Loescher, Hermann

[643] Loescher, H. Hermann Loescher, einer der größten und intelligentesten Verleger Italiens wurde 1831 in Leipzig geboren. Er erlernte den Buchhandel in seiner Vaterstadt bei Immanuel Müller. Nach Beendigung seiner Wanderjahre in Deutschland und Oesterreich, kam er 1857 als erster Sortimenter zu Fleischer nach Leipzig, der damals die Kommission von Gustav Hahmann in Turin besorgte. Als nach dessen Tode diese Buchhandlung von den in Deutschland wohnenden Erben veräußert werden sollte, bewarb sich Loescher auf den Rat Fleischers, der ihn sehr schätzte und zu seiner Tüchtigkeit großes Vertrauen hegte, um dieselbe.

Die Uebernahme des Hahmannschen Geschäfts erfolgte am 15. Juli 1861, und mit frischem Mute begann Loescher seine Arbeit. Sein klarer Geschäftsblick, sein unermüdlicher Fleiß, seine soliden Grundsätze und die wahrhaft peinliche Pünktlichkeit in Erfüllung seiner Verpflichtungen brachten das nach Hahmanns Tode etwas zurückgekommene Geschäft bald in Aufschwung und zu großer Ausdehnung. Das anfangs kleine Lokal in Via Carlo Alberto wurde von Jahr zu Jahr erweitert und schließlich in die geräumigen Lokalitäten des Universitäts-Gebäudes in Via di Po verlegt, wo das Sortiment sich noch gegenwärtig (seit 1887) in den Händen seines langjährigen Mitarbeiters und Nachfolgers Carlo Clausen befindet.

Ein Hauptverdienst hat sich Loescher erworben durch die von ihm in Italien eingeführten Verlagsartikel großer deutscher Häuser, wie Justus Perthes (Atlanten von Stieler-Berghaus, Mencke, Spruner, Kampen in italienischer Uebersetzung), B. G. Teubner (Bibliotheca scriptor. graac et rom.), B. Tauchnitz, Weidmann, Gerold etc., und im übrigen hat er sehr viel zur Verbreitung wissenschaftlicher deutscher Literatur in Italien beigetragen.

Die Verlegung der italienischen Regierung nach Florenz, später nach Rom, veranlaßte Loescher, dort Zweiggeschäfte zu errichten (Florenz 1865, Rom 1870), denen er bis zu seinem Tode als Socius angehörte und die sich von Anfang an des gleichen großen Ansehens rühmen durften, dessen der Name Loescher sich in ganz Italien erfreut.[643]

Als Verleger war Loescher bestrebt, stets gute Bücher in würdiger Ausstattung, vielfach reich illustriert, zu bringen, die zur Hebung der Bildung in höheren Lehranstalten von großem Einfluß waren und in fast allen Lehrstätten Italiens eingeführt sind.

Mit Vorliebe pflegte Loescher die Philologie und seine von ihm in dieser Richtung ins Leben gerufenen Sammlungen; Archivio di Glottologia, Rivista di filologia classica, Giornale storico della letteratura italiana, sowie in anderer Richtung Archives italiennes de biologie sind von Gelehrten aller Nationen von jeher sehr geschätzt worden.

Ein mit großer Sorgfalt von ihm gepflegter Zweig des Buchhandels war das Export-Geschäft. Es gibt wohl nur wenige größere Buchhandlungen und wissenschaftliche Institute des Auslandes, die seine Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit in Herbeischaffung oft schwer aufzutreibender Werke nicht erprobt und anerkannt hätten. Das Gleiche galt und gilt von dem 1876 von ihm gegründeten wissenschaftlichen Antiquariat.

Obwohl seit Jahren italienischer Bürger bewahrte er doch seiner deutschen Heimat immer die alte deutsche Treue. Er war in Turin ein tätiges Mitglied der deutschen Gesellschaft. Loescher starb am 22. November 1892, das Geschäft gelangte in den Besitz seiner Gattin Sophie Graf-Rauchenegger.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1892.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 4. Berlin/Eberswalde 1907, S. 643-644.
Lizenz:
Faksimiles:
643 | 644