Reimarus, Hermann Samuel

[586] Reimarus, Hermann Samuel, geb. 1694 in Hamburg, seit 1727 Gymnasialprof. in Hamburg, gest. daselbst 1768.

R. ist ein Aufklärer und Deist, der von Spinoza, den englischen Deisten und wesentlich von der Leibniz-Wolffschen Philosophie beeinflußt ist. Allerdings nimmt er keine prästabilierte Harmonie, sondern eine Wechselwirkung zwischen den Dingen und zwischen Leib und Seele an. Die Seele ist als ein einfaches Wesen unsterblich. Den Materialismus und Atheismus bekämpft R. Die Existenz Gottes erhellt durch seine Offenbarung in der Natur, aus der durchgehenden Zweckmäßigkeit der Welt und aus ihrer »Kontingenz« (Zufälligkeit). Im Kleinsten waltet die göttliche Vorsehung, welche von Anfang an die Welt erfüllt. Die Schöpfung der Welt ist das einzige Wunder, anderer bedarf es nicht. So bekämpft R. zugunsten der »natürlichen« Vernunft-Religion den Wunderglauben der positiven Offenbarungs-Religion, mit scharfer Kritik der biblischen Schriften.[586]

Schriften: Abhandlungen von den vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religionen, 1754; 6. A. 1791. – Vernunftlehre, 1756; 5. A. 1790. – Betrachtungen über die Kunsttriebe der Tiere, 1762; 4. A. 1798 (gehört zu den Anfangen einer brauchbaren Tierpsychologie). – Apologie oder Schutzbrief für die vernünftigen Verehrer Gottes, 1767 beendigt, erst 1814 von R.s Sohn der Hamburger Bibliothek als Manuskript übergeben, nachdem Lessing 1774-1777 Teile daraus unter dem Titel »Wolffenbüttler Fragmente eines Ungenannten« veröffentlicht hatte. – Vgl. D. FR. STRAUSS, H. S. Reimarus, 1862; 2. A. 1877. – R. SCHETTLER, Die Stellung des Philosophen B. zur Religion, 1904.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 586-587.
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