Flügel

[394] Flügel. (Baukunst)

So nennt man eigentlich jeden, der Hauptmasse eines Gebäudes, oder auch eines Körpers angehängten Theil. Eigentlich wären also auch die Säulenlauben und bloße Mauren, von welcher Seite des Gebäudes sie herausstühnden, als Flügel desselben zu betrachten. Man braucht so gar das Wort bey etwas langen Gebäuden, wenn sie gleich nur aus einer einzigen Hauptmasse bestehen, von den Seiten desselben, die Rechts und Links von der Mitte abstehen, so wie man in der Kriegskunst den rechten oder linken Theil des Heers, die Flügel nennt.

Die besondere und gewöhnlichste Bedeutung des Worts aber ist diese, daß man es von Nebengebäuden braucht, die einem Hauptgebäude angehängt werden. Man pflegt insgemein großen Hauptgebäuden solche Flügel entweder an den Seiten, oder auch von vornen oder von hinten anzuhängen, entweder um der Form des Gebäudes mehr Mannigfaltigkeit zu geben, oder gewisse zur innern Einrichtung gehörigen Theile, die sich in der Hauptmasse nicht wol haben anbringen lassen, dahin zu verlegen. So haben ehedem die morgenländischen Völker an ihre Haupttempel große Flügel angebauet, in denen die Priester ihre Wohnungen hatten, da es sich nicht schikte, diese Wohnungen mit dem Tempel selbst in eine einzige Masse zu verbinden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 1. Leipzig 1771, S. 394.
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