Säulenlaube

Säulenlaube. (Baukunst)

Wird sonst auch mit dem ital. vom lateinischen abstammenden Wort Portico bezeichnet. Im allgemeinesten Sinn bedeutet es einen offenen von oben bedekten Gang zwischen zwey Reyhen Säulen, oder zwischen einer Mauer, und einer Reyhe Säulen. Die Griechen und nach ihnen die Römer hielten sehr viel auf solche Säulenlauben, und verwendeten erstaunliche Summen darauf. Im vorhergehenden Artikel ist gezeiget worden, wie sie dieselben um ihre Tempeln herumgeführt haben. Aber auch andere öffentliche Gebäude, die Theater und Amphitheater, die sogenannten Basilicä, und andere große Gebäude hatten Säulenlauben. Auch wurden gewisse öffentliche Pläze, die zu Spaziergängen, Zusammenkünften, Spiehlen bestimmt waren, mit Mauren umgeben, um welche hernach, wie um die Tempel noch Säulen gesezt wurden, die also Säulenlauben um die Mauren herummachten. Bey diesen war, wie man beym Vitruvius sieht, insgemein über die untern Säulen noch eine Reyhe gesezt, und diese machte über den Säulengängen eine offene Gallerie, oder es wurden auch verschiedene kleinere und grössere Zimmer in diesem zweyten Geschoß zu öffentlichem Gebrauche gebaut. In Rom waren die Fora oder Marktpläze mit Säulenlauben umgeben, und sowol unten neben den Säulenlauben, als oben an den Gallerien, waren die Contore der Wechsler, der öffentlichen Einnehmer, und wol auch Kramläden. Endlich hatten auch die großen Wohnhäuser, um die Höfe herum, ihre Säulenlauben nach Art der sogenannten Kreuzgänge der Clöster.1

[1004] Hieraus ist abzunehmen, daß bey den Alten die Säulenlauben, die gegenwärtig außer Italien so selten gesehen werden, unter die größten und vornehmsten Werke der Baukunst gehörten. Die prächtigsten unserer izigen Städte, müßten einem Athenienser aus den Zeiten des Perikles, oder einem Römer aus den Zeiten der Cäsare etwas ärmlich vorkommen, da er fast nirgend Säulenlauben anträffe, von denen die alten Städte in Griechenland und Italien ihre größte Zierd erhielten. Gar ofte wurden die Mauren der Säulenlauben mit Gemählden geziehret, wovon das Beyspiehl der Säulenlaube, oder Stoa in Athen, die Pöcile genennt wurd, jederman bekannt ist.

Die öffentlichen Säulenlauben dienten also zu Spaziergängen und Zusammenkünften, sowol müßiger als beschäftigter Bürger; so wie etwa gegenwärtig in Handlungspläzen, die sogenannten Börsen der Kaufleuthe. Vitruvius will, daß bey jedem Theater eine Säulenlaube gebaut werde, dahin sich die Zuschauer bey etwa einfallendem Regen von ihren offenen Bänken ins Trokene begeben können. Ueberhaupt schiket sich diese Bauart zu allen öffentlichen Gebäuden, wo sich Geschäfte halber sehr viel Menschen versammlen, von denen nur wenige auf einmal in dem Innern derselben ihre Geschäfte verrichten, da inzwischen die andern draußen warten müssen; folglich zu Gerichtshöfen, Zoll- Accis- und andern öffentlichen Häusern, wo die Gefälle des Staats eingenommen werden. Die Alten, die ohnedem sich mehr auf öffentlichen Pläzen, als in ihren Häusern aufhielten, verschaften sich also durch solche Säulenlauben die Bequämlichkeit bey mancherley Geschäften, zugleich einen angenehmen Spaziergang zu genießen. Sie fielen um so viel natürlicher auf dergleichen Bauart, da es bey ihnen gewöhnlich war, daß sehr vielerley Geschäfte, die man izt durch Bediente und andre gedungene Personen an öffentlichen Orten verrichten läßt, damals von den Herren selbst verrichtet wurden.

Gegenwärtig ist der Gebrauch der Säulenlauben fast ganz abgekommen. Nur in Italien findet man noch Paläste, an denen eine, oder mehrere Außenseiten unten mit Säulenlauben versehen sind, über welche an dem ersten Geschoß offene Gallerien, und sogenannte Loggie angebracht worden. Die prächtigste Säulenlaube der neuern Zeit ist die, welche den Vorhof der St. Peterskirch in Rom einschließt.2

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774.
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