Agraulos

[19] Agraulos (Gr. M.), Gemahlin des Cecrops und Tochter des ersten attischen Königs Actäus. Sie hatte von ihrem Gatten drei Töchter: Herse, Pandrosos, Agraulos, und einen Sohn Erysichthon. Von der eben genannten jüngern Agraulos sind mehrere Mythen vorhanden. Mercur liebte die Schwester der A., die schöne Herse. Diese wohnte, abgesondert von den übrigen Hausgenossen, mit A. und Pandrosos in drei aneinander stossenden Gemächern von grosser Pracht. Die links wohnende A. bemerkte einst den nahenden Gott, hielt ihn auf, trug ihn, wer er sei, wohin er wolle, und liess sich das Schweigen mit vielen Schätzen bezahlen. Hierüber ward Minerva sehr erbittert, sie schickte den Neid ab, welcher nun des Mädchens Brust erfüllte, worauf sie sich auf des Gemaches Schwelle setzte und dem Gotte sagte, er solle von hinnen weichen, und sie werde nicht eher aufstehen, als bis er das Haus verlassen. Da verwandelte der Zürnende sie in einen Stein, der schwarz war, wie ihr Gemüth, und so blieb sie an der Schwelle sitzen, ein warnendes Denkmal späteren Geschlechtern. - Nach einer andern Sage halte Minerva ihr und den Schwestern das Kästchen anvertraut, in welchem der junge Erichthonius lag, und trotz des Verbotes öffneten sie dasselbe. Die erzürnte Göttin machte sie rasend, und alle drei stürzten sich, als sie im Kästchen einen Drachen erblickten, in das Meer, oder von dem Felsen der Acropolis zu Athen herab. Eine dritte Sage ist folgende: In einem langwierigen Kriege erhielten die Athener den Orakelspruch, der Krieg werde enden, wenn sich Jemand freiwillig für die Stadt opfere. A. opferte sich. Dafür ward ihr ein Heiligthum errichtet, in welchem die mannbar gewordenen Jünglinge in voller Waffenrüstung schwören mussten, bis zum Tode für das Vaterland kämpfen zu wollen.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 19.
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