Senefelder, Aloys

[896] Senefelder, A. Der Erfinder der Lithographie und des sogenannten Mosaikdruckes, Inspektor bei der Königl. Steuerkatasterkommission zu München, Aloys Senefelder, wurde am 6. Nov. 1771 zu Prag geboren, wo sein Vater Schauspieler war. In München, wohin der Vater ans Hoftheater berufen wurde, besuchte Senefelder Gymnasium und Lyceum, um mit einem Jahrgeld der Kurfürstin Maria Anna versehen, danach die Ingolstadter Hochschule zu beziehen, und sich da dem Rechtsstudium zu widmen. Aber ehe er seine, vom besten Erfolge ausgezeichneten Studien zu Ende führen konnte, starb 1791 sein Vater, die Familie in dürftigen Verhältnissen[896] zurücklassend. Er sah sich genötigt, sofort einen praktischen Beruf zu ergreifen und nach einigen mehr oder minder mißglückten Versuchen ging er unter die Theaterdichter. Sein Erstlingswerk, das Lustspiel »Die Mädchenkenner«, erzielte am kurfürstlichen Hoftheater zu Mannheim 1792 einen guten Erfolg und es erschien 1793 bei Lentner in München im Druck, der dem Verfasser – was für diesen die Hauptsache war – auch ein gutes Honorar dafür zahlte. Weniger schlug dagegen sein nachfolgendes Ritterschauspiel »Mathilde von Altenstein oder die Bärenhöhle« ein, das er zudem noch, weil er mit der Lieferung des Manuskriptes im Rückstande blieb, auf eigene Kosten drucken lassen mußte. Dieser Mißerfolg hielt ihn aber nicht ab, noch eine ganze Reihe anderer dramatischer Werke mit wechselndem Erfolge zu verfassen. Während des Druckes dieser Arbeiten hielt sich Senefelder oft in den Drucker-Offizinen auf und »hätte ich das nötige Geld gehabt«, sagte er später, »so würde ich mir damals Lettern, eine Presse und Papier gekauft haben und die Steindruckerei wäre wahrscheinlich sobald noch nicht erfunden worden.«

In seiner mißlichen pekuniären Lage ließ ihn jetzt der Gedanke nicht mehr los, ein billigeres Druckverfahren zu erfinden. Durch eine Menge von Versuchen suchte er dies Ziel zu erreichen, bis es ihm endlich gelang, das auf einer mit Ätzgrund überzogenen Kupferplatte Geschriebene in letztere mit Scheidewasser einzuätzen und so eine Matrize zu erhalten. Da kam ihm, wie man erzählt, der Zufall zu Hilfe. Im Juli 1796 schrieb er in Ermangelung von Tinte und Papier einen Wäschezettel mit seiner aus Wachs, Seife und Kienruß bestehenden Versuchsflüssigkeit auf ein Stück einer Kelheimer Steinplatte, die er zufällig erhalten hatte. Später wurde er von Neugier getrieben, den beschriebenen Stein zu ätzen, und siehe da, die Schrift wurde erhaben und es ließen sich Abdrücke davon machen. Dieser Erfolg gab dem Erfinder indes nur einen Anstoß zu ferneren Versuchen, die er mit einer Geduld und Ausdauer fortführte, welche ihn in allen Lebenslagen in bewundernswürdigem Maße auszeichnete. Dabei hatte er stets mit finanziellen Sorgen zu kämpfen, und selbst ein Versuch, sich 200 Gulden zur Anschaffung einer Druckerpresse dadurch zu verschaffen, daß er für einen Konskribierten bei der Ingolstädter Artillerie sechs Jahre lang seine Freiheit verkaufen wollte, schlug fehl, weil man den »Ausländer« nicht annahm.

In fortdauernden finanziellen Nöten schloß er sich nun am einen Hofmusikus Franz Gleißner an, welcher mit Professor Simon Schmid bekannt war. Dieser Professor war ein Münchener Geistlicher, der außer Theologie noch Naturwissenschaften studiert und gleichfalls eine Art Steindruck erfunden hatte, ja, es ist zweifellos,[897] daß er vor Senefelder, der übrigens ohne Kenntnis des Schmid'schen Verfahrens seine Experimente machte, Abbildungen und sogar eine Landkarte von Afrika von Steinen druckte, die er vorher mit Scheidewasser geätzt hatte. Mit dem Verfahren Schmid's war der genannte Hofmusikus bekannt, als er sich mit Senefelder verband zur praktischen Ausnutzung und Vervollkommnung des von diesem erfundenen Verfahrens: der Polyautographie, wie die Druckmanier nunmehr genannt wurde.

Die neue Firma Gleißner & Senefelder druckte anfangs meistens die musikalischen Erzeugnisse des Hauptteilhabers, der übrigens auch das Geld zur Einrichtung des Geschäftes hergegeben hatte. Die technische Ausstattung dieser Kompositionen gefiel allgemein und Kurfürst Karl Theodor gewährte für die Widmung derselben 100 Gulden. Auch die Akademie der Wissenschaften, welcher die Lieder zur Prüfung vorlagen, sprach ihre Befriedigung aus und schenkte den Druckern – 12 Gulden!

Der unermüdliche Fleiß und das fortgesetzte Experimentieren Senefelders brachten in der Folge noch manche Erfindung und Vervollkommung des Steindruckes zu Tage, wovon die Herstellung einer chemischen Tinte im Jahre 1796 die bedeutendste ist, so bedeutend, daß das Jahr als der Zeitpunkt der Erfindung der Lithographie in unserm Sinne gelten muß.

Die neue Firma erhielt bald von dem Kurfürsten Maximilian ein privilegium exclusivum, welches ihr das alleinige Druck- und Verkaufsrecht der lithographischen Erzeugnisse für fünfzehn Jahre sicherte. Ein Hofrat André aus Offenbach kaufte das Druckrecht für 2000 Gulden an und Senefelder reiste nach dort, um eine große Offizin einzurichten, die sich freilich weniger mit der Kunst, als mit dem Kattun- und Notendruck beschäftigte. André hatte große Pläne: In London, Paris, Berlin und Wien sollten Niederlassungen entstehen und Privilegien erworben werden. Der Erfinder selbst begab sich auf Reisen zu diesem Zwecke, aber die Erwerbung der Druckrechte und Einrichtung der Pressen war mit vielen Widerwärtigkeiten verknüpft und die schönen Aussichten für die Zukunft sollten sich nicht verwirklichen. Die Verbindungen, die Senefelder mit aller Welt eingegangen war, endeten 1804 in Wien damit, daß er nach Ablösung seiner Schulden noch – 50 Gulden herausbekam!

Wieder nach München zurückgekehrt, verband er sich 1806 mit einem Baron v. Aretin, der ihm die Mittel zur Einrichtung einer lithographischen Anstalt gewährte, aus welcher nun eine ganze Reihe von Karten, Plänen usw., sowie auch eine berühmt gewordene Ausgabe von Dürers sogen. Gebetbuch hervorging. Aber die Anstalt,[898] so vorzügliche Drucke sie auch hervorbrachte, reutierte sich wenig, nicht zum mindesten infolge der überall auftauchenden Konkurrenz, welche selbst durch eine staatliche Steindruckerei dem Erfinder geboten wurde. So trat er nach wenigen Jahren bereits von dem Aretinschen Unternehmen zurück und von neuem drohte die Not an seine Tür zu pochen. Da erhielt er endlich 1809 eine Aufstellung als Inspektor der lithographischen Anstalt der Steuer-Katasterkommission mit einer lebenslänglichen Besoldung von 2000 Gulden.

Das Jahr 1815 sah ihn vorübergehend wieder in Wien, wo er für die Geroldsche Buchhandlung eine lithographische Anstalt einrichtete. 1818 erschien dann auch bei Gerold sein schon vor einem Jahrzehnt angekündigtes »Lehrbuch« der Lithographie, in dessen Autobiographie er bewies, daß seine Feder seit der Zeit seiner dichterischen Tätigkeit nichts von ihrer Gewandtheit verloren hatte.

In Paris, wohin sich Senefelder nach Erscheinen seines Lehrbuches begab, wurde er mit Ehrenbezeugungen überhäuft und die englische Society of Encouragement verlieh ihm die große goldene Medaille mit der Inschrift: The Inventor of Lithography Mr. Alois Senefelder 1819. Noch viele ähnliche Medaillen und wertvolle Geschenke heimste er ein und als er 1830 mit der Erfindung des Ölfarbendruckes hervortrat, gewährte ihm der bayerische König Ludwig eine Ehrengabe von 1000 Gulden.

Gleißner war 1824 am Schlaganfall gestorben und Senefelder ließ sich drei Jahre später in den Ruhestand versetzen. Unermüdlich blieb er nichtsdestoweniger tätig, stets mit der Ausführung neuer Gedanken beschäftigt, bis der Tod infolge von Gehirntuberkeln am 26. Februar 1834 diesem arbeits-, aber auch bewunderungswürdig erfolgreichen Leben ein Ziel setzte. Sein Grabmal auf dem Münchener Friedhof schmückt ein Solnhofer Stein, dessen Berühmtheit Senefelders Tätigkeit über das ganze gebildete Europa verbreitet hatte; denn diese bayerische Steinart war die zur Lithographie einzig geeignete.

Die bedeutendste Inkunabel der Lithographie ist ein von Senefelder auf chemische Weise gezeichnete und ebenso abgedruckte Beilage zu einer Flugschrift »Der Brand von Neu-Oetting«, auf der sich zehn Oktavzeilen Musiknoten und Text, sowie als Schlußzeichen ein brennendes Haus befinden. Die Datierung dieses chemischen Flachdruckes ist der 30. August 1797.

Quellen: Neuer Nekrolog der Deutschen 1834 I; Hölscher, Zum Andenken an A. S. in Buchhändler-Akademie 1896; vergl. hierzu: Rudolf Schmidt, Zur Jubelfeier der Erfindung der Lithographie, in Buchhändler-Akademie, ebenda.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 896-899.
Lizenz:
Faksimiles:
896 | 897 | 898 | 899

Buchempfehlung

Wette, Adelheid

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

Hänsel und Gretel. Märchenspiel in drei Bildern

1858 in Siegburg geboren, schreibt Adelheit Wette 1890 zum Vergnügen das Märchenspiel »Hänsel und Gretel«. Daraus entsteht die Idee, ihr Bruder, der Komponist Engelbert Humperdinck, könne einige Textstellen zu einem Singspiel für Wettes Töchter vertonen. Stattdessen entsteht eine ganze Oper, die am 23. Dezember 1893 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird.

40 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon