Wocheinertunnel

[417] Wocheinertunnel, 6339 m lang, im Zuge der Wocheinerbahn. Er durchführt in fast nordsüdlicher Richtung den Gebirgszug der östlichen Ausläufer der Julischen Alpen, der die Wasserscheide zwischen dem Adriatischen und Schwarzen Meere bildet.

Der Nordeingang liegt bei Wocheiner Feistritz auf der Meereshöhe 525∙4 m in dem flachgeneigten Vorlande der Kolba und dem breiten, landschaftlich schönen Savetal. Von Norden aus steigt der W. mit 2∙5 auf eine Länge von 3557 m bis zur Meereshöhe 534∙3 m und fällt dann nach Einschaltung einer 212 m langen Übergangsrampe von 2 mit 10 auf eine Länge von 2570 m bis zu dem auf der Meereshöhe 508 m im oberen, ziemlich engen Bačatale vor dem Dorfe Podbrdo befindlichen Südausgange. Der Tunnel liegt bis auf ein 120 m langes Bogenstück bei der Tunnelausmündung in einer Geraden.

In geologischer Hinsicht durchführt der W. vom Nordeingange aus gegen Süden bis zur Durchschlagsstelle des Sohlstollens bei 3545 m Entfernung vom Nordeingange folgende Formationen:

Auf eine Länge von 1600 m dunkelgraublauen Tonmergel, mehr oder weniger feinkörnigen Sand mit kalkigem Bindemittel und Lettenlassen. Diese tertiären Ablagerungen sind in der folgenden an Dachsteinkalke angrenzenden Strecke mit Kalkgerölle konglomeratartig vermengt.

Von 1600–2852 m werden dichte Dachsteinkalke, Breccienkalke und Oolithe der oberen Trias durchfahren, die von steilstehenden Klüften und Kaminen bis zu Tag durchzogen sind. Diese Klüfte sind teils mit Erde ausgefüllt, teils offen und von Tagwässern durchflössen. Die durch diese Klüfte des Kalkmassivs in den Tunnel rieselnden Wässer wechselten mit den Niederschlägen über Tag zwischen 150–1500 Sekundenliter und verursachten bei Auffahrung des Sohlstollens, namentlich bei Stollenmeter 1890, 2580 und 2620 bedeutende Wassereinbrüche. Die niedrigste Temperatur der Wässer betrug 6∙7° C.

Gegen Ende dieser Triaskalke, in der Strecke vom Stollenmeter 2835 bis 2850 trat »Knallendes Gestein« auf, das sich dadurch kennzeichnete, daß einzelne Platten und Blöcke unter dumpfen, auf Entfernungen bis zu 100 m hörbarem Knalle mit großer Gewalt plötzlich absprangen, wodurch beim Vollausbruche dieser Strecke mehrere starke Kronbalken gebrochen und bei Beginn der Mauerung die eben erst versetzte unterste Schar des Mauerwerks samt den Fußquadern des Sohlengewölbes plötzlich um 0∙40 m gegen das Lichtraumprofil des Tunnels vorgeschoben wurden.

Das Gestein dieser Tunnelstrecken war dicht und spröde und blätterte bald nach der Auffahrung durch den Sohlstollen stellenweise auf. Die Ursache des Auftretens von »Knallgestein« besteht jedenfalls in der Auslösung von Spannungen, die durch den tektonischen Aufbau des Gebirges entstanden.

Von Stollenmeter 2852 der Nordseite bis 1995 m Entfernung vom Südeingange, das ist auf eine Länge von 1492 m, wurden graue, manchmal plattige, hornsteinführende Kalke und Kalkschiefer durchörtert, welche Gesteine der Juraformation angehören.

Von 1995 m der Südseite wurden bis 1280 m vom Südeingange paläozoische, schwarzgraue, sehr dünn geschichtete und dünnspaltige Tonschiefer durchfahren.

Diesen folgen graue Flyschschiefer, und Woltschacher Plattenkalke, dann wieder Flyschschiefer, Sandsteine und Kalke bis zum Südeingange, welche Gesteine der Kreideformation angehören.

Die höchste Gesteinstemperatur betrug 13° C in den paläozonischen Gesteinen bei 1600 m Entfernung vom Südportal und einer Überlagerung von 400 m. An der Stelle der höchsten Gebirgsüberlagerung von 1000 m bei 3000 m Entfernung vom Nordeingange betrug die Gesteinstemperatur nur 9°C, welche Erscheinung jedenfalls mit der Abkühlung durch die das Gebirge durchfließenden Tagwässer im Zusammenhang steht.

In Anbetracht der nur 6339 m betragenden Länge des Tunnels und der günstigen Lage des nördlichen Tunneleinganges im offenen Wocheiner Savetale bei Feistritz, das nur 27 km von dem Staatsbahnhof Lees-Veldes entfernt und mit diesem durch eine gut fahrbare Straße verbunden ist, ferner in Anbetracht des Vorhandenseins einer entsprechend großen Wasserkraft des Feistritzbaches, während der Südeingang des Tunnels bei Podbrdo im engen Bačatal gelegen und von der nächst befindlichen Bahnstation Görz 65 km entfernt, eine genügende Wasserkraft vermissen läßt, ergab sich der Grundgedanke für das Bauprogramm dieses Tunnels von selbst: Forcierter Baubetrieb mit maschineller Bohrung im Sohlstollen der Nordseite und geringere Leistung mit Handbohrung im Sohlstollen von der Südseite aus. Dieses Bauprogramm[417] wurde auch noch durch das Vorkommen entsprechend großer Mengen guten Bausteines auf der Nordseite umsomehr beeinflußt, als auf der Südseite Mangel daran herrschte.

Dementsprechend wurde auch der Bauvertrag aufgestellt und die Baubetriebsanlagen auf beiden Tunnelseiten geplant.

Die Bauherstellung des W. wurde von der Bauunternehmung G. v. Ceconi, die in der Zeit von 1880 bis 1884 auch den Bau der Ostseite des Arlbergtunnels in rühmlicher Weise durchgeführt hatte, erstanden. Auf der Nordseite ist mit den Bohrarbeiten am 6. Februar 1900, auf der Südseite am 24. Oktober 1900 begonnen worden. Der Stollendurchschlag erfolgte am 31. Mai 1904, die Tunnelfertigstellung am 29. April 1905.

In betreff der Tunnellüftung war die Bestimmung getroffen, daß die in jeder Minute in den Tunnel einzublasende Luftmenge, auf den gewöhnlichen Luftdruck gebracht, bei vollem Arbeitsbetrieb auf der Nordseite mindestens 350 m3, auf der Südseite mindestens 100 m3 in der Minute betragen sollte.

Als Wasserkraft konnten auf der Nordseite des Tunnels nur die beiden westlich vom Tunneleingange befindlichen Quellenflüsse des großen und kleinen Feistritzbaches in Betracht kommen, da der Savefluß ein zu geringes Gefälle aufweist.

Von der Quellfassung des Feistritzbaches weg wurde das Wasser in einem 2500 m langen Holzgerinne von 0∙8 m2 Querschnitt bis zum Sammelkasten oberhalb des Turbinenhauses geführt und von dort in einer 856 m langen, steil abfallenden Druckrohrleitung von 750 mm Weite bis zu den Turbinen im Maschinenhause geleitet.

Im Maschinenhause waren eine Hochdruckturbine mit einer Leistung von 450 effektiven PS. zum Betrieb des Bohrgenerators, des Beleuchtungsgenerators und der beiden Generatoren für die Kraftübertragung nach Podbrdo und 2 Hochdruckturbinen mit einer Leistung von je 90 PS. eingebaut, letztere zum Betrieb von 4 im Maschinenhaus aufgestellten Ventilatoren, wovon je 2 untereinander zu einer Gruppe gekuppelt waren. Die Ventilatoren lieferten eine Luftmenge von 350 m3 angesaugter Luft in der Minute.

Für die maschinelle Bohrung im Sohlstollen der Nordseite wurde, da die elektrischen Bohrmaschinen des Systems Siemens & Halske auf der Nordseite des Karawankentunnels bereits vorzügliche Erfolge aufwiesen, dieses Bohrsystem gewählt. Zu diesem Zweck war im Maschinenhaus ein Drehstromgenerator mit einer Leistung von 34 Kilowatt und 2200 Volt Spannung in Verwendung, von dem eine 830 m lange Freileitung bis zum Tunneleingang führte. Im Tunnel leitete ein Hochspannungskabel für 2200 Volt den Strom zu dem in einer Tunnelnische aufgestellten und dem Stollenfortschritt entsprechend vorzuschiebenden Drehstromtransformator, von dem aus ein Niederspannungskabel für 250 Volt Spannung bis vor Ort des Sohlstollens zu den 4 Bohrmaschinen führte, die an 2 auf einem Bohrwagen montierten wagrechten Spannsäulen befestigt waren.

Zur Übertragung von elektrischer Kraft zur Verstärkung der Betriebskraft für die gesamten maschinellen Einrichtungen der Südseite wurde im Maschinenhaus bei Wocheiner Feistritz eine Primärstation eingebaut, bestehend aus 2 Drehstromgeneratoren von je 90 Kilowatt Leistung und für 6000 Volt Spannung, die abwechselnd in Betrieb waren. Von den Generatoren führte eine nahezu 9 km lange, auf 450 Holzmasten angebrachte Freileitung über das Gebirge bis zum Maschinenhaus der Südseite bei Podbrdo. Die Fernsprechleitung war an den Holzmasten der Starkstromleitung angebracht. In die Hochspannungsleitung war auf der Nordseite auch ein Transformator mit einem Übersetzungsverhältnis von 6000 auf 2200 Volt eingeschaltet, der mit der Leitung für den elektrischen Bohrmaschinenbetrieb verbunden war und als Reserve für den Bohrbetrieb diente.

Den Strom für die Beleuchtung auf den Baubetriebsplätzen und in den Gebäuden auf der Nordseite lieferte eine Gleichstrom-Dreileitermaschine für 10∙6 Kilowatt Leistung. Den Betrieb der Werkstätteneinrichtungen besorgte ein an die Außenleitung des Lichtnetzes angeschlossener Gleichstrommotor von 10 PS.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 417-418.
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