Reactionsversuche

[214] Reactionsversuche sind psychologische Versuche, die einerseits der Analyse der Willenshandlungen, anderseits der Messung der Geschwindigkeit psychischer und psychophysischer Processe dienen. Diese Versuche bestehen, nach WUNDT, wesentlich darin, »daß ein Willensvorgang von einfacher oder zusammengesetzter Beschaffenheit durch einen äußern Sinnesreiz angeregt und nach Ablauf bestimmter, zum Teil als Motive benutzter psychischer Vorgänge durch eine Bewegungsreaction beendet wird« (Gr. d. Psychol.5, S. 235). Je nach der der Einwirkung des Sinnesreizes vorausgehenden Vorbereitung der Handlung ergeben sich zwei Formen der Reaction. »Wird diese Vorbereitung so getroffen, daß die Erwartung dem als Motiv wirkenden Sinnesreiz zugewandt ist, und daß die äußere Handlung erst erfolgt, sobald der Reiz deutlich aufgefaßt wurde, so entsteht die Form der vollständigen (oder sogenannten sensoriellen) Reaction. Wird dagegen die vorbereitende Erwartung derart auf die durch das Motiv auszulösende Handlung gerichtet, daß die Handlung so schnell wie möglich der Auffassung des Reizes nachfolgt, so entsteht die Form der verkürzten (oder musculären) Reaction« (l. c. S. 236). »Die vollständige Reactionszeit beträgt durchschnittlich 0,120 bis 0,290 Sekunden (die kleinsten Zeiten gelten für Schall-, die größten für Lichteindrücke), mit einer mittleren Variation der Einzelbeobachtungen von 0,020 Sekunden. Die verkürzte beträgt 0,120 – 0,190 Sekunden, mit einer mittleren Variation von 0,010 Sekunden« (l. c. S. 237). Zusammengesetzte Willensvorgänge untersucht man, indem man bei der »vollständigen Reaction« verschiedene psychische Processe (Erkennungs-, Unterscheidungs-, Erinnerungs-, Beurteilungs- u. a. Acte) einschiebt (l. c. S. 238 f.). Bei der »verkürzten Reaction« kann man die Mechanisierung (s. d.) von Willenshandlungen studieren (l. c. S. 239 ff.. vgl. Philos. Stud. I. Grdz. d. phys. Psychol. II4, C. 16. Vorles.3, S. 307). Vgl. DONDERS, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1868. EXNER, Pflügers Arch. VII. MERKEL, Philos. Stud. II. CATTELL, Philos. Stud. III – IV. L. LANGE, Philos. Stud. IV. ALECHSIEFF, Philos. Stud. XVI. KRAEPELIN, Üb. die Beeinfluss. einf. psych. Vorgänge durch einige Arzneimittel 1892. VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol. II4, 210. ZIEHEN, Leitfad. d. physiol. Psychol.2, S. 195 ff.. KÜLPE, Gr. d. Psychol.. G. VILLA, Einl. in d. Psychol. S. 180 f., u. a.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 214.
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