Flemming, Carl

[256] Flemming, C. Carl Flemming wurde am 10. November 1806 in Gröbern bei Leipzig geboren und besuchte die Leipziger Thomasschule. Nach beendigter Schulzeit kam er zum Antiquar A. Wienbrack in Leipzig in die 6jährige Lehre. Im Alter von 20 Jahren leitete er die damals blühende Neue Günthersche Buchhandlung zu Glogau mehrere Jahre ganz selbständig. 1829 übertrug ihm Wienbrack die Gründung und Leitung der Wienbrackschen Buchhandlung in Torgau, die 1853 an Friedrich Jacob überging und seit 1894 von F. Opitz unter der Firma Fr. Jacobs Buchhandlung fortgeführt wird. Schon hier entwickelte nun Flemming den außerordentlichen Fleiß mit großer geschäftlicher Begabung. Mit Hilfe eines Laufburschen besorgte er alle Geschäfte allein. Trotz Arbeitsüberladung erzielte er durch originelle, sehr[256] mühsame Manipulationen Geschäftsresultate, die Erstaunen erregen; z. B. hat er von Rottecks Weltgeschichte in dem kleinen Wirkungskreise hunderte von Exemplaren abgesetzt. In einem Kämmerchen hinter dem Laden, gleich bei seinen Büchern, mit denen er sich oft bis in die späte Nacht beschäftigte, hatte er sein Nachtquartier. Zu seiner weiteren Ausbildung nahm Flemming eine Stellung in dem Kunstgeschäft von G. Bodmer in München an.

Durch schlimme Verhältnisse war inzwischen die Neue Günthersche Buchhandlung (gegr. 1790) in Verfall geraten, und als der Konkurs derselben fast unabwendbar schien, richteten die Verwandten des Besitzers an Flemming den dringenden Ruf, schleunigst nach Glogau zu kommen und das Geschäft zu übernehmen. Flemming folgte diesem Rufe sofort und ging, da er seinen in Glogau und Torgau sauer erworbenen Sparpfennig auf einer Reise durch Süddeutschland und die Schweiz ausgegeben hatte, ohne alle Mittel, kaum mit dem nötigen Reisegeld versehen, nach Glogau. Die Verwandten des Besitzers, Flemmings Befähigung und Rechtlichkeit kennend, kamen ihm mit unbedingtem Vertrauen entgegen und übergaben ihm 1833 das Geschäft käuflich ohne jede Anzahlung und ohne jede Garantie. Mit dem Sortimentsgeschäft war der Verlag des Niederschlesischen Anzeigers und eine unbedeutende Druckerei verbunden. Nachdem Flemming durch seine rastlose Thätigkeit zunächst das Sortimentsgeschäft wieder gehoben und die Druckerei verbessert hatte, begann 1834 die Verlagsthätigkeit; es erschienen zum erstenmale die Volkskalender, der Bote und der Hauskalender, mit bescheidenem aber durch die jährlich wiederkehrende Fortsetzung sehr glücklich zu nennendem Erfolge. 1835 wurde neben der Buchdruckerei eine lithographische Anstalt errichtet. 1835 und 1836 erschienen außer den beiden Volkskalendern u. A. ein Handbuch des Pionierdienstes, 74 Bogen Text mit 37 Kupfertafeln; ein landwirtschaftliches Lexikon, welches 1836 angefangen nach und nach 9 Bände mit ca. 500 Bogen umfaßte; 3 Fachkalender; der »Bürgerfreund« und das »Dorfbuch«, zwei Bücher, die in guter Bearbeitung das Wichtigste über die für den Bürger und den Bauer nötigen Gesetze enthielten und von denen jedes etwas 50 Bogen stark war. Diese in 3 sehr starken Auflagen erschienenen Werke haben einen ganz erheblichen Gewinn gebracht und das Emporkommen des Geschäftes wesentlich gefördert. Flemming benutzte hinsichtlich des Vertriebes derselben die damals im Buchhandel noch ungewöhnliche Art, durch Reisende Subskribenten sammeln zu lassen, wodurch er einen ganz außerordentlichen Erfolg erzielte.[257]

Als Beispiel für seine musterhafte Sortimentsthätigkeit mag erwähnt sein, daß er z. B. im Jahre 1840 vom Bibliographischen Institut in Hildburghausen als Fortsetzung 220 Prachtbibel, 365 Universum, 412 Konversations-Lexikon, 671 Miniaturbibliothek erhielt und als Saldo allein an diese Firma im Laufe des erwähnten Jahres 2100 Thaler zahlte.

Die Aeußerung eines Kunstdruckers, daß er durch Umdruck von einer Originalplatte viele Druckplatten herstellen könne, wodurch der Originalstich wenig abgenutzt werde, erweckte bei Flemming die neue Idee, dieses Verfahren zur Herstellung billiger Schulkarten anzuwenden und er war wohl der Erste, welcher die damals in der Entwickelung begriffene Lithographie für diesen Zweck ergiebig ausnützte. Zunächst erschien der epochenmachende kleine Handtkesche Schulatlas. Derselbe wurde bald nach seinem Erscheinen in ganz bedeutenden Massen, namentlich in Volksschulen eingeführt und von Regierungen in sehr großen Partien angekauft und gratis an arme Volksschüler verteilt. Durch Herausgabe dieses Atlasses hat sich Flemming damals ein sehr großes Verdienst um den geographischen Unterricht in der Volksschule erworben. Der Bedarf war so außerordentlich für jene Zeit, daß 30 Steindruck-Handpressen zum Druck der Karten und oft mehr als 150 Menschen zum Kolorieren derselben gehörten. Dem Schulatlas folgte dann der große 88 Blätter umfassende Sohr-Berghaussche Atlas, von dem 1840 die erste Lieferung ausgegeben wurde. Neben dem großen Atlas erschienen fast gleichzeitig eine größere Anzahl Hand-, General-, Post- und Schulwandkarten, von denen die meisten nach und nach recht günstige Erfolge hatten.

Der Kauf eines Grundstückes nebst der Tilgung der 15000 Thaler betragenden Kaufgelder für das Geschäft brachten recht schwere und sorgenvolle Jahre im Leben Flemmings mit sich.

Mit großartigem Erfolge hat er sein Reisegeschäft geführt. Für Kirchhoffs landwirtschaftliches Lexikon, von dem sich noch 1800 Exemplare à 18 Thaler in der Niederlage befanden, wußte er einen tüchtigen Reisenden zu gewinnen; der Mann, der sich für diesen Zweck eine eigene Equipage anschaffte, hat fast in einem Jahre die ganze Auflage untergebracht. Im Buchhandel waren von Sohrs Atlas nur etwa 5000 Subskribenten erlangt worden, aber ganz anders ging es vorwärts, als die Reisenden in Thätigkeit traten, die in kurzer Zeit dreimal soviel Subskribenten herbeischafften. Von den Reisenden, die damals für Sohrs Atlas thätig waren, setzte einer allein in Berlin 1000, in Hamburg 1200, in Kopenhagen 400,[258] in Altona 315, Schleswig 200, in Hannover 218, Kiel 150, Braunschweig 182 etc. in wenigen Monaten ab und in den Jahren 1840 bis 1850 sind weit über 100000 Exemplare verbreitet worden.

1844 kaufte Flemming die bekannte Reymannsche topographische Spezialkarte, ein Werk, dessen Fortsetzung sehr bedeutende Mittel beanspruchte. Bald nach Uebernahme dieses berühmten Kartenwerkes glaubten militärische Autoritäten einen Krieg mit Frankreich in Sicht und viele höhere Offiziere rieten Flemming, das Kartenwerk bis Paris zu vergrößern; es entstand infolge dessen eine bedeutende Erweiterung dieses Werkes, die später der deutschen Armee im Jahre 1870 gute Dienste geleistet hat. Flemming hatte beim Ankauf 140 Blätter übernommen, davon mußten 60 als ganz veraltet in neuen Auflagen erscheinen, außerdem wurden als Fortsetzung noch 190 neue, also im Ganzen 250 neue Blätter geliefert, und dann sind auch die anderen 80 Blätter im Laufe der Zeit so wesentlich revidiert und umgearbeitet worden, daß dieselben zum größten Teil als neue Blätter zu betrachten sind. Die Karte wurde im Jahre 1875 vom preußischen großen Generalstab angekauft.

1854 begann Flemming mit seinem Jugendschriftenverlag, den er mit ungeahntem Erfolge geführt hat. Thekla von Gumperts Töchteralbum (48 Bände) und derselben Herzblättchens Zeitvertreib (47 Bände), die noch heute in vielen Familien ständige Weihnachtsgäste sind, müssen als die wichtigsten zuerst genannt werden. Ferner sind zu erwähnen Fedor von Köppens Hohenzollernbuch, die Sammlung vaterländischer Jugendschriften mit Arbeiten von Höcker, Ziemssen, Jahnke, Plehn, Ohorn, von Köppen u. a., eine Reihe gut ausgestatteter Märchenbücher u. s. w.

Bereits am 1. Januar 1850 hatte Flemming das Sortimentsgeschäft an Julius Blumberg verkauft, der es unter der Firma Flemmingsche Sortimentsbuchhandlung weiterführte. 1876 wurde der ganze landwirtschaftliche Verlag abgezweigt und an die 1873 gegründete Firma Hugo Voigt in Berlin (jetzt H. Voigt (Georg Niemeyer) in Leipzig) verkauft.

Carl Flemming starb am 1. 11. 1878; das Geschäft ging auf seine beiden Söhne Carl und Georg Flemming über. 1893 ist dasselbe in eine Aktiengesellschaft unter der Firma Carl Flemming, Verlag, Buch- und Kunstdruckerei A.-G. umgewandelt worden.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1878 (vergl. auch Artikel Ebbecke).

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 2. Berlin/Eberswalde 1903, S. 256-259.
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