Schlacht bei Worringen.

5. Juni 1288.

[437] Um die Erbschaft des Grafen von Limburg war ein Kampf entbrannt, in dem sich zwei große Bündnisse gegenüberstanden, das eine unter der Führung des Herzogs Johann von Brabant, das andere unter der Führung des Erzbischofs Siegfried von Köln, der beiden alten Rivalen um die Vorherrschaft in Nieder-Lothringen. Wir haben über den Krieg und die Schlacht, die ihn endlich entschied, eine ausführliche Erzählung in der Reimchronik Jans van Heelu, die bald nachher verfaßt ist zu Ehren des Siegers, des Herzogs von Brabant.

KÖHLER hat in dieser Schlacht die merkwürdigsten taktischen Erscheinungen gefunden. Der Umstand, daß ein Teil der Herzoglichen, die Ritter des Grafen von Berg, erst spät in die Schlacht eingriffen, soll eine Kombination ergeben haben, wie sie das größte Feldherrngenie nicht günstiger hätte herbeiführen können (S. 176). Das soll eine noch höhere Bedeutung dadurch erlangt haben, daß die Schlacht den Ausgangspunkt zur Entwickelung einer Gefechtsmethode bildet, welche in den späteren deutschen Schlachten zutage tritt. Auf der nächsten Seite freilich erfahren wir, daß bei Muret und Tagliacozzo auch schon dasselbe geschehen ist, und schließlich ein paar Sätze weiter, daß diese Gefechtsmethode schon ins 12. Jahrhundert zurückreicht.

Von einer besonderen Gefechtsmethode in dieser Schlacht kann kaum die Rede sein. Sie ist freilich merkwürdig durch ein gewisses Manövrieren der Ritterscharen und durch das Fußvolk auf beiden Seiten. Es ist möglich, daß die Entscheidung schließlich dadurch gegeben wurde, daß das Fußvolk des Erzbischofs trotz des Carroccio in seiner Mitte nicht standhielt, während das Fußvolk drüben, Kölner Bürger und bergische Bauern, den erzbischöflichen Rittern in die Flanke und in den Rücken kam. Deutlich zu erkennen aber ist das nicht, da unsere einzige eingehende Quelle, Heelu, offenbar bemüht ist, alles Licht auf den Brabanter Herzog zu sammeln. Eine Spezialuntersuchung von RICHARD JAHN (Berliner Dissert. 1907) hat mit großem Scharfsinn und sorgsamster Nachprüfung[437] aller Einzelzüge aus dem Heeluschen Gedicht ein Bild der Schlacht zu gewinnen gesucht. Aber ich kann den Zweifel, ob so komplizierte Überlegungen und Bewegungen in einer Ritterschlacht sich haben abspielen können, nicht überwinden. Mag aber auch der Autor aus den dichterischen Bildern etwas zu viel »Taktik« herausgelesen haben, auf alle Fälle bleibt der Versuch, hier, wo wir einmal eine ganz eingehende zeitgenössische Schilderung einer Ritterschlacht haben, sie taktisch zu rekonstruieren, sehr wertvoll, da er sehr vorsichtig, mit vorzüglicher Sachkenntnis und voller Beherrschung des Stoffes unternommen ist, und ich kann daher trotz des obigen Vorbehalts die Jahnsche Untersuchung zu weiterer Nachprüfung und Nachahmung nur empfehlen. Vielleicht gelingt es auf diesem Wege doch noch, zu etwas vollerer Anschauung von mittelalterlichen Gefechtsvorgängen zu gelangen.

Von den »Konroots«, in die nach Heelu die Ritter eingeteilt sind, legt JAHN dar, daß sie einen tatsächlichen Ansatz zu einer Schwadronseinteilung enthalten, aber vermöge des solcher Ordnung widerstrebenden Ritterbegriffs doch keine eigentliche Wirkung gehabt haben.

Die Namen Knappen, Serianten, Knechte gebraucht nach Jahns Feststellung Heelu unterschiedslos für alle die, die nicht Ritter sind.

Wertvoll ist uns die Schlacht durch zwei Wendungen Heelus, die wir bei unserer generellen Betrachtung der ritterlichen Kriegsweise bereits verwendet haben: das ausdrückliche Zeugnis von dem langsamen Anreiten der Ritter, »als ob sie eine Braut vor sich auf dem Pferde hätten«, und der Dialog, ob man besser »dick« = tief und geschlossen, oder »dünn« = locker und umfassend attackieren solle.

Daneben finden wir auch die schöne alte Geschichte, daß der Erzbischof Siegfried, der schließlich besiegt wurde, schon die Ketten mitgebracht hatte, mit denen seine Gefangenen gefesselt werden sollten (vgl. Gesch. d. Kriegsk. II, 126).


Quelle:
Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Berlin 1923, Teil 3, S. 437-438.
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