hergestellt.

Der Futterring ist mit der S. durch eine kleine Schraube 5 verbunden. Das Anziehen und Nachstellen der Druckbüchse erfolgt durch 2 oder 3 Schrauben A.

Einfacher sind die S. bei den Spindeln der verschiedenen Armaturventile (Abb. 239, P Packung, D Druckbüchse, U Überwurfmutter, durch deren Niederschrauben die Packung angepreßt wird). Ähnlich ausgeführt sind die S. bei den Wasserstandzeigern an Dampfkesseln u.s.w. Abb. 240 stellt eine S. mit metallischer Packung dar, nach Ausführung der französischen Nordbahn (auch auf einigen österreichischen Bahnen angewendet). G bezeichnet den Grundring, P die Packung, D die Druckbüchse und H eine Hülse, die es ermöglicht, eine ausgeschmolzene Packung ohne Zuhilfenahme von Meißeln und Messern herauszuziehen.

Die Dichtung erfolgt dadurch, daß die stark konischen Enden der Packungsringe durch einen etwas schwächeren Konus am Grundring und an der Druckbüchse fest gegen die Stange gepreßt werden.

Bei vielen S. (besonders bei Lokomotiven) wird, wie aus Abb. 240 ersichtlich ist, im vordersten Teil der Druckbüchse ein Filzring f eingelegt, der durch eine Platte p aus Stahl oder Kupferblech vor dem Herausfallen gesichert ist. Zweck dieser Einrichtung ist es, zu verhindern, daß durch Sand, Asche oder Kohlenstücke, die sich an der Kolbenstange ansetzen, Furchen in die Stange gerieben werden.

In neuerer Zeit werden metallisch gedichtete S. ausgeführt, bei denen die metallische Packung durch eine Spiralfeder, die zwischen Grundring und Packung eingelegt ist, gegen die Druckbüchse bzw. den Futterring gepreßt wird. Über S. für Heißdampflokomotiven s. Heißdampflokomotiven.

Abb. 238.
Abb. 238.
Abb. 239.
Abb. 239.
Abb. 240.
Abb. 240.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 235-236.
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