Hierodulen

[248] Hierodulen (Gr. M.), im Allgemeinen alle zum Dienste eines Tempels bestimmte Personen; insbesondere aber in Syrien, Phönicien, Kleinasien weibliche Personen, welche sich in der Nähe eines Tempels aufhielten und den Fremden preisgaben; sie hatten für die Ausschmückung des Tempels, die Bekränzung der Altäre, das Sticken und Reinigen der Schleier, welche man über die Götterbilder hing, zu sorgen. Die Asiaten hatten in frühester Zeit einen Naturgottesdienst, in welchem man das männliche Princip in der Sonne, das weibliche im Monde verehrte. Die Priester hatten kein anderes Einkommen, als die Geschenke, welche die zum Heiligthum wallfahrenden Pilger ihnen brachten, und um derselben so viele als möglich herbeizuziehen, füllte man die Umgebungen der Tempel mit Schaaren reizender Priesterinnen, welche die Geschenke, die sie erhielten, gleichfalls dem Tempel zu übergeben hatten, wie diess noch jetzt in Indien mit den Dewadaschies (Bajaderen) der Fall ist; so entstanden männliche und weibliche H., deren unter Andern Strabo in Cappadocien im Tempelhaine der comanischen Göttin über sechstausend traf. Diese Sitte ging nach Griechenland und Sicilien, vornehmlich auf den Dienst der Venus, über, und mancher prächtige Tempel wurde aus dem so erworbenen Golde erbaut. Merkwürdig ist, dass beim grossen Diana - Tempel in Ephesus derselbe Gebrauch stattfand, zum Beweis der wesentlichen Verschiedenheit der ephesischen von der rein griechischen Diana.

Quelle:
Vollmer, Wilhelm: Wörterbuch der Mythologie. Stuttgart 1874, S. 248.
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