Dietzgen, Josef

[870] Dietzgen, Josef, gest. 1888. = Sozialistischer Denker, Vertreter eines »dialektisch« begründeten Monismus. Das Universum ist ein unendlicher, ewiger Prozeß, es ist dialektisch tätig, entwickelt sich selbst, es ist das Ding an sich, die Totalität der Erscheinungen; welche wir zu erkennen, zu berechnen vermögen. Das menschliche Denken ist ein Teil des Universums; das Sein schafft das Denken, bildet einen Teil desselben. Die Materie ist die sinnliche Wirklichkeit. Die Natur ist die Summe der materiellen und geistigen Erscheinungen; auch die geistigen Vorgänge sind ein Stück der Wirklichkeit. Die Materie kann denken, und das Denken materialisiert sich beständig. Die Seele ist eine Wahrnehmung, wird als Prozeß gefühlt, ist eine Naturerscheinung. Das Ganze, Eine ist in allem enthalten. Die Wahrheit, die »universale Natur« geht nicht völlig in unser Denken ein, das nur ein mehr oder weniger treffendes Bild von ihr erreicht. – Das Denken ist eine unmittelbare, aposteriorische Gehirntätigkeit, deren Material das sinnlich Wahrnehmbare ist. Denken ist ein »Generalsinn, welcher die Botschaften der Spezialsinne registriert, gruppiert und systematisiert«. Es entwickelt aus dem sinnlich Gegebenen das allgemeine und einheitliche Vorstellungs- und Begriffsbild. In letzter Linie ist es der Weltzusammenhang, welcher mittels des Menschen denkt. Es besteht eine Weltdialektik, nach der alle Gegensätze zugleich koordinierte Elemente der Wirklichkeit sind, in der sie zusammengefaßt werden.

Schriften: Das Wesen d. menschl. Kopfarbeit. Kleinere philos. Schriften. Das Akquisit der Philosophie u. Briefe über Logik. Streifzüge eines Sozialisten in das Gebiet d. Erkenntnistheorie. Erkenntnis u. Wahrheit, 1908, u. a. – Vgl. H. ROLAND-HOLST, J. D.s Philos., 1910. – UNTERMANN, Dialektisches, 1908.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 870.
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