Brahm

[110] Brahm (Ind. M.), wohl zu unterscheiden von Brama, der Name des höchsten Wesens, des eigentlichen einzigen Gottes, während alle übrigen, Schiwa, Wischnu, Brama u.s.f. nur Manifestationen irgend einer seiner Eigenschaften sind; die hohe Idee, welche die Indier an B. knüpfen, geht aus den Beinamen hervor, mit denen sie ihn belegen: der Höchstvollkommene, der Anfanglose und Endlose, der Unbeschreibliche, der Alles Schauende, die Urseele des Weltalls. B. ist das einzig Bestehende, »nur in ihm leben, weben und sind wir;« die Welt, wie sie besteht, ist nur der Abglanz seines erhabenen Bildes, nur eine Offenbarung seiner Macht, und wenn sie aufhört, so geht sie nur zurück in sein Wesen, dessen Ausfluss sie war. Dennoch ist er und die Welt nicht eins, sondern sobald er sie als seinen Schatten gesetzt hat, ist sie vollkommen getrennt von ihm; um sich ihr zu nähern, nicht übermächtig, unbegreiflich und unanschaubar vor ihr zu stehen, schuf er ein Wesen voll Schönheit und Liebe, welches Maja heisst und die Göttin der Liebe, die Mutter dessen, was da ist, genannt werden muss; mit diesem Wesen verband sich B., und der Verbindung entsprangen drei seiner erhabensten Kräfte: Brama, der Schöpfer alles Lebenden, Wischnu, der Erhalter, und Schiwa, der Vernichter. Sie sind alle drei eins, sind die Trimurti, die Dreieinigkeit, und nicht von einander, noch von Gott unterschieden, dessen Kräfte sie sind. Hiedurch war Gott den Menschen näher getreten, und sie beteten nun eine seiner Offenbarungen an, und so bildeten sich die drei Secten des Brama, Schiwa und Wischnu aus, von denen jedoch die erstere bald durch die beiden andern verdrängt wurde.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 110.
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