III
Fluegeladjutant v. Bissing an
Graf Herbert Bismarck

[637] (Vgl. oben S. 618 f.)


Marmor-Palais, den 22. Juni 1888


Euer Excellenz

beehre ich mich im Allerhöchsten Auftrage ganz gehorsamst mitzutheilen, daß Seine Majestät der Kaiser und König von verschiedenen Artikeln in Berliner Zeitungen Kenntniß genommen hat,[637] welche Allerhöchstdenselben auf das Unangenehmste berührt haben.

Vornehmlich sind dieß ein Artikel des Berliner Tageblatts, Abend-Ausgabe vom 20. ds. Mts., Artikel der Berliner Zeitung und der Berliner Presse, beide vom 21. Juni, welche geschrieben scheinen, um die Welt glauben zu machen, daß ein Zwiespalt zwischen Seiner Majestät und dem Fürsten Reichskanzler in Betreff des General-Quartiermeisters Grafen Waldersee besteht; auch ähneln diese Artikel in ihrer Absicht mehr oder weniger denen, welche vor dem plötzlichen Sturze des Ministers von Puttkamer von den freisinnigen Zeitungen gebracht wurden.

Während auf der einen Seite jene Artikel, und im besonderen der des Berliner Tageblatts, gegen den Fürsten Reichskanzler selbst gemünzt sein dürften, wollen dieselben andrerseits augenscheinlich den Glauben erwecken, als ob Friktionen in den maßgebenden Regierungskreisen auch jetzt beständen bzw. im Anzuge wären, wie sie während der kurzen Regierungszeit des eben verstorbenen Kaisers wiederholt von den Zeitungen gemeldet wurden.

Da die von den Artikeln berührte Frage der auswärtigen Politik ein brennendes Interesse für die ganze Welt hat, so werden sicherlich die ausländischen Zeitungen mehr oder weniger Act von dem Inhalte der Artikel nehmen. Seine Majestät hält es daher für angezeigt, wenn Euer Excellenz mit Hülfe der der Regierung nahestehenden Presse jene Frage richtig stellen und in energischer Weise gegen diese Preß-Angriffe Stellung nehmen.

Seine Majestät ermächtigte mich, Euer Excellenz zu versichern, daß Allerhöchstderselbe nach wie vor auf demselben Standpunkte stände, wie Seine Majestät denselben in den Unterredungen im Mai dieses Jahres dem Fürsten Reichskanzler entwickelt habe; daß Er nie dem Grafen Waldersee, trotz der Werthschätzung für denselben, einen unberechtigten Einfluß auf die auswärtige Politik einräumen und daß unter Allerhöchstseiner Regierung keine Hofcamarilla existiren werde; vielmehr sei Er überzeugt, daß unter denjenigen Leuten, denen Er sein Vertrauen geschenkt habe und die Allerhöchstihm dienten, keine Parteiungen existirten, sondern daß Alle Ihm auf demselben Wege folgten, welcher zu dem von Seiner Majestät als richtig erkannten Ziele führt.

Euer Excellenz

gehorsamst ergebener

Freiher von Bissing

Oberstlieutenant und Flügeladjutant.[638]

Quelle:
Bismarck, Otto Eduard Leopold: Gedanken und Erinnerungen. Stuttgart 1959, S. 637-639.
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