Pfaffensack

1. Der Pfaffensack hat keinen Boden.Eiselein, 507; Boebel, 146.

Im Oberaargau: Pfaffesack hat ka Bode. Mönche und Priester bekommen nie genug. »Ir (der Pfaffen) sack hat kein boden.« (Schade, II, 24, 9.) In Appenzell: En Pfaffesack hed kan Boda. Tobler (45) erzählt: Es waren einst zwei Brüder, einer ein Bauer, der andere ein Pfaff. Bei einem Erbe hatten sie unter anderm auch einen Sack zu theilen, worüber sie sich nicht vereinigen konnten, indem der Pfaff den Werth desselben zu hoch [1241] anschlug. Sie kamen nun überein, den Sack in zwei Theile zu theilen und durch das Los entscheiden zu lassen, welcher Theil dem einen oder dem andern zufallen sollte. Der Bauer erhielt den Theil des Sackes mit dem Boden, der Pfaff den obern', also bodenlosen Theil. Darum hat der Pfaffensack keinen Boden. »Ein alt sprichwort ist's vnd nit heurig all geistlichen sind gabengeirig.« (Waldis, VI, 30, 15.) Hugo Jahn (Gedichte, Waldenburg 1867, S. 300) bezeichnet dies Sprichwort irrig als ein schlesisches; es ist aber nicht nur ein allgemeines deutsches, sondern ein Weltsprichwort, da die Pfaffensäcke alle nach demselben Schnitt gemacht werden.

Böhm.: U popa hluboká kapsa. (Čelakovský, 336.)

Dän.: Præste-sækken er bundløs. (Prov. dan., 459.)

Frz.: Les sacs des moines n'ont pas de cul. (Masson, 275.)

Lat.: Atticus moriens porrigit manum. (Erasm., 807; Tappius, 46b.)

Poln.: Mnichowi dawszy jeść, trzeba mu i w biesagi włoźyć. (Masson, 275.)


2. Der Pfaffusack ist triffe. (Wallis.) – Sutermeister, 122.

»Pfaffen ... haben weit Erbel an langen Röcken, damit sie jhren Geitz bedecken.« (Ayrer, IV, 2809.)


3. Die Pfaffesäcke ha ken Borrn (Boden). (Siegen.) – Firmenich, I, 520, 14.


4. En Papensack heäd kainen Boemen. (Lippstadt.) – Firmenich, I, 344, 4; für Steiermark: Firmenich, II, 768, 109.


5. Papesack wat nimme satt. (Konitz.)


6. Pfaffensack wird niemals voll.Frischbier, 568; Frischbier2, 2899.

Dän.: Præste-sækken er ond at fylde. (Prov. dan., 459.)


*7. Er het's wie-n-e Pfaffesack, er het kei Bode. (Solothurn.) – Schild, 93, 182.


[Zusätze und Ergänzungen]

8. A Paffesack iem e Drêchder däi weane sei Leawe näit voll. (Oberhessen.)

Ein Pfaffensack und ein Trichter werden lebenslang nicht voll, wenn man auch noch soviel hineinschüttet. Zur Erklärung sagt man, der Pfaffensack, den die Pfaffen früher zur Aufnahme des Zehnten auf ihrem Speicher aufhielten, habe unten ein Loch oder gar keinen Boden gehabt, sodass der abliefernde Bauer nie genug Frucht von zu Hause mitnehmen konnte.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
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