Tempsky, Friedrich

[946] Tempsky, F. Carl Friedrich Rudolph Tempsky wurde am 18. Februar 1821 in Prag geboren. Sein Vater war der Besitzer der J. G. Calve'schen Buchhandlung, Friedrich Tempsky.

Die Calvesche Buchhandlung wurde im Jahre 1786 von Johann Gottfried Calve, einem Brauermeistersohn aus Halle a. S. begründet. Nach seinem 1806 erfolgten Tode ging die Handlung im Jahre 1808 an den Geschäftsführer der Witwe Calve, an Joh. Gottfr. Lebrecht Koch über, nach dessen Tod sie im Jahre 1810 der aus Langensalza stammende obengenannten Vater unseres Tempsky kaufte.

Friedrich Tempsky verlor seinen Vater bald nach seiner Geburt. Die Mutter übersiedelte 1827 nach Stuttgart, wo ihr Vater, der bekannte Volksschriftsteller Christian Carl André wohnte. 1828 nahm sie Fr. Ehrlich als Gesellschafter auf, der bis 1840 das Geschäft für gemeinsame Rechnung weiterführte und sich dann eine eigene Firma gründete (seit 1888 im Besitze von Bernhard Knauer).

In Stuttgart besuchte Tempsky das Gymnasium und kam dann in die eben begründete Erziehungsanstalt Stetten bei Stuttgart. Nach dem Tode ihres Vaters zog sich die Mutter nach Wien zurück, wo der Sohn sie 1834 besuchte. Da es aber damals nicht erlaubt war, Kinder im Auslande erziehen zu lassen, so durfte der junge Mann nicht mehr nach Stetten zurück gehen. Er wählte daher die Wiener Technik zu seinem weiteren Studienort, lag kommerziellen Wissenschaften ob und hörte auch Botanik bei Jacquin. Am 1. November 1836 trat er in den Verlag C. Gerold ein. Gerold, der ein Freund von Tempkys Vater war, faßte das Chefverhältnis sehr milde auf und gestattete dem jungen Manne, zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse nach Brüssel und Frankfurt am Main zu gehen. Einige Reisen nach London, Paris und der Schweiz erweiterten seinen Gesichtskreis gewichtig. Neunzehn Jahre alt, kam er 1840 nach Prag und war bis Ende dieses Jahres in der Buchhandlung Borrosch und André beschäftigt. 1841 übernahm er die Leitung der nunmehr seiner Mutter allein gehörigen Calve'schen Buchhandlung, 1846 ging sie in sein Eigentum über. In jener Zeit erwarb er sich durch den Verlag der medizinischen Werke von v. Kiwisch und der Balling'schen Gärungschemie große Verdienste. Nach der Aufhebung der Zensur im Jahre 1848, als gleichzeitig die Reorganisation des Schulwesens eintrat, überreichte Tempsky im Namen des Buchhändlergremiums ein Memorandum, indem die Notwendigkeit der Aufhebung des Monopols des Schulbücherverlages und die freie[946] Konkurrenz der Buchhändler erörtert wurde. Damals begann er denn auch mit dem Verlage von jenen ausgezeichneten Schulbüchern, die in unzähligen Auflagen und Uebersetzungen bald eine geradezu umfassende Geltung in der pädagogischen Welt erlangten. So erschienen in seinem Verlage die vortreffliche Griechische Schulgrammatik von Georg Curtius, die nachher in der Bearbeitung des Unterrichtsministers Dr. von Hartel dem neuesten Stande der griechischen Sprachforschung angepaßt wurde. Dann seien noch besonders das griechische Uebungsbuch und das Elementarbuch von Schenkl erwähnt, die ebenfalls beide vom Tempskyschen Verlage aus die Reise um die ganze Schulwelt machten. Ferner erschienen hier alle die Ausgaben der Naturgeschichte von Pokorny, Gindelys Lehrbücher der Geschichte, die Lehrbücher der Mathematik von Moçnik usw.

Die Aufhebung des Monopols des Schulbücher-Verlages für die Volksschulen eröffnete ein neues Feld zu bedeutenden Unternehmungen. Die czechische Literatur ist nicht nur durch zahlreiche Schulbücher, sondern auch durch viele ihrer vorzüglichsten Werke in Tempskys Verlage vertreten; so kamen in demselben fast alle Werke Palackys heraus, namentlich dessen Geschichte Böhmens in czechischer Sprache in zehn Bänden.

Von Tempskys deutschem wissenschaftlichen Verlag sind vor allem zu nennen: Gindelys »Geschichte des 30jährigen Krieges«, Baron Helferts »Geschichte Oesterreichs«, sowie dessen »Geschichte der österreichischen Volksschule«, des Bischofs Frind »Kirchengeschichte von Böhmen«, vier Bände, A. Beers »Werke über die österreichischen Finanzen«, Beckers »Sprachwissenschaftliche Werke«, Ludwigs »Rigveda«, Ettinghausens und Pokornys »Physiotypia plantarum austriacarum«, zehn Bände in Folio und zwei Bände in 4°, »Die allgemeine Erdkunde« von Hann, Hochstetter und Pokorny, die prächtig ausgeführten »Alpenpflanzen« von Seboth, Schultes »Kirchengeschichtliche Werke«, einige Schriften des Grafen Leo Thun; sodann insbesondere das populär-wissenschaftliche Sammelwerk »Das Wissen der Gegenwart«, welches in nahezu hundert Bänden die Schätze der Wissenschaft dem gebildeten Teile des deutschen Publikums vermittelte usw. Der eigentliche Aufschwung seines Verlages datiert erst von dem Verkaufe des Sortimentsgeschäftes der J. G. Calve'schen Buchhandlung im Jahre 1855 an Fr. Becke, der das Sortiment 1865 an Ottomar Beyer käuflich abtrat (jetzt, seit 1894, im Besitze von Robert Koch). Von 1856 ab firmierte Tempsky mit seinem eigenen Namen. Aus seiner Feder schlossen die im Druck veröffentlichte »Eingabe über das Verhältnis des k. k. Schulbücherverlages zum Buchhandel. Als Manuskript gedruckt«[947] (Prag 1876), die »Denkschrift über die Preise der Lehrbücher für die Mittelschulen« (ebd. 1876) und die »Vergleichung der Preise der vom k. k. Schulbücherverlage herausgegebenen Lehrbücher mit den im Verlage von F. Tempsky in Prag erschienenen Lehrbüchern« (Prag 1878, 4°).

Schon der erste Gesamt-Verlagskatalog der Firma F. Tempsky, ausgegeben im November 1856, umfaßt 60 Oktavseiten, bis zum Jahre 1903 hatte er sich bis zu 118 Seiten in Großoktav erweitert. 1868 ging der größte Teil der Verlagsartikel der Joh. Chr. Hermannischen Verlagsbuchhandlung in Frankfurt a. M. in den Verlag von Tempsky über, wodurch jene Firma gänzlich erlosch. 1871 trat der spätere Jenaer Verleger Dr. Theodor Hofmann als Gesellschafter ein, verließ das Geschäft aber bereits 1878 wieder. –

Bei aller Vielseitigkeit geistiger Interessen wandte Tempsky doch seine besondere Vorliebe der Botanik zu. Er war Freund und Schüler des berühmten Botanikers Corda und trat dann in intimen Verkehr mit Sachs, Braun, Nägeli, Opiz, Freyer, Purkynë, die alle seine botanischen Studien förderten. Sein trefflich geordnetes Herbar zählt 20000 Spezies. Darin befindet sich bemerkenswerterweise auch eine von Tempsky aufgefundene und nach ihm benannte Spezies der Farrnkräuter, »Tempskya«. Corda hat sie in seinen Beiträgen zur »Flora der Vorwelt« ausführlich beschrieben. Tempskys jüngste Tochter Helene ist die Gattin des jetzigen Seniorchefs der Firma, Georg Freytag, der dem Unternehmen seit 1882 angehörte. Am 31. Dezember 1888 trat Tempsky aus der Firma aus und übergab seinem Schwiegersohne Georg Freytag den alleinigen Besitz; dieser nahm 1904 Robert Hillig als Teilhaber auf.

Friedrich Tempsky starb am 23. Juli 1902 in St. Wolfgang bei Ischl.

Quellen: Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1891, 1892; Verlagskataloge 1856, 1872, 1886, 1903.

Quelle:
Rudolf Schmidt: Deutsche Buchhändler. Deutsche Buchdrucker. Band 5. Berlin/Eberswalde 1908, S. 946-948.
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