Hinstorff, Dethlef Carl

[454] Hinstorff, D. C. Dethlef Carl Hinstorff wurde am 2. Juni 1811 in der kleinen mecklenburgischen Stadt Bruel als Sohn eines unbemittelten Webers geboren. Nach Besuch der Volksschule seiner Vaterstadt suchte er seine Kenntnisse durch Privatunterricht in Wismar zu vermehren. Anfänglich für die Krämerlehre bestimmt, trat er 1826 als Lehrling in die Schmidt & von Cosselsche Ratsbuchhandlung zu Wismar ein, in der er 1831 seine fünfjährige Lehrzeit beendigte. Obwohl erst 20 Jahre alt, beschloß er doch, ein eigenes Geschäft zu gründen. Der Mangel an Volljährigkeit wurde durch Großherzogl. Dispens, der Mangel an Betriebskapital[454] aber durch Fleiß und Unternehmungsgeist des jungen Anfängers gehoben, der sich in Parchim niedergelassen hatte. Der Großherzog Friedrich Franz I. wollte dem jungen energischen Buchhändler wohl, und förderte das bald aufblühende Geschäft durch Verleihung des Hoftitels.

Am 2. Sept. 1831 hatte Hinstorff sein Geschäft unter der Firma Hinstorffsche Hofbuchhandlung in Parchim eröffnet, und gleich im ersten Jahre erschien der erste Hinstorffsche Verlagsartikel. 1835 wurde eine Filiale mit Buchdruckerei in Ludwigslust mit dem Parchimer Geschäft verbunden.

Neben dem Sortiment widmete sich Hinstorff nunmehr unverdrossen weiteren Verlagsunternehmungen, vorzugsweise der Herausgabe mecklenburgischer, namentlich juristischer Werke, so von Balck, Raabe, Trotsche u. a., Gesetzsammlungen für Schwerin-Mecklenburg und Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe. Die spezielle mecklenburgische juristische Fachlitteratur des Hinstorffschen Verlages z.B. ist nicht nur für beide Mecklenburg von hervorragender Bedeutung gewesen, und ein sprechendes Zeichen für Hinstorffs Energie und geschäftliches Uebergewicht ist der Umstand, daß die Bedeutung seines Verlags seit Jahrzehnten die des gesamten übrigen Verlags beider Mecklenburg, – ganz abgesehen dabei von Reuter – weit in den Schatten gestellt hat.

Aber diese Spezialität nahm Hinstorffs Thätigkeit keineswegs so sehr in Anspruch, daß er nicht Zeit gefunden hätte, neben der stetigen Entwicklung seines Sortimentsgeschäfts seinen Verlag auch nach anderen Richtungen weiter und immer weiter auszubreiten. Theologische Werke, Rechts- und Staatswissenschaft, Politik (darunter die seit 1848 erschienene, aber 1853 verbotene politische Tageszeitung des Advokaten W. Raabe, »Das wiedergeborene Mecklenburg«), Medizin, Erziehungs- und Unterrichtswissenschaft, darunter Schulbücher verschiedenster Art, ferner Geschäftstaschenbücher, landwirtschaftliche, Volks- und Hauskalender (hierunter der plattdeutsche sog. Voß- und Naas-Kalender, der jährlich in mindestens 100000 Expl. erscheint), Unterhaltungsschriften erschienen im Hinstorffschen Verlage.

Unvergänglich ist seine Firma mit einem der ersten Namen der neueren deutschen Litteratur, mit Fritz Reuter verbunden, eine Verbindung, die sich aus einer geschäftlichen bald zu einer freundschaftlichen entwickelte. Hinstorff wagte den Verlag der Reuterschen Werke als deren Verfasser seinen späteren Ruhm selbst noch nicht[455] ahnte; aus Dankbarkeit widerstand dieser später den lockendsten Anerbietungen, seinem alten Verleger untreu zu werden.

1849 mußte die Schmidt & von Cosselsche Buchhandlung zu Wismar liquidieren und Hinstorff benutzte die Gelegenheit, das Geschäft, in dem er seine Lehrzeit bestanden, als Chef zu erwerben. Die ursprüngliche Niederlassung in Parchim ging in der Folge ein, dagegen wurde im Jahre 1863 ein drittes Geschäft in Rostock begründet, dem die Hauptaufgabe zufiel, eine neue mecklenburgische Zeitung, das »Rostocker Tagesblatt« aus der damit verbundenen Offizin hervorgehen zu lassen. Die mit sämtlichen drei Hinstorffschen Geschäften zu Wismar (seit 1867), Rostock und Ludwigslust verbundenen Druckereien, von denen in der Wismarschen auch eine Stereotypen-Gießerei angelegt wurde, stellten, außer der genannten Tageszeitung, die jetzt das »Mecklenburger Tagesblatt« heißt und in Wismar herausgegeben wird, und den sonstigen umfänglichen Verlagswerken, eine Reihe von Zeitschriften, Amts- und Wochenblättern her, unter welchen sich insbesondere die Mecklenb. Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft« eines wohlbegründeten Rufes erfreut.

Nachdem das Sortimentsgeschäft der Hinstorffschen Hofbuchhandlung in Wismar schon seit längeren Jahren von Hinstorffs Schwiegersohn Witte, die Ratsbuchdruckerei von Eberhardt, das Ludwigsluster Geschäft aber, nach dem Ableben des früheren Teilhabers L. Deicke, seit 1875 vom ältesten Sohn Hinstorffs, Carl Hinstorff, geleitet war, sah der Besitzer, infolge wiederholter schwerer Krankheiten, sich 1880 veranlaßt, die genannten Geschäfte den bisherigen Vorständen derselben für eigene Rechnung zu überweisen, so daß ihm selbst nur das in Wismar domizilierte Verlagsgeschäft und die Rostocker Buchdruckerei verblieb. D. C. Hinstorff firmierte seitdem Hinstorffsche Hofbuchhandlung, Verlags-Konto in Wismar. Seit seinem Tode, 10. August 1882, wird die Firma für Rechnung der Erben fortgeführt. Die Verlagsthätigkeit der Firma hat sich seither noch mehr erweitert. Neben zahlreichen Werken verschiedenster Art erschien im Hinstorffschen Verlage das Epoche machende große Werk über Tropische Agrikultur von Heinr. Semler, wohl das erste und bedeutungsvollste Werk auf diesem besonderen Gebiet nach Eintritt der deutschen Kolonialbewegung.

Die Rostocker Buchdruckerei wurde nach D. C. Hinstorffs Tode von dem ältesten Sohne Carl übernommen, der dafür die Ludwigsluster[456] Firma an Karl Kober abtrat. Nach Carl Hinstorffs Tode, 1884, ging das Rostocker Geschäft in andere Hände über. Es firmiert noch immer Hinstorffs Buchdruckerei; der jetzige Inhaber ist Ernst Lorenz.

In das Sortimentsgeschäft, dessen Alleinbesitzer 1880 der Schwiegersohn, jetziger Senator Hr. Witte wurde, hat letzterer nunmehr seinen Sohn Carl Witte als Teilhaber aufgenommen. Das Verlagsgeschäft wird seit 1882 für Rechnung der gesamten Erben von Senator Witte und O. Heidmüller geleitet.

Quellen: Jubiläums-Verlagskatalog 1881, Mecklenburger Tagesblatt 4. Sept. 1881; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1881, 1882 und direkte Mitteilungen.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 454-457.
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