12. Kapitel. Die Februar- und Märzstürme und ihre Folgen.

[517] Montefiores und Crémieux' Rückreise und Triumphzug. Die Königin Victoria. Allgemeine Begeisterung der Juden. Neuer Zwiespalt durch den Hamburger Reformtempel. Michael Creizenach. Die Reformfreunde in Frankfurt a.M. Die erste Rabbinerversammlung in Braunschweig. Holdheim, sein Lebensgang und seine Theorie. Entstehung des Deutsch-Katholizismus, der Lichtfreunde und der Berliner Reformgenossenschaft. Michael Sachs. Fortschritt der jüdischen Wissenschaft. Neue Anschauung von der heiligen Schrift und der altisraelitischen Geschichte. Die allgemeine Forderung der Emanzipation der Juden infolge der Februar- und Märzrevolution. Die Mortara-Affäre. Die Entstehung der Alliance israélite universelle und ähnlicher Verbände. Die Entstehung der Rabbinerbildungsanstalten.


Die Rückreise der jüdischen Gesandten aus dem Morgenlande, welche nicht bloß einige Menschen vom Tode gerettet, sondern auch das Judentum von mittelalterlicher Schmach befreit hatten, war ein förmlicher Triumphzug. Von Korfu bis Paris und London und bis tief nach Polen hinein waren die jüdischen Gemeinden einmütig im Dankgefühl gegen die Retter und rangen nach sichtbaren Zeichen, um ihre Dankbarkeit und zugleich das jüdisch-patriotische Hochgefühl auszudrücken. Sie erschöpften sich in Ansprachen, Adressen, Zuschriften in allen europäischen Sprachen und selbstverständlich auch in hebräischen Worten, in Prosa und Versen, in Aufmerksamkeiten und Geschenken, um das wichtige Ereignis, das sich an Damaskus und die beiden Hauptvertreter der Judenheit und des Judentums knüpfte, würdig zu feiern und der Erinnerung der Nachwelt zu überliefern. Crémieux, welcher zuerst die Rückreise antrat, empfing enthusiastische Huldigungen in Korfu, Triest, Venedig, Wien, Fürth, Nürnberg, Frankfurt und Mainz (Nov., Dez. 1840). Die großen Gemeinden, welche er nicht berühren konnte, wie Preßburg, Nikolsburg, Brody, sandten Deputationen und Adressen an ihn. Naiv rührend war es, daß altfromme Rabbiner, in Verlegenheit, ihm ein Zeichen auch ihrer Dankbarkeit zu geben, ihm den Rabbinertitel [517] (Morenu), die höchste Ehre, die sie zu vergeben hatten, erteilten1. Nur die Judenschaft von Paris verhielt sich kühl und bereitete ihrem Sendboten keinen gebührenden Empfang, als hätte sie gescheut, die Empfindlichkeit des Königs Ludwig Philipp, dessen zweideutiges Benehmen augenfällig war, zu verletzen. – Montefiore, der längere Zeit in Konstantinopel geweilt hatte, um einen günstigen Ferman zu erlangen, und die Rückreise später und meistens zu Wasser antrat, kam nicht mit so vielen Gemeinden in Berührung wie Crémieux und konnte nicht so viel Huldigungen entgegennehmen. Dafür wurde er mit überströmenden Zuschriften von allen Seiten überschüttet. Da sein Auge stets ohne Hintergedanken auf das Wohl und die Ehre seiner Stammesgenossen gerichtet blieb, wußte er in seiner Einfachheit ihre Feinde zu beschämen. Dem Kardinal Rivarola, dem Beschützer aller Kapuziner in Rom, zwang er das Versprechen ab, den Grabstein, welcher die Mordtat der Juden an dem Pater Tomaso verewigen sollte, um diesen als einen Märtyrer darzustellen, aus der Kapuzinerkirche in Damaskus entfernen zu lassen2. So zwang er auch den König Ludwig Philipp, gute Miene zum bösen Spiele zu machen. Von dem englischen Gesandten Granville zur Audienz eingeführt (21. Febr. 1841), überreichte er dem König eine Abschrift des vom Sultan erhaltenen Fermans, der die Unschuld der Juden in Damaskus aussprach und den französischen Konsul stillschweigend verurteilte3. Ludwig Philipp mußte anstandshalber diese Demütigung einstecken und Montefiore zum Erfolge seiner Reise und Sendung Glück wünschen. Aufrichtiger dankte ihm die Königin Victoria, als er ihr durch Lord Palmerston, den damaligen Ministerpräsidenten, bei der Heimkehr vorgestellt wurde, für die Hilfe, die er seinen Stammesgenossen gebracht hatte.

Dreierlei beschäftigte damals fast die Gesamtjuden heit von Europa, den beiden Rettern ein dauerndes und augenfälliges Zeichen der Dankbarkeit zu reichen, die Erinnerung an die durch dieselben herbeigeführte Rettung zu verewigen und endlich ein Mittel zu finden, um einen Zusammenhalt und ein Zusammenwirken gegen Wiederholungen [518] ähnlicher lügenhafter Anschuldigungen gegen Juden und Judentum zu ermöglichen. Die Stimmführer der deutschen Juden fühlten sich besonders gedrängt, ihre Teilnahme an den Vorgängen und ihre Bewunderung für die beiden jüdischen Vertreter öffentlich kundzugeben. Gerade sie, welche bis dahin an der Spitze der Bewegung gestanden, hatten in der damaszenischen Blutgeschichte so wenig getan. Nur die Hamburger und Altonaer Gemeinde hatten dem Londoner Komitee Geldbeiträge zugestellt. Ein hervorragender jüdischer Gelehrter hatte die Scheinbeweise für den Blutgebrauch der Juden aus dem Talmud nach allen Seiten hin gründlich widerlegt. Die jüdischen Tagesblätter hatten gegen die judenfeindlichen Ausfälle und Lügen mutig angekämpft. Das war alles, was in Deutschland zur Ehrenrettung geschehen war. Riesser hätte sich sehr wohl Montefiore und Crémieux anschließen und als Vertreter der deutschen Judenheit nach Ägypten gehen können, um dort ein beredtes Wort zu sprechen. Es war nicht einmal ein Vorschlag dazu gemacht worden. Ein Rabbiner hatte sogar aus Privathaß gegen die Talmudisten den Judenfeinden zugestanden, daß der Talmud menschenfeindliche Äußerungen enthalte4. Um so mehr fühlten einige gesinnungstüchtige Juden in Deutschland die Notwendigkeit einer Kundgebung ihrerseits. Riesser wollte zusammen mit einigen Freunden Vereine stiften, durch welche die Juden der vier Hauptländer Europas den beiden Vertretern eine öffentliche Anerkennung bereiten sollten5. Allein diese Kundgebung unterblieb. Überhaupt wurde das dreifache Bedürfnis der Gemüter sehr unvollkommen befriedigt, weil nicht die rechten Wege eingeschlagen wurden. Montefiores Verdienste wurden allerdings mit berauschender Begeisterung bei seiner Rückkehr in der Londoner Synagoge gefeiert; ein eigener Dankgottesdienst für den göttlichen Schutz und Beistand wurde gehalten (2. Purimtag = 8. März 1841)6. Ein silbernes Kunstwerk wurde ihm zum Andenken überreicht. Eine noch größere Auszeichnung wurde ihm von der Königin Victoria zuteil. Sie belohnte ihn mit einem Ehrenwappenzeichen (24. Juni), das nicht nur ihm, sondern auch seinem Stamme eine hohe Bedeutung [519] verlieh. Er durfte zu seinem Ritterwappen Wappenschildträger (Supporters), wie sie nur die Pairs von England und Personen vom höchsten Range führen durften, hinzufügen; nämlich eine Flaggenstange mit einem Löwen und einem Hirsch und daran eine Fahne mit der hebräischen Inschrift »Jerusalem«. Noch bedeutungsvoller als dieses Kinderspiel für Große waren die Worte der Königin, welche die huldvolle Auszeichnung begleiteten: »Nachdem uns vorgetragen worden, daß unser getreuer und sehr lieber Sir Moses Montefiore ... infolge der Nachrichten, die er aus dem Morgenlande erhielt, daß eine Anzahl Juden zu Damaskus und Rhodus eingekerkert und gemartert, und viele Kinder eingekerkert und fast aller Nahrung beraubt, mehrere Personen aber gefoltert wurden bis sie starben, alles wegen der Beschuldigung, daß die Juden den Priester Tomaso getötet hätten, gemäß seinem freiwilligen Anerbieten.. in Begleitung Lady Montefiores nach Alexandrien gereist war, in der Absicht die Unwahrheit der Beschuldigung zu erweisen und die Sache seiner unglücklichen und verfolgten Brüder zu vertreten; daß er ... so glücklich war, vom Pascha ... Mehmet Ali die ehrenhafte Freilassung der angeklagten Personen, welche eingekerkert waren, und die Erlaubnis für die Entflohenen zur Heimkehr zu erlangen, daß er darauf nach Konstantinopel gereist ist und.. von Sr. kaiserlichen Majestät, dem Sultan Abdul Meǵid, einen Ferman erhielt, welcher die Juden für unschuldig erklärt und allen zur jüdischen Religion sich bekennenden Personen unter türkischer Herrschaft gleiche Rechte mit allen anderen Untertanen sichert – so haben wir Vorbesagtes in unsere königliche Betrachtung genommen und wünschen dem genannten Sir Moses Montefiore unser besonderes Zeichen unserer königlichen Gewogenheit zu geben, als Andenken an diese seine anhaltenden Bemühungen zugunsten seiner gekränkten und verfolgten Brüder im Morgenlande und der Nation im allgemeinen«7. Es war ein Stück Geschichte der Juden der neuen Zeit, vom Munde einer Königin erzählt.

Gegen diese Auszeichnung stach zwar als sehr kleinlich der Vorschlag einiger französischen Gemeinden des Oberrheins ab, dahingehend, zum Dank für Crémieux eine Denkmünze prägen zu lassen. Denn auch sie teilten den allgemeinen Wunsch und sagten: »Es gebührt sich, für die künftigen Geschlechter das Andenken der israelitischen Geschichtsereignisse von 1840 zu verewigen«8. Crémieux wies übrigens [520] das Anerbieten ab. Wie aber diese freudigen und nationalen Erinnerungen verewigt werden sollten, darüber herrschte überall Ratlosigkeit. Crémieux forderte die französischen und auswärtigen Juden auf, die von ihm in Alexandrien und Kairo gegründeten Schulen durch Beiträge zu unterstützen. Es gingen ihm indes nur wenige Spenden zu, und die Unterhaltung von Crémieux-Schulen in Ägypten stand mit der Hauptsache nur in zufälliger Verbindung und war nicht geeignet, das Hochgefühl der Juden dauernd zu erhalten. Das Londoner Komitee forderte die Gesamtjudenheit Europas auf, Beiträge zusammenzuschießen, um einen Stock zu gründen, damit den Wehrlosen Schutz gewährt werden könne gegen Verfolgungen, von welcher Seite sie auch ausgehen sollten. Auch zu diesem Zwecke ist in England und von anderen großen und kleinen Gemeinden gespendet worden9. Aber dieser Vorschlag entsprach ebensowenig, wie viele andere, die damals gemacht wurden, darunter auch einer, für Montefiore ein Standbild zu errichten, dem Hauptbedürfnis. Ein einziger zweckentsprechender Vorschlag wurde damals angeregt, aber nicht beachtet. »Nicht durch prunkende Geschenke, noch durch laute Feste können wir unsere Dankbarkeit an den Tag legen; in dem sich kundgebenden Geiste der einzelnen und in den Bestrebungen der israelitischen Theologen, diese große Tat der Geschichte als eine echt religiöse unseren jährlichen Festen anzuschließen, würden wir das schönste Denkmal jenen Männern errichten. Unserem Chanuka- und Purim-Feste müßte es gleichstehen; denn an demselben, könnte man sagen, wurde Israel körperlich befreit, hier aber geistig«10. Und in der Tat, das Judentum kannte von jeher kein wirksameres Mittel, seine Befreiungs- und Siegestage zu feiern und in den zukünftigen Geschlechtern Nacheifer zu wecken, als Gedenktage einzusetzen, die zerstörende Zeit zur Hüterin der Geschichtsbegebenheiten zu machen. Hätte der gewandteste Meister der hebräischen Sprache, Isaak Erter, seine begonnene Erzählung von der Verfolgung und der Befreiung in Damaskus11 im schlichten Bibelstil vollendet, und hätten die Stimmführer der Judenheit sich untereinander vereinbart, den wichtigsten Tag in diesem Damaskusereignis alljährlich zu feiern und diese »Rolle« (Megillah) öffentlich vorzulesen, so wäre die dauernde Erinnerung an dasselbe gesichert und es wäre zugleich ein Mittel gewesen, das Band der Zusammengehörigkeit von neuem zu befestigen. Freudigen Herzens hätten die Juden Asiens und Afrikas, [521] die Juden auf dem ganzen Erdenrunde eine solche Feier mit nationaler Färbung angenommen. Munk, dessen Stimme damals von Gewicht war, ermahnte: »Möge der grausige Vorfall von Damaskus wenigstens dazu dienen, uns unsere Vereinsamung zum Bewußtsein zu bringen, die zwar betrübend, aber unglücklicherweise eine Tatsache ist. Möchte er uns zeigen, daß wir in gefahrvollen Lagen unserer eigenen Kraft überlassen sind, und möchte das Band, das uns ehemals einigte, sich von neuem befestigen«12.

Diese Mahnung wurde nicht befolgt. Statt der Einheit brach aber in der deutschen Judenheit ein Zwiespalt aus, der, obwohl er anfangs aus einer so geringfügigen Mißhelligkeit entsprang, daß er leicht hätte beigelegt werden können, doch im Verlaufe eine weitere Ausdehnung nahm. Der Gegensatz lag unbewußt in den Gemütern und kam zufällig bei dieser Veranlassung zum Ausbruche; er wäre ebensogut bei einer anderen zum Vorschein gekommen, so lange er nicht ausgetragen oder in sich selbst zerrieben war. Der Hamburger Tempel, welcher zwei Jahrzehnte vorher zum ersten Male die Parteiung der Altfrommen und der Reformer sichtbar gemacht hatte, rief auch diesmal den Zwiespalt hervor, der aber von jetzt an einen viel verschärfteren Charakter annahm. Die Tempelgemeinde hatte sich seit ihren Anfängen bedeutend vermehrt. Das jüngere Geschlecht aus der alten Gemeinde war teilweise zu ihr übergetreten, weil es in der alten Synagoge keine Befriedigung für sein Andachtsbedürfnis gefunden und an der fortdauernden Unordnung in derselben Anstoß genommen hatte. Man sagte, daß die Untätigkeit des Chacham Bernays, von dem sich die Alten so viel versprochen hatten, an dem Wechsel der Stimmung und an dem Abfall Schuld getragen habe. Seine Art zu predigen, war nicht geeignet, die Jugend zu fesseln. Auf Hebung des Gottesdienstes durch Schaugepränge gab Bernays nichts, während die Prediger des Tempels ihre ganze Tätigkeit darauf richteten. Schon war die neue Gemeinde auf nahe an 800 Mitglieder gewachsen. Sie hatte außerdem eine Persönlichkeit in ihre Mitte aufgenommen, die Anziehungskraft ausübte. Gabriel Riesser hatte nach dem Tode des Gemeindenotars Bresselau dieses Amt übernommen, sich dem Tempel innig an geschlossen und war zum zweiten Vorsteher desselben erwählt worden. Da sein Name wegen des unermüdlichen Eifers für die politische und gesellschaftliche Gleichstellung der Juden in Deutschland einen außerordentlichen Klang hatte, so verlieh er dem [522] Tempel durch seinen Anschluß neuen Glanz. Als der Tempelverein ernstlich daran gegangen war, ein neues größeres Bethaus zu erbauen, wurden diesem Unternehmen von der alten Partei durch Beschwerden beim Senate Hindernisse in den Weg gelegt13. Dieser Umstand hatte die Gemüter erregt, und zwar die alte Partei noch mehr als die neue, weil die Behörde den Tempel mit der Synagoge auf eine gleiche Linie gestellt hatte. Der Tempelverein hatte ferner ein neues Gebetbuch ausarbeiten lassen, und die damit betraute Kommission hatte anfangs im versöhnlichen Sinne manches fallen lassen, was in der älteren Ausgabe allzusehr verletzt hatte. Es soll sogar im Schoße derselben eine Neigung vorhanden gewesen sein, der alten Partei noch mehr Zugeständnisse zu machen, um eine Versöhnung herbeizuführen14. Eine solche Geneigtheit zum Friedensschlusse mag von Riesser angeregt worden sein, der um alles in der Welt eine Sektenspaltung in der Judenheit gerade in dieser Zeit, als der Schmerz über die Damaskusgeschichte noch lebendig war, verhütet wissen wollte. Die geistigen Führer beider Parteien sollen aber schroff jede Vermittlung vereitelt haben.

So wurde das veränderte Gebetbuch des Tempelvereins veröffentlicht und kündigte sich als ein allgemeines »Gebetbuch für die öffentliche und häusliche Andacht der Israeliten« an. Den Altfrommen bot es genug Anhaltspunkte zur Verwerfung. Der Umstand allein, daß vom hergebrachten Ritus vielfach abgewichen war, genügte, das Tempelgebetbuch in den Augen der Gegner verhaßt zu machen. Waren doch deutsche Gebetstücke und Lieder in demselben geblieben, dagegen die Gebete für die nationalmessianische Hoffnung ausgemerzt. Am meisten Ärgernis verursachte aber das neue Gebetbuch durch seinen Anspruch, für die Gesamtjudenheit gelten zu wollen. Daraufhin ließ der Chacham Bernays in drei Synagogen am Sabbat (1. Marcheschwan = 16. Okt. 1841) jene verketzernde Bekanntmachung erneuern, welche die rabbinischen Drei-Männer bei der Entstehung des Tempels hatten ergehen lassen (S. 394), daß ein Israelit sich dieses Gebetbuches nicht bedienen dürfe. In der [523] Begründung wurde das verletzende Wort gebraucht, daß dieses noch mehr als das ältere Gebetbuch den Charakter einer mutwilligen Behandlung der in den hebräischen Gebeten enthaltenen religiösen Überzeugungen in sich trage. Diese Bekanntmachung reizte natürlich die Tempelpartei und riß auch den besonnenen Riesser zur Maßlosigkeit hin. Während die Prediger die schimpfliche Zurechtweisung von der religiösen Seite betrachteten, sah dieser darin eine Rechtsverletzung, »da dem Chacham keine Befugnis über den Tempel zustände«. Der Tempelvorstand ließ darauf eine Gegenerklärung bekanntmachen (21. Okt.), worin Bernays nicht bloß »unziemliche Anmaßung, ohnmächtige Parteilichkeit, böswilliges absichtliches Nichtbeachten des Inhalts«, sondern auch »tiefe Unkunde in aller theologisch-liturgischen Wissenschaft« vorgeworfen wurde. Damit war von neuem ein heftiger Streit ausgebrochen, der von beiden Seiten mit solcher Leidenschaftlichkeit geführt wurde, daß der Senat beide Parteien zurechtweisen mußte15. Der Chacham und der Vorstand seiner Gemeinde, der treu zu ihm hielt, verbreiteten das Verdammungsurteil über das Gebetbuch zu Tausenden in vielen Gemeinden, und die Tempelleiter forderten (Nov.) von gesinnungsverwandten Rabbinern und Predigern eine gutachtliche Erklärung über Wert oder Unwert ihrer Neuerungen ein, in der Voraussetzung, daß sie günstig für sie ausfallen würde. Bei dieser Veranlassung trat die Wandlung zutage, welche sich seit zwei Jahrzehnten in den deutschen Gemeinden vollzogen hatte. Während früher nur drei nicht ganz zurechnungsfähige oder zweideutige Rabbinen sich zugunsten des Tempelritus ausgesprochen, viele andere aber ihn verurteilt hatten, stimmten beim zweiten Streite nur der Nachbarrabbiner von Altona Bernays zu, während zwölf oder dreizehn sich entschieden gegen ihn aussprachen (Ende 1841, Anfang 1842), unter ihnen abermals Aaron Chorin, der jetzt mehr Mut als früher zeigte. Damals begannen die Flegeljahre der Reform. Junge Rabbiner oder Geistliche, Seelsorger, wie sie sich lieber nannten, die meistens ihre Weisheit aus akademischen Lehrhäusern geholt hatten und für den Mode gewordenen Fortschritt schwärmten, führten das große Wort. Die alten Rabbinen dagegen wagten nicht mehr gegen sie aufzutreten. So schien es, als wenn die deutsche Gesamtjudenheit für Neuerungen im Bethause eingenommen wäre, und nur noch einige Geistesverkommene sich dagegen stemmten. Bei aller Übereinstimmung der Gutachten für die Gesetzlichkeit des Tempelritus zeigte sich indes in denselben doch ein [524] Ansatz zum Auseinandergehen der Ansichten, welche sich später in Parteirichtungen verdichteten. Mannheimerz. B. bekannte sich zur messianischen Lehre vom Gottesreiche und der Erlösung in hergebrachtem nationalen Sinne; nur Frankel sprach ebensoviel Tadel gegen die beliebige und wissenschaftlich nicht begründete Auswahl und Änderung des neuen Gebetbuches, wie gegen das starre System Bernays' aus)16, und eben deswegen haben die Leiter des Tempels dieses letztere Gutachten unterdrückt. Dagegen zeigten Samuel Holdheim und einige andere, daß sie bereits die Reform des Hamburger Tempels weit, weit überflügelt hatten und ihn als in Halbheit zurückgeblieben ansahen. Das letzte Wort war noch nicht gesprochen; die Klarheit fehlte, weil die gediegene Wissenschaft noch nicht ihr Endurteil abgeben konnte.

Der Hamburger Tempelstreit blieb innerhalb seines Herdes ohne Folgen, weil der entsetzliche Brand (Mai 1842) einen großen Teil dieser Stadt in einen Trümmerhaufen verwandelte und die Aufmerksamkeit von den Parteiinteressen abzog. Da schlug die reformatorische Flamme an einem anderen Punkte empor und drohte weithin zu züngeln. In Frankfurt a.M. gab es seit langer Zeit ungefügige Elemente, die sich mit dem bestehenden Judentume überworfen hatten. Sie hatten ihre Wurzeln teils in der aus kleinen Anfängen zu einem ansehnlichen Institute emporgewachsenen Real- und Volksschule (Philanthropin)17, teils in der ersten jüdischen Freimaurerloge. Die Leiter und Lehrer der Schule und die Mitglieder der Loge huldigten einer freien, dem Judentum abgeneigten Richtung. Eine Zeitlang bildete Michael Creizenach (geb. 1789, starb 1842), Lehrer am Philanthropin, den Mittelpunkt einer unsichtbaren Gemeinde. Creizenach, eine ehrliche, verständige, aber trockene Natur, hatte viele Schriften zur Bekämpfung des rabbinisch-talmudischen Judentums in die Welt gesetzt, mit ihnen je doch wegen ihrer Nüchternheit und geringen Tiefe wenig Eindruck gemacht. Seiner Umgebung und dem Kreise seiner Freunde und Verehrer hatte er eine Art Leidenschaft für Neuerungen und eine tiefe Abneigung gegen das Alte eingeflößt, als er bereits auf der Umkehr begriffen war und mit Jost gemeinschaftlich eine neue hebräische Zeitschrift, Zion, gründete, um die heilige Sprache als nationales Band der Einigung zu pflegen.

[525] Nach seinem Tode traten einige seiner Anhänger zusammen, um eine eigene Gemeinde zu bilden, auf die Gefahr hin, sich als Sekte vom Grundstocke der Judenheit zu trennen. Ihr Zweck war, einerseits den judenfeindlichen Staatsmännern den Vorwand zur Entziehung der Gleichstellung wegen Anhänglichkeit der Juden an ihre Nationalität, an den Talmud und die alten Formen, zu nehmen, und anderseits sich Freiheit der Bewegung zu sichern. Es waren gebildete Laien, welche, durch die eingetretene Zerfahrenheit Richtung und Fühlung verloren hatten oder von falschen Führern mißleitet worden waren. Sie traten zu einem Verein der Reformfreunde (Okt. 1842) zusammen und stellten ein Bekenntnis18 auf, das die damals herrschende Unklarheit vergegenwärtigt. Den Talmud wollten sie nicht als Autorität anerkennen. Aber die Bibel? Ja und Nein. »Die mosaische Religion hielten sie einer fortdauernden Entwicklung fähig.« Zunächst wollten sie sich von den Speisegesetzen lossagen, weil sie, »aus dem ehemaligen Staatsverbande hervorgegangen«, gegenwärtig als religiöser Akt oder Symbol ihre Bedeutung verloren hätten. Von der Messiashoffnung oder von der Rückkehr nach Palästina sagten sie sich entschieden los, »weil sie ihr Geburtsland für das alleinige Vaterland ansahen«.

Viele Teilnehmer fanden die Creizenacher Reformfreunde nicht. Darum angelten sie nach Gabriel Riesser, der bereits eine anerkannte Persönlichkeit war, und von dem sie glaubten, daß er eine Anziehung ausüben und einen Anhang mitbringen würde. Riesser war in der Tat anfangs zum Beitritt geneigt. Er schien die Gereiztheit noch nicht überwunden zu haben, welche Bernays' Einmischung in die Angelegenheiten des Hamburger Tempels in ihm zurückgelassen hatte. Er schreckte selbst vor einer sektiererischen Trennung nicht zurück, obwohl er früher stets wegen der »Seele des Judentums auch die Hülle desselben geachtet wissen« wollte. Das Freiheitsprinzip, das sein Inneres allein ausfüllte, überwog in ihm seine gemütliche Anhänglichkeit an das bestehende Judentum. Er war daher entschieden für den einen Punkt des Creizenacher oder Frankfurter Programms, daß es jedem jüdischen Vater unbenommen bleiben sollte, seine Söhne unbeschnitten zu lassen; diese Unterlassung sollte keine [526] bürgerlichen Nachteile für ihn herbeiziehen. Riesser wollte gegen einen vermeintlichen Gewissenszwang ankämpfen. Indessen hatten andere Männer, welche zum Beitritt aufgefordert worden waren, gerade an dem Punkte, der sich gegen die Beschneidung aussprach, Anstoß genommen. Die Urheber des Vereins der Reformfreunde sahen sich daher genötigt, diesen Punkt, sowie die Erklärung gegen die Speisegesetze fallen zu lassen, und von den fünf Punkten ihres ursprünglichen Programms nur drei festzuhalten, den gegen den Talmud und den Messias, sowie die Phrase von der Fortbildungsfähigkeit der »mosaischen Religion«. Aber gerade diese Kürzung und Abschwächung des ursprünglichen Bekenntnisses hielt Riesser für eine Inkonsequenz und Mutlosigkeit und entzog dem Verein seine Teilnahme; dadurch fehlte dem Unternehmen die Zugkraft; es traten nur wenige bei. So starb der Verein bereits bei der Geburt. Die Beschneidungsfrage kam zwar von einer anderen Seite eine kurze Zeit auf die Tagesordnung. Einige unglückliche Fälle bei der Beschneidung jüdischer Knaben hatten das Sanitätsamt in Frankfurt a.M. veranlaßt, eine Verordnung zu veröffentlichen (8. Febr 1843), die eine zweideutige Fassung hatte: »Israelitische Bürger und Einwohner, sofern sie ihre Kinder beschneiden lassen wollten, dürften sich dabei nur der besonders dazu bestellten Personen bedienen.« Das klang so, als ob der Frankfurter Senat es den jüdischen Eltern freistellte, die Beschneidung beizubehalten oder auch zu unterlassen, und sie nicht für ein notwendiges Zeichen des jüdischen Bekenntnisses hielte. Der Senat erklärte zwar, daß er damit durchaus nicht einen Freibrief zugunsten der Neuerungssüchtigen habe ausstellen wollen. Aber einige Reformfreunde klammerten sich daran, um die Beschneidung gelegentlich zu beseitigen. Infolgedessen sammelte der Rabbiner Salomon Trier Gutachten von gleichgesinnten Rabbinen ein (1843-1844), um die Frage tot zu machen. Sie brachte in der Tat nur eine schwache Kräuselung an der Oberfläche hervor, indem selbst einige reformistisch gesinnte junge Rabbinen sich entschieden für die Verbindlichkeit und Notwendigkeit der Beschneidung erklärten. Es kam daher nicht zu einer Sektenspaltung in der deutschen Judenheit, obwohl die Elemente dazu in der Luft lagen und eine unbehagliche Stimmung erzeugten.

Diese Stimmung beherrschte besonders die jüngeren Rabbiner, welche selbst über Ziel und Maß der vorzunehmenden Reformen im unklaren waren oder in ihren Gemeinden bald auf der einen, bald auf der anderen Seite Widerstand fanden und in ihrer Vereinzelung ohne Halt waren. Damals war die Mode von Versammlungen und Vereinen aufgekommen; die bereits eingeführten Eisenbahnen nach den [527] großen Städten erleichterten persönliche Zusammenkünfte. So fand der Aufruf zu einer Rabbinerversammlung Anklang, namentlich bei denen, welche schon früher miteinander in Verbindung waren und persönliche Anknüpfungspunkte hatten. Diese Zusammenkunft von ziemlich gleichgesinnten Rabbinern und Predigern erregte anfangs eine gewisse Spannung; es war das Unbekannte, das stets in seiner Neuheit einen gewissen Reiz ausübt. Indessen kamen zum erstenmal in Braunschweig doch nur zweiundzwanzig zusammen, größtenteils aus Süd- und Westdeutschland. Die übrigen nahmen eine abwartende Stellung ein, um sich, je nachdem die Beschlüsse der Versammlung ihnen zusagen oder widerstreben sollten, ihr anzuschließen oder von ihr fernzuhalten. Nur wenige Rabbinen, welche noch auf dem Boden des durch den Einfluß des Talmuds ausgebildeten Judentums standen, beteiligten sich dabei, die meisten Mitglieder hatten bereits halb oder ganz mit dem Talmud gebrochen, ohne jedoch diesem Bruche in der Praxis Folge zu geben.

Beherrscht wurde die erste Rabbinerversammlung von einem Manne, der alle Eigenschaften besaß, den Bruch zu erweitern und ihn zu einer völligen Spaltung zu treiben. Es war Samuel Holdheim (geb. in Kempen 1806, starb in Berlin 1860)19. Es ist wunderbar und doch so natürlich, das der Talmudismus, der seine Steigerung und Maßlosigkeit von den polnischen Talmudbeflissenen erhalten hatte, von einem Polen mit schonungslosen Angriffen bekämpft werden sollte. Kempen (Prov. Posen), Holdheims Geburtsort, größtenteils von jüdischen Bewohnern bevölkert, nannte sich früher mit einem gewissen Stolze eine kleinpolnische Gemeinde und sah mit einer gewissen Verachtung auf die großpolnischen Nachbargemeinden herab, die sie für den Sitz der Beschränktheit und Naivität ansah. Sie aber legte auf Witz und Klügelei einen hohen Wert. Im Talmudstudium, das in Kempen in dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts mit ebenso vielem Eifer wie früher betrieben wurde, suchten Jünger wie Meister einander zu überbieten und mit einer gewissen Schadenfreude auszustechen. Nicht auf Wahrheit kam es den Forschenden und Disputierenden an, sondern darauf, ihre Überlegenheit zu zeigen, um einander durch größeren Scharfsinn [528] zu überraschen. Mit dieser Eigenheit war eine gewisse Leichtlebigkeit, Sorglosigkeit, Leichtfertigkeit, man kann sagen ein burschikoses Wesen verbunden, dem der Ernst zuwider war, das vielmehr alles, auch das religiöse Tun, bespöttelte und darüber witzelte. Durchdringender Verstand und Witz wurden höher als ernste Sittlichkeit geachtet. Dem gewandten schlagfertigen »Bachur« sah man Übertretungen selbst religiöser Natur und besonders Unterlassungssünden nach. Diesen Geist hatte der junge Holdheim in sich aufgenommen und, man kann sagen zur Vollendung gebracht. An der Scheide zwischen Knaben-und Jünglingsalter zeigte er nicht nur eine außerordentliche Belesenheit im Talmud und dem rabbinischen Schrifttume, sondern auch eine überraschende Gewandtheit in der Dialektik und Disputierkunst und wurde darob selbst von rabbinischen Graubärten angestaunt und bewundert. Er galt fortan als ein feiner talmudischer Kopf. Holdheim hatte große Ähnlichkeit mit Jonathan Eibeschütz und mit Salomon Maimon. Er hatte mit ihnen die Anschauung gemein, daß die Handhabung logischer oder dialektischer Formeln, sei es auf diesem oder jenem Gebiete, gewissermaßen die Schärfung des Scharfsinnes den höchsten, die Gemütsseite des Geistes dagegen nur einen untergeordneten Wert habe. So heimisch er in den gewundenen Gängen des Talmuds war, ebenso fremd war er bis zu seinem reifen Alter in der Bibel und in wissenschaftlichen Fächern. Seine erste Frau, die Tochter eines Rabbiners, der in ihm einen Talmudisten ersten Ranges erobert zu haben glaubte, brachte ihm erst Geschmack für die deutsche Literatur bei. Sie, die bereits Romane gelesen hatte, schämte sich des jungen Gatten, der kaum Deutsch zu lesen verstand. Diese in vorgerückterem Alter erlangte oder angeflogene Bildung ihres Gatten brachte ihr aber kein Glück. In kurzer Zeit eignete er sich so viel allgemeines Wissen an, daß er spottend auf seine Lehrerin herabsehen konnte. Zerwürfnisse, die mit einem Schleier verhüllt bleiben mögen, traten in seiner Ehe ein, die Scheidung erfolgte. Holdheim war frei und konnte sich dem Zuge überlassen, sich der wissenschaftlichen Ausbildung zuzuwenden.

Wie Salomon Maimon, setzte sich Holdheim, der bereits einen Sohn hatte, auf die akademische Schulbank in Prag, mit Überspringung der Zwischenstufen. Alles, was ihm die philosophischen Hörsäle in der damals nicht sehr hervorragenden Universität boten, war ihm neu, überraschte, blendete ihn und brachte eine Gärung in seinem Geiste hervor. In raschem Fluge erhaschte sein Geist diejenigen Wissenselemente, die mit dem von ihm bis dahin angesammelten Stoffe Verwandtschaft hatten, die alltägliche in Österreich unter Metternich geduldete Philosophie [529] und die christliche Theologie. Für grundlegende, geistbildende und regelnde Fächer, für Mathematik, Geschichtskunde, klassische und schöne Literatur hatte er kein Verständnis, und auch die ihm zusagenden Fächer mußte er sich gewissermaßen erst talmudisch zurechtlegen, wie er denn die akademischen Vorlesungen mit hebräischen Schriftzügen nachschreiben mußte, weil ihm die deutsche Schrift nicht so geläufig von der Hand ging. Holdheims Wissen blieb daher stets Stückwerk und hatte vielfache Lücken. Er war aber reif und praktisch genug, um sich ganz besonders auf nützliche Studien zu verlegen, auf Ausbildung seines von Hause aus verwahrlosten unschönen Stils und auf Aneignung von Kanzelberedsamkeit. Wegen seiner dürftigen Lage mußte er ein Brotstudium treiben und konnte seine Zeit nicht mit Lieblingsfächern vertändeln. Er war darin praktischer als Salomon Maimon, der ebenfalls mit einem Satze vom Talmud in die Philosophie gesprungen und darin geblieben war, und der, weil er kein Brotstudium treiben mochte, sein Leben lang ein Bettler geblieben war. Die Bibel selbst, die für Holdheim bis dahin ein verschlossenes Buch gewesen war, oder die er nur durch die talmudische Brille angesehen hatte, machte er sich nur zu dem Zwecke zu eigen, um Verse daraus für Predigten verwenden zu können. Es ist nicht jedermann gegeben, Ideale zu haben und sie zur Richtschnur seines Verhaltens zu machen; es muß auch trockene, nüchterne, verneinende Naturen geben, welche nur für die Wirklichkeit Sinn haben, sich hienieden Hütten bauen und für den Hochflug einer idealen Richtung nur ein verächtliches Achselzucken haben und ihn für Schwärmerei und Narrheit halten. Solche mephistophelische Naturen, die den Geist der Verneinung verleiblichen, sind für die Sphäre des sittlichen Lebens ebenso notwendig, wie der Gegensatz in der Sphäre des natürlichen. Holdheims Wesen hatte eine solche Richtung des Geistes, und sein talmudischer Bildungsgang hatte sie genährt und großgezogen. Er kannte keine Schwärmerei, weder für den Mondschein blasser Erinnerungen, noch für den Dämmerschein in Nebel gehüllter Zukunftsträume. Ihm war der breite Boden der Gegenwart lieber. Da das Judentum aber aus Erinnerungen und Hoffnungen besteht, so war Holdheim nicht sehr von ihm eingenommen; er suchte es daher umzumodeln und sich zurechtzulegen, damit es ihn nicht gar zu sehr störe.

Wie viel von praktischer Religiosität Holdheim noch nach Prag mitgebracht hatte, und wie viel er dort hängen ließ, ist nicht bekannt. Nichtsdestoweniger bewarb er sich um das Rabbinat in Frankfurt a.O., wo die größtenteils altfromme, der Reform entschieden abgeneigte Gemeinde [530] einen Rabbiner von dem Schlage suchte, der das stets wache Gewissen des Judentums bilden, die Satzungen desselben strenge erfüllen und die einzelnen zur Erfüllung derselben anhalten und ermahnen sollte, und erhielt das Amt auch (1836). Man kann nicht gerade behaupten, daß er den Erwartungen der Gemeinde nicht entsprochen hätte. Holdheim machte während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Frankfurt alle Riten mit, kümmerte sich vermöge seines Amtes auch um die gewissenhafte Betätigung des praktischen Judentums und redete ihm von der Kanzel mit Begeisterung das Wort20, kurz, er benahm sich wie ein Rabbiner alten Schlages, obwohl er in seinem Innern mit dem rabbinischen Judentume zerfallen war. Für Verschönerung und weihevollere Gestaltung des Gottesdienstes tat er gar nichts, um nicht als Neuerer zu gelten oder vielmehr, weil ihm selbst wenig daran lag. Er selbst gebärdete sich im Gotteshause in völlig andachtsloser Haltung, als befände er sich noch in einer Winkelsynagoge Kempens. Er war aber keineswegs ein Heuchler wie manche seiner Amtsgenossen, die sich in derselben Stimmung und Lage befanden. Er nahm nur Amt und Leben sehr leicht, ihm mangelte der Ernst der Gesinnung; er war nicht geschaffen, ein Märtyrer für eine Überzeugung zu werden. Heiter, gutmütig, friedliebend, ohne Schroffheit, nahm Holdheim das Leben von der freundlichen Seite und wies andringende Gewissensfragen mit einem guten Witz ab. Freilich wäre es ihm lieber gewesen, dem Zwange nicht unterworfen zu sein. Es war ihm daher erwünscht, ihn gelegentlich abschütteln zu können.

Mecklenburg-Schwerin, das die Urformen mittelalterlicher Roheit am treuesten bewahrt hat, hatte damals einen Fürsten, den die Laune anwandelte, seine Juden statt frei, freisinnig zu machen. Sie allein sollten alle alten Erinnerungen und Formen gründlich abtun und sich neu gestalten. Ein Oberrat wurde für die Abrichtung der Gemeinden zusammengesetzt, und Holdheim wurde als Landrabbiner berufen (1840), um mit einzugreifen und den Neuerungen das rabbinische Siegel aufzudrücken. Hier konnte er sich zwanglos gehen lassen, und alles ablegen, was ihm innerlich und äußerlich unbequem war. Zum Teil wurde er allerdings auch von einigen neuerungssüchtigen Mitgliedern des Oberrats gedrängt. Er, der früher keine Ahnung davon hatte, daß der Gottesdienst auch eine Würde haben müsse, fand mit einem Male die Unordnung in den Synagogen, die ihn in Frankfurt wenig gestört hatte, unangemessen und war darauf bedacht, alles zu entfernen, was [531] nicht vom Zeitgeist gutgeheißen wurde. Da aber eine Umgestaltung des Synagogenwesens ihm nicht aus innerem Drange kam, so sah er sich nach Mustern um und führte die württembergische Synagogenordnung ein, unbekümmert darum, ob den größtenteils altfrommen Gemeinden damit ein Gewissenszwang angetan werde oder nicht21.

Indessen synagogale Neuerungen waren nicht der Boden, auf dem für Holdheim Lorbeeren erblühen konnten. Er steckte sich dazu ein ausgedehnteres Feld ab. Das ganze Judentum in seiner dreifachen Gestaltung, mit seinen biblischen, talmudischen und rabbinischen Bestandteilen, gedachte er umzukehren, die Begriffe zu verwirren, die Gewissen abzustumpfen. Seit Paulus von Tarsus hatte das Judentum nicht einen solchen inneren Feind erlebt, der dessen ganzen Bau bis auf die Grundfesten zu erschüttern trachtete. Holdheim hatte aber keine urwüchsigen Gedanken, die er als Hebel zum Umsturz des Judentums hätte anlegen können; er hatte nur talmudisch geschliffenen Scharfsinn. Er mußte sich daher gegebener und landläufig gewordener Gedanken bedienen. Sein Scharfsinn diente ihm aber dazu, diese wenigen, halbwahren Voraussetzungen anwendbar zu machen und sie mit einem Schein von Wahrheit zu umgeben. Das Judentum bestehe, meinte er, aus einer innigen Vermischung des Religiös-Sittlichen und des National-Politischen. Davon war Napoleon ausgegangen, als er dem jüdischen Sanhedrin die Weisung zugehen ließ, vom Judentum alles aufzuopfern, was seinem despotischen Willen widerstrebte. (S. 282) Holdheim nahm dieses Schlagwort auf, um die Scheidung der Bestandteile des Reinreligiösen vom Nationalen zu vollziehen. Das letztere habe mit dem Untergang des jüdischen Staates seine Bedeutung verloren. Welche Gesetze sind nun national und zu beseitigen? Holdheim gab ihnen eine sehr weite Ausdehnung, nannte alles national-politisch, was unbequem erscheint und eine gewisse Entsagung erfordert, Sabbat, jüdische Ehegesetze und selbst die hebräische Sprache. Sie müsse aus dem jüdischen Stamme verbannt werden, weil sie ein nationales Band sei, und erst recht die Messiashoffnung22. Zu dieser Sophisterei fügte [532] Holdheim noch eine zweite hinzu. In kindischer Befangenheit sah er im Staate, wie dieser auch in Wirklichkeit beschaffen sein möge, selbst in der Form des russischen Despotismus, einen Vielfraß, einen Moloch, der fortwährend Opfer verlange, und dessen Opfergier mit Verleugnung der Selbständigkeit, Freiheit und jeder religiösen Empfindung gesättigt werden müsse. Die höchste Spitze von Holdheims Theorie war, daß das talmudische Judentum selbst mit dem Ausspruche: »Das Gesetz des Staates ist für die Juden (in bürgerlicher Beziehung) ebenfalls Gesetz«, jeden Juden verpflichte, das Religiöse dem jedesmaligen Staate unterzuordnen und zu opfern; das Judentum empfehle seinen eigenen Selbstmord, wenn der Staat ihm die seidene Schnur zuschicke. Holdheim hätte zur Zeit der Makkabäer mit dem abtrünnigen Menelaos gepredigt, die Juden sollten den griechischen Zeus anbeten, weil der Staat, der damals Antiochus Epiphanes hieß, es so befohlen hatte. Zur Zeit Hadrians hätte er, ein zweiter Acher, den Kultus des kapitolinischen Jupiter, und zur Zeit Philipps von Spanien und Emanuels von Portugal die Anbetung des Kreuzes angepriesen. Die Millionen jüdischer Märtyrer waren nach seiner Theorie Staatsverbrecher, indem sie sich gegen die ihnen zugegangenen Befehle aufgelehnt hatten. Nur die Leichtfertigkeit konnte eine solche ebenso hohle, wie unwürdige Theorie aufstellen, oder die Sucht, etwas ganz neues, was noch nicht dagewesen, auszuklügeln. Holdheim, der Sohn des Talmuds, schlug das talmudische Judentum tot mit den Waffen, die es ihm gereicht hatte. Alle Befugnisse und Gewalten, welche ehemals das gesetzgebende Synhedrion gehabt hat oder gehabt haben soll, wollte Holdheim dem christlichen Staate übertragen wissen, selbst das Recht, Eingriffe in Gewissenssachen zu machen. Alles das klügelte er mit sophistischen Kniffen, welche die polnisch-rabbinische Schule nicht verkennen ließen, aus. Es ist Holdheim sehr schwer geworden, festzustellen, was denn eigentlich Judentum sei, und was noch davon übrig bliebe, wenn alles, was irgendwie einen national-politischen Anschein hat, ausgeschieden und noch dazu dem jedesmaligen Staate die höchste Autorität eingeräumt werden solle, auch das Religiöse zu modeln, anzubefehlen oder zu verbieten.

Holdheim, von den meisten Mitgliedern der ersten Rabbinerversammlung [533] in Braunschweig als talmudische Größe und rücksichtsloser Reformator angestaunt, erlangte ein entschiedenes Übergewicht auf die Beratungen und Beschlüsse derselben. Sie nahm dabei viel weniger auf den Buchstaben und den Geist des Judentums »als auf den Staat«, auf die »Hohen deutschen Regierungen« und das unfaßbare, luftige »Zeitbewußtsein« Rücksicht. Der Talmud wurde von den meisten Mitgliedern als Sündenbock geopfert. Die Beratungen und Beschlüsse der Braunschweiger Rabbinerversammlung (12. bis 19. Juni 1844) haben indes eine kaum merkliche Wellenbewegung erzeugt. Die Gemeinden kümmerten sich ebensowenig darum, wie um den Protest23 von siebenundsiebzig Rabbinen Deutschlands, Böhmens, Mährens und Ungarns, die von einem ehrlichen, opferwilligen, selbstlosen aber beschränkten Eiferer, Hirsch Lehren in Amsterdam, angeregt, den Stab über sie gebrochen haben. Diese Siebenundsiebzig erklärten (Herbst 1844) gegenüber den zweiundzwanzig in Braunschweig Versammelten: »Daß sämtliche Beschlüsse der sogenannten Rabbinerversammlung – mit Ausnahme derer für die Obrigkeit – dem wahren Judentum entgegen und somit für den gläubigen Israeliten falsch und verderblich sind; daß ein verderblicher Geist der Umwälzung und der Sektiererei ihren Handlungen innewohnt; daß auch die Arbeiten, welche sie für eine künftige Versammlung vorbereitet, dieselbe verwerfliche Tendenz haben; und daß wir es als Pflicht eines jeden, wahrhaft gläubigen Israeliten erkennen, an solchen Verhandlungen nicht nur nicht Teil zu nehmen, sondern auch solchen neuerungssüchtigen Bestrebungen durch jedes gesetzlich erlaubte Mittel entgegenzutreten.« Dieser Protest war zu viel und zu wenig.

Vorgänge in der christlichen Welt in derselben Zeit bewiesen mehr als dieser mühsam zusammengebrachte Protest, daß das Judentum mit seinem alten Be kenntnisse noch nicht überflüssig geworden sei. Die Ausstellung des angeblichen heiligen Rockes Jesu in Trier, zu dem mehr als eine Million Katholiken aus allen Ländern wallfahrtete, um vor ihm das Knie zu beugen (August bis Okt. 1844), zeigte, daß das »Zeitbewußtsein« ein trügerischer Maßstab ist. Infolge dieses Übermaßes mittelalterlicher Dummgläubigkeit entstand in Deutschland eine, wie es anfangs schien, tiefgehende antikatholische Bewegung, angeregt von den katholischen Priestern Ronge und Czersky. Es bildete sich eine deutschkatholische Kirche (Januar 1845) und neben ihr [534] im Schoße des Protestantismus »lichtfreundliche Gemeinden«, welche eine Auflösung des Christentums, seines Dreieinigkeitsbekenntnisses und Gottmenschentums herbeizuführen drohten. Ein protestantischer Priester in Königsberg hatte sich auf der Kanzel feierlich vom Glauben an die Dreieinigkeit losgesagt. Es schien den damaligen mit Staat und Kirche Unzufriedenen leicht, eine neue Religion zu machen, aus recht vielen Verneinungen etwas Wesenhaftes zu schaffen. Jede Zeit hat ihre Täuschungen. Sobald es Nachahmung fremder Vorgänge gilt, finden sich in der Judenheit stets bereitwillige Liebhaber dafür. Hier und da wurden Stimmen laut, eine deutsch-jüdische Kirche nach dem Muster der deutsch-katholischen zu gründen. In Breslau war die Liebhaberei dafür nur künstlich rege gemacht. Etwas tiefer war die Bewegung in Berlin. Hier hatte ein Schönredner, S. Stern, Vorlesungen über Judentum und jüdische Geschichte gehalten, welche die jüdische Lehre als einen Freibrief für launenhafte Einfälle darstellten. Von ihm angeregt, traten in Berlin einige zwanzig Gleichgesinnte und Geistesverwandte zu einer Reformgenossenschaft (2. April 1845)24, einer Art Kirchenbildung von eigentümlichem Zuschnitt, zusammen. Sie waren des Glaubens, daß die Mehrzahl der deutschen Judenheit die Anhänglichkeit an das alte Judentum in ihrem Herzen bereits vernichtet hätte und freudig einem neuen Bekenntnisse zujauchzen würde. Die Urheber der Berliner Reformgenossenschaft erließen daher einen Aufruf an ganz Israel, sich zu einer Synode zusammenzufinden, um eine neue jüdische Religion zu bilden. In ihrem Programm konnten sie selbstverständlich nur Verneinungen aufstellen, Verwerfung des Talmuds, Verwerfung der Messiaslehre, da sie mit Leib und Seele der Berliner Heimat angehörten, Rückkehr zur heiligen Schrift, aber nicht nach dem Wortlaute, sondern nach »dem Geiste«. Diese Verneinungen hielten und gaben sie als Bejahung: »Wir wollen Glauben, wir wollen positive Religion, wir wollen Judentum.« Es war eine Begriffsverwirrung, wie zur Zeit, als sich zuerst christliche Gemeinden mit halbjüdischen Elementen bildeten, und selbst helle Köpfe blieben nicht frei davon.

Zu einer Synode, zur Beratung einer Reform, die das Judentum zu einem Abklatsch der lichtfreundlichen Kirche umstempeln sollte, kam es nicht. Zustimmungsadressen von verschiedenen Seiten zeigten [535] sich hinterher als hohle Phrasen. Der Berliner Verein blieb jedoch bei seinem Programm stehen, und da dieses bei den Massen keinen Anklang fand, so sollte es durch die in Frankfurt zusammengetretene zweite Rabbinerversammlung (Juli 1845) heilig gesprochen, d.h. als dem Judentum gemäß, anerkannt werden.

Diese Versammlung erregte mehr Spannung und leidenschaftliche Wärme als die erste, weil sich von der einen Seite die Berliner Reformgenossenschaft an ihren Zipfel anklammerte, um sie zu sich hinüberzuziehen oder sie zum Falle zu bringen, und weil von der anderen Seite ein wissenschaftlicher Stimmführer der alten Partei sich ihr für einen Augenblick anschloß, um ihr ein Musterbild vorzuhalten, wie die Läuterung des Judentums vorgenommen werden müsse, oder um ihr Verlegenheiten zu bereiten, falls sie sich zur Maßlosigkeit hinreißen lassen sollte. Zacharias Frankel (geb. zu Prag 1801, starb in Breslau 1875), obwohl im Talmudismus erzogen, gehörte nicht zu den Stocktalmudisten. Seine wissenschaftlichen Forschungen und sein kritischer Sinn hatten ihn zu der Überzeugung von der Berechtigung, ja der Notwendigkeit mancher Reformen gebracht. In seiner Jugend hatte er einen Strauß mit den Stockfrommen herausgefordert. So war er der Mann der rechten Mitte, ebensoweit von Geigers und Holdheims Stürmerei, wie von Raphael Hirschs Mumienverehrung entfernt. Er stellte ein Prinzip für die Erkenntnis der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Neuerungen auf, das lediglich einem Totengerichte ähnlich ist. Er machte damit um so eher Schule, als ihm vermöge seiner Tätigkeit als Rabbiner und seiner Leistungen als Forscher die Führerschaft zuerkannt wurde. Durch diese beiden Schwergewichte hin- und hergezogen, geriet die Versammlung in eine schwankende Lage. Ihr erster, nicht unerwartet erfolgter Beschluß, daß die hebräische Sprache aus dem Gedächtnis und dem Bewußtsein des jüdischen Stammes womöglich ausgelöscht werden müsse, drängte Frankel zum lauten Austreten aus ihren Reihen, und der Beifall, der ihm von verschiedenen Seiten gezollt wurde, brachte es an den Tag, daß die Rabbinerversammlung nicht die deutsche Gesamtjudenheit, sondern nur eine kleine, rührige Partei vertrat. Ohne es zu merken, hatte die Frankfurter Rabbinerversammlung das Gleichgewicht verloren. Mit der Reformgenossenschaft mußte sie Verstecken spielen. Sie mußte deren Schritte laut loben, weil sie sonst auch ihren Stützpunkt in der Reformpartei eingebüßt hätte. Anderseits durfte sie sich doch nicht zu deren Hohlheit bekennen, um nicht das Ansehen in den Gemeinden zu verlieren. Sie mußte sich daher mit einer Wendung aus der Verlegenheit helfen; [536] sie würde die Bestrebungen der Reformgenossenschaft mit ihren Kräften unterstützen, wenn dieselben »mit denjenigen Prinzipien übereinstimmen, von welchen sie bei einer Reform im Judentum ausgehen zu müssen glauben«25; das klang wie ein verdeckter Tadel.

Indessen stieß sich die Reformgenossenschaft nicht an diesem halben Abweisen; sie wußte, daß sie die Haupttonangeber in der Versammlung, und besonders Holdheim, auf ihrer Seite hatte. In der Selbsttäuschung, daß sie eine wesenhafte Neugestaltung des Judentums schaffen würde, bildete sie sich zu einer Gemeinde von etwa zweihundert Mitgliedern und feierte ihre Einweihung (2. April 1846), wobei Holdheim als Hoherpriester Weihrauchwolken aufsteigen ließ. Sie waren für einander bestimmt und mußten, wie sehr sie sich auch anfangs sträubten, einander in die Arme sinken. So war denn »eine deutsch-jüdische Kirche« aufgebaut mit einem Tempel, Prediger und Gottesdienst nach einem eigenen Zuschnitt. Man glaubte sich siebzehn Jahrhunderte in eine syrische oder kleinasiatische Stadt oder nach Rom zurückversetzt in jene Tage, als sich aus dem Kampfe des alten Judentums mit halbchristlichen und halbheidnischen Elementen neue Gemeinden bildeten, welche zur Erinnerung ihres Ursprungs einen kleinen Bruchteil vom Judentum beibehalten hatten. Die neuen Formen herrschten indes im Berliner Reformtempel vor. Das Beten mit entblößtem Haupte stempelte ihn besonders zu einem fremdartigen, und stieß auch innerlich Gleichgesinnte ab. Das Hebräische wurde nur in wenigen Formeln und beim Vorlesen aus dem Pentateuch beibehalten. Der Reformtempel nahm überhaupt einen deutschtümelnden Charakter an und streifte den jüdisch-kosmopolitischen ab. Auch die letzte, kaum merkliche Spur des jüdischen Ursprungs ist nur im Gottesdienste sichtbar, im Leben sind die Gemeindemitglieder durch nichts als Abkömmlinge des jüdischen Stammes wiederzuerkennen. Holdheim hatte vielleicht noch mehr als die freigesinntesten Mitglieder alles jüdische Wesen mit einem gewissen Fanatismus vertilgt wissen wollen. Nicht bloß über das rabbinische Judentum und über den Talmud, sondern auch über die Verpflichtungen, die aus der heiligen Schrift stammen, setzte er sich hinweg. Indessen zeigte sich auch in der Reformgemeinde, daß das jüdische Selbstgefühl seit Friedländer bedeutende Fortschritte gemacht hatte. Die Reformgenossenschaft hatte das Liebäugeln mit dem Christentum völlig überwunden. Von ihren Mitgliedern, die 1000 Seelen zählten, ist, wie behauptet wird, keines, und [537] auch von ihren Kindern keines zur Kirche übergetreten26. Sie will durch aus nicht als gesonderte Sekte gelten, vielmehr in inniger Teilnahme und im Zusammenhang mit dem jüdischen Stamme bleiben.

Die Berliner Reformgenossenschaft blieb indes vereinzelt und fand in Europa gar keinen Anklang, mehr jedoch in Amerika. Denn hier bildeten sich seit den vierziger Jahren Gemeinden, deren Mitglieder aus verschiedener Herren Ländern, besonders aus Bayern, Böhmen, Westdeutschland und aus dem Posenschen stammten, und welche untereinander keinen Zusammenhang hatten. Sie gruppierten sich nicht um einen festen Kern, wechselten vielmehr stets durch Zufluß und Abfluß und waren nicht an vererbte Traditionen alter Gemeinden und an Rücksichten gebunden. Fand sich ein Prediger von der Holdheimschen Richtung in einer verfließenden Gemeinde, und setzte er seinen Eifer ein, durchgreifende Reformen einzuführen, so fand er wenig Widerstand, oder es bildete sich neben dieser Gemeinde eine andere mit wenigen oder gar keinen Reformen. Auch im eigenen Schoß der Berliner Reformgemeinde hat sich Lauheit schneller eingestellt, als selbst ihre Gegner erwarten konnten. Aus Mangel an Betern mußte der Sabbat, der wie bei den Judenchristen der ersten Jahrhunderte neben dem Sonntag gefeiert werden sollte, auf diesen allein beschränkt werden. Wie es mit dem Besuche des Sonntagsgottesdienstes steht, gebührt nicht mehr der Geschichte zu erzählen; es gehört der unmittelbaren Gegenwart an. Diese Lauheit und geringe Teilnahme, welche die Schöpfer selbst erlebt haben, hätte sie darauf führen müssen, daß in ihrer Berechnung irgendein Fehler stecken müsse. Diesen Fehler in seiner ganzen Tiefe aufzudecken, steht ebensowenig der Geschichte zu; sie würde ihre Befugnisse überschreiten, nur die Geschehnisse aufzuzeichnen. Aber einen Umstand darf sie nicht verschweigen, daß die Berliner Reformgenossenschaft einen Gegner in ihrer nächsten Nähe hatte, den sie nicht in ihre Berechnung gezogen, und der ihr um so gefährlicher wurde, als er nicht bloß mit seinem tief eindringlichen Worte, sondern mit jeder Fiber seines Wesens ein Protest gegen die durch Komiteeberatung entstandene Religion der Johannisgasse war. Dieser Gegner – man braucht ihn kaum zu nennen – war Michael Sachs (geb. in Glogau 1808, starb in Berlin 1864).

Wenn die erzeugende Natur es darauf angelegt hätte, ein allseitiges Widerspiel zu Holdheim zu schaffen, so ist es ihr mit Sachs gelungen. Äußeres und Inneres, Gang und Sprache, Haltung und [538] Gemütsrichtung, Studium und Charakterbildung, bis auf Gewohnheiten und Liebhabereien, alles war so verschieden an diesen beiden, daß man sie auf den ersten Blick nicht als Söhne desselben Volksstammes und als Genossen desselben Standes hätte erkennen können. Wenn Holdheim das jüdisch-polnische Wesen, durch die talmudische Dialektik hochgeschraubt, darstellte, so erinnerte Michael Sachs an die jüdischen Abkömmlinge der pyrenäischen Halbinsel, veredelt durch klassische Formen und ästhetischen Sinn; er ähnelte dem edlen Isaak Cardoso oder Isaak de Pinedo oder den vielen anderen Dichtern und Forschern von marranischer Abkunft, die in Holland und Italien ihre begeisterte Anhänglichkeit an das Judentum mit ihrer Vorliebe für poetische und philologische Beschäftigung zu vereinen wußten. Wie Holdheims Geburtsort seine Geistesrichtung und Charakterausprägung mit bestimmte, ebenso war Sachs' Grundwesen von der Luft beeinflußt, die er im Kindes- und Jünglingsalter eingeatmet hatte. In Glogau, der Geburtsstadt Munks und anderer Männer, die eine Zierde des Judentums bilden, herrschte in seiner Jugend innige Frömmigkeit, gehoben durch eifrige Beschäftigung mit der heiligen Schrift und der neuhebräischen Poesie. Das Talmudstudium stand hier nicht in erster Reihe. Hier traf man nicht wenige, welche, ohne dem Gelehrtenstande anzugehören, an der Literatur innigen Anteil nahmen, hebräische Verse machten oder zierliche Briefe in hebräischer Prosa an gleichgesinnte Freunde richteten, eine eigene Klasse von Dilettanten (Muschlamim). So regte seine geistige Mutter, die Bibel, in ihrer erhabenen Gestalt Sachs' dichterische Anlage an, und seine regelmäßigen Studien auf dem Gymnasium und der Berliner Universität vollendete sie. Sophokles und Plato wurden ebenso Vertraute seines Geistes wie Mose und Jesaia. Wären die Pforten akademischer Lehrämter den Juden nicht verschlossen gewesen, so hätte Sachs eine philologische Lehrkanzel zieren können. Doch seine ganze Kraft sollte dem Judentum erhalten bleiben.

Vermöge seiner eigenen Natur und des zwiefachen Zuflusses für sein Inneres aus der hebräischen und griechischen Welt wurde Sachs eine ideale, lautere Persönlichkeit, wie Gebirol und Jehuda Halevi, die sich nur auf den lichten Höhen des Lebens wohlbefand, und vor der Niedrigkeit einen physischen Ekel empfand. Keine Zwiespältigkeit war in seinem Wesen; Fühlen, Denken und Tun war bei ihm aus einem Gusse. Darum war er so unerbittlich scharf gegen Falschheit, Zweideutigkeit und Gleißnerei, gegen jede Schaustellung und jedes Gepränge, gegen die aufgeblasene Hohlheit und Eitelkeit, und züchtigte sie mit der Geißel seines Wortes und seines treffenden sprudelnden Witzes. Edelherzig [539] und hingebend bis zu leichtsinniger Selbstaufopferung, demütig vor Gott und vor Menschen, die den Stempel des Göttlichen an sich trugen, war Sachs abstoßend stolz gegen diejenigen, welche in Religion, Kunst, Wissenschaft oder öffentlicher Tätigkeit Falschmünzerei trieben und ihre selbstsüchtigen kleinen Interessen mit dem Schein allgemeiner, großer Zwecke verhüllten. Wenn Sachs mit seiner Gesinnung, seinem Charakter, seinem sittlichen Ernst, seinem Pflichtgefühl und seiner Entsagungsfähigkeit, im ungeteilten Leben für seine Überzeugung durchgängig jüdisch war, so war er mit seinem Formensinn und seinem tiefen Schönheitsgefühl hellenisch, und widerlegte mit seiner Person die von Heine aufgestellte angebliche Unverträglichkeit dieser beiden Naturen. Das Unschöne, Formlose, Unebenmäßige widerstrebte ihm ebensosehr, wie das Unsittliche und Falsche. Sachs war durchaus kein Rätsel, und diejenigen, die ihn rätselhaft fanden, haben seine harmonische Größe in leiblicher Erscheinung mißverstanden.

Das Judentum war seinem Herzen das Teuerste, weil er es als Offenbarung eines die Menschheit leitenden Gottes betrachtete und weil es ihm der Inbegriff alles Hohen und Heiligen war; er ließ es sich nicht durch die Zeitphilosophie wegklügeln. Die häßlichen Auswüchse an der Erscheinung desselben übersah Sachs nicht, er kannte aber auch ihren Ursprung und glaubte, daß die Zeit, die sie angesetzt hat, sie wieder wegzehren würde. Selbst Hand daran zu legen, dazu war er zu bedenklich, um nicht beim Ausscheiden des Siechen und Faulen Gesundes zu verletzen. Er traute sich und anderen keine Berechtigung zu, diese Ausscheidung vorzunehmen. Zum Teil stammte seine Bedenklichkeit gegen jede tiefer gehende Reform aus seiner Scheu vor jedem tatkräftigen Eingreifen ins Praktische, das ein Fehler an seinem Wesen war. Warum sollte er als Mensch nicht auch seine Fehler gehabt haben? Ein Fehler war es auch, der sich an ihm und der Sache die er vertrat, rächte, daß er eine unüberwindliche Abneigung hatte, sich mit Gesinnungsgenossen zu gemeinsamer Tätigkeit zu verbinden. Sachs hätte sich freudig Führern untergeordnet, deren Geisteshöhe ihm Hochachtung abgezwungen hätte. Da er solche aber unter seinen Zeitgenossen nicht fand, so mochte er auch nicht mit den Männern Hand in Hand gehen, die sein eigenes Maß nicht überragten oder nicht einmal erreichten. Gegen solche hegte er ebensoviel Mißtrauen, wie gegen sich selbst. So war er ebenso wenig tauglich zum Parteiführer, wie zum Parteigänger.

Sachs' große Vorzüge und kleine Fehler wiesen ihm den Platz an, auf dem er die ganze Kraft seines Geistes entfalten konnte; er war [540] nur für die Kanzel geschaffen. Der überströmende Fluß seiner Beredsamkeit, die Tiefe seines Gemütes, die Wärme seiner Überzeugung, die Anmut aller seiner Bewegungen, der Zauber, den seine Persönlichkeit ausströmte, wenn er als Dolmetsch der Propheten und Hagadisten dastand, der treffende Witz, der ihm zu Gebote stand, der Wohlklang seines Organs, die Formenglätte seiner Sprache, kurz jeder Zug an ihm machten ihn zum unübertroffenen Kanzelredner seiner Zeit, und er hatte nur an Mannheimer in Wien einen Ebenbürtigen. Doch war seine Predigtweise grundverschieden von der des bewunderten Volkspredigers Wiens. Sachs war auf der Kanzel selbstvergessen und verklärt; man glaubte einen der prophetischen Gottesmänner zu hören, wenn sie das Gewissen des Volkes aufrüttelten oder die Verzagten durch die Verkündigung einer idealen Zukunft aufrichteten. Selbst solche Zuhörer, die seine Überzeugung nicht teilten, riß Sachs für den Augenblick fort und erzwang ihre Bewunderung. Man hörte es ihm an, daß der Fluß seiner Rede nichts Gemachtes und Gekünsteltes an sich hatte, sondern aus dem tiefen Springquell eines reichen Innern strömte. Er war aber nicht bloß auf der Kanzel ein überwältigender Redner, sondern auch im Zwiegespräche, in alltäglicher Unterhaltung. Auch da floß sein Mund über von dem, dessen sein Herz voll war. Sein Wort, das eins war mit seinem Wesen, hat dem Judentum viel treue Anhänger zugeführt. Wer in seine Nähe kam, war in einen Zauberkreis gebannt und nahm etwas von seinen Überzeugungen an. Er wirkte um so nachhaltiger, weil er es nie darauf anlegte, sondern harmlos sich selbst gab. Nichts war ihm verhaßter als steife Amtswürde, geistliche Salbung und das von außen eingeführte Seelsorgertum.

In Prag, wo er zuerst in vollem Mannesalter mit dem Zauber seines Wortes, der Anmut seines Wesens und der Gewalt seiner jüdischen Überzeugung alle deutschredenden Einwohner, Christen wie Juden, bis zur Berauschung begeisterte, führte ihn ein günstiges Geschick mit einem der Begründer der jüdischen Wissenschaft, mit Rapoport zusammen (1840-44). Von ihm, zu dem er trotz des verschiedenen Bildungsganges in das Verhältnis inniger Freundschaft trat, wurde Sachs in das reiche jüdische Schrifttum eingeführt, das ihm bisher wegen seiner Hingabe an die Ergründung der heiligen Schrift und an die klassische Literatur nur halb erschlossen war. Mit seiner Begabung, das Kernige und Vortreffliche lebendig nachzuempfinden und es in seine Geisteskammern aufzunehmen, beherrschte er bald diesen ihm zugeführten Stoff und veredelte ihn künstlerisch für einen großen Kreis. Nur mit der talmudischen Dialektik, der starken Seite Holdheims, [541] konnte Sachs nicht recht vertraut werden, sie blieb ihm stets halb fremd. Er bedauerte diesen Mangel seiner Kenntnisse schmerzlich. Es war aber kein Mangel, denn diese Kenntnisse paßten nicht zu der hellenischen Seite seines Wesens; sie hätten die Blüte seines Geistes mit Mehltau überzogen. Als wäre er von der Vorsehung berufen, der jüdisch-deutschen Kirche, die in Berlin eine faßbare Gestalt an nehmen sollte, entgegenzuwirken und einen Gegenpol zu Holdheims ewiger Verneinung zu bilden, wurde er von der Gemeinde dieser Stadt zum Prediger und Beisitzer des Rabbinats gewählt. Hier gelang es ihm, das volle jüdische Selbstgefühl, das ihn beseelte, und den gerechten Stolz, einem so alten, so edlen, bildungsfähigen Stamme anzugehören, der Gemeinde einzuflößen und sie von der Nachäfferei, an der sie so lange kränkelte, teilweise zu heilen. Diese Umwandlung, welche bis in die entferntesten Kreise drang, löste von der Berliner Judenheit die Antipathie, welche seit den Zeiten Friedländers gegen sie bei den auswärtigen Gemeinden herrschte. Sachs wurde den hervorragendsten Persönlichkeiten der preußischen Hauptstadt beigezählt; die gebildete christliche Welt schenkte ihm große Aufmerksamkeit, ohne daß er sie gesucht hätte. Hätte er mit Tatkraft und Rührigkeit seinen Worten Nachdruck gegeben und dauernde Schöpfungen ins Leben gerufen, – wozu ihm die freigebige Berliner Gemeinde bereitwillig Mittel zu Gebote gestellt hätte – so wäre vielleicht die Reformgemeinde nicht entstanden.

Selbstverständlich bekämpfte er die Reformrichtung mit seiner ganzen Kraft. Er sah in Holdheim und dessen Gesinnungsgenossen Fälscher des Judentums und Volksverführer; er tat es offen. »Gegen Schimpf und Unglimpf war er gehärtet und gleichgültig«, wie er so oft sagte. Namentlich von der Kanzel herabschwang er die Geißel seines vernichtenden Spottes gegen die jüdisch-deutsche Kirche, welche die Fülle des Judentums von allen Seiten so beschnitten hatte, daß es in einer Nußschale Raum hatte. Selbst seine Gegner gestanden ihm zu, daß er sich stets nur ehrlicher Waffen bediente; andere zu gebrauchen, widerstrebte seiner edlen Natur. Großen Schaden fügte er allerdings dem Reformtempel zu. Wer Sachs auf seiner Kanzel gehört hatte, fühlte sich durch Holdheim gelangweilt. Ein Vergleich zwischen Sachs und seinem Widerspiele Holdheim fiel stets zugunsten des ersteren aus. Während der Tempel in der Johannisgasse immer mehr verödete, füllte sich die Synagoge in der Heydenreutergasse von Woche zu Woche mehr.

Wie zur Hebung und Befestigung des jüdischen Hochgefühls, so trug Sachs auch zur Förderung der jüdischen Wissenschaft bei. Sein [542] Beitrag war aber mehr formeller, als wesenhafter Art. Er hat sie eigentlich nur vorstellungsfähig und für gebildete christliche Kreise zugänglich gemacht. Er verlieh ihr einen poetischen Schimmer oder auch ein romantisches Halbdunkel. Sachs hat zwar keine bahnbrechenden Wahrheiten in die Welt gesetzt, auch nicht als Forscher und Entdecker neue Tatsachen ans Licht gezogen. Er war ebensowenig ein dichterischer Künstler, um leuchtende Gebilde oder ideale Welten zu schaffen. In seinem Leben und Lehren war mehr Poesie als in seinem Versen. Er konnte nur, was andere Künstler gestaltet hatten, feinfühlig bis in die unmerklichen Schattierungen nachempfinden und veranschaulichen und was andere Forscher entdeckt hatten, vergolden. Am entschiedensten war der Zug seines Geistes auf die auslegende Verklärung der heiligen Schrift gerichtet. Seine begeisterte Liebe zum Judentum und zu dessen Urkunden, seine tiefe Kenntnis des Hebräischen, das in ihm wie eine traute Herzenssprache lebte, und endlich seine philologisch-ästhetische Feinfühligkeit trafen in diesem Punkte zusammen. Frühzeitig faßten er daher diese Aufgabe ins Auge und hielt sie bis an sein Lebensende fest, der heiligen Literatur in hebräischer Gewandung ihren unverfälschten, ursprünglichen Sinn wiederzugeben und sie von dem Wuste und der Schändung zu befreien. Er begann, angeregt von dem Beispiele Rückerts, »des westöstlichen Dichters, des sprachgewaltigen Meisters im Übersetzen und Auslegen«, mit den Psalmen27, die seinem frommen Herzen verwandt waren. Er machte den Versuch, »eine wissenschaftliche, philologisch strenge Auslegung derselben zu liefern und eine rationale grammatische und lexikalische Behandlung der hebräischen Sprache« anzubahnen. Er war besonders bemüht, in der deutschen Übersetzung den hebräischen Geist und die poetische Urform durchscheinen zu lassen. Später hat Sachs, mit mehreren Mitarbeitern vereint, zur »Bibel für Israeliten« mehrere Bücher der heiligen Schrift geschmackvoll übersetzt28. Aber weil er daran mehr mit dem Herzen als mit dem Kopfe arbeitete, war er nicht imstande, die biblische Exegese auf fester Grundlage aufzubauen. Die Eröffnung neuer Bahnen dafür fiel christlichen Forschern zu.

An dem regen Eifer und der Rührigkeit, die verschütteten schönen Gestalten der jüdischen Vergangenheit auszugraben, sie von der entstellenden [543] Kruste zu säubern und ins rechte Licht zu setzen, nahm Sachs einen lebhaften Anteil. Drei Organe waren besonders dafür tätig, die Zeitschriften Kerem Chemed und Zion in hebräischer und der »Orient« in deutscher Sprache. Jung und Alt lieferte Bausteine zum Aufbau eines jüdischen Ruhmestempels; aus allen Teilen Europas liefen Beiträge dazu ein. Die vierziger Jahre waren für den vielseitigen Anbau der jüdischen Wissenschaft besonders fruchtbar. Es war nicht müßige Gelehrsamkeit, sondern Herzensdrang, der dazu antrieb, den augenscheinlichen Beweis zu führen, daß das Judentum zu allen Zeiten mit der Gesittung Hand in Hand gegangen sei. Die jüdischspanische Geschichtsepoche übte eine besondere Anziehungskraft auf die jüdischen Forscher aus. Sie zeigte, was die Juden an Gedankenreichtum und schöner Formgestaltung geleistet haben und zu leisten vermögen. Die jüdische Wissenschaft sollte zugleich als Apologie gegen die Verächter der Juden und des Judentums und als Ideal zur Erweckung des Nacheifers dienen. Diese glänzende spanische Geschichtsepoche war aber nur den jüdischen Forschern und diesen auch nur in rohen Massen und Bruchstücken bekannt. Sachs unternahm es, daraus ein organisches Ganzes, ein schönes Gesamtbild zu gestalten und mit seiner beredten Sprache auch Fernstehende dafür zu gewinnen. Seine »Religiöse Poesie der Juden in Spanien« (1845)29 bietet mehr als der Titel anzeigt. In gelungenen, anziehenden Schilderungen führte Sachs die Reihenfolge der Erzeugnisse des jüdischen Geistes von »dem schmerzlichen Beben der aus ihrem lebendigen Zusammenhange gerissenen Glieder« nach der Zerstörung des einigenden Mittelpunktes durch die Römer bis zur blütenreichen Entfaltung der neuhebräischen Poesie in Spanien vor. In anschaulicher Lebendigkeit ließ er die Dichtergestalten Gebirols, Jehuda Halevis aus ihren Gräbern erstehen und ihre Sangesweisen dem gegenwärtigen Geschlechte wiederholen. Die gebildete Welt wurde durch Sachs auf den Reichtum und die Schönheit der jüdischen Literatur des Mittelalters aufmerksam; selbst Heine war davon ergriffen und weihte ihnen seine vergoldende Feder30.

In derselben Zeit wurde von Zunz in anderer Weise die Literatur des jüdischen Mittelalters in Frankreich und Deutschland und die jüdischen Dichter der Provence in eingehender Ausführlichkeit, allerdings [544] mehr für gelehrte Kreise, behandelt31. Mit gerechtem Selbstgefühl wurde das lebende Geschlecht dafür gegeißelt, daß es für diesen Literaturzweig, dem die christlichen Forscher des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts so viel Hingebung gewidmet hatten, nur ein verächtliches Achselzucken habe. »Eine von der Weltgeschichte anerkannte historische Besonderheit sind die Juden, nach Volkstum und Bekenntnis ein Ganzes, dessen Richtungen nach einheitlichen, mit ihren Wurzeln in das tiefste Altertum hineinragenden Gesetzen geleitet werden, und dessen geistige Erzeugnisse bereits über zwei Jahrtausende eine Lebensfaser durchzieht.« Diese ihre Besonderheit begründet die Eigentümlichkeit einer jüdischen Literatur. »Man erkenne und ehre in ihr eine organische geistige Tätigkeit, die ... vorzugsweise sittlich und ernst, auch durch ihr Ringen Teilnahme einflößt. Dieses stets unbeschützte Schrifttum, nie bezahlt, oft verfolgt, dessen Urheber nie zu den Mächtigen der Erde gehörten, hat eine Geschichte, eine Philosophie, eine Poesie, die es anderen Literaturen ebenbürtig machen ... Die Gleichstellung der Juden in Sitte und Leben wird aus der Gleichstellung der Wissenschaft des Judentums hervorgehen.« So sprach das stolze Selbstgefühl der Juden, das aus der jüdischen Wissenschaft emporgewachsen war.

Indessen drohte die stete Beschäftigung mit der mittelalterlichen Literatur in Einseitigkeit zu geraten. War doch diese Epoche mit ihren Erzeugnissen nur die Tochter einer ihr vorangegangenen nationalen Tätigkeit und Enkelin oder Urenkelin einer noch überwältigenderen Geschichtsepoche. Auch diese dunkeln Seiten, die beiden Ursprünge des Judentums, Bibel und Talmud, wurden von dem Lichte der Forschung, von der jüdischen Wissenschaft, in den vierziger Jahren hell beleuchtet. Der Talmud lag in dem allerstrengsten Bann und in der schmählichsten Verachtung. Er war der Sündenbock, dem alle Schuld und alles Elend der Juden aufgebürdet wurde; wie einem Aussätzigen mochte sich kein anständiger Forscher ihm nahen und sich mit ihm befassen. Aber auch dieser Bann sollte gebrochen werden. Wie, wenn das eigentümliche Schrifttum, das der Entstehung des Christentums zur Grundlage diente, auch talmudisch geschwängert war? Dieser Beweis wurde mit vieler Kühnheit unternommen und die jüdisch-griechische Literatur, bis dahin von jüdischen Forschern wenig beachtet32, zum Zeugen angerufen, daß es noch vor dem Talmud [545] einen Talmud gegeben habe33. Noch wichtiger war es, daß dem Talmud abgelauscht wurde, wo seine starke Seite ist, in der Äußerung seiner Rechtsbegriffe und in seiner Rechtsentwicklung34. Hier konnte die Überlegenheit des talmudischen Strafrechts über die Gesetzgebung der alten Zeit nachgewiesen werden. Die wissenschaftliche Behandlung des Talmuds führte zu dem Ergebnis, daß das Judentum sich seiner nicht so sehr zu schämen brauchte.

Aber das Judentum mit seinen Trägern blieb eine unentzifferbare Hieroglyphe, ein dunkles Rätsel, das ein Jahrhundert dem andern ungelöst überlieferte, so lange der »Urfels« nicht erkannt war, »aus dem es ausgehauen, die Vertiefung, aus der es ausgehöhlt wurde«. – Nur die gründliche, unbestreitbare Erkenntnis des Ursprunges, der heiligen Urkunden, konnte das richtige Wort der Lösung geben. Jahrtausende waren verronnen, und die Enträtselung war noch nicht gefunden. Nachdem die heilige Schrift, als Mutter zweier oder dreier Religionen, so lange über die Maßen vergöttert worden war, daß sie als das »alles in allem« galt, und in ihr die Aufschlüsse über Leben, Natur und Geschichte gesucht wurden, war sie seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts in Mißachtung geraten. Sie teilte das Geschick des jüdischen Stammes. Es ist buchstäblich wahr; der Judenhaß des deutschen Volkes, in dessen Mitte die Bibelforschung die eifrigste Pflege gefunden hatte, wurde auch auf das Erbe des jüdischen Stammes, auf die biblischen Urkunden, übertragen. Es sollte nun einmal bei den Juden nichts gefunden werden, was irgendwie vortrefflich erscheinen könnte. Die Schleiermachersche Schule hatte das alte Testament vom neuen ganz getrennt und den Zusammenhang zerrissen. Die vernünftelnde (rationalistische) Schule schenkte zwar den hebräischen Urkunden viel Aufmerksamkeit, aber nur zu dem Zwecke, um deren Wert zu verkleinern. Eichhorn, Gesenius, v. Bohlen, de Wette, Tuch waren gegen die Juden eingenommen, und dies hinderte sie, das rechte Verständnis der heiligen Literatur zu finden. Die Kirchlichgesinnten, Tholuck und Hengstenberg, die Tonangeber in der protestantischen Welt, suchten darin nach faschem Glanze und strichen, was sie entdeckten, für das Christentum ein. In jüdischen Kreisen waren es nur drei, die sich wissenschaftlich eingehend mit der Entzifferung der heiligen Schrift beschäftigten. [546] Krochmal, Luzzatto und Sachs; aber sie haben sich in scheuer Ferne gehalten, um nicht bis zum Sinaï vorzudringen. Erst einem kindlichen Gemüte ist es gelungen, den Schleier halb zu lüften, die Sprache der Propheten und Psalmisten tiefer verständlich zu machen und die Urgeschichte des jüdischen Volkes im rechten Lichte zu zeigen. Mit dem Erscheinen »Der Propheten des alten Bundes« und »Der Geschichte des Volkes Israel« von Heinrich Ewald 1843 bis 184735 war eine neue Bahn zum Verständnis des hebräischen Geistes und Volkes eröffnet. Das lange dunkel gebliebene Rätsel kam wenigstens durch das Auffinden des Schlüssels seiner Lösung näher. »Die Völker des Altertums, Babylonier, Inder, Ägypter, Phönizier, Griechen, Römer verfolgten jedes nur eine besondere Bestrebung unter günstigen Verhältnissen bis zu einem höchsten, zum Teil von den Späteren nicht wieder erreichten Gipfel ... Das Volk Israel dagegen hat sein Augenmerk vom Anfange seines geschichtlichen Bewußtseins an so deutlich erblickt und so mächtig erstrebt, daß es auf die Dauer sich nicht davon entfernen konnte und nach jedem augenblicklichen Stillstande es desto beharrlicher verfolgte: Das Ziel ist die vollkommene Religion ... Die Geschichte dieses alten Volkes ist im Grunde die Geschichte der durch alle Stufen bis zur Vollendung sich ausbildenden wahren Religion.« Der Kerngedanke dieser neuen, hoffnungsreichen Schule ist, daß der aus Abrahams Samen hervorgegangene Stamm in der Tat und Wahrheit ein »Volk Gottes« ist, das der Erde Heilswahrheiten in Fülle gebracht hat. Die Entfaltung dieser Wahrheiten zeige sich im Geschichtsgange und im Schrifttume der Israeliten.

Aber in demselben Maße, wie Ewald die Israeliten als Schöpfer des alten und neuen Testamentes verherrlichte, verachtete er ihre Nachkommen, die Juden, und wollte sie aus der christlichen Gesellschaft ausgeschlossen wissen. Dagegen hat ein Staatsmann ersten Ranges und Romanschriftsteller den Juden gerade wegen ihrer glorreichen Abstammung eine hohe Bedeutung beigelegt. Benjamin d'Israeli später als leitender Staatsmann von England Lord Beaconsfield genannt, war der Sohn eines Juden, der aus einem gewissen Trotz mit seiner Familie zum Christentum übergetreten war. D'Israeli-Beaconsfield dagegen verhehlte es nicht, daß er stolz auf seine jüdische [547] Abstammung sei. In zwei Romanen36 hat er die Berechtigung zu diesem stolzen Selbstbewußtsein begründet. Eine seiner Romanfiguren, der aus einer marranischen Familie stammende Sidonia, welcher den Weltmarkt von Europa beherrschte und damit auch die europäischen Staaten beeinflußte, dem keine Größe imponierte, weil sie sich mit der Hoheit seines Adels nicht messen könne, führte die Bedeutung seines Stammes auf ein physiologisches Gesetz zurück, weil er unvermischt mit anderen Rassen geblieben sei. Ein Stamm, der die Großmächte der alten Welt überdauert und allen Gewalttaten in der Geschichte und all ihrer Zerstörungswut bis auf die neueste Zeit Widerstand geleistet hat, könne nicht untergehen. Die verfolgenden gemischten Rassen verschwinden, die reine, wenngleich verfolgte, bleibt. Aus dem Munde einer schönen jüdischen Jungfrau läßt er einem begabten und nach Wahrheit verlangenden christlichen Jüngling gegenüber auseinandersetzen, daß, wenn es eine göttliche Offenbarung gegeben habe, nur der kleine Flecken Erde des heiligen Landes dessen gewürdigt worden sei, daß, wenn Himmelsboten herniedergestiegen seien, um den Menschen Trost und Belehrung zu bringen, sie in keinem anderen Lande als in diesem gesehen worden seien. Wenn für die Menschheit ein Erlöser erschienen ist und Apostel ihn mit ihrer frohen Botschaft bekannt gemacht haben, so sind sie lediglich aus dem Schoß des jüdischen Volkes hervorgegangen. Israels Ursprung, sein Fortbestand im Elend und seine Erhebung aus der Niedrigkeit in der Gegenwart bürgen für seine Notwendigkeit auch in der Zukunft. Diesen Gedankengang läßt D'Israeli seine Heldin entwickeln. Dieser Gedanke ist für die Bedeutung des Judentums und seiner Träger viel überzeugender als der, welchen Schwärmer für die fünfte Monarchie zur Zeit der Reformation und Cromwells dafür geltend gemacht haben.

Unerwartet und überwältigend schlug für die europäischen Juden die Stunde der Befreiung mit der Februar- und Märzumwälzung (1848) in Paris, Wien, Berlin, Italien und in anderen Ländern. Ein Freiheitsrausch kam über die europäischen Völker, der hinreißender und wunderbarer war als in den Jahren 1789 und 1830. Mit gebieterischen Forderungen traten sie an die Machthaber heran. Unter diesen Forderungen befand sich regelmäßig die Judenemanzipation. In allen Volksversammlungen und Kundgebungen wurden die gestern noch verachteten Juden in den Bund der »Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit«[548] eingeschlossen. Was die Heißblütigsten nicht einmal zu hoffen gewagt hatten, trat plötzlich ein, Juden wurden in die Parlamente gewählt mit beratender Stimme über die Neugestaltung der Staaten. Ein preußisches Landtagsmitglied hatte seinen Abscheu zu erkennen gegeben, daß ein Jude einst neben ihm Sitz und Stimme haben sollte. Tags darauf erfüllte es sich; Riesser und Veit saßen neben demselben, um für die Neugestaltung Deutschlands Rat zu pflegen, und Mannheimer zugleich mit Meisels, einem Rabbinen alten Schlages in polnischer Tracht, berieten die Neugestaltung Österreichs. In Westund Mitteleuropa bis an die Grenze Rußlands und bis an das Gebiet des Papsttums sind die Fesseln der Juden gefallen. Selbst der russische Kaiser Nikolaus, dem das Wort »Freiheit« in der Seele verhaßt war, hob zum Teil die unter seinem Vorgänger wieder aufgelegten Beschränkungen der russischen Juden auf. Er zeigte den besten Willen, die elende Lage und die moralische Gesunkenheit der etwa ein und eine halbe Million in seinem Reiche wohnenden Bekenner des Judentums zu verbessern. Er hatte Sir Moses Montefiore, welcher für dieselben Fürsprache bei ihm eingelegt hatte, huldvoll aufgenommen und ihm gestattet, Reisen durch das Land zu machen und sich durch den Augenschein von dem Zustande der jüdischen Gemeinden in Rußland und Polen zu überzeugen. Der Kaiser ließ ferner im Mai 1848 eine Kommission von Rabbinern und jüdischen Notabeln in Petersburg zusammentreten, welche Verbesserungsvorschläge machen sollte, und befahl die Gründung zweier Rabbinerschulen im Lande, in welchen die künftigen Rabbiner neben dem Talmud auch sonst Wissenswertes erlernen und besonders sich die russische Sprache aneignen sollen, um das widerwärtige Kauderwelsch bannen zu helfen.

Wirft man einen Rückblick auf das abgelaufene Jahrhundert, seitdem Dohm, Mirabeau und Grégoire ihre Stimme für die Entfesselung des jüdischen Stammes erhoben haben, so erscheint der Aufschwung desselben wahrhaft wunderbar. In allen zivilisierten und auch in den halbzivilisierten Ländern auf dem Erdenrunde haben die Juden ihre Knechtsgestalt abgestreift, tragen das Haupt hoch und lassen sich nicht mehr von dem »Hep-Hep-Geschrei« der Wichte einschüchtern. Die Versuche, die in Deutschland und Österreich hin und wieder gemacht wurden, sie wieder in das Ghetto einzusperren, konnten nicht durchgeführt werden. In Frankreich, Holland, Belgien, Dänemark und Nord-Amerika ist ihre Ebenbürtigkeit bis in die letzten Konsequenzen so vollständig durchdrungen, daß eine übelwollende Stimme, die sich erhöbe, um sie aufzuheben oder auch nur zu schmälern, kein Echo finden würde. [549] In England hat sich zwar die Arbeit an der Gesetzgebung für ihre vollständige Gleichstellung fast dreißig Jahre hingezogen (1829 bis 1858), aber nicht, weil ihre Würdigkeit angefochten wurde, sondern weil zur Übernahme von Ehrenämtern eine Eidesformel mit christlichem Bekenntnis vorgeschrieben war, welche Juden nicht aussprechen konnten. Sie standen vielmehr so hoch in der allgemeinen Achtung, daß das Unterhaus immer und immer wieder die Gleichheit zum Gesetz erhoben, und das Haus der Lords lediglich aus seiner Abneigung gegen jede Neuerung die Zustimmung versagt hat. Nach langem Sträuben gab endlich auch dieser gesetzgebende Faktor nach, die Eidesformel zugunsten der Juden abzuändern. Seitdem wurden hervorragenden Personen des jüdischen Bekenntnisses in England die höchsten Ehrenämter übertragen, welche hier noch eine ganz andere Bedeutung haben, als im übrigen Europa, da sie ihre Inhaber fast zum Fürstenrang erheben.

In dem neu entstandenen Königreich Sardinien und in dem zum Erstaunen der Staatsmänner und Machthaber durch Garibaldis »Rothemden« zum Königreich Neu-Italien erweiterten Staate, für dessen Zustandekommen auch Juden tapfer mitgekämpft haben, ist die Ebenbürtigkeit derselben ebenfalls eine unanfechtbare Tatsache geworden, welche nur die wütenden Feinde Italiens erschüttern möchten.

Wollte man den Judenfeinden Glauben schenken, so müßte man annehmen, daß die Judenheit neben den pentarchischen Großmächten und neben der sechsten Großmacht, welche mit den gegossenen Buchstaben des Alphabets bewaffnet ist und die öffentliche Meinung beherrscht, daß sie neben diesen eine siebente Großmacht bilde, welche die Christenheit mit Haut und Haaren zu verschlingen drohe und auch im stande wäre, sie aufzureiben, wenn nicht Vorkehrungen getroffen würden, diese Macht zu brechen. Diejenigen, welche jenes Schreckgespenst spuken lassen, fürchten sich zwar am allerwenigsten davor und benutzen es nur als eine neue Kampfesart; aber ein Körnchen Wahrheit ist selbst in diesem absichtlich maßlos übertreibenden Warnungsruf vorhanden. Die Judenheit in den zivilisierten Ländern ist allerdings erstarkt und gewappnet, aber nicht zum Angriff, sondern zur Abwehr. Die bange Furcht, welche die Judenheit seit den bösen Tagen der Kreuzzüge erschreckt hat, sobald ein übermütiger Christenknabe sie angefahren hat – was die Drohung des größten aller Propheten bewahrheitet hat: »Das Rauschen eines verscheuchten Blattes wird euch erschrecken« – diese Furcht ist vom Hause Jakobs gewichen. Die Geldmacht, welche infolge der veränderten Weltlage jüdische Kapitalisten erreicht, und die Geistesmacht, welche hervorragende Persönlichkeiten jüdischen [550] Stammes als Staatsmänner, als Künstler, als Pfleger und Förderer der Wissenschaften und als Wortführer der öffentlichen Meinung in der Presse errungen haben, dienen ihren Stammesgenossen lediglich als Schild gegen Gewalt und Unglimpf. So wenig die Rotschilds, die Sasoons, die Günsburgs, Hirschs und eine Reihe anderer jüdischer Kapitalisten auf Eroberungen ausgehen, ebensowenig dachten und denken an so etwas die jüdischen Staatsmänner Crémieux, Johann Jacoby, Eduard Lasker, Ignaz Kuranda und andere jüdische Parlamentsmitglieder und Inhaber von Ministerposten oder hohen Ämtern und Würden in England, Frankreich, Italien und Holland. Die jüdischen Künstler ersten Ranges, Meyerbeer, Fromental Halévy und Moscheles, die Rahel in Frankreich und die anderwärts noch lebenden jüdischen Bühnenhelden, der Romankünstler Berthold Auerbach und andere, so wie die große Reihe jüdischer Akademiker und Universitätslehrer, die seit dem Sturmjahr 1848 aufgetaucht sind, haben nur bewußt oder unbewußt von den Juden die Schmach der Stumpfheit für Kunst und Wissenschaft getilgt, mit welcher ihre Todfeinde sie verlästert haben.

Ein Schild von weitreichendem Schutze entstand aus der unheimlichen Nachwirkung des Mittelalters. In Bologna, das damals zu dem noch bestehenden Kirchenstaate gehörte, hatte eine christliche Magd einem kranken Kinde jüdischer Eltern, namens Mortara, im zarten Alter die Nottaufe gegeben und erst nach einigen Jahren einem Geistlichen Anzeige davon gemacht (1858). Daraufhin drangen ein Mönch und Gensdarmen in das Haus des Juden, entrissen den sechsjährigen Knaben den Armen der Eltern, schleppten ihn nach Rom und gaben ihm eine christliche Erziehung. Die Mutter des Knaben wurde vor Schmerz wahnsinnig. Alle Schritte, welche der Vater versuchte, um sein Kind wiederzuerlangen, waren vergebens. Ein Schrei des Entsetzens erhob sich überall unter Juden und Christen bei der Nachricht von dieser im Namen der Religion verübten Greueltat. Die ganze europäische Presse und selbst die russische – mit Ausnahme der erzkatholischen – sprach einstimmig das Verdammungsurteil über eine solche Untat. Aber vergebens haben sich einige Regierungen und selbst der Kaiser Napoleon III., dessen Soldaten damals Rom beschützten, bei dem Papst Pius IX. dafür verwendet, daß er das nicht rituell getaufte Kind seinen Eltern wiedergebe. Pio Nono, welcher im Sturmjahre 1848 sogar eine Anwandlung von Liberalismus gezeigt hat und daher als »Zauberer von Rom« dargestellt worden ist, setzte allen [551] andringenden Bestürmungen das verhängnisvolle Wort entgegen: Non possumus. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich wieder um gerade so wie bei der Damaskusgeschichte achtzehn Jahren vorher die Einmütigkeit aller Juden in Europa und Amerika.

Diese günstige Stimmung benutzten sechs junge Männer in Paris, um einen Bruderbund zu stiften, welcher sämtliche Israeliten auf dem Erdenrund umspannen soll, »Den allgemeinen Israeliten-Verband«37 (1860). Zweck desselben sollte sein, »für die Emanzipation und den moralischen Fortschritt der Israeliten überall tätig zu sein und eine wirksame Stütze denen zu leihen, welche in der Eigenschaft als Israeliten leiden«. Die sechs jungen Männer waren, ein Kaufmann Charles Netter, ein Advokat Narcisse Leven, ein Brückeningenieur Jules Carvallo, ein Universitätsprofessor Eugène Manuel, ein Hilfsrabbiner Aristide Astruc und ein Professor an dem Rabbiner-Kollegium Isidore Cohen. Später schloß sich der glänzende Redner und unermüdliche Verteidiger seiner Glaubensgenossen Adolph Crémieux dem Vereine an, gab ihm Gewicht und Ansehen und lieh ihm die Glut seiner Beredsamkeit und die Unerschrockenheit seines Charakters. Diese Verbrüderung fand sogleich Anklang. Schon im ersten Jahre nach der Entstehung schlossen sich ihr 850 Mitglieder aus Frankreich, Deutschland, Österreich, England, Italien, der Schweiz, Holland, Belgien, Dänemark, Rußland und selbst aus Spanien und der Republik Venezuela an. Der Bund zählt gegenwärtig mehr als 30000 Mitglieder. Er hat sich als deckender Schild für die Judenheit in kritischen Zeitläuften bewährt. – Bei derselben Gelegenheit, der Mortarageschichte, und in derselben Zeit entstand in Amerika (1861) eine ähnliche Verbrüderung zu einem ähnlichen Zwecke, »Die Vereinigung der hebräisch-amerikanischen Gemeinden für die bürgerlichen und religiösen Rechte der Glaubensgenossen«38. Zehn Jahre später (1871) organisierten einige edle Männer in England zur Fürsorge für leidende Stammesgenossen eine ähnliche Verbindung39, welche Hand in Hand mit der allgemeinen Alliance geht. Sie zählt mehrere tausend Teilnehmer, und es gehören dazu auch Mitglieder [552] aus australischen Gemeinden und anderen englischen Kolonien. Auch in Wien entstand eine »Israelitische Alliance« zum Schutz für verfolgte Glaubensgenossen, ins Leben gerufen (1873) von Joseph Wertheimer, Ignaz Kuranda und Moritz Goldschmid. Die Zahl der Mitglieder beträgt fünftausend40.

Ein solches festes und enges Zusammenhalten war den Erzfeinden der Juden gegenüber, die unsterblich sind wie die Vorurteile und die Bosheit, durchaus geboten. Der Aufschwung der Juden seit ihrer Entfeßlung, welcher die Mißgunst erregte, hat ihnen namentlich in Deutschland und Österreich noch neue Feinde gemacht. Ganz besonders werden sie von einer Partei ingrimmig gehaßt, welche das Mittelalter mit seiner Knechtung und Geistesverdunklung wieder heraufzuzaubern wünscht. Man nennt sie in Deutschland die »kleine, aber mächtige Partei«. Ihr Prophet war ein jüdischer Apostat, Friedrich Stahl, welcher ihr einige Gedankenfetzen und Stichwörter, von denen sie zehrt, wie »Die Wissenschaft muß umkehren« – »Autorität, nicht Majorität« geliefert hat. Zu ihrem Programm gehört auch die systematische Judenhetze. Das Organ dieser Partei41 machte das Kreuz zu seinem Symbol, aber nicht die Liebe und nicht die Demut und nicht die Wahrheit zu ihrer Devise. Diese Zeitung steckte mit ihren nie verstummenden Beschuldigungen und Hetzereien gegen Juden und Judentum jahraus jahrein verwandte Kreise außerhalb Deutschlands an.

Ein anderer Erzfeind ist für die Juden in den letzten Jahrzehnten aufgetaucht, nicht unter dem Zeichen des Kreuzes, sondern unter der Marke der Rassenüberhebung. Ein Phrasenheld hatte in die Tagesliteratur ein zündendes Wort hineingeworfen, daß die angeblichen Abkömmlinge von Sem, die Juden, Araber und andere sprachverwandte Völkerschaften, Semiten genannt, an Geisteskraft, Leistungsfähigkeit, schöpferischer Erfindungsgabe tiefer stünden, als die Arier, die indoeuropäischen Völkerschaften. Die Semiten oder richtiger die Söhne Israels, haben zwar der zivilisierten Welt einen Gott, eine höhere moralische Gesittung und die eine solche Gesittung immer von neuem weckende heilige Schrift gebracht; aber diese Segensspenden werden von den Wortführern der Rassenentzweiung geringer geschätzt, als die Güter [553] der Arier. Aus dieser verderblichen Vorspiegelung entnahmen die Judenfeinde – sie nennen sich heute Antisemiten – die Berechtigung, die Juden zu ächten, und sie allenfalls in untergeordneter Stellung als Gäste zu dulden, da die Erde und ihre Fülle von Rechts wegen den Ariern gehöre. Dieser künstlich genährte antisemitische Rassenhaß, welcher in Frankreich geboren, in Deutschland großgezogen wurde und überallhin gefördert wird, hat den mittelalterlichen Geist der Beschuldigung der Söhne Jakobs, als Christenmörder, wachgerufen und traurige Szenen zur Folge gehabt. Die seit dem vorigen Jahrhundert in die Gemüter eingepflanzte Humanität soll nun wieder daraus verbannt werden.

Mit dem Aufschwung und der Verjüngung der Judenheit, als der Trägerin einer eigenartigen uralten Lehre, hielt die Verjüngung oder Läuterung dieser Erblehre nicht gleichen Schritt. Zwar sind die Grundwahrheiten des Judentums, ihre segensreichen Wirkungen in der Völkergeschichte, ihre zivilisatorische Bedeutung tiefer erkannt worden. Was auserlesene Geister aus der heiligen Schrift und aus dem wunderbaren Geschichtsgange des jüdischen Volksstammes herausgelesen haben, daß das Judentum das Apostelamt hat, vermittelst dieser Lehre ein Licht für die Völker zu sein, ist gegenwärtig ziemlich geläufig geworden. Aber über die Mittel, durch welche die Grundwahrheiten des Judentums lebendig erhalten werden sollen, um fernerhin zu wirken, und über das Verhältnis des Religiös-Ritualen, wie es sich geschichtlich kristallisiert hat, zum Rein-Religiösen und Sittlichen, ob das Judentum in seiner Abgeschlossenheit verbleiben soll, über diese schwerwiegenden Fragen gehen die Ansichten weit auseinander, und diese Unklarheit hat, wenn auch nicht eine neue Sektenbildung, so doch eine Sonderung und Entzweiung erzeugt. Diese Frage kann nur die jüdische Wissenschaft durch eine noch ernstere Vertiefung in die Urkunden des Judentums lösen, um genau zu ermitteln, was die Propheten darüber verkündet, und was die jüdischen Weisen zu verschiedenen Zeiten darüber gelehrt haben.

Für die Wissenschaft des Judentums sind in den letzten Jahrzehnten mehrere Lehrstätten in Deutschland gegründet worden, an denen sie eifriger erforscht wird, als in den älteren Lehranstalten in Frankreich und Holland. Durch die hochherzige letztwillige Verfügung des edlen Nachkommen einer rabbinischen Familie, Jonas Fränckel, entstand durch eine gesicherte Stiftung in Breslau das jüdischtheologische Seminar (1854), welches bereits weit über hundert Rabbiner und Prediger ausgesandt hat, um in deutschen, österreichischen und [554] amerikanischen Gemeinden zu wirken. Ein Jahrzehnt später wurden in Berlin aus freiwilligen Beiträgen zwei ähnliche Stätten ins Leben gerufen, von denen die eine sich das »Orthodoxe Rabbiner-Seminar« nennt und die andere als »Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums« bezeichnet wird. In Ungarn hat die Regierung 1877 auf Staatskosten eine Rabbinerschule für Transleithanien geschaffen, welche Rabbiner, Prediger und Religionslehrer in magyarischer Sprache ausbilden soll. Diese Lehranstalt, als eine Tochter des Breslauer Seminars, ist nach demselben Programm organisiert und wirkt in demselben Geiste. Auch in Wien ist 1894 eine Lehranstalt auf ähnlicher Grundlage eröffnet worden.

Diese Lehrstätten für die Wissenschaft des Judentums hätten, wenn sie der Forschung der Wahrheit ernstlich obliegen, den Beruf des erwarteten Propheten Elias, alle Zweifel zu lösen und besonders die Frage über Berechtigung, Zulässigkeit und Grenzen der Reform zu beantworten, welche eben die Gemüter in der Judenheit entzweit, um so die Herzen der Eltern mit den Herzen der Kinder in Eintracht zu versöhnen.


Fußnoten

1 S. besonders darüber Archives Israélites, Jahrg. 1841, p. 39. Allg. Ztg. des Judentums 1840, S. 736. Orient, 1841, S. 10, Litbl. col. 411. Zion I, p. 102. Vgl. die hebr. Gedichte von Aaron Mendelson in Hamburg und vielen anderen, welche das Ereignis und die beiden Männer besangen.


2 Allg. Ztg. des Judentums, Jahrg. 1841, Nr. 16.


3 Orient, 1841, S. 88. Allg. Ztg. des Judentums, 1841, Nr. 11.


4 S. Allg. Ztg. des Judentums, 1840, S. 339.


5 Das. S. 611.


6 Die hebräischen Gesänge mit Übersetzung wurden gedruckt unter dem Titel: Order of Service to be observed in the synagogue of spanish and portuguese Jews ... the 15th Adar 5601, 8 March 1841, beeing the day appointed for a general thanksgiving to Almighty God for his divine protection to his people Israel, so signally manifested in the success which attended sir Moses Montefiore.. in his Mission to the East. [Vgl. Allg. Ztg. d. Judentums, 1841, S. 207.]


7 Orient, Jahrg. 1841, S. 217 f.

8 Archives Israélites, Jahrg. 1841, p. 181.


9 Allg. Ztg. des Judentums, Jahrg. 1841, S. 34 und Beilage zu Nr. 24.


10 Orient, 1841, S. 10.


11 S. oben S. 462, Anmerkung.


12 Archives Israélites, Jahrg. 1841, p. 234.


13 Vgl. darüber die beiden disharmonierenden Gutachten Bernays' im Orient, Jahrg. 1842, S. 101 f. d.d. 3. Febr. und 29. August 1841.


14 Die Tatsachen sind, wenn auch parteiisch gefärbt, dargestellt in der Allg. Ztg. des Judentums, 1841, von Nr. 45 an. Vgl. Salomon, Das neue Gebetbuch und seine Verketzerung, Hamburg 1841 und [Dr. M. Fränkel], Theologische Gutachten über das Gebetbuch ... des ... Tempelvereins, Hamburg, 1842, Einl. S. 8 f.


15 Vgl. Orient, Jahrg. 1842, S. 133 f.


16 Frankels Gutachten im Orient 1842, Nr. 7-8 f.


17 Zuerst eröffnet 1804; S. Scheppler, Die Aufhebung des Judenleibzolls, S. 177; Dr. H. Bärwald, Zur Geschichte der Schule (Philanthropin), Einladungsschrift zur öffentlichen Prüfung, Frankfurt a.M., 1869.

18 Außer den Nachrichten in den jüdischen Wochenschriften sind Quellen dafür: Jost, der den Reformfreunden nahestand, Geschichte der Israeliten X, T. 3, S. 205 f.; Riessers Erklärung in der Allg. Ztg. des Judentums, 1843, S. 481 ff., Isler, Riesser, Ges. Schr. I, S. 352 f.; Freund, Judenfrage in Deutschland I, S. 257 f., II, 110 f.


19 Holdheims Leben ist geschildert von Immanuel Heinrich Ritter im dritten Teil seiner »Geschichte der jüdischen Reformation«, Berlin 1865. Diese Biographie ist aber zu glorifizierend ausgefallen und beleuchtet nicht Holdheims Entwicklungsepoche, welche mit Vorgängen in seiner ersten Ehe zusammenhing, als der Lamdan in ihm sich in Prag in einen Skeptiker verwandelte.


20 Ritter a.a.O., S. 29 ff., 41.


21 Vgl. die Protokolle der ersten Rabbinerversammlung S. 60. Orient, Jahrg. 1844, S. 296.


22 Protokolle, S. 55. Seine Prinzipien und Konsequenzen entwickelte Holdheim in seiner Schrift: Über die Autonomie der Rabbinen und das Prinzip der jüdischen Ehe. Schwerin, 1843. Als Ergänzung dazu gehören: Vorschläge zu einer zeitgemäßen Reform der jüdischen Ehegesetze (Schwerin 1845) und »Die Religionsprinzipien des reformierten Judentums« (Berlin 1847). Die Unreife und Unwissenschaftlichkeit seiner Theorie hat Holdheim selbst durch seine posthume hebräische Abhandlung: םינברה תנוכת לע תושיאה רמאמ םיארקהו (Berlim 1861) bewiesen. Denn obwohl auch diese Abhandlung viel Unhistorisches und überhaupt Unreifes enthält, so sticht sie doch wohltuend von seinen älteren, sophistischen, man kann sagen pilpulistischen Schriften ab. In dieser Schrift ist sein Bestreben sichtbar, die Wahrheit zu suchen.


23 In dem als Manuskript gedruckten Flugblatt mit der Überschrift: לארשי ינומא ימולש, »treue Gläubige in Israel!« im Jahre der Welt 5605.


24 Die wenigen Tatsachen über die Entstehung der Reformgemeinde in S. Stern, Geschichte des Judentums von Mendelssohn bis auf die Gegenwart (Frankfurt a.M., 1857), S. 291 ff.


25 Protokolle der zweiten Rabbinerversammlung, S. 277.


26 Stern a.a.O., S. 298.


27 Die Psalmen, übersetzt und erläutert von M. Sachs. Berlin, 1835.


28 Die unter dem Namen des Redakteurs Zunz erschienenen »24 Bücher der heiligen Schrift übersetzt«, Berlin 1837-1838 [vgl. Rosins Abhandlung in der Monatsschrift für Gesch. u. Wissensch. des Judentums, Jahrg. 38 (1894), S. 504 ff.]


29 Erschienen in Berlin 1845.


30 Bekanntlich hat Heine die Note IV zu seinem Romanzero aus Sachs' »Religiöser Poesie« S. 287 kopiert, und das Bild »Jehuda ben Halevi« in demselben nach Sachs' Schilderung gemalt.


31 Zunz, Zur Geschichte und Literatur, 1. Band (Berlin 1845), S. 2. 21.


32 Der erste Versuch war von L. Philippson, Ezechiel und Philo, Berlin 1830.


33 Frankel, Vorstudien zu der Septuaginta. Leipzig 1841.


34 Derselbe, Der gerichtliche Beweis nach mosaisch-talmudischem Rechte, ein Beitrag zur Kenntnis des mosaisch-talmudischen Kriminal- und Zivilrechts. Berlin 1846.


35 H. Ewald, Propheten des alten Bundes (Stuttgart 1840-1841 in zwei Bänden; neue Bearbeitung, Göttingen 1866-1868 in drei Bänden) und Geschichte des Volkes Israel in drei Bänden, Göttingen 1843-47; 3. Ausgabe in sieben Bänden 1864-1868.


36 Die Romane haben den Titel: Coningsby or the new generation 1844, Tancred or the new crusade 1847.


37 L'Alliance israélite universelle.


38 Union of american Hebrew congregations on civil and religious rights. Nordamerika zählte im Jahre 1878 etwa 250000 Juden in 178 Gemeinden, Die ersten Gemeinden entstanden im achtzehnten Jahrhundert in New-York und New-Port.


39 Anglo-Jewish Association in connection with the Alliance I. U.


40 Der deutsch-israelitische Gemeindebund, 1869 von zwei edlen Männern in Leipzig, Kohner und Nachod, geschaffen, hat nicht eine allgemeine Tendenz, wie genannte drei Verbindungen, und hat überhaupt nur ein verschwommenes Programm.


41 Die neue Preußische Zeitung, gewöhnlich die Kreuzzeitung genannt.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1900], Band 11, S. 556.
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