Hirth, Georg

[460] Hirth, G. Georg Hirth, einer der Bahnbrecher des modernen Kunstgewerbes, geistreicher Kunstschriftsteller und Verleger, ist am 13. 7. 1841 in Gräfentonna b. Gotha geboren und ein Zögling der Geographischen Anstalt von Justus Perthes in Gotha. Von 1863-66 war Hirth Redakteur der Deutschen Turnzeitung, die bei Ernst Keil in Leipzig erschien. In der Schlacht bei Langensalza 1866 wurde er schwer verwundet, lebte danach bis 1870 in Berlin, vorübergehend in Augsburg (Redakteur der Allgemeinen Zeitung) und seit 1871 in München. Schon damals hatte er eine Reihe turnerischer, geographischer und statistischer Schriften verfaßt, und[460] meistens zum Zwecke des Selbstverlags errichtete er im Kriegsjahre 1871 in München eine Buchhandlung unter der Firma G. Hirths Verlag und übernahm gleichzeitig die bisher von Stilke & van Mujden in Berlin debitierten Verlagsartikel.

Hirth veröffentlichte neben Schriften über das Turnwesen, den Parlamentsalmanach (1867-87); die Annalen des Deutschen Reichs, früher des Norddeutschen Bundes 1868 uff. (seit 1882 gemeinsam mit M. Seydel); Tagebuch des Deutsch-französischen Krieges, 3 Bde. 1870-74 mit J. von Gosen; Freisinnige Ansicht der Volkswirtschaft, 1876. Auf dem Gebiete der Kunsthistorik zunächst – beginnend mit dem Jahre 1876 – »Hirths Formenschatz«. »Ich habe es gewagt,« heißt es in der Vorrede zum 1. Jahrgang, »an ein großes, allgemeines Bedürfnis zu glauben, und zum erstenmale versucht, die klassischen Arbeiten unserer alten Meister in einem Werke populär zu machen, was – wenn es in den weitesten Kreisen der Gewerbetreibenden und des Publikums Anklang findet und Begeisterung erweckt – allerdings einen tiefgreifenden Einfluß auf die Entwickelung unserer Kunstindustrie ausüben kann.« Thatsächlich war der Einfluß, den diese Publikation übte, bedeutend: er hat es fast ganz allein ermöglicht, daß die Schätze unserer Kupferstichkabinette und unserer Museen, daß die Schöpfungen unserer alten Meister allgemein bekannt und zugänglich geworden sind, das den Fachleuten tausend Anregungen gegeben und den Nichtfachleuten tausend Quellen der Belehrung und Kunstbildung erschlossen wurden. – Die Kunst im Hause im besonderen behandelt seine Publikation »Das Deutsche Zimmer« 1879, Vierte Aufl. 1899. Seine »Ideen über Zeichenunterricht«, 4. Aufl. 1894, geben die notwendigste Vorbereitung für Kunstverständnis. Es folgten Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahrhunderten, 6 Bände 1881-90; Album für Frauenarbeit 1880; Bilder aus der Lutherzeit 1883; die Liebhaberbibliothek alter Illustratoren, enthaltend Publikationen von Jost Amann, Tob. Stimmer, Virgil Solis, L. Cranach, A. Dürer, G. Holbein, G. Burgkmair u. a.; ferner Meisterholzschnitte aus vier Jahrhunderten; der Schöne Mensch in der Kunst aller Zeiten, 3 Bände.

Endlich seien von seinen Schriften genannt: Cicerone der Gemäldegallerien zu München und Berlin, 1888-90 mit R. Muther; Aufgaben der Kunstphysiologie, 1891 (Zweite Auflage 1897); das plastische Sehen als Rindenzwang, 1893, und zur Zeit ist eine Sammlung seiner kleinen kunstgeschichtlichen Schriften im Erscheinen begriffen: Wege zur Kunst, Wege zur Freiheit. 1893-94 erschien[461] bei Hirth Muthers epochemachende, jetzt vergriffene, aber sehr gesuchte »Geschichte der Malerei des 19. Jahrhunderts«, 3 Bände; 1877 veröffentlichte A. F. Butsch seine »Bücherornamentik der Renaissance«, ein Werk, mit dem der Buchillustration neue Bahnen gewiesen wurden, und durch das unsere ganze moderne Druckausstattung den allernachhaltigsten Anstoß erfuhr.

Im Dezember 1895 erschien die erste Nummer der »Jugend«, etwas durchaus Neues und Ungewohntes in der deutschen Tageslitteratur, neu in Programm, Anlage und Inhalt. Daß jede Nummer ein eigenes Titelbild brachte, daß sie unbegrenzt die Erzeugnisse freien künstlerischen Schaffens in sich aufnahm, war bestimmend auf unsere ganze moderne Kunst, so daß man mit Recht von ihr als der Führerin in der Pflege der neuen Zierkunstbewegung spricht und sich die Bezeichnung »Jugendstil« zu einem Programm erweitert hat. Anfangs sehr skeptisch aufgenommen, hat sie inzwischen den wohlverdienten Erfolg gefunden (zur Zeit 55000 Auflage).

1875 errichtete Hirth mit Thomas Knorr die Buchdruckerei Knorr & Hirth, in deren Verlag die »Münchner Neuesten Nachrichten« erscheinen. Das Blatt, das heute in einer Auflage von 105000 Exemplaren erscheint, wurde 1848 von Rob. Schurich begründet, 1862-81 von Jul. Knorr und A. Vecchioni herausgegeben, und wird seit 1892 unter Leitung von G. Hirth und Th. Knorr redigiert.

Quellen: Bayerische Gewerbezeitung 1890 (Stockbauer); Brockhaus' Konvers.-Lexikon.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 3. Berlin/Eberswalde 1905, S. 460-462.
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