Stufenbahnen

[250] Stufenbahnen (moving platforms; plateformes mobiles; piattaforme mobile) werden Bahnen genannt, wobei 2 oder mehrere, mit kleinen Höhenunterschieden von etwa 10 cm dicht nebeneinander liegende Plattformen, die geschlossene Ringe von beliebiger Grundrißform bilden, so bewegt werden, daß die erste, an den feststehenden Bahnsteig anschließende mit der Geschwindigkeit des Fußgängers von 3–5 km/Std., die übrigen Plattformen nacheinander folgend mit der 2-, 3-, 4- und mehrfachen der angegebenen Fußgängergeschwindigkeit dauernd und so bewegt werden, daß die Reisenden gehend von der ersten bis auf die letzte, mit der größten Geschwindigkeit bewegte Plattform und vor Beendigung der Reise umgekehrt von der letzten allmählich bis auf den festen Bahnsteig ohne Gefahr gelangen können.

Die letzte Plattform kann für längere Fahrten auch mit Sitzen versehen und gedeckt sein. Nach der ursprünglichen Anordnung wurden die einzelnen Plattformen durch Vermittlung von Drahtseilen bewegt, während bei späteren Ausführungen nach Abb. 255 auf einer durchlaufenden Achse A die mit wachsendem Durchmesser angeordneten Räderpaare der einzelnen Plattformen P aufgekeilt wurden, auf denen sie mittels biegsamer Schienen verbunden werden, die sich auf dem Radumfang abwickeln und daher infolge zunehmenden Durchmessers größere Geschwindigkeit erreichen lassen.

Der Antrieb erfolgte hierbei elektrisch.

Da Wege- und Straßenkreuzungen in Bahnhöhe undurchführbar sind, so müssen diese Bahnen, falls solche Kreuzungen erforderlich sind, als Hoch- oder Tiefbahnen ausgeführt werden. Die S., die von den Gebr. W. und H. Rettig erfunden wurde, ist in abgeänderten Formen auf den Ausstellungsplätzen in Chicago 1893, dann in Berlin 1896 und in Paris 1900 ausgeführt worden.

Die Pariser S. hatte 3∙4 km Länge und 11 Stationen; sie wurde auf Grund von Versuchen auf einer in Saint Ouen bei Paris ausgeführten Probestrecke von 400 m Länge ungefähr in der aus Abb. 256 ersichtlichen Weise mit 2 Plattformen erbaut.[250]

Der feste Bahnsteig hatte 1·1 m, die erste, mit 3·5–4·0 km/Std. bewegte Plattform 1·0 m, die zweite, die 7·0–8·0 km/Std. Geschwindigkeit erreichte, 2 m Breite. Der Antrieb erfolgte elektrisch. Zur Unterstützung dienten Eisenträger, die zur Verminderung des Geräusches von Holzjochen gestützt wurden.

Das Leergewicht der beiden zu bewegenden Plattformen dürfte ungefähr 1170 t betragen haben.

Bei 7 km/Std. Geschwindigkeit der äußeren Plattform und Besetzung mit 15.000 Personen war der Kraftverbrauch etwa 330 Kilowatt, was sehr gering ist gegenüber dem Verbrauch der elektrischen Straßenbahnen für die gleiche Zahl von Personen.

Die Kosten der 3·4 km langen Bahnen werden mit 2·8 Mill. M., daher für den laufenden m mit 800 M. angegeben.

Für Paris wurde sodann eine 10 km lange Untergrundbahn als S. geplant. Auch für New York wurde nach den Plänen von Schmidt & Gallatin eine vierstufige Bahn mit größter Geschwindigkeit der vierten Plattform mit 14·5 km/Std. in Aussicht genommen und nach Stevenson eine S. mit 19 km/Std. Größtgeschwindigkeit, auf der in der Stunde 84.000 Personen befördert werden könnten.

Als Vorteile der S. sind hervorzuheben die große Betriebssicherheit, die Vermeidung der Aufenthalte und Ansammlung der Reisenden auf den Stationen, daher großer Massenverkehr bewältigt werden kann; das leichte Verlassen der Bahn im Fall eines Stillstands, das geringe, auf den Reisenden entfallende tote Gewicht und die günstige Ausnützung der Betriebskraft; dagegen sind als Nachteile anzusehen die großen Anlagekosten, namentlich infolge der Aufrechthaltung des Querverkehrs und der großen zu bebauenden Fläche, die Stillegung des ganzen Betriebs bei Eintritt einer Störung und der Umstand, daß der volle Betrieb auch in den Stunden schwachen Verkehrs aufrecht erhalten werden muß.

Bisher haben die S. keine weitere Verbreitung gefunden.

Literatur: Die Stufenbahn nach amerikanischem System. Leipzig 1896, Verlag Geidel. – Kollmann, Das Verkehrswesen der Weltausstellung in Paris 1900. Ztschr. dt. Ing. 1900. – Die Stufenbahn. Railr. gaz. 1904; Railway Age 1904; Gen. civ. 1899. – W.u.H. Rettig, Patent für eine Stufenbahn. 1888. – Stufenbahn auf der Berliner Ausstellung. Glasers Ann. 1896.

Dolezalek.

Abb. 255.
Abb. 255.
Abb. 256.
Abb. 256.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 9. Berlin, Wien 1921, S. 250-251.
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