Das Mai-Feld.

[472] Etwa im Jahre 755 wurde die regelmäßige fränkische Reichs- und Heeresversammlung, die ursprünglich im März stattfand, in den Mai verlegt. Man hat das als ein Zeugnis angesehen, daß erst in jener Zeit das Aufgebot der Franken sich aus einem Fußheere in ein Reiterheer verwandelt habe, indem man die Rücksicht auf das Futter der Pferde als den Grund der Vertagung ansah. Nach dem, was wir uns oben über den Zug des Abtes Fulrad klargemacht haben, wird man an diesen Zusammenhang nicht mehr glauben; selbst ein Kontingent von lauter Fußvolk hatte so viel Zugtiere, daß die Rücksicht auf ihre Fütterung von je ein sehr wichtiges Moment war. Übrigens sind die Franken immer zum Teil Reiter gewesen; einige Pferde mehr können also nichts wesentliches ausgemacht haben.

Man wird aber wohl noch einen Schritt weiter gehen dürfen und dieser Versammlung den Charakter einer Heerschau ganz absprechen. Es war tatsächlich nur eine Art Reichstag, zu dem die Großen wohl mit einem kriegerischen Gefolge, aber nicht entfernt mit ihrer ganzen Mannschaft kamen. Eine Zusammenziehung des ganzen Heeres, oder auch nur eines ansehnlichen Teils auf einem Fleck, der nicht so gelegen war, daß man unmittelbar in eine kriegerische Aktion eintreten konnte, wäre ja eine wirtschaftliche wie militärische Ungeheuerlichkeit gewesen. Das Material bei BRUNNER, D. Rechtsgesch. II, 127 ff.


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1921, Teil 2, S. 472.
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