11. Kapitel. Die Macht der kastilianischen Juden unter Don Pedro. (1350-1369.)

[354] Der schwarze Tod in Toledo. Günstige Lage der Juden unter Don Pedro. Der jüdische Troubadour Santob de Carrion. Der Finanzminister Don Samuel Abulafia. Parteinahme der Juden gegen die Königin und für Maria de Padilla. Die prachtvolle Synagoge in Toledo. R' Nissim Gerundi. Don Samuels Tod unter der Folter. Der Bruderkrieg. Parteinahme der Juden für Don Pedro. Unsägliche Leiden der Juden. Aufreibung der Toledaner Gemeinde. Don Pedros Tod, ein Wendepunkt in der jüdischen Geschichte.


Der schwarze Tod hatte auch in Kastilien seinen schauerlichen Tanz gehalten. Aber hier war die Bevölkerung einsichtsvoller als an anderen Orten und dachte gar nicht daran, die Juden dafür verantwortlich zu machen. In Toledo und Sevilla raffte die Pest viele angesehene Gemeindeglieder hin, aus den Familien der Abulafia, der Ascheriden, der Ibn-Schoschan und anderen. Den Schmerz der Überlebenden über solche Verluste verlebendigen die erhaltenen Inschriften der Grabsteine des Toledaner jüdischen Friedhofes1. Auch der König Alfonso XI. von Kastilien fiel als Opfer der tückischen Seuche, und auch nicht eine leise Stimme klagte die Juden als Urheber dieses Todes an. Kann nicht dieser Umstand als Gradmesser für die Bildungsstufe der verschiedenen europäischen Völker dienen? Unter Alfonsos Sohn und Nachfolger Don Pedro (1350 bis 1369) stieg der Einfluß der kastilianischen Juden zu einer Höhe, wie nie zuvor. Es war der letzte Glanz ihrer angesehenen Stellung in Spanien, worauf bald dunkle Abendschatten folgten.. Seine zahlreichen Feinde gaben dem als fünfzehnjähriger Jüngling zur Regierung gelangten König den brandmarkenden Namen »Pedro der Grausame«, und seine Begünstigung der Juden hatte auch [354] ihren Anteil an diesem Schimpfnamen, obwohl Don Pedro nicht grausamer war, als viele seiner Vorfahren und Nachfolger. Don Pedro war ein Naturmensch im schlimmen wie im guten Sinne des Wortes, der sich dem Zwange der Hofetikette und der politischen Rücksichten nicht unterwerfen mochte. Durch die Falschheit und Treulosigkeit seiner Bastardbrüder von der Konkubine Leonora de Guzman, derselben, welche ohne es zu wollen, zur Rettung der Juden vor sicherem Untergang beigetragen hatte (o. S. 297), wurde der König zu blutigen Vergeltungen förmlich herausgefordert. Selbsterhaltungstrieb, Sorge um Wahrung seines königlichen Ansehens, Kindesliebe und Anhänglichkeit an eine Jugendgeliebte hatten an seinem rücksichtslosen blutigen Verfahren mehr Anteil als angeborene Grausamkeit und Rachedurst. Der junge König, welcher ein so trauriges Ende nehmen und die kastilianischen Juden in seinen Sturz mit hineinziehen sollte, war vom Anfang seiner Regierung an von tragischen Mächten umgeben. Seine Mutter, die portugiesische Infantin Donna Maria, war von ihrem Gatten auf Anreizung seiner Konkubine Leonore de Guzman gedemütigt und vielfach gekränkt worden. Don Pedro selbst war gegen seine Bastardbrüder und namentlich gegen seinen älteren Halbbruder Don Heinrich de Trastamare zurückgesetzt worden. Seine erste bedeutende Regierungshandlung mußte also sein, seiner gedemütigten Mutter Gerechtigkeit zu verschaffen und ihre Nebenbuhlerin, die Ursache so vieler Kränkungen, in den Staub zu drücken und unschädlich zu machen. Daß er seine Bastardbrüder duldete, beweist, daß er keineswegs allzu grausamen Herzens war. Seine Strenge traf mehr die Granden und Hidalgos, welche Recht und Menschlichkeit mit Füßen traten und das Volk mit junkerhaftem Übermut mißhandelten2. Don Pedro hatte auch nur in diesem Kreise erbitterte Feinde, aber nicht im Volke, das ihm, wo es nicht verlockt wurde, bis in den Tod treu war. Auch die Juden waren ihm anhänglich und haben für ihre patriotische Gesinnung ihre Habe und ihr Leben eingesetzt, weil er sie vor Kränkung und Übermut geschützt und nicht wie Verworfene behandelt hat. Die Juden haben zwar durch ihn viel gelitten, aber nicht als duldende Schlachtopfer wie in Deutschland und Frankreich, sondern als eifrige, leidenschaftliche Parteigänger und Mitkämpfer, welche die Niederlage ihres Parteihauptes in gleicher Weise wie seine christlichen Anhänger geteilt haben.

[355] Als Don Pedro den Thron bestiegen hatte, und der Schmerz um den Verlust des verehrten Königs Alfonso XI. noch frisch war, durfte ein greiser jüdischer Dichter es wagen, ihm in schöngesetzten, spanischen Versen Lehren und Unterweisungen zu erteilen. Dieser Dichter Santob (Schem-Tob) de Carrion, aus der nordspanischen Stadt dieses Namens (um 1300-1350)3, die eine bedeutende jüdische Gemeinde hatte, war in der jüdischen Literatur vollständig vergessen. Christliche Schriftsteller haben sein Andenken und seine Verse erhalten. Santobs (oder verkürzt Santos) poetische Hinterlassenschaft verdiente aber auch aufbewahrt zu werden. Seine Verse fließen sanft und klar wie eine jungfräulich plätschernde Silberquelle, die ihrem Felsenkerker entronnen ist. Seine Reime hören sich wie das süße Lallen einer reinen Kinderstimme an. Er hatte sich nicht bloß die wohltönenden, klangvollen Laute der spanischen Sprache, welche gerade zu seiner Zeit im Übergange von der zarten Jugend zur kräftigen Männlichkeit begriffen war, zu eigen gemacht, sondern hat sie auch bereichert. Santob hat abgelagerte Gedanken der praktischen Weisheit seiner Zeit in schöne Strophen gebracht. Seine »Ratschläge und Belehrungen« an Don Pedro tragen den Charakter von Sentenzen und Sprüchen. Er hat, was nicht fehlen konnte, goldene Sprüche aus dem Talmud und den neuhebräischen Dichtern zu seinen Versen benutzt und den Honig seiner Poesie aus verschiedenen Blumen gesogen.

Santobs Gedichte sind aber nicht durchweg harmlos, sondern haben auch Stacheln. Er geißelte seine Stammesgenossen, welche sich durch die [356] königliche Gunst bereicherten und rügte die Vorurteile der spanischen Christen gegen alles, was von Juden kommt.


Ich bin nicht weniger

Als andere meines Glaubens,

Die vom König haben

Reichliche Geschenke.

Ist meine Lehre gut,

So sei sie nicht verachtet,

Weil sie ein Dichter lehrt,

Geringer als ein Ritter.

Aus dünner, schwacher Wurzel,

Wächst das duftreiche Rohr,

Und aus einem häßlichen Wurm

Stammt die feinste Seide.

Die Rose riecht nicht weniger,

Weil sie auf Dornen blüht;

Der Wein schmeckt nicht schlechter,

Weil er auf Reisern reift.

Der Habicht gilt nicht geringer,

Weil im schlechten Nest geboren,

Und auch nicht die guten Lehren,

Weil sie ein Jude erteilt.

Man acht' mich nicht geringe;

Welcher reiche Jude könnte

In die Rennbahn mit mir treten,

Zu singen, was ich singe?4


Santob sagte auch in seinen Stanzen (mehr als 600) unter der Blume dem jungen König bittere Wahrheiten, indem er ihm einen Tugendspiegel vorhielt und das Laster in seiner abschreckenden Gestalt zeigte. Zuletzt richtete er an Gott das Gebet, er möge dem Könige, dem Erhalter und Verteidiger des Gesetzes, das Leben verlängern, die Völker seines [357] Landes in seinem Gehorsam erhalten und von Spanien Übel, Krieg und Aufstand fernhalten. Santob erinnerte noch den König an Versprechungen, die schon sein Vater ihm gemacht, und bat ihn, sie einzulösen. Denn dieser jüdische Troubadour, dem die Muse so hold war, scheint, wie viele seiner Kunstgenossen, kein Kind des Glücks gewesen zu sein. Ob seine Bitte Erhör gefunden hat? Man weiß es nicht, wie denn überhaupt gar nichts aus dem Leben dieses anmutigen, süßen jüdisch-spanischen Dichters bekannt geworden ist.

Anderen hervorragenden Juden hat aber der König Don Pedro seine ganze Gunst zugewendet. Sein Erzieher und allmächtiger Minister Don Juan Alfonso de Albuquerque hatte ihm seinen eigenen Agenten, der ihm viele Dienste geleistet, zum Finanzminister empfohlen, und der König übertrug diesem dieses vertrauensvolle Amt ohne Rücksicht auf jenen Cortesbeschluß, daß Juden nicht mehr zu diesem Amte zugelassen werden sollten (o. S. 292). Es war Don Samuel ben Meïr Allavi aus der angesehensten Toledaner Familie der Abulafia-Halevi. Samuel Abulafia blieb aber nicht bloß Oberschatzminister (Tesoreo mayor), sondern brachte es bald zum Vertrauten (privado) des Königs, der bei allen wichtigen Beratungen und Beschlüssen seine Stimme abgeben durfte5. Seine Verdienste schildern zwei Inschriften, die eine bei seinem Leben und die andere nach seinem Heimgang angefertigt, als die eines edlen, schönen Mannes, voll von religiöser Gesinnung, »der nie von Gottes Wegen abging, der Tadel vertragen konnte«, und auch wohltätig war. Aber daß er auch jüdische Kenntnisse in Bibel und Talmud besaß, verkünden die Inschriften nicht6.

Noch ein anderer Jude verkehrte an Don Pedros Hofe, Abraham Ibn-Zarzal, der des Königs Arzt und Astrolog war. Er und andere Sterndeuter sollen Don Pedro prophezeit haben, vermöge seiner Geburtskonstellation werde er der mächtigste König von Kastilien werden, die glänzendsten Siege feiern, die Mohammedaner überall demütigen und zuletzt noch Jerusalem für die Kirche erobern7. Wenn dem so war, so haben die Sterne gelogen. Don Pedro war überhaupt so sehr von Juden umgeben, daß sein Hof von seinen Feinden als ein jüdischer verschrieen [358] und verlästert wurde. Man weiß nicht, ob er aus eigenem Antriebe oder auf Anregung seiner jüdischen Günstlinge die Juden seines Landes kräftig beschützte. Als er zum ersten Male die Cortes von Valladolid eröffnete (Mai 1351), und diese dem König eine Bittschrift überreichten, daß er die eigene Gerichtsbarkeit der Juden aufheben und ihnen nicht mehr einen eigenen Alkalden lassen sollte, antwortete er ihnen, daß die Juden als schwaches Völkchen des besonderen Schutzes bedürften. Sie würden vor christlichen Richtern kein Recht finden, oder ihre Prozesse würden verschleppt werden8.

Während seine Verwandten daran arbeiteten, den jungen König mit Blanka, Tochter des französischen Herzogs von Bourbon, zu vermählen, verliebte er sich in ein geistvolles, schönes Edelfräulein von echt spanischem Blut, Maria de Padilla. Er soll sich sogar vor Zeugen förmlich mit ihr vermählt haben. Den Heiratsantrag an Blanka ließ Don Pedro widerrufen; aber die Prinzessin von Bourbon kam dennoch nach Spanien oder wurde von ihren ehrgeizigen Verwandten dahin geschickt, um sich das Diadem zu ertrotzen. Sie hat aber nur sich und dem Lande Unheil gebracht. Die nächsten Verwandten des Königs intrigierten nämlich so lange, bis sie ihn bewogen, das Beilager mit ihr zu halten. Er vermochte aber nicht länger als zwei Tage bei ihr zu verweilen; dann eilte er in die Arme seiner Geliebten de Padilla und ließ die Bourbonin in Gewahrsam bringen. Zu der alten Parteiung im Lande kam dadurch noch eine neue hinzu, indem sich einige Granden für die verstoßene Königin aussprachen, andere zu Maria de Padilla hielten. Don Samuel Abulafia gehörte zur letzteren Partei9, und mit ihm sämtliche Juden Spaniens. Sie hatten Grund genug dazu. Es hieß, Blanka habe mit Mißfallen wahrgenommen, welchen Einfluß Samuel und andere Juden an dem Hofe ihres Gemahls hätten und wie große Ehren und Gunstbezeugungen sie von ihm genössen. Sie habe daher einen bestimmten Entschluß gefaßt, ja habe bereits daran gearbeitet, nicht bloß die jüdischen Höflinge zu erniedrigen und aus dem Hofkreise zu verdrängen, sondern auch sämtliche Juden aus Spanien zu verbannen. Ihren Widerwillen gegen die Juden habe sie nicht verheimlicht, sondern öffentlich ausgesprochen. Darum hätten die jüdischen Höflinge Partei gegen sie genommen und sie in den Augen Don Pedros verhaßt gemacht10. Wenn die Bourbonin Blanka [359] wirklich eine solche judenfeindliche Stimmung gehegt haben sollte (es sprechen auch andere Tatsachen dafür), so waren die Juden um ihrer Selbsterhaltung willen gezwungen, den Einfluß der Königin nicht aufkommen zu lassen, sich zur Partei der de Padilla zu schlagen und sie kräftig zu unterstützen. Spaltungen und Bürgerkriege folgten aus diesem unseligen Verhältnisse des Königs zu seiner kaum recht anerkannten Gattin. Albuquerque, der anfangs gegen die Königin war und später sich für sie gewinnen ließ, fiel in Ungnade, und Samuel Abulafia nahm seine Stelle als vertrautester Ratgeber des Königs ein. Auf allen Ausflügen war Samuel mit andern hochgestellten Granden des Reiches stets in der Begleitung des Königs.

Eines Tages verlockten seine Feinde – an deren Spitze seine Bastardbrüder standen – den König nach der Festung Toro; sie hatten die Königin-Mutter, auf welche der junge König viel hielt, in ihren Verschwörungsplan gezogen, und diese hatte ihn dahin eingeladen. Demütig kamen die Brüder ihm entgegen. Don Heinrich von Trastamare, der ältere Bruder, küßte ihm die Hände, bereute seine Feindseligkeit gegen ihn und bat flehentlich um Verzeihung. Arglos antwortete Don Pedro, wenn Gott ihm verzeihe, so wolle er mit seiner Verzeihung nicht zurückhalten, und ritt in die Tore der Festung ein. Die Verschworenen ließen dieselben aber alsogleich schließen und nur wenige von des Königs Begleitung einziehen. Diese wurden sofort ergriffen und in den Kerker geworfen, darunter auch Samuel Abulafia (1354)11. Den König hielten die Verschworenen in Toro wie einen Gefangenen. Während sie einige Granden und sogar den Großmeister von Calatrava hinrichten ließen, verschonten sie merkwürdigerweise den Günstling Samuel. Diesem gelang es später mit dem König zu entfliehen. Weil er seinen Unfall mit dem König geteilt hatte, stieg er noch mehr in dessen Gunst. Er hatte außerdem für die Finanzen des Königs Sorge getragen und durch scharfe Beaufsichtigung der Steuereinnehmer es dahin gebracht, daß der König [360] einen Schatz anlegen konnte, was seinen Vorgängern selten gelungen war. Die verräterische Gefangennahme des Königs in Toro bildet einen Wendepunkt in seiner Regierungszeit. Es entspann sich infolge der Zwistigkeiten ein erbitterter Bürgerkrieg in Kastilien, der Don Pedro zu grausamen Handlungen aufstachelte. Aber die jüdischen Günstlinge hatten keineswegs die Hand dabei im Spiele; selbst die Judenfeinde legten die Grausamkeiten nicht dem jüdischen Minister zur Last. Die Bastardbrüder mit ihrem Anhange bemühten sich, Meister der Hauptstadt Toledo zu werden. Dort hatte aber Don Pedro eine zahlreiche Partei, darunter auch sämtliche Juden, und diese mochten seine Brüder nicht in die Stadt einziehen lassen. Von ihren Freunden jedoch heimlich durch eine Pforte eingelassen, überfielen ihre Scharen die Stadtteile, wo viele Juden wohnten. In der Straße Alcana brachten sie fast 12000 Männer, Frauen, Greise und Kinder um. Aber in die innere Stadt konnten die Feinde nicht eindringen, weil die Juden die Tore verrammelt, sich zur Wehr gesetzt hatten und von den Rittern der königlichen Partei kräftig unterstützt wurden (Mai 1355)12. Einige Tage später zog Don Pedro nach Toledo, wurde von seinen Parteigenossen freudig aufgenommen und übte schwere Vergeltung an denen, die es mit seinen Brüdern gehalten hatten.

Samuel Abulafia stieg durch seine klugen Ratschläge, seine Finanzverwaltung und seinen Eifer für Maria de Padilla zu höchster Gunst beim König. Er hatte mehr Macht als die Granden des Reiches. Er besaß fürstliche Reichtümer, und achtzig schwarze Sklaven dienten in seinem Hause. Es scheint ihm aber jener Hochsinn gefehlt zu haben, der ihn gemahnt hätte, die günstige Stunde zu benutzen, um für die Zukunft seines Stammes und seiner Religion Sorge zu tragen. Wohl »suchte er das Beste seines Volkes«, wie die Inschrift von ihm aussagt; aber er verstand eben nicht, was das Beste sei. Er schützte die Juden wohl vor Unbill und Gehässigkeiten, beförderte manche unter ihnen zu Ämtern, gab ihnen Gelegenheit sich zu bereichern; allein er war nicht das, was Chasdaï Ibn-Schaprut und Samuel Ibn-Nagrela ihren Religionsgenossen gewesen waren. Samuel Abulafia scheint auch wenig Sinn für Geistiges, für Hebung der jüdischen Wissenschaft und Poesie, gehabt zu haben. Kein Mann des Wissens wurde, so viel bekannt ist, von ihm unterstützt. Er baute allerdings Synagogen in mehreren Gemeinden Kastiliens und eine besonders prachtvolle in Toledo, aber nicht einmal ein Lehrhaus für Talmudstudien13.

[361] Diese abulafianische Synagoge in Toledo, welche noch heutigen Tages als Kirche eine Zierde dieser Stadt ist, war halb im gotischen, halb im maurischen Stile erbaut, wie fast die meisten spanischen Kirchen jener Zeit. Sie besteht aus mehreren Schiffen, welche durch Säulen und Wölbungen voneinander geschieden sind. Feingeschnitzte Arabesken verzieren den oberen Teil der Wände ringsherum. Innerhalb der Arabesken ist auf grünem Grunde und weiß hervortretend der achtzigste Psalm in hebräischer Schrift zu lesen. Auf der Nord- und Südseite sind Inschriften in halberhabener Arbeit angebracht, welche in zwölf langen Linien die Verdienste des Fürsten Samuel Levi ben Meïr verewigen. Die Gemeinde dankt darin Gott, »der seine Gnade seinem Volke nicht entzogen und Männer erweckt hat, die sie aus Feindes Hand erretteten. Wenn es auch keinen König mehr in Israel gibt, so hat Gott einen Mann seines Volkes Gunst in den Augen des Königs Don Pedro finden lassen, der ihn über alle Großen erhoben, zum Ratgeber in seinem Reich ernannt und ihm fast königliche Ehren zuerteilt hat«. Samuel Abulafia ist in diesen Inschriften übertrieben verherrlicht. Der Name des Königs Don Pedro ist mit großen Buchstaben hervorgehoben, als sollte es in die Augen fallen, daß dieser Fürst in einem innigen Verhältnis zu den Juden stand, gewissermaßen zur Synagoge gehörte. Zuletzt ist der Wunsch ausgesprochen, Samuel möge die Wiederherstellung des Tempels erleben und darin mit seinen Söhnen als Levite fungieren.

Der Bau dieser prachtvollen und großen Synagoge war im Jahre 1357 vollendet14. Für das darauffolgende Jahr hatten ein Jahrhundert [362] vorher der Astronom Abraham ben Chija und der Rabbiner und Kabbalist Nachmani und einige Jahrzehnte vorher der Philosoph Leon de Bagnols (o. S. 323) das Eintreffen der messianischen Zeit verkündet. Da sie aber nicht eingetroffen war, so sahen manche Juden in der hohen Stellung Samuels und anderer jüdischer Günstlinge eine Spur von dem Zepter Judas15. Es war eine Verblendung, die eine bedenkliche Seite hatte. Diese faßte die damalige bedeutendste rabbinische Autorität, R' Nissim Gerundi ben Rëuben (Ran)16 Rabbiner von Barcelona, ins Auge und predigte gegen die Berechnung des messianischen Erlösungsjahres aus den Danielschen Jahreswochen. Er fürchtete nämlich mit Recht, der Glaube an das Erscheinen des Messias könnte durch die Wahrnehmung, daß die so vielfach angestellten Berechnungen sich trügerisch erwiesen hätten, erschüttert werden. Haben doch selbst, so predigt er, ganz bestimmt gehaltene Zahlen für die Erlösung aus Ägypten und die für die Dauer des babylonischen Exils so manche zu irrtümlichen Hoffnungen verleitet, um wie viel mehr die geflissentlich in Dunkel gehüllten Danielschen Zahlen17!

[363] R' Nissim Gerundi (blühte um 1340-1380) in Barcelona, fast der einzige Vertreter des höheren Talmudstudiums in dieser Zeit, war ein klardenkender Kopf, welcher der sinnverwirrenden Mystik abhold war. Er scheute es nicht, den von ihm so hochverehrten Nachmani zu tadeln, daß er sich zu tief in die Kabbala eingelassen habe18. R' Nissim war Arzt und verstand auch etwas von Astronomie; aber seine Stärke war die talmudische Gelehrsamkeit. Seine Auseinandersetzungen zeugen eben so sehr von scharfsinniger Tiefe wie von lichtvoller Klarheit. Freilich erhob auch er sich nicht über die unselbständige Richtung der Zeit. Er hat kein selbständiges Werk hinterlassen, sondern seine Forschungen an gegebene Texte angelehnt; er verfaßte lediglich Kommentarien zum Talmud und zu Alfassi. In der rabbinischen Literatur gilt R' Nissim als eine der letzten Autoritäten und wird noch zu den »ersten oder ältesten« gezählt.

Don Samuel hatte einen allzu bestimmenden Einfluß auf die Entschlüsse des Königs, als daß er keine Feinde hätte haben sollen. Selbst wenn er Christ gewesen wäre, hätte die Hofpartei Ränke zu seinem Sturze ersonnen. Und nun gar erst ein Jude! Nicht bloß Don Pedros Bastardbruder Don Heinrich und die Königin Blanka, sondern auch solche, welche früher in des Königs Dienst gestanden, suchten die kastilianische Bevölkerung gegen die Juden und namentlich gegen den jüdischen Ratgeber, aufzuwiegeln. Don Pedro Lopez de Ayala, Dichter, Chronikschreiber und des Königs Bannerträger, gab in einem Gedichte zu erkennen, wie die Höflinge von den hochgestellten Juden dachten: »Die Juden trinken der geplagten Christen Blut und lechzen nach ihren Gütern durch die Steuerpacht. Don Abraham und Don Samuel, mit Lippen süß wie Honig, erlangen vom König alles, was sie wünschen«19. Samuels Sturz war vieler Wunsch. Selbst einige Juden aus Toledo sollen, neidisch auf sein Glück, ihn beim König angeklagt haben, daß er auf des Königs Kosten sich so unermeßliche Reichtümer erworben habe, und daß ihm keiner darin gleich käme. Auf den Rat dieser jüdischen Feinde soll nun Don Pedro seinen jüdischen Günstling haben rufen und ihn in freundlichen Worten angeredet haben: »Vater, ich bin ruiniert, leiht mir zur Verheiratung [364] meiner Kinder 20000 Mark Goldes, welche ich euch durch Renten nach und nach abzahlen werde«. Samuel habe darauf barsch erwidert, er könne dem König nicht eine Mark vorschießen. Selbst der Drohung des Königs habe er Trotz entgegengesetzt20. Das Ganze klingt aber märchenhaft; denn so dumm war wohl Samuel nicht, um dem Könige zu versagen, was dieser ihm durch Gewaltmittel hätte nehmen können. Gewiß ist nur, daß Don Pedro das ganze Vermögen Samuels und seiner Verwandten einziehen ließ, welches in 170900 Dublonen, 4000 Mark Silber, 125 Kästchen mit Gold- und Silberstoffen, 80 Sklaven und 60000 Dublonen von seinen Verwandten bestand. Nach andern soll man in Samuels Hause unter der Erde eine erstaunliche Menge Goldes und Silbers gefunden haben. Don Pedro ließ seinen ehemaligen Günstling Samuel in Toledo verhaften und in Sevilla foltern, um ihn dahin zu bringen, noch mehr Schätze zu entdecken. Er blieb aber standhaft, gab nichts an und hauchte unter der Tortur sein Leben aus (Oktober oder November 1360)21. Eine Grabschrift verkündet mit einfachen Worten, wie hoch er früher gestellt war und wie seine Seele, durch Folterqualen gereinigt, zu Gott aufgestiegen sei. Sie enthält kein gehässiges Wort gegen Don Pedro.

Don Samuels Tod änderte nichts an dem freundlichen Verhältnisse zwischen dem König und den Juden22. Sie blieben ihm nach wie vor anhänglich, und er erteilte einigen unter ihnen große Auszeichnungen. Dafür mußten sie den Haß seiner Feinde gegen ihn teilen und wurden für [365] seine Untaten verantwortlich gemacht. Don Pedro ging damit um, seine ihm verhaßte Gemahlin aus der Welt zu schaffen und forderte den Gefängniswärter Ortiz de Zuniga auf, ihm diesen Dienst zu leisten. Da dieser die Zumutung zurückwies, so übertrug der König einem niedrigen Trabanten Perez de Rebolledo das Mordgeschäft (1361). Ob die Königin eine Heilige oder eine Intrigantin war, ob sie den Tod verdient oder nicht verdient hat, die Art ihres Todes bleibt ein Schandfleck in Don Pedros Leben. Aber so sehr auch der Chronikschreiber de Ayala den Juden abgeneigt war, so hat er doch in seiner Chronik mit keinem Worte angedeutet, daß einer von Don Pedros jüdischen Günstlingen an dieser Schändlichkeit beteiligt gewesen wäre. Erst später erfand der Judenhaß allerlei Märchen, um des Königs jüdische Parteigänger in die Blutschuld mit hineinzuziehen. Es wurde gefabelt, ein Jude hätte der Königin Blanka auf Befehl des Königs Gift beigebracht23, weil sie darauf bestanden hätte, die Juden aus dem Königreich zu vertreiben. Eine französische Romanze, welche die Taten und Untaten französischer Abenteurer an Don Pedro und den Juden ausschmücken wollte, begründet den Tod der Königin durch eine jüdische Hand auf eigentümliche Weise.

Die Königin Blanka sei über einen Juden, ihren Vasallen, aufgebracht gewesen, weil er es gewagt habe, an ihrem Huldigungstage mit anderen christlichen Rittern ihr, dem Brauche gemäß, die Wange zu küssen. Obwohl sie sich anfangs von ihm diese Huldigungszeremonie habe gefallen lassen, habe sie sich doch später dadurch so sehr beschimpft gefühlt, daß sie nicht nur ihre Wange und ihren Mund mit heißem Wasser abgewaschen, sondern auch beabsichtigt habe, den zudringlichen jüdischen Ritter hängen zu lassen. Dieser habe sich aber zu Don Pedro geflüchtet, sei von ihm freundlich aufgenommen worden und habe sich bereit finden lassen, »diesen Dorn aus des Königs Fuß« herauszuziehen. Aus Rachegefühl und Willfährigkeit für Don Pedros Wunsch habe dieser Jude einige seiner Stammesgenossen um sich gesammelt, sei mit ihnen bis zum Schlafzimmer der Königin gedrungen und habe durch die Vorspiegelung, der König wolle noch in dieser Nacht sich mit ihr versöhnen und ehelich vereinigen, es durchgesetzt, daß die Türen ihnen geöffnet wurden. Darauf hätten sie ihr des Königs Befehl mitgeteilt, daß sie sterben müsse, hätten sie aus ihrem Bette in einen Keller geschleppt und ihr da den Tod durch [366] Erstickung beigebracht. Die jüdischen Mörder hätten sich der Rache durch die Flucht in ein Kastell, das ihnen Don Pedro angewiesen, entzogen und wären überhaupt straflos geblieben. – Ein anderes Mal erzählt diese französische Romanze, zwei Juden namens Daniot und Turquant wären von ihren Religionsgenossen als Mörder der Königin Blanka verraten worden. Der letztere habe seine Untat sogar eingestanden und habe Daniot und noch andere sechs Juden als Mitschuldige angegeben. Dieser habe aber alle Schuld von sich ab und Turquant zugewälzt und von sich behauptet, er habe das Zimmer der Königin gar nicht betreten und seine Genossen inständig gebeten, eine so tugendhafte Fürstin doch nicht zu töten24.

[367] Don Pedro erklärte öffentlich vor der Cortesversammlung von Sevilla, daß seine Ehe mit der Bourbonin Blanka ungesetzlich gewesen sei, indem er sich vorher auf rechtmäßige Weise mit Maria de Padilla vermählt habe und stellte Zeugen dafür auf. Diese, darunter auch Geistliche, beteuerten diese Tatsache mit einem Eide. – Sein Bastardbruder Don Heinrich de Trastamare war froh, durch den Tod der Blanka und dessen Folgen eine Gelegenheit bekommen zu haben, Bundesgenossen zur Entthronung des rechtmäßigen Königs zu gewinnen. Die Bourbonen in Frankreich und auch der König sagten ihm Hilfe zu und ließen für ihn die wilde Abenteurerschar der sogenannten großen oder weißen Kompagnie anwerben, welche nach Beendigung des Krieges mit England das französische Gebiet unsicher machte. So konnte der König von Frankreich zwei Fliegen mit einem Male schlagen. Auch der Papst unterstützte den Bastard, weil ihm Don Pedros Gunstbezeugung gegen die Juden ein Dorn im Auge war. Er tat den König von Spanien ohne weiteres in den Bann.

Um seiner Empörung einen Anstrich von Gesetzlichkeit zu geben und die Gemüter für sich zu gewinnen, schwärzte Don Heinrich seinen Bruder vielfach an und schilderte ihn als einen Unwürdigen der die Krone verwirkt habe, weil er seine Staaten durch Juden regieren ließe, ihnen und ihrer Religion anhänglich sei. Don Heinrich ging in der Verleumdung seines Bruders so weit, zu verbreiten, daß nicht nur dessen Geliebte, Maria de Padilla, eine Jüdin sei, sondern daß Don Pedro selbst von jüdischem Blute abstamme. Er erzählte folgendes Märchen: Alfonso XI., ihr gemeinsamer Vater, sei mit seiner Gattin sehr unzufrieden gewesen, weil sie ihm lauter Töchter geboren habe. Als sie einer neuen Niederkunft entgegensah, habe er ihr mit seiner Ungnade gedroht, falls sie ihm diesmal nicht einen Sohn zum Thronerben schenken würde. Als nun die Königin Maria wieder von einem Mädchen entbunden wurde, habe sie aus Furcht vor dem Zorn des Königs ein neugeborenes jüdisches Kind anstatt der Tochter untergeschoben. Und dieser Wechselbalg sei eben Don Pedro, der sich legitimer König von Spanien nenne25.

[368] Mit den Soldknechten »der weißen Schar«, einer gewissenlosen Bande, welche sich dem ersten besten Anführer vermietete und bald für, bald gegen eine Person oder Sache kämpfte, überschritt Heinrich die Pyrenäen, um seinen Bruder zu bekriegen und ihn zu entthronen. An der Spitze dieser französischen und englischen Auswürflinge stand der gewaltigste Krieger seiner Zeit, der Held und Abenteurer Bertrand du Guesclin (Claquin), berühmt durch seine Heldentaten, seine Häßlichkeit und seine drolligen Manieren, den die Sage, gleich dem Cid, verherrlicht hat. Die Juden nahmen durchweg für Don Pedro Partei und unterstützten ihn nicht bloß mit ihrem Gelde, sondern auch mit ihrem Blute. Sie scharten sich unter die Reihen seiner Krieger oder verteidigten die Städte gegen die Angriffe Don Heinrichs und du Guesclins26. In Briviesca (in Altkastilien) kämpften die Juden tapfer und verteidigten die Mauer der Stadt, welche in der Nähe ihres Quartiers lag, gegen die Engländer, denen die Eroberung dieses Stadtteils zugewiesen war. Die Juden unterlagen. Die wilden Söldner töteten nicht bloß die jüdischen Kämpfer, sondern auch die Wehrlosen. Von den zweihundert jüdischen Familien Briviescas blieb nicht eine Seele am Leben; ihre Leichname blieben den wilden Tieren und den Vögeln des Himmels preisgegeben27.

Don Pedro verließ wegen der Nähe des Feindes Burgos, die Hauptstadt von Altkastilien. Nach seinem Abzuge traten die Einwohner, Christen, Juden und Mohammedaner, zu einer Beratung zusammen, ob sie die Stadt verteidigen oder dem heranrückenden Heinrich und seiner Schar übergeben sollten. Auf einen angeregten Vorschlag beriet von den Angehörigen der drei verschiedenen Glaubenslehren jede Gruppe [369] getrennt von den übrigen, damit einer jeden uneingeschränkte Freiheit bliebe. Die Christen entschieden sich auf den Vorschlag des Erzbischofs von Burgos für die Übergabe der Stadt; ihnen schlossen sich die wenigen Mohammedaner an. Die Juden aber erklärten durch den Mund ihres Rabbiners, ehe sie ihren Entschluß verlauten ließen, sollten ihnen die Christen durch einen Eid zusichern, daß ihnen unverwehrt bleiben sollte, mit den Ihrigen nach Aragonien oder Portugal auszuwandern, falls ihr Entschluß nicht mit dem der übrigen Bevölkerung übereinstimmen sollte. Die Christen schwuren ihnen darauf Freiheit der Entschließung und deren Ausführung zu. Darauf soll der Rabbiner von Burgos statt des Entschlusses das Wort ausgesprochen haben, sie betrachteten die Zuneigung eines Christen zum Judentume ebenso als Abfall, wie den Übertritt eines der ihrigen zum Christentume, d.h. sie gäben Don Pedros Sache wegen seiner Anhänglichkeit an die jüdische Religion auf28.

Geschichtlich beurkundet ist nur, daß Don Heinrich bei seiner Übernahme von Burgos, wo er zuerst als König ausgerufen wurde (März 1366), die jüdische Gemeinde nicht sehr glimpflich behandelte, wohl weil sie sich seinem Bruder zugeneigt hatte. Er legte ihr eine Geldstrafe von 50000 Dublonen auf und hob die Forderungen jüdischer Gläubiger an christliche Schuldner vollständig auf. Da die Juden von Burgos diese bedeutende Summe nicht erschwingen konnten, mußten sie ihre Habe und selbst die Ornamente von den Thorarollen verkaufen. Diejenigen, welche ihren Beitrag nicht leisten konnten, wurden als Leibeigene verkauft29.

Es ist durchaus nicht zu verwundern, wenn in dieser aufgeregten Zeit der Parteiung und des erbitterten Bruderkrieges, wo die Bande des Gesetzes gelöst waren, die Juden hin und wieder, wie in Segovia und Avila, geplündert wurden, oder richtiger die Reichen ihrer Schuldforderungen an Christen verlustig gingen30. In Deutschland wäre bei solcher Gelegenheit ein Blutbad unter den Juden angerichtet worden. Der spanische Pöbel begnügte sich mit Wenigerem. – Ganz Spanien fiel dem Sieger zu, weil Don Pedro es verabsäumt hatte, die ihm anhängliche Bevölkerung zu konzentrieren oder durch bedeutende Summen die wilden Abenteurer der weißen Schar für sich zu gewinnen, wie ihm geraten [370] wurde. Don Samuel mit seiner Klugheit fehlte ihm. Auch die Tore der Hauptstadt Toledo wurden dem Sieger geöffnet, obwohl die Partei Don Pedros, wozu auch die Juden gehörten, eine Zeitlang für Widerstand gestimmt hatte. Der Toledaner Gemeinde legte Don Heinrich ebenfalls eine sehr hohe Geldbuße als Strafe für ihre Treue gegen den legitimen König auf. Don Pedros letzte Zufluchtsstätte war die Stadt Sevilla.

Derselbe französische Romanzendichter, welcher den Helden du Guesclin verherrlichen und zugleich in die Erzählung von dessen Kriegstaten romantische Züge einflechten wollte, erfand ein Märchen, als wenn Sevilla durch den Verrat der Juden an Don Heinrich gekommen wäre. Die Romanze erzählt, Daniot und Turquant, dieselben, welche die Königin Blanka aus dem Leben geschafft haben sollen, hätten Don Pedros Gunst verloren, weil sie ihm nur zu schlimmen Dingen geraten und ihn dadurch ins Unglück gebracht hätten. Er habe sie dafür in die Verbannung geschickt. Unterwegs seien sie in die Hand eines von du Guesclins Kapitänen geraten, der sie als Juden dem Tode habe weihen wollen. Um sich zu retten, hätten die beiden ihm versprochen, vermittelst ihrer Stammesgenossen die Stadt Sevilla und auch die Person Don Pedros an Don Heinrich zu überliefern. Der Kapitän Mathieu de Cournay habe ihnen unter dieser Bedingung das Leben zugesichert, habe Daniot als Geisel zurückbehalten und Turquant nach Sevilla ziehen lassen. Dieser habe sich heimlich in die Judenstadt einzuschleichen und den Rabbiner zu überreden gewußt, daß die Sevillaner Gemeinde nicht so fest in der Treue zu Don Pedro verharren sollte, weil dieser Böses gegen sie im Schilde führe. Es sei demnach unter den Juden beschlossen worden, heimlich Don Heinrich, du Guesclin und seine Scharen durch das Judenviertel in die Stadt zu lassen und diese samt dem König in deren Hände zu spielen. Eine Jüdin, welche die Geliebte des Don Pedro gewesen sei, habe aber den geheimen Plan an denselben verraten und ihn veranlaßt, die Stadt zu verlassen. Vermittelst des Einverständnisses mit den Juden sei es nun dem Sieger leicht geworden, Herr von Sevilla zu werden31. Eine andere Romanze läßt, im Widerspruch damit, die Juden von Sevilla gemeinschaftlich mit den Christen und den Mohammedanern dieser Stadt für Don Pedro kämpfen und Don Heinrich seinen Eintritt erst durch einen harten Strauß erzwingen32.

[371] Noch einmal lächelte Don Pedro das Glück, nachdem es ihm den Rücken gekehrt hatte, da er als ein Flüchtling die Pyrenäen hatte übersteigen müssen und alles Land dem Sieger zugefallen war. Der heldenmütige Prinz von Wales, von seiner Eisenrüstung der schwarze Prinz genannt, der in Südfrankreich stand, unternahm es, dem entthronten König im Namen der Legitimität und in Aussicht auf reichen Lohn an Geld und Land Beistand zu leisten. Heinrich von Trastamare mußte wiederum Spanien verlassen (1367). Ganz Spanien jauchzte wieder dem Sieger Don Pedro und seinem Schildhalter, dem schwarzen Prinzen zu, wie es früher seinem Bruder und dem wilden Connetable von Frankreich du Guesclin zugejauchzt hatte. Bald wendete sich aber wieder das Blatt. Der schwarze Prinz ließ Don Pedro im Stich, und Don Heinrich kehrte abermals mit neuen Scharen aus Frankreich zurück. Die nördlichen Städte Spaniens fielen ihm wieder zu. Die Bürger von Burgos öffneten ihre Stadt dem Sieger; nur die Juden blieben dem unglücklichen Don Pedro treu. Unterstützt von einigen Rittern, Parteigängern Don Pedros, verteidigten sie die Judenstadt von Burgos, kämpften tapfer und unterwarfen sich erst der Übermacht. Sie erlangten auch von Heinrich eine günstige Kapitulation, daß sie in der Stadt unangefochten bleiben durften; nur mußten sie eine Million Maravedis zahlen33. Dieses Mal wollten aber die Christen den Sieg über Don Pedro ausbeuten. Die Cortes von Burgos stellten daher an Heinrich folgendes Gesuch; da die Juden Schuld an dem Bürgerkriege trügen, da sie Günstlinge und Beamte des früheren Königs wären, so möge der neue König ein Gesetz erlassen, daß fortan kein Jude zu einem Amte befördert werden sollte, nicht einmal zu dem eines Leibarztes des Königs oder der Königin. Auch sollten die Juden nicht mehr zur Steuerpacht zugelassen werden. Heinrich erwiderte darauf, die Juden von allen Ämtern auszuschließen, sei etwas, was noch kein kastilianischer König getan habe. Indessen werde er die Juden, die an seinem Hofe wären, nicht zu Rate ziehen, auch ihnen keine Macht einräumen, durch welche dem Lande Schaden erwachsen könnte34. Heinrich hatte also keine besondere Abneigung gegen die Juden, oder er mochte sie nicht durch Zurücksetzung zur Verzweiflung treiben. Die Beschränkung, die er den Cortes in betreff der Juden zusagte, war mehr darauf berechnet, seine Parteigänger nicht zu verletzen. Denn er saß noch lange nicht fest in der Regierung. Don Pedro zählte noch sehr viele Anhänger; die meisten jüdischen Gemeinden [372] hielten treu zu ihm, die Juden dienten auch im Heere und kämpften gegen den Usurpator für den König, der sie bis zuletzt mit Gerechtigkeit behandelte. Don Pedro hatte selbst in seiner verzweifelten Lage, als er den mohammedanischen König von Granada zu Hilfe rufen mußte, demselben ans Herz gelegt, die Juden zu schonen35. Indessen litten die Juden von Freund und Feind unsäglich; denn da Don Pedro allein nichts vermochte, sondern auf Hilfstruppen zuerst des schwarzen Prinzen und dann der Mohammedaner angewiesen war, so wurden die Juden von diesen nicht nach Wunsch des Königs behandelt. Die Gemeinde Villadiego, als wohltätig und als Förderin der Wissenschaft berühmt, wurde von den Engländern vollständig aufgerieben. Ebenso erging es der Gemeinde von Aguilar und anderen. Die Einwohner von Valladolid, welche Don Heinrich huldigten, plünderten die Juden splitternackt aus, zerstörten ihre acht Synagogen, raubten deren Schmuck und zerrissen die heiligen Schriften36. Es war eine gräßliche Verwilderung eingetreten. Wo Don Heinrich hinkam, brandschatzte er die Juden, stürzte sie in Armut und ließ ihnen nur das Leben. Der mohammedanische König, Don Pedros Bundesgenosse, führte 300 jüdische Familien aus Jaën als Gefangene nach Granada37. Noch schlimmer behandelte sie der wilde du Guesclin, der, von französischem Judenhaß geleitet, sie nicht als ebenbürtige Parteigänger und Kämpfer ansah, sondern als Knechte, die es gewagt hätten, gegen ihren Herrn die Waffen zu ergreifen38. Die Not war so groß, daß viele Juden in dieser Zeit zum Christentum übergingen. Andere aus Nordspanien wanderten nach dem nahegelegenen Navarra aus und wurden von der Königin Donna Juana für außerordentliche Steuern aufgenommen und gegen die einheimischen Judenfeinde geschützt39.

Am meisten litt damals die Gemeinde von Toledo. Sie brachte um die Wette mit den christlichen Anhängern Don Pedros die größten [373] Opfer, um die Stadt gegen den Feind zu verteidigen und hielt eine lange und schreckliche Belagerung aus. In dieser Belagerung war die Hungersnot so groß, daß die Unglücklichen nicht bloß die Pergamente der heiligen Schrift, sondern auch das Fleisch ihrer eigenen Kinder verzehrten40. Der größte Teil der Toledaner Gemeinde kam durch Kriegsunglück und Hungersnot um, 8000 Personen, (nach einigen über 10,000). Endlich siegte Don Heinrich über seinen von allen Seiten verlassenen Bruder bei Montiel (14. März 1369). Das Ende Don Pedros war tragisch. Beim Zusammentreffen mit seinem feindlichen Bruder soll dieser ihm die beleidigenden Worte ins Gesicht geschleudert haben: »Wo ist dieser Jude, Sohn einer Dirne, der sich König von Kastilien nennt«. Darauf rangen beide miteinander, bis Don Pedro unterlag und von seinem Bruder und du Guesclin erstochen wurde. Der Papst Urban V. konnte bei der Nachricht vom Tode Don Pedros seine Freude nicht zurückhalten. »Die Kirche müsse jubeln«, äußerte er sich, »über den Tod eines solchen Tyrannen, eines Rebellen gegen die Kirche und eines Gönners von Juden und Sarazenen. Der Gerechte freut sich, wenn er Rache sieht«41. Was das Papsttum lange nicht durchsetzen konnte, die Demütigung und Erniedrigung auch der spanischen Juden, das gelang unvermutet durch den Bruderkrieg in Kastilien. Auch die Juden Spaniens erlitten bei Montiel eine Niederlage, welche für ihre Zukunft verhängnisvoll war.


Fußnoten

1 Epitaphien des Toledaner Friedhofes, gedruckt von Luzzatto in einem Werke Abne Sikkaron (Prag 1841) aus einem Kodex der Turiner Bibliothek.


2 Buchon zu Froissart, Chroniques II, p. 462 aus einer katalonischen Chronik zur Rechtfertigung Don Pedros, die von dem modernen Geschichtsschreiber Lafuente, historia general de España, T. VII, 308 ff. übersehen wurde.


3 Dieser Dichter wird zuerst von dem Dichter Iñigo Lope de Mendoza, Marquis de Santillana (st. 1458) erwähnt. Santillana bemerkt dabei, er habe zur Zeit seines Großvaters gelebt und proverbios morales und consejos gedichtet. Ticknor hat diese consejos oder trobas im dritten Bande seiner history of the spanish Litterature aus einer Handschrift abgedruckt. Daraus ergibt sich, daß der Dichter Santob und nicht Santo geheißen hat (wie unwissende spanische Literarhistoriker ihn genannt haben, um ihn zum Heiligen und zum Konvertiten zu stempeln), ferner, daß er Jude war und blieb, und endlich, daß er im Anfang von Don Pedros Regierung lebte, vgl. über ihn Ticknor l.c. I, 86 ff. und Kayserling, Sephardim 19 ff. Dieser hat nachgewiesen, daß Santob nicht nur biblische, sondern auch talmudische und religionsphilosophische Sentenzen in seinen Versen verarbeitet hat. Der letzte Vers gibt an, daß Santob bereits unter Don Pedros Vater, Alfonso XI., gesungen und von ihm Versprechungen erhalten habe, die der Sohn erfüllen sollte:


Et la merced que el noble

Su padre prometio,

La terrna como cumple

Al Santob et Judio.


4 Diese Probe mag genügen, um die Darstellung Santobs zu charakterisieren (bei Ticknor III, p. 487, Stanze 3-8). Derselbe teilt eine bessere Lesart von der einen Stanze mit (I, p. 87):


Non vale el açor menos

Porque en vil nido siga,

Nin los exemplos buenos,

Porque Judio los diga.


Eine spätere Hand scheint Änderungen und Verbesserungen mit Santobs Stanzen vorgenommen zu haben. Mehr Proben gibt Kayserling a.a.O.


5 Der zeitgenössische Geschichtsschreiber Ayala in seiner Cronica zum Jahre 1350, c. 16.


6 Diese Inschriften sind in der von ihm erbauten Synagoge, jetzt in eine Kirche verwandelt (wovon weiter unten), erhalten und seine Grabschrift in den Toledaner Epitaphien Abne Sikkaron, p. 19 f.


7 Summario de los Reyes de España por el despensero mayor de la reyna Leonor (Verf. Juan Rodriguez de Cuenca, gedruckt Madrid 1781) p. 61 ff.


8 Mitgeteilt bei Lindo, History of the Jews of Spain, p. 147 f.


9 Ayala a.a.O. zum Jahr 1353, c. 16. Don Simuel el Levy ... privado del Rey et su consejero, servia quanto podio a doña Maria de Padilla.


10 Unus Judaeus ... adversum dictam reginam (Blancam) specialiter conspiraverat pro eo, quia ipse, videns quod tam ipse (Judaeus, Samuel) quamplures alii suae legis multipliciter frequentabat dictum regem (Petrum) habebantque multos favores et honores in aula sua, jam tractabat et disponebat, quod ab his retraherentur, immo vel a regno totaliter expellerentur. In quo eadem regina nimis se caute habuit, cum talia in principio debuerint aut ad tempus dissimulare, aut sic caute et occulte tractare, quod omnino lateret eos qui tangebatur, ne sequerentur quae postea sunt subsecuta. Ein anonymer Chronist bei Baluz, Historia Paparum Aveniönensium, unter dem Titel: vita Papae Innocentii VI. T, I, p. 224.

11 Ayala a.a.O. zum Jahre 1354, c. 25 und die Notizen im Appendix zu T. I, p. 577.


12 Ayala a.a.O. zum Jahre 1355, c. 7.


13 Zacuto in Jochasin: תיב השעש יולה לאומש 'ר ... תולודג תובוטו איליטשקב תורחא תויסנכ יתבו הליטלוטב תסנכה לארשיל.


14 Ich habe in der Frankelschen Monatsschrift (Jahrgang 1856, S. 321 ff.) die Inschriften der Toledaner Synagoge (welche viele Federn in Bewegung gesetzt haben), zum Teil ergänzt, abdrucken lassen und ausführlich nachgewiesen, daß die Inschriften auf beiden Wänden zusammengehören und beide Samuel Abulafia gewidmet sind, gegen die Behauptung der Madrider Akademie, daß eine derselben einem sonst unbekannten Meïr dediziert sei. So schreibt es noch Amador de Los Rios in seinen Estudios sobre la historia de los Judios (p. 54 ff) nach. Sonst erkennt auch er an, daß Haydeck, ein getaufter Jude, sie gefälscht hat, d.h. eine falsche hebräische Übersetzung dieser Inschriften aus einer mangelhaften kastilianischen für die echte Originalinschrift ausgegeben hat. De los Rios bemerkt auch, daß der Fälscher Haydeck viele Buchstaben an den Urinschriften geflissentlich verstümmelt und unleserlich gemacht hat, damit sein Betrug unentdeckt bleibe. – In betreff des Datums für die Vollendung der Abulafianischen Synagoge ist jeden falls das Jahr 1357 sicher. Wenn in dem Passus der Inschrift: םידוהיל בוט תנשב, nur das Wort בוט punktiert war, wie die Madrider Akademie behauptet hat, so muß man zu dieser Zahl (17) die Tausende und ein Hundert hinzudenken: 5117 = 1357. Auf einigen Toledaner Grabschriften aus dieser Zeit fehlen ebenfalls nicht bloß die Tausende, sondern auch das erste Jahrhundert vom sechsten Jahrtausend aera mundi. Wären aber, wie Haydeck behauptet hat, auch sämtliche Buchstaben: םידוהיל punktiert, so sollte wohl das ה vielleicht besonders hervorgehoben, die 5000 und die übrigen Buchstaben den Zahlenwert 100, zusammen dieselbe Zahl 5117 bezeichnen. Auch Lindo nimmt das Datum 1357 an (a.a.O., p. 149). In seinem Werke befindet sich eine Abbildung der Synagoge aus Autopsie (im Frontispiz und p. 148). – Diese Synagoge in Toledo führt jetzt als Kirche den Namen: iglesia de nuesta señora de San Benito oder del Transito.


15 Paulus de Santa Maria, Zitat von Seite 310. Anmerkung.


16 Es kann kein Zweifel darüber sein, daß R' Nissim, der Hauptkommentator zu Alfassi und der Verf. der Deraschot, ein und dieselbe Person ist, wie Ben-Jakob in den Additamenta zu Schem ha-Gedolim bemerkt hat (p. 172 a). In dem kompletten Jochasin werden sie geradezu identifiziert (p. 225 a): ןבואר ןב םיסנ 'ר ברה אוהו ףירל שוריפ השעו ... תושרד רפסו דומלתל םישודח השעש א"לק 'ה תנשב ז"ע שוריפ םילשהו ןאיינפרפבו הנולצרבב היה. Seine Blütezeit ergibt sich aus seinen Responsen. No. 30 hat das Jahr 1340 und No. 77 das Jahr 1374. In einer der Predigten (No. 10) spricht er von dem schwarzen Tode, 16 Jahre nach demselben, also 1364: ונתשנש דע הנש ו"י הז וניהלא רסומ וניאר ונחנא לבא הב ולחו םלוע יבשוי בורל הנושארב ער דרי יכ תישארב ירדס תחא הנשב םלועה רפהנש דע ... םינושמ םיאלח. Allerdings widerspricht sich Zacuto oder war im unklaren über Nissims Zeit, wenn er ein anderes Mal (das. 222 c.) den Verfasser der תושרד 1264 sterben läßt und ihn zu Nachmanis Schüler macht. Über seine literarischen Leistungen vgl. die Bibliographen.


17 Nissim Predigtsammlung (תושרד) No. 7 Ende.


18 Isaak ben Scheschet No. 167: רמאש המ ךיתעדוה ןבו עקת יאדמ רתוי הברה יכ ל"ז םיסנ וניבר ברה ירומ דוחיב יל איהה הלבקה ןינעב ןימאהל ל"ז ן"במרה ומצע.


19 Dieses Gedicht hat aus dem Rimado de Palacio der Verfasser des discurso sobre el estado ... de Judios (o. S. 142, Anmerk. 1) zunächst mitgeteilt, dann auch de Los Rios a.a.O. p. 53. Es stammt von Lopez de Ayala. Vergleiche Ticknor, Spanish Literature I. Um so wertvoller erscheinen seine günstigen Nachrichten über die Juden in seiner Cronica, wenn man bedenkt, daß er ein Judenfeind war.

20 Zuritas Zusatz zu sommario de los Reynos de España p. 72, Note. Allein die Ungeschichtlichkeit dieser Anklage gegen Don Samuel verrät sich in dem Passus: vos ha robado nuettros Reynos mas de veinte año (Don Samuel Levi). Da Don Pedro nur 19 Jahre regiert hat, so kann ihn Don Samuel nicht 20 Jahre betrogen haben.


21 Ayala setzt Samuels Tod unter der Folter im Jahre 1360 an, Cronica c. 17 I, p. 322. Der Apostat Paulus a Santa Maria sagt ebenfalls, er sei kurz nach dem Jahre hingerichtet worden, an welchem nach Gersonides und Nachmani der Messias erscheinen sollte, also kurz nach 1358. Auf seiner Grabschrift (in Abne Sikkaron No. 13), wo auch von seiner Folterung gesprochen wird, ist das Jahr ausgefallen, nur der Monat ist geblieben: ןושחרמ שדוחב רטפנ; auch das Tagesdatum fehlt. Der Monat Marcheschwan begann damals am 12. Oktober und reichte bis 11. November. Über die Schätze Samuels und seiner Verwandten vgl. Ayala a.a.O. und sommario p. 73.


22 De Los Rios berichtet zwar von Strafgeldern im Betrage von 20000 Dublonen, die der König den Juden aufgelegt, mit der Verschärfung, ihre Güter zu konfiszieren und sie selbst als Sklaven zu verkaufen, bis die Summe gezahlt sei (a.a.O. p. 61, Note). Allein da er die Quelle nicht in extenso mitteilt, so weiß man nicht, was von dieser Angabe zu halten sei. Das Jahr 1407 aera mundi = 1365 verdächtigt sie ohnehin, da Don Pedro gerade in diesem Jahre die Juden brauchte.


23 Florez, Reynas catholicas II, p. 631. Der Gewährsmann Rodrigo Bischof von Valencia lebte erst im 15. Jahrhundert. Der moderne spanische Geschichtsschreiber Don Modesto Lafuente erzählt den Tod der Königin Blanka, wie oben angegeben, T. VII, p. 243.


24 Wie wenig Zeit die Sage braucht, um die festen Tatsachen der Geschichte in die Gasform des Mythus zu verwandeln, beweist nichts schlagender, als die romantische Literatur über den Bruderkrieg in Spanien. Trueller, ein französischer Troubadour, dichtete eine Art Epopöe, »Roumant« genannt, deren Held du Guesclin ist. Dieser Heldenroman wurde 1387, also 16 Jahre nach dem Sturze Don Pedros, auf Veranlassung eines Kapitäns Estouteville in Prosa überarbeitet und später herausgegeben von Menard, unter dem Titel: histoire de Messire Bertrand du Guesclin (Paris 1618). Aus dieser und anderen Romanzen zur Verherrlichung desselben Helden bearbeitete später Lefebvre sein mémoire de Du Guesclin, herausgegeben in dem Sammelwerk von Petitot: collection complète de mémoires rélatives à l'histoire de France T. IV, V (vgl. Petitots Einl. zum T. IV). Es gibt auch eine dritte Bearbeitung aus Romanzen über du Guesclin von Berville: histoire de Bertrand Du Guesclin (2 Bände). Alle diese prosaisierten Epopöen, welche auch den Krieg der feindlichen Brüder Don Pedro und Don Heinrich behandeln, geben auch viele Nachrichten über die Beteiligung der Juden an diesem Zwiste. Das ganze Unglück Don Pedros wird namentlich in Estoutevilles (oder nach dem Editor, in Menards) Schrift dem bösen Einfluß der Juden zugeschoben, mit einer kecken Entstellung der Geschichte, wie sie in der kurzen Zeit von kaum 16 Jahren gar nicht erwartet werden sollte. Dieselbe hat gleich im Anfange der Erzählung ... que de toute chose quelconques il (le roy Piètre) se conselloit aux Juifs, qui en sa terre demeuraient et leurs descouvraient tous ses secrets (p. 155). Die Romanze erzählt ferner, daß Don Heinrich seinem Bruder Vorstellungen wegen seines Verkehrs mit den Juden gemacht habe. Ein Jude Jakob habe sich dabei herausgenommen, den letzteren gegen den ersteren zu reizen; Don Heinrich habe dafür Jakob mit einer Lanze getötet, und sein Bruder habe ihn deswegen mit dem Tode bedroht. Die vertrauten Juden des Königs heißen bald Juda, bald Manecier (Manasse), bald Armacher, bald Turqant und Daniot, Namen, die gar nicht spanisch klingen. Die Züge von der Ermordung der Königin durch Juden (Menard p. 161 ff. und 346 ff.) verstoßen geradezu gegen die beglaubigten Nachrichten bei Ayala und bei Florez: Reynas catholicas II, p. 631. Die Verherrlichung des du Guesclin, die Beschönigung seines Gemetzels in Spanien und die Brandmarkuna des Don Pedro, als von den Juden verführt, ist Haupttendenz dieser französischen Romanzen. Manche Erdichtungen rühren geradezu von Don Heinrich her, der seine Rebellion gegen seinen legitimen Bruder und seinen Kronenraub damit beschönigen wollte, daß er Spanien aus den Griffen der Juden befreit habe, wie sich auch aus einer andern Quelle ergibt. Jedenfalls ist daraus zu ersehen, welchen bedeutenden Einfluß die Juden in Spanien hatten.


25 Continuatio Guilelmi de Nangis: Henricus objicit fratri suo: Petrum elegisse Judaeos et eis adhaesisse; per Judaeos domum suam regebat et totum regnum suum per eos gubernabat etc. Der Chronist war ein Zeitgenosse Don Pedros, wie er selbst angibt (in d'Achéry, veterum scriptorum specilegium III, p. 139). Auch die zeitgenössische Romanze bei Estouteville oder Menard p. 165 hat diesen Zug. Ein getaufter Jude habe verraten, daß Don Heinrich legitimer König von Spanien, Don Pedro dagegen ein jüdischer Wechselbalg gewesen sei.


26 Die Romanzen und nach ihnen Lefebvre und Berville lassen zuerst von du Guesclin eine fast unbekannte Stadt Maghalon oder Mugalon in Spanien erobern und dann eine Burg, wobei die Juden sich zur Wehr setzten und umkamen. Estouteville p. 186; Petitot IV, p. 338 ff; Berville I, p. 354 ff.


27 Die Nachricht bei Estouteville p. 188 und Berville a.a.O. I, p. 360 stimmt mit der Angabe des Zeitgenossen Samuel Çarça von dem Gemetzel in Briviesca überein (םייח רוקמ Ms. Einleitung mit vielen Fehlern abgedruckt in der Zeitung des Judentums Jahrg. 1848 und in Wieners Schebet Jehuda p. 131). Lefebvre dagegen referiert, die Juden hätten zur Rettung ihres Lebens den Feinden ihr Quartier übergeben (Petitot a.a.O. IV, p. 342).


28 Dieser Zug, welcher übereinstimmend bei Estouteville a.a.O. p. 199 und bei Lefebvre a.a.O. IV, e, 253 vorkommt, verrät die Sagenhaftigkeit oder vielmehr die Tendenz, Don Pedro als so verworfen darzustellen, daß selbst die Juden ihn verachtet und verlassen hätten. Bei Estouteville das. p. 165 heißt es geradezu: mesmes les Juifs en blasmoient le roy en son absence et l'apelloient Tiran.


29 Samuel Çarça a.a.O.


30 Das.


31 Estouteville a.a.O. p. 215; Lefebvre a.a.O. p. 369. Die beglaubigte Geschichte weiß nichts von der Eroberung Sevillas durch Verrat oder gar durch Verrat der Juden. Ayala hat keine Spur davon.

32 Berville a.a.O. I, p. 408 ff. du Chastelet, histoire de Duguesclin p. 111. Auch dieser Zug ist nicht geschichtlich.


33 Ayala, Cronica zum Jahre 1367 c. 34, 35.


34 In de Asso etc. discurso sobre el estado de los Judios a.a.O. p. 154. Lindo a.a.O. S. 151 ff.


35 Samuel Çarça Einl. zu Mekor Chajim (Ms.) .... אבו רפסמ ןיא דע םישנא וגרהו חכב ןיאג שבכנו אטנרג ןמ ךלמה וצרי םא לבא די םהב וחלשי אלש ארדיפ ןוד ךלמה הוצ םידוהילו ילעב תואמ 'ג אטנרגל םייובש םוכילוהו .םתוא ובשי תובשל ןיאגב םירד ויהש םיתב. Auch abgedruckt in Wieners Schebet Jehuda p. 131 aus der Zeitung des Judentums Jahrg. 1838, aber sehr korrumpiert.


36 Samuel Çarça das. 1.


37 Das. s. Anmerkung 1.


38 Guilelmi de Nangis continuatio (bei d'Achéry, specilegium III zu Ende) ... et postremo infinitos Judaeos, qui in potentia armorum regem Petrum adjuvabant, trucidavit (Bertrand de Claquin).


39 Yanguas y Miranda, diccionario Artikel Judios II, p. 115.


40 Der Zeitgenosse Samuel Çarça berichtet darüber in der Einleitung zu seinem Werke יפוי ללכמ (Ms.): ןמזב םוקמ היסנלפ תנידמב טרפל עשתו םירשעו האמ תנש אוהש הזה םה ןואילו היליטשק תוכלמ תולהק לכ רשא רובחה הז יתרבחש ומייקתנ הרות הנשמבו הרותב תובותכה תוללקה לכו לודג רעצב םהב ותמ לארשי תרטע היהש הלטילוט להק שודקה להקו ... ונב קוצמבו רוצמב שיא םיפלא תרשעמ רתוי םישדח ינשב בערב ולשב תוינמחר םישנהו .םהילע קורדנא ןוד ךלמה קצ רשא לכו תורותה ירפס לכ ולכא בערה בורמו .ומל תורבל םהידלי הברהו התוא םילכואו רמצה םיבהבהמ ויהו רוע ילכ לכו םירפסה בוט םירמוא יכ ךלמה הנחמל ואציו םפכב םשפנ ומש םהמ וגרהנ שדוקה תולהק הברהו ... בערב תומנשמ ברחב תומנש ותא יכ תמאהו .ללכה ןמ לארשימ הברה ואצי תורצה ךותמו תומשנה ולכ םגו סיכה ןמ הטורפ התלכ םגו יזוזבד יזוזבו יזוזב .ןוברי לוחמ תורצה לכ רפסל אובא םאו .אב אל דוד ןבו ףוגבש .וב תוגהל ןכש לכ רפס חותפל לוכי םדא היה אל תורצה קחודמו Zu dieser grausigen Schilderung dient als Ergänzung die Einleitung des Menahem ben Zerach in seinem Zeda la-Derech.


41 de Peyrat, Vita Urbani V. (bei Baluz, vitae Paparum Avenionensium I, p. 432): Papa et ecclesia debebant gaudere de morte Petri, quondam regis ... interfecti per spurium fratrem suum, pro eo, quia rebellis erat ecclesiae, fautor Saracenorum et Judaeorum.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1897], Band 7, S. 375.
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