Villard

[202] Villard, Henry, geb. 10. April 1835 in Zweibrücken in der Pfalz, Sohn des Oberlandesgerichtspräsidenten Hilgard, studierte in Deutschland die Rechte, wanderte anfangs der Fünfzigerjahre nach Amerika aus, wo er seinen deutschen Namen Hilgard in den Namen V. änderte. Seit 1870 beschäftigte er sich mit Eisenbahnangelegenheiten, ordnete in den Jahren 1873–1876 im Auftrag süddeutscher Bankhäuser die Verhältnisse der unter Zwangsvormerkung stehenden Kansas-Pacific-Eisenbahn und einer Anzahl kleiner, sich gegenseitig befehdender Eisenbahn- und Dampfschiffahrtsgesellschaften[202] in dem Staat Oregon und dem damaligen Territorium Washington, die er im Jahre 1878 zu einer großen und leistungsfähigen Gesellschaft, der Oregon Railway and Navigation Company, vereinigte. Er bemühte sich nunmehr, dieser Gesellschaft einen Anschluß an die nach dem Osten der Vereinigten Staaten führenden Bahnen zu verschaffen, und trat zu diesem Zweck mit Jay Gould und dem damaligen Präsidenten der Northern Pacific-Eisenbahn, Frederik Billings, jedoch ohne Erfolg, in Verbindung. Um gleichwohl zu diesem Ziel zu gelangen, begründete V. im Februar 1887 eine Gesellschaft mit einem Kapital von zunächst 8 Mill. Dollar, das später auf 20 Mill. Dollar erhöht wurde, womit er unter der Hand eine genügende Anzahl Aktien der Northern Pacific und der Oregon Railway and Navigation Company aufkaufte, um sich eine Mehrheit in beiden Gesellschaften zu sichern. Den Teilnehmern an der Gesellschaft wurde dieser Zweck zuerst geheim gehalten; die Gesellschaft selbst ist bekannt unter dem Namen des Blind Pool (blinder Gesellschaftsvertrag). Der Plan gelang und es wurde nunmehr im Juni 1881 aus den Teilnehmern des Blind Pool eine neue Aktiengesellschaft, die Oregon and Transcontinental Company gegründet, V. zu ihrem Präsidenten und im September 1881 auch zum Präsidenten der Northern Pacific-Eisenbahn gewählt. In letzterer Eigenschaft gelang es ihm unter großen Anstrengungen innerhalb zweier Jahre, bis zum 22. August 1883, die Northern Pacific-Bahn zu vollenden. Im August und September 1883 feierte er dieses Ereignis durch eine Festfahrt von New York über die neue Bahn nach Portland in Oregon und dem Pugetsund an der Spitze einer zahlreichen, aus Amerikanern, Deutschen und Engländern bestehenden Gesellschaft. Als kurz darauf die Gesellschaft in finanzielle Verlegenheiten geriet, wurde V. veranlaßt, von der Leitung zurückzutreten. Er lebte dann einige Jahre in Deutschland, kehrte 1886 nach Amerika zurück und nahm bald wieder in der Northern Pacific- und den ihr verbündeten Gesellschaften eine einflußreiche Stellung ein, wurde auch wieder zum Präsidenten gewählt. Seine Bestrebungen gingen dahin, der Bahn einen selbständigen Ausgangspunkt in Chicago zu schaffen und sie durch Ausbau eines großen Netzes von Zufuhrbahnen zu kräftigen, insbesondere gegenüber der Konkurrenz der benachbarten Überlandbahnen. Dieser Plan scheiterte an dem Mangel der nötigen Geldmittel. Als im Sommer 1893 die Northern Pacific-Bahn in Konkurs verfiel, gab V. seine Stellung als Präsident auf und hat sich seitdem mit Eisenbahnangelegenheiten nicht mehr beschäftigt. Er ist am 12. November 1900 gestorben.

Literatur: Heinrich Hilgard Villard, Jugenderinnerungen, 1902. – Lebenserinnerungen von Heinrich Hilgard Villard. Berlin 1906. Zuerst in englischer Sprache erschienen.

v. der Leyen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 202-203.
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