Zufahrtstraßen

[487] Zufahrtstraßen (approach roads; routes d'accès; strade d'accesso) zu Bahnhöfen, Wege, die dazu dienen, jene Anlagen der Eisenbahnen, die dem Publikum zugänglich sein müssen, insbesondere aber die Personen- und Güterbahnhöfe mit dem öffentlichen Wegnetz in Verbindung zu bringen.[487]

Die Verpflichtung zur Herstellung und Erhaltung der Z. ist in den einzelnen Staaten sehr verschiedenartig geregelt.

In Preußen ist für die Natur der herzustellenden Z. als eines öffentlichen oder Privatwegs die bezügliche Anordnung bei der Feststellung des Bauplans maßgebend.

Eine Feststellung des Bauplans als öffentlich bezeichneter Weg ist von dem Träger der allgemeinen Wegbaulast herzustellen und zu erhalten, sofern diese Verpflichtung nicht aus besonderen Gründen dem Eisenbahnunternehmer auferlegt worden ist.


Durch einen Zirkularerlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 5. November 1880 sind die Landespolizeibehörden angewiesen worden, bei der Prüfung der Baupläne klarzustellen, ob den in diesen vorgesehenen Wegen die Eigenschaft öffentlicher, dem allgemeinen Verkehr dienender oder die Eigenschaft nur für den Bahnhofsverkehr bestimmter, zur Bahnanlage gehöriger oder sonstiger Privatwege zukomme und wegen ihrer Unterhaltung in den Fällen Anordnung zu treffen, in denen aus besonderen Gründen eine Abweichung von der durch die Natur des Wegs gegebenen geboten sein sollte. Wenn Bahnhöfe aus Eisenbahnbetriebsrücksichten verlegt werden und dadurch das Bedürfnis nach einer neuen Verbindung mit dem öffentlichen Wegnetz entsteht, so handelt es sich um die Änderung des bestehenden Zustands im Interesse der Eisenbahn und hat diese die dadurch bedingten Zufuhrwege als Teile der neuen Anlage herzustellen.


Die Unterhaltung der öffentlichen Z. ist ein Teil der Wegbaulast. Die Reinigung und Beleuchtung ist Sache der Ortspolizei. Für die Unterhaltung, Beleuchtung und Reinigung der Z., die Teile der Bahnanlage sind, hat der Bahneigentümer (unter Überwachung der Eisenbahnaufsichtsbehörde) zu sorgen.

In Bayern sind die Z. in der Regel öffentliche Wege und müssen als solche von der politischen Gemeinde hergestellt und unterhalten werden.

In Streitfall wird von der Verwaltungsbehörde entschieden, ob es sich um einen öffentlichen Weg handelt oder nicht.

Eine dem öffentlichen Verkehr dienende Z. muß in ihrer ganzen Ausdehnung, also auch hinsichtlich jenes Teils, der auf bahneigenem Grund liegt, von der Gemeinde hergestellt und unterhalten werden.

Soweit es sich um den Teil einer Z. handelt, der innerhalb des eigentlichen Stationsgebiets liegt, werden die Herstellung und die Unterhaltung vielfach tatsächlich, also ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung von der Bahnverwaltung übernommen.

In Sachsen ist die Eisenbahnverwaltung in Ermanglung einer gesetzlichen Bestimmung genötigt, die Z. auf eigene Kosten zu bauen, soweit die Gemeinden nicht freiwillig die Herstellungskosten ganz oder teilweise auf sich nehmen. In einzelnen Fällen behält die Eisenbahnverwaltung Eigentum und Unterhaltung, in anderen Fällen wird die Z. als öffentlicher Weg der Gemeinde überwiesen. Ein bestimmtes Prinzip besteht auch in dieser Richtung nicht.

In Österreich bestehen über die Herstellung und Erhaltung der Z. in den einzelnen Bundesländern besondere Gesetze, nach denen die Herstellung und Erhaltung gemeinschaftlich den beteiligten Interessenten (Land, politischer Bezirk, Gemeinden, Gutsbezirke, Eigentümer von Bergwerken, industrielle Unternehmungen) unter Beteiligung des Eisenbahnunternehmens obliegt.

In der Schweiz wird über die Pflicht des Bahnunternehmers zur Herstellung der Z., sofern in der Konzession darüber nichts bestimmt ist, von Fall zu Fall bei Genehmigung des Eisenbahnbauplans vom Bundesrat entschieden oder die Entscheidung den Gerichten überlassen, ohne daß sich allgemeine Grundsätze in dieser Richtung ausgebildet hätten. Dagegen obliegt dem Eisenbahnunternehmer die Erhaltung der von ihm angelegten Z. nicht.

Nach Art. 70 des niederländischen Ges. vom 9. April 1875 werden die von einer Eisenbahn angelegten Z.; den Gemeinden, auf deren Gebiet sie liegen, im guten Zustand übergeben; von da an fällt die Unterhaltung und Beleuchtung den Gemeinden zu.

Liegt die Z. im Gebiet mehrerer Gemeinden, so wird vom König nach Anhörung des Staatsrats beschlossen, an welche die Z. überwiesen werden soll.

Die Unterhaltung von Z., die dem Reich, den Gemeinden oder anderen gehören und vor dem Bau einer Eisenbahn angelegt wurden, sohin aber als Z. zu einer Eisenbahnstation dienen, trifft die, denen die Unterhaltung vorher oblag.

In Italien müssen Z. in Gemäßheit eines Ges. vom 30. August 1868 betreffend die obligatorischen Kommunalstraßen, von den beteiligten Gemeinden (comuni interesati) gebaut und unterhalten werden. Es haben sich daher die Eisenbahnbehörden bei Projektierung der Bahnhöfe auf die Feststellung der Lage der Empfangsgebäude und der Vorplätze zu beschränken, während es den Interessenten überlassen bleibt, sich in der ihnen passend erscheinenden Weise mit den Bahnhöfen in Verbindung zu setzen. Um den Betreffenden überall die baldtunlichste Herstellung der Z. zu ermöglichen, haben die Präfekten ihnen[488] die Bahnhofsprojekte mitzuteilen, sobald solche von der Eisenbahnbehörde festgestellt sind.

In Frankreich werden die von den Eisenbahnen angelegten Z. insolange als Zugehör der Bahnanlage angesehen, als mit den Gemeinden nicht eine Verständigung wegen Übernahme als Gemeindewege erzielt worden ist.

In Rußland wurden durch Verordnung des Ministers vom 31. Oktober (12. November) 1889 die Bezirksregierungen und die Eisenbahnbehörden aufgefordert, nach Möglichkeit für den Bau guter Z. zu den Eisenbahnstationen Sorge zu tragen.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 10. Berlin, Wien 1923, S. 487-489.
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