Vormittagssitzung.

[178] GERICHTSMARSCHALL: Hoher Gerichtshof! Die Angeklagten Kaltenbrunner und Streicher werden von der heutigen Vormittagssitzung abwesend sein.

M. DUBOST: Hoher Gerichtshof, ich kam gestern bis zur Verlesung eines amtlichen französischen Schriftstücks, das Sie in Ihrem Dokumentenbuch unter dem Titel »Bericht des Ministeriums für Kriegsgefangene und Deportierte« finden. Diese Verlesung bezog sich auf die von Deutschen festgenommenen jüdischen Kinder in Frankreich bei Privatpersonen oder in öffentlichen Anstalten, in denen sie untergebracht waren.

Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich auf eine Erklärung zurückkommen, welche ich früher abgegeben habe. Sie betraf die vom deutschen Generalstab mit Billigung des deutschen Auswärtigen Amtes gegebenen Befehle über die Verhaftung aller französischen Generale und, zudem als Vergeltung, der Familien derjenigen Generale, die zur Dissidenz, das heißt auf die Seite unserer Alliierten, übergegangen waren.

Aus dem Artikel 21 des Statuts geht ja hervor, daß der Hohe Gerichtshof den Beweis öffentlich bekannter Tatsachen nicht verlangt. Unter der ungeheuren Menge von Tatsachen, die wir Ihnen unterbreiten werden, sind viele, die zwar bekannt, aber nicht öffentlich bekannt sind. Es gibt aber auch einige wenige, die bekannt und zwar auch in allen Ländern öffentlich bekannt sind; connus et de notoriété publique. Das bezieht sich vor allem auf die Deportierung der Familie des Generals Giraud. Ich darf den Hohen Gerichtshof an die sechs Hauptpunkte dieser Angelegenheit erinnern.

Erstens: Wir erinnern uns alle an die Meldung des alliierten Rundfunks; daß Frau Giraud, die Ehefrau des Generals Giraud...


VORSITZENDER: Wovon sollen wir bezüglich der Deportierung der Familie des Generals Giraud amtlich Kenntnis nehmen?


M. DUBOST: Herr Vorsitzender, ich möchte den Gerichtshof bitten, hinsichtlich dieser Tatsachen den Artikel 21 des Statuts anzuwenden, nämlich die Bestimmung, nach der das Gericht den Beweis über öffentlich bekannte Tatsachen nicht verlangt.

Ferner bitte ich den Gerichtshof, meinen Vortrag über diese Tatsachen, die wir als öffentlich bekannt ansehen, anzuhören, denn diese sind nicht nur in Frankreich, sondern auch in Amerika [178] bekannt, da die amerikanische Armee an diesen Ereignissen beteiligt war.


VORSITZENDER: Der Wortlaut des Artikels 21 heißt nicht »öffentlich bekannt«, of public knowledge, sondern »... allgemein bekannt«, of common knowledge. Das ist nicht genau das gleiche.


M. DUBOST: Herr Präsident! Ich habe eine französische Übersetzung dieses Statuts vor mir. Ich verlese die französische Übersetzung: »Der Gerichtshof verlangt nicht, daß der Beweis für öffentlich bekannte Tatsachen, de notoriété publique, erbracht wird«.

Wir legen diese Worte so aus: Es ist nicht notwendig, den Beweis für überall bekannte Tatsachen, universellement connus, durch Dokumente oder Zeugnisse zu erbringen.


VORSITZENDER: Nun gut, Sie sagten »überall bekannt«, universally known; aber nehmen wir an, daß die Mitglieder des Gerichtshofes die Tatsachen nicht kennen? Wie könnten sie in diesem Falle als »allgemein bekannt«, of common knowledge, betrachtet werden? Die Mitglieder dieses Gerichtshofes sind möglicherweise über diese Tatsachen nicht unterrichtet worden; es wäre für sie daher schwierig, von Tatsachen Kenntnis zu nehmen, die ihnen nicht bekannt sind.


M. DUBOST: Dies ist eine je nach dem einzelnen Falle zu beurteilende Tatfrage, über die der Gerichtshof eine Entscheidung zu treffen hat. Der Gerichtshof wird erklären, ob er weiß oder nicht weiß, daß diese sechs Punkte, die ich nochmals aufzählen will, der Richtigkeit entsprechen.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof zieht sich zur Beratung zurück.


[Verhandlungspause.]


VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Tatsachen über die Deportation des Generals Giraud und die Deportation seiner Familie, obwohl sie sehr wahrscheinlich in Frankreich öffentlich oder allgemein bekannt sind, im Sinne des Artikels 21 des Statuts, der sich auf die ganze Welt bezieht, nicht als öffentlich oder allgemein bekannt betrachtet werden können.

Falls der französische Anklagevertreter französische Regierungsdokumente oder -berichte besitzt, die die Tatsachen bezüglich der Deportation des Generals Giraud feststellen, so ist dies natürlich etwas anderes. Wenn solche Dokumente vorliegen, wird der Gerichtshof sie selbstverständlich berücksichtigen.


M. DUBOST: Ich muß also den Beweis erbringen, daß die einzelnen, von den deutschen Polizeichefs in jeder Stadt und in jeder Provinz der besetzten Weststaaten begangenen Verbrechen in Ausführung [179] eines zentralen Willens, eines von der Deutschen Regierung ausgehenden Willens erfolgt sind; dies erlaubt uns, die Beschuldigungen den Angeklagten gegenüber einzeln vorzubringen. Diesen Beweis kann ich nicht mit deutschen Dokumenten führen. Es wird notwendig sein, daß Sie die Verlesung der Zeugenaussagen, die ich jetzt beginnen werde, gelten lassen. Diese Aussagen wurden von der amerikanischen Armee, der französischen Armee, sowie von der französischen Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen gesammelt. Der Gerichtshof wird entschuldigen, wenn ich genötigt bin, zahlreiche Schriftstücke zu verlesen. Der Beweis des systematischen Willens kann nur erbracht werden, indem ich zeige, daß überall, in jedem Falle, die Deutsche Polizei gegenüber den verhafteten und internierten Patrioten dieselben Methoden angewendet hat.

Internierung und Haft fanden in Frankreich in den von den Deutschen beschlagnahmten zivilen Strafgefängnissen oder auch in gewissen Teilen französischer Gefängnisse statt, die von Deutschen beschlagnahmt worden waren, und zu denen allen französischen Beamten der Zutritt verboten war.

In allen diesen Strafanstalten unterstanden die Häftlinge dem gleichen Regime. Wir beweisen dies durch Verlesung von Aussagen von Gefangenen aus jeder dieser deutschen Strafanstalten in Frankreich oder den besetzten Weststaaten. Dieses Regime war durchaus unmenschlich. Es erlaubte den Gefangenen nur zu überleben, und zwar unter den schwierigsten Verhältnissen.

In Lyon, in der Festung Montluc, bekamen die Frauen als einzige Nahrung eine Tasse Kräutertee um 7.00 Uhr früh und einen Schöpflöffel Suppe, dazu ein kleines Stück Brot um 17.00 Uhr. Dies ergibt sich aus Dokument F-555, das sich als elftes Dokument in Ihrem Dokumentenbuch befindet. Wir legen es unter Nummer RF-302 vor.

Die erste Seite dieses Dokuments, zweiter Absatz, bringt eine Zusammenfassung von Zeugenaussagen. Es genügt, auf diese Zusammenfassung hinzuweisen. Ich werde einige Zeilen der folgenden Zeugenaussagen herausgreifen:

Die Zeugin sagt aus, daß

»bei ihrer Ankunft in Fort Montluc (Lyon) die von der Gestapo am 20. September 1943 verhafteten Gefangenen ihrer Habe beraubt wurden. Die Gefangenen wurden übel behandelt. Die Verpflegung war äußerst karg. Das Schamgefühl der Frauen wurde mißachtet.«

Es handelt sich hier um die Zeugenaussage, datiert: »St. Gingolf, am 9. Oktober 1944«. Sie bezieht sich auf die Verhaftungen, in Saint Gingolf, die im September 1943 vorgenommen wurden. Der Zeuge berichtet:

»Als die jungen Leute vom Verhör zurückkamen, waren ihre Zehen mittels Benzin getränkter Wattebauschen verbrannt, [180] den anderen wurden die Waden mit einer Lötlampe gerötet, andere waren von Polizeihunden gebissen worden.«

DR. RUDOLF MERKEL, VERTEIDIGER FÜR DIE GESTAPO: Es werden hier von der französischen Anklage Urkunden vorgelegt, die keine eidesstattlichen Aussagen darstellen. Das sind Erklärungen, aus denen nicht hervorgeht, wer sie aufgenommen hat, und ich muß gegen diese einfachen Aussagen von Leuten, die nicht vereidigt sind, formellen Einspruch erheben. Sie können hier nicht als Beweismittel dienen.

VORSITZENDER: Ist das alles, was Sie zu sagen haben?


DR. MERKEL: Jawohl.


VORSITZENDER: Wir werden nun die Antwort von Herrn Dubost anhören.


M. DUBOST: Herr Präsident, das Statut, das öffentlich bekannte Tatsachen als Beweise zuläßt, stellt keine Regel auf hinsichtlich der Art und Weise, in der Aussagen entgegengenommen werden sollen, die Ihnen als Beweismittel vorgelegt werden. Das Statut überläßt es Ihnen, zu entscheiden, ob dieses oder jenes Dokument angenommen werden kann, oder ob diese oder jene Untersuchungsmethode zulässig ist. Nun wurden aber diese Untersuchungen ordnungsgemäß durchgeführt, jedenfalls nach den Gewohnheiten und Gebräuchen meines Landes.

Es ist üblich, daß alle Polizei- und Gendarmerieprotokolle ohne Eidesleistung des Zeugen aufgenommen werden. Im übrigen sind nach dem Wortlaut des Statuts alle Untersuchungen zur Aufklärung von Kriegsverbrechen als authentische Beweise zu betrachten.

Artikel 21 besagt:

»Der Gerichtshof wird für allgemein bekannte Tatsachen keine Beweise verlangen, sondern von ihnen amtlich Kenntnis nehmen. Er wird auch von offiziellen Dokumenten und Berichten der Regierungen der Vereinten Nationen amtlich Kenntnis nehmen, einschließlich derjenigen Urkunden und Dokumente, die von den in den verschiedenen alliierten Ländern zur Untersuchung der Kriegsverbrechen eingesetzten Ausschüssen verfaßt wurden, sowie von den Verhandlungsprotokollen und Urteilen der Kriegsgerichte oder sonstiger Gerichtshöfe irgendeiner der Vereinten Nationen.«

VORSITZENDER: Herr Dubost, ist das von Ihnen verlesene Dokument ein offizielles Regierungsdokument oder ein Bericht, oder ist es eine Urkunde oder ein Dokument eines in Frankreich eingesetzten Ausschusses?

M. DUBOST: Dieser Bericht stammt von der Generaldirektion der Sicherheitspolizei. Sie werden dies feststellen, indem Sie das [181] zweite Blatt der Ihnen vorliegenden Abschrift lesen, wo links oben steht: »Generaldirektion der Sicherheitspolizei. Sonderkommissariat St. Gingolf, Vernehmungsniederschrift.«


VORSITZENDER: Können wir das Original sehen?


M. DUBOST: Diese Urkunde wurde in der Gerichtskanzlei eingereicht. Der Kanzleisekretär braucht sie Ihnen nur zu bringen.


VORSITZENDER: Schön! Ist dies eine beglaubigte Abschrift?


M. DUBOST: Jawohl, die Abschrift ist beglaubigt, und zwar durch den Kabinettschef des Justizministeriums.


VORSITZENDER: Herr Dubost, mir wird gesagt, daß die Französische Anklagebehörde sämtliche Originalurkunden besitzt und sie nicht vorlegt, wie die anderen Anklagebehörden es tun. Ist das richtig?


M. DUBOST: Die Französische Anklagebehörde hat die Originale der gestrigen Verhandlung vorgelegt und sie Herrn Martin überreicht.


VORSITZENDER: Nun möchten wir das Originaldokument sehen. Ich glaube, es befindet sich in den Händen des französischen Sekretärs; wir möchten es gern sehen.


M. DUBOST: Ich habe es holen lassen, Herr Vorsitzender. Diese Urkunde ist eine beglaubigte Abschrift des Originals, das sich im Archiv der französischen Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen befindet. Einerseits ist diese Beglaubigung von dem französischen Vertreter bei der Staatsanwaltschaft, Sie bemerken die Unterschrift von Herrn de Menthon auf dem vorliegenden Schriftstück, und andererseits von dem Kabinettschef des Justizministers, Herrn Zambeaux, ausgefertigt und mit dem Dienststempel des französischen Justizministers versehen.


VORSITZENDER: Es scheint ein Regierungsdokument zu sein. Es ist das Dokument eines von Frankreich geschaffenen Ausschusses zur Untersuchung von Kriegsverbrechen. Ist das richtig?


M. DUBOST: Herr Präsident, es ist ein Dokument der Generaldirektion der Sicherheitspolizei. Es wurde im Rahmen einer Untersuchung über Kriegsverbrechen aufgenommen, die von der französischen Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen veranlaßt wurde. Das Original ist in Paris in der französischen Dienststelle verblieben, aber die Ihnen vorliegende beglaubigte Abschrift trägt die Unterschrift des Kabinettschefs des Justizministeriums in Paris.


VORSITZENDER: Ja, Herr Dubost, es dreht sich hier nicht um die Frage, ob es eine richtige Abschrift ist oder nicht, sondern darum, ob im Rahmen des Artikels 21 des Statuts das Dokument ein Regierungsdokument oder ein Bericht der Vereinten Nationen [182] oder ein Dokument von einem mit der Untersuchung der Kriegsverbrechen in Frankreich beauftragten Ausschuß ist. Ich habe gefragt, ob das der Fall sei, und es scheint so zu sein. Ist es so oder nicht?


M. DUBOST: Jawohl, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?


M. DUBOST: Nein, Herr Vorsitzender, ich habe nichts hinzuzufügen.


VORSITZENDER: Nun dürfen Sie sprechen, Dr. Merkel.


DR. MERKEL: Ich möchte nur noch kurz betonen, daß diese Berichte, die hier vorgelegt werden, ja keine Berichte einer offiziellen Regierungsstelle sind und auch nicht als Regierungsberichte gewertet werden können, sondern, daß es lediglich Protokolle sind, die von Polizeistellen aufgenommen worden sind, also in keiner Weise irgendwie Erklärungen, authentische Erklärungen einer Regierung oder eines Untersuchungskomitees sein können. Ich betone noch einmal, daß diese Erklärungen, die vor kleinen Polizeirevieren, zum Teil sicherlich, aufgenommen wurden, nicht beeidigt sind und keine eidesstattliche Versicherung darstellen, und ich muß entschieden dagegen protestieren, daß sie hier als Beweismaterial verwertet werden.


VORSITZENDER: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?


DR. MERKEL: Nein.


VORSITZENDER: Wer ist Herr Binaud? T. Binaud?


M. DUBOST: Das ist der Polizeiinspektor, der dem Polizeikommissariat in St. Gingolf zugeteilt ist. Übrigens muß ich einen Fehler des Verteidigers bemerken, der sich äußerte, Gingolf sei ein kleines Revier. Es ist eine Grenzstelle, und die Grenzpolizeikommissariate sind alle bedeutende Polizeidienststellen, selbst wenn sie sich in kleinen Ortschaften befinden. Ich glaube, daß es in allen Ländern so ist.


VORSITZENDER: Herr Dubost, sind Sie sich darüber klar, was das Problem ist? Es ist eine Frage der Auslegung des Artikels 21.

M. DUBOST: Ich verstehe es ebenso, Herr Vorsitzender.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof braucht Ihre Hilfe in der Frage, ob dieses Dokument unter die Bestimmungen des Artikels 21 fällt. Wenn Sie irgendetwas über diese Angelegenheit zu sagen haben, werden wir es gern anhören.


M. DUBOST: Herr Vorsitzender, es scheint mir unmöglich, daß der Gerichtshof diesem Dokument und ähnlichen Dokumenten, die ich vorlegen möchte, keine Rechnung trägt, denn alle diese Dokumente tragen zur Bestätigung nicht nur die Unterschrift des[183] Vertreters Frankreichs vor diesem Gerichtshof, sondern auch die des Bevollmächtigten des Justizministers beim Ausschuß für Kriegsverbrechen. Prüfen Sie den Stempel, welcher sich neben der zweiten Unterschrift befindet. Das ist ein Siegel.


VORSITZENDER: Nicht so schnell. Sagen Sie uns, wo diese Unterschriften sind.


M. DUBOST: Hier ist, meine Herren: [auf das Dokument zeigend], ein Hinweis der Überreichung dieses Dokuments von der Untersuchungsstelle für feindliche Kriegsverbrechen als Beweismittel an die Französische Anklagebehörde und darunter die Unterschrift des Kabinettschefs des französischen Justizministeriums und Siegelbewahrers und noch auf dieser Unterschrift der Stempel des Justizministeriums. Sie lesen: »Untersuchungsstelle für feindliche Kriegsverbrechen«.


VORSITZENDER: Ist das der Kernpunkt der Angelegenheit, daß dies eine polizeiliche Untersuchung über diesen Tatbestand ist, daß diese Untersuchung niedergeschrieben wurde, und daß dann der Justizminister zur Verwendung bei diesem Prozeß diesen Polizeibericht annahm. Ist das der Kernpunkt der Angelegenheit?


M. DUBOST: So ist es! Herr Präsident, ich glaube, daß wir einig sind. Die Untersuchungsstelle für feindliche Kriegsverbrechen in Frankreich untersteht unmittelbar dem Justizminister und läßt Untersuchungen durchführen, die von Kriminalpolizeibeamten vorgenommen werden, wie zum Beispiel durch Monsieur Binaud, Polizeiinspektor im Polizeikommissariat von Saint Gingolf.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte wissen, wann die Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen geschaffen wurde.


M. DUBOST: Aus dem Gedächtnis kann ich Ihnen das genaue Datum nicht angeben, aber diese Dienststellen sind in Frankreich gleich nach der Befreiung eingesetzt worden. Sie arbeiteten ab Oktober 1944.


VORSITZENDER: Wurde sie also nach diesem Polizeibericht geschaffen?


M. DUBOST: Im Monat September, zur gleichen Zeit.


VORSITZENDER: Im September welchen Jahres?


M. DUBOST: Im September 1944 wurde die Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen in Frankreich geschaffen, und diese Dienststelle gab gewisse Anweisungen, nachdem sich die Provisorische Regierung in Frankreich eingesetzt hatte.


VORSITZENDER: Die polizeiliche Untersuchung wurde also unter dieser Dienststelle durchgeführt? Der Polizeibericht trägt das Datum vom 9. Oktober; infolgedessen scheint der Polizeibericht nach [184] der Einrichtung dieser Dienststelle gemacht worden zu sein. Ist das richtig?


M. DUBOST: Den Beweis dafür, Herr Präsident, haben Sie, wenn Sie oben links auf die zweite Seite sehen, wo der Anfang des Protokolls ist. Dort lesen Sie: »Betrifft: Untersuchung über die von Deutschen gegen die Zivilbevölkerung verübten Grausamkeiten.« Diese Untersuchungen wurden durch die Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen des Feindes eingeleitet.


VORSITZENDER: Es schiene richtig zu sein, wenn die Dienststelle im September eingerichtet worden wäre; der Polizeibericht stammt vom 9. Oktober.

Der Gerichtshof wird sich zur Beratung dieser Frage zurückziehen.


[Verhandlungspause.]


VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat die ihm vorgebrachten Argumente erwogen und ist der Ansicht, daß das Dokument, das von dem französischen Anklagevertreter vorgelegt worden ist, ein Dokument ist, das von einem Komitee zur Untersuchung der Kriegsverbrechen stammt, und daß es in den Rahmen des Artikels 21 des Statuts fällt. Die Tatsache, daß es nicht eidesstattlich versichert worden ist, schließt nicht aus, daß es ein unter den Artikel 21 fallendes Dokument ist, von dem der Gerichtshof amtlich Kenntnis zu nehmen hat. Die Frage seines Beweiswertes wird unter Artikel 19 des Statuts betrachtet werden müssen, daher wird das Dokument nach Artikel 19 und 21 des Statuts als Beweismaterial zugelassen, und der Protest des Verteidigers für die Gestapo wird abgelehnt.

Der Gerichtshof wünscht, daß alle Originaldokumente dem Generalsekretär des Gerichtshofs eingereicht werden, und daß, wenn sie im Gerichtssaal besprochen werden, die Originaldokumente zu dieser Zeit im Gerichtssaal zur Verfügung stehen.


RA. LUDWIG BABEL, VERTEIDIGER FÜR SS UND SD: Ich wurde dahin informiert, daß General Giraud und seine Familie möglicherweise auf Anordnung Himmlers nach Deutschland gebracht wurden, daß dieselben aber gut behandelt wurden und in einer Villa untergebracht waren, daß sie gesund nach Frankreich zurückgebracht wurden, daß es ihnen gut gegangen ist und heute noch gut geht.


VORSITZENDER: Erlauben Sie mir, Sie zu unterbrechen, aber der Gerichtshof beschäftigt sich jetzt nicht mit Fragen, die sich auf General Giraud und seine Familie beziehen. Können Sie mich hören?

Ich sagte eben, daß Sie einen Antrag in Zusammenhang mit der Deportation des Generals Giraud stellen und Tatsachen vorführen wollten – was Sie wenigstens als Tatsachen betrachten – die sich [185] auf diese Deportation beziehen. Der Gerichtshof beschäftigt sich jetzt nicht damit. Es ist bereits entschieden worden, daß er von den Tatsachen, die sich auf Giraud beziehen, nicht amtlich Kenntnis nehmen kann.


RA. BABEL: Ich war der Ansicht, daß vielleicht in dieser – ich war der Ansicht, daß durch meine Bemerkung vielleicht eine Klärung beim Herrn Anklagevertreter herbeigeführt werden könnte und dadurch die Verhandlungen in der Richtung abgekürzt werden könnten, vielleicht. Das war der Zweck meiner Anfrage.


VORSITZENDER: Ich weise nur darauf hin, daß wir uns jetzt mit dem Fall Giraud nicht beschäftigen.


M. DUBOST: Bitte, erlaubt mir der Gerichtshof, fortzufahren? Also: Es erscheint mir notwendig, auf den Beweis zurückzukommen, den ich schuldig bin.

Ich möchte zeigen, daß durch die einheitliche Art der Methoden der Folterungen, die in jedem Polizeibüro angewandt wurden...


VORSITZENDER: Sind Sie mit dem Dokument fertig, das wir eben zugelassen haben?


M. DUBOST: Jawohl, Herr Vorsitzender, ich bin jetzt fertig und werde weitere Dokumente verlesen. Aber zuerst möchte ich die Beweise, die ich heute Vormittag durch Verlesung dieses Dokuments erbringen möchte, kurz zusammenfassen.

Ich sagte eben, daß ich zeigen möchte, daß wir aus dem einheitlichen Charakter der von allen deutschen Polizeistellen den verhörten Gefangenen zugefügten Mißhandlungen das Vorhandensein einer gemeinsamen Richtlinie feststellen, von der wir Ihnen einen direkten Beweis nicht erbringen können, wie wir ihn gestern im Zusammenhang mit den Geiseln bringen konnten, indem wir Ihnen zum Beispiel von Keitel unterzeichnete Schriftstücke vorlegten. Wir müssen einen anderen Beweis führen, der aber ebenso sicher ist, denn dieses einheitliche Verfahren gegenüber allen Gefangenen setzt eine gemeinsame Richtlinie voraus, die uns zum Chef der Deutschen Polizei führt, das heißt zum Mittelpunkt der Deutschen Regierung, der die Angeklagten angehörten.

Dieses Dokument F-555, RF-302, das ich vorgelesen habe, bezieht sich auf Mißhandlungen von Gefangenen im Fort Montluc in Lyon.

Ich gehe nun zu Dokument F-556 über, das wir unter RF-303 einreichen. Es bezieht sich auf das Regime in den Gefängnissen von Marseille. Es handelt sich um das Protokoll der militärischen Sicherheitsstelle in Vaucluse, und betrifft die von den Deutschen an politischen Häftlingen begangenen Gewalttaten. Dieses Protokoll enthält die schriftliche Aussage des Monsieur Mousson, Leiter eines Erkennungsdienstes, der am 16. August 1943 verhaftet und dann am [186] 30. August 1943 in das Gefängnis Saint-Pierre, Marseille, überführt wurde.

Wir lesen im letzten Absatz der ersten Seite des Dokuments:

»Am 30. August wurden wir in das Gefängnis Saint Pierre in Marseille überführt und dem Saal P zugeteilt. Dieser Saal war 25 m lang, 5 m breit, in dem 75, oft 80 Mann hineingepfercht wurden. Zwei Strohsäcke für 3 Personen. Außerdem herrschte ein furchtbarer Schmutz: Läuse, Flöhe, Wanzen. Die Nahrung war ungenießbar. Für nichts wurden Kameraden geschlagen und 2 oder 3 Tage lang ohne Nahrung in Zellen gesperrt.«

Auf der folgenden Seite der vierte Abschnitt:

»Am 15. Mai wurde ich wieder gefangengenommen, und zwar auf eine ziemlich unmenschliche Art und Weise nach dem Gefängnis Sainte-Anne gebracht.«

Fünfter Abschnitt, dieselbe Seite:

»Lebensbedingungen in Sainte-Anne: Jämmerliche Hygiene, die Ernährung erfolgte durch die National-Hilfe-Organisation.«

Weiter, folgende Seite, zweiter Absatz:

»Lebensbedingungen im Gefängnis Petites-Beaumettes: Die Nahrung genügte gerade noch, um nicht zu sterben, keine Pakete, das Rote Kreuz gibt viel, jedoch wir bekommen sehr wenig...«

Es handelt sich, ich wiederhole es, um ein Gefängnis, das ausschließlich von den Deutschen kontrolliert war.

Über die Lebensbedingungen im Gefängnis Poitiers reiche ich das Dokument F-558 unter RF-304 ein. Diesem Dokument ist noch ein anderes hinzugefügt, letzte Seite, es ist ein Bericht vom 18. Oktober 1944 aus dem amerikanischen Informationsdienst in Paris, Presseabteilung.

Der Gerichtshof muß wissen, daß alle diese Berichte zu den Dokumenten gehören, die von der französischen Dienststelle zur Untersuchung von Kriegsverbrechen eingereicht wurden. Wir lesen unter Ziffer 2:

»Herr Claeys wurde am 14. Dezember 1943 von der Gestapo verhaftet und im Gefängnis ›Pierre Levée‹ bis zum 26. August 1944 festgehalten.«

Abschnitt 3:

»... Während seiner Gefangenschaft verlangte er als Kriegsverletzter eine Matratze. Man sagte ihm, daß er nach einem Geständnis eine erhalten werde. Er mußte auf dem Boden auf einer 2 cm hohen Strohschicht schlafen. 7 Männer in einem Raum von 4 m Länge, 2 m Breite und 2.80 m Höhe. 20 Tage ohne die Zelle zu verlassen. Durch seine Wunden war [187] das W. C. sehr unbequem für ihn. Die Deutschen verweigerten, irgend etwas dafür zu tun.«

Absatz 4b:

»Ein anderer wog 120 kg, er verlor 30 kg in einem Monat. Er war einen Monat lang in Einzelzelle, wurde dort gefoltert und starb infolge der durch die Folterungen entstandenen Wunden an Wundbrand an den Beinen nach einem 10-tägigen Todeskampf, verlassen und ohne Hilfe.«

Absatz 5:

»Folgende Marterungen wurden angewandt: Das Opfer wurde mit an dem rechten Bein gebundenen Händen niedergebeugt gehalten, dann zu Boden geworfen und mit einem Ochsenziemer 20 Minuten geschlagen. Wenn der Mann ohnmächtig wurde, warf man ihm einen Eimer Wasser ins Gesicht. Damit wollte man ihn zum Sprechen bringen.

Herr Francheteau wurde in einem Zeitraum von 6 Tagen 4 Tage auf diese Weise geschlagen. Der Patient wurde nicht gebunden. Wenn er hinfiel, zog man ihn an den Haaren hoch und es ging weiter.«

»In anderen Fällen wurde das Opfer nackend in eine besondere Strafzelle gebracht, die Hände wurden an einem Eisengitter über seinem Kopf festgebunden. Dann wurde er geschlagen, bis er sich entschloß zu sprechen.

b) Dieses Verfahren war nicht so üblich, aber Herr Claeys hat Freunde, die elektrischen Folterungen beigewohnt haben; ein elektrischer Draht war an den Füßen des Opfers angebracht und ein anderer Draht an verschiedenen Körperteilen.«

Absatz 6:

»Die Folterung war umso schlimmer, als in den meisten Fällen die Deutschen gar keine genauen Ideen über die einzuholenden Auskünfte hatten und aufs Geratewohl marterten.«

Ganz am Ende die fünf letzten Zeilen:

»Ein Folterungsverfahren bestand in dem Aufhängen des Opfers an den auf den Rücken gebundenen Händen bis zur völligen Ausrenkung der Schul tern. Dann wurden die Fußsohlen mit Rasierklingen zerschnitten und die Opfer gezwungen, auf Salz herumzugehen.«

Die Gefängnisse in Nordfrankreich beschreibt Dokument F-560. Wir reichen es unter RF-305 ein. Es stammt auch aus der amerikanischen Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen. Auf Seite 1, unter A, lesen Sie den Hauptbericht von Professor Paucot über die deutschen Greueltaten in Nordfrankreich und in Belgien. Dieser Bericht erstreckt sich hauptsächlich auf die Tätigkeit der Deutschen [188] Polizei in Frankreich: Arras, Béthune, Lille, Valenciennes, Malo-les-Bains, La Madeleine, Quinci und Loos; in Belgien: Saint-Gilles, Fort De Huy und Camp de Beverloo. Diesem Bericht sind 73 Zeugenaussagen von Opfern beigefügt. Es folgert aus der Prüfung dieser Zeugenaussagen, daß die Unmenschlichkeit und Barbarei, welche im Verlaufe von Verhören angewandt wurden, in den verschiedenen angeführten Ortschaften immer die gleichen waren.

Diese Synthese, von der ich eben sprach, ist in diesem amerikanischen Bericht dargestellt. Ich glaube, daß wir uns darüber nicht länger auszulassen brauchen, denn diese Synthese wird auf der ersten Seite bejaht. Im übrigen kann ja der Gerichtshof auf den Seiten 4, 5, 6 und 7 eine ausführliche Schilderung der systematischen Folterungen lesen, die alle gleichermaßen von den Deutschen angewandt wurden, um Geständnisse zu erpressen. Auf Seite 5, fünfter Abschnitt, lesen Sie:

»Ein Gefangener, der... einen Fluchtversuch machte und wieder ergriffen wurde, wurde in seiner Zelle wütenden Polizeihunden ausgeliefert, die ihn zerfetzten.«

Dies ist noch Seite 17, zweiter Absatz im deutschen Text, Seite 14 im französischen Text, und gibt den Bericht von Herrn Prouille wieder. Ich werde diesen Teil ausnahmsweise verlesen, wegen der darin erwähnten Tatsachen. Ich zitiere:

»Ich wurde von den deutschen Gerichten wegen Waffenbesitzes zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt und nachdem ich Bekanntschaft mit den Gefängnissen von Arras, Béthune und Loos gemacht hatte, wurde ich nach Deutschland verschleppt.

Infolge schlechter Behandlung in Ostpreußen mußte ich meine Augen untersuchen lassen. Man führte mich ins Revier; ein deutscher Arzt ließ mir Tropfen in die Augen träufeln. Einige Stunden später wurde ich nach furchtbaren Schmerzen blind. Ich verbrachte einige Tage im Gefängnis von Fresnes und wurde dann in die Augenklinik ›Quinze-Vingt, Paris‹ überführt. Professor Guillemat, der mich untersuchte, bestätigte, daß man mir mit einer ätzenden Flüssigkeit die Augen ausgebrannt hat.«

Unter F-561 werden wir ein Dokument verlesen, welches auch von der amerikanischen Untersuchungs stelle für Kriegsverbrechen stammt. Wir legen es als RF-306 vor. Auf Seite 2 wird der Gerichtshof den Beweis finden, daß Herr Herrera Marterungen an zahlreichen Personen beigewohnt hat, und daß er einen Polen namens Riptz gesehen hat, dessen Fußsohlen gebrannt wurden. Späterhin wurde der Schädel dieses Polen mit einem Schraubenschlüssel eingeschlagen. Nachdem er geheilt war, wurde er erschossen.

»Dem Major Grandier, der im Weltkrieg 1914 einen Beinbruch erlitten hatte, wurde von den Vernehmenden angedroht, [189] daß ihm auch sein zweites Bein gebrochen werden würde, was dann auch geschah. Da er infolge einer Spritze fast wahnsinnig geworden war, ließen ihn die Deutschen verschwinden.«

Wir wollen selbstverständlich so viel Zeit wie möglich sparen, aber der Gerichtshof müßte wirklich diese offiziellen amerikanischen Berichte vollständig zur Kenntnis nehmen, denn sie zeigen alle sehr genau, wie diese Folterungen von den verschiedenen deutschen Polizeistellen in zahlreichen Gegenden Frankreichs durchgeführt wurden, und sie weisen auch ganz genau die Einheitlichkeit der angewandten Methoden auf.

Das folgende Dokument F-571 reichen wir dem Gerichtshof als RF-307 ein. Wir verlesen daraus nur einen Absatz von vier Zeilen, auf Seite 36, der dritte Absatz von unten; Seite 31 des französischen Textes. Herr Robert Vanessche, wohnhaft in Tourcoing, erklärt:

»Ich wurde am 22. Februar 1944 zu Mouseron (Belgien) von der Gestapo in Zivil verhaftet. Als sie mich verhörten, waren sie in Uniform.«

Ich überspringe einen Absatz:

»Ich wurde zum 2. Mal im deutschen Zentralgefängnis in Gent verhört und blieb dort 31 Tage. Dort wurde ich 2 oder 3 Stunden lang in eine Art Holzsarg eingeschlossen, wo man nur durch 3 in die Decke gebohrte Löcher atmen konnte.«

Seite 38 desselben Dokuments, Seite 31 des französischen Textes: Herr Marcel Remy, wohnhaft in Armentieres, erklärt:

»Ich wurde am 2. Mai 1944 in Armentieres verhaftet und am selben Tag ungefähr gegen 3.00 Uhr nach La Madeleine zum Gestapo-Hauptquartier, 18, Rue François-Debat, gebracht. Ich wurde zweimal vernommen. Das erste Verhör dauerte eine Stunde, ich lag auf dem Bauch und empfing ca. 120 Hiebe mit einem Ochsenziemer.

Das zweite Verhör dauerte etwas länger; es war wieder dasselbe, ich lag auf dem Bauch und empfing Hiebe. Da ich nichts sagen wollte, zog man mich aus und setzte mich in eine Badewanne. Am 5. Mai wurde ich in Loos verhört. An diesem Tage hat man mich an den Füßen aufgehängt und Hiebe regneten auf meinen ganzen Körper. Da ich immer noch schwieg, wurde ich abgebunden und noch mals auf den Bauch gelegt. Da ich vor Schmerzen schrie, traten sie mir mit den Stiefeln ins Gesicht; Ergebnis: 17 ausgebrochene Zähne.«

Es folgen die Namen von zwei Folterknechten. Sie interessieren uns hier nicht.

Wir wollen hier nur beweisen, daß überall die Folterer dieselben Methoden anwandten. Und sie konnten das nur in Ausführung von Befehlen, die ihnen ihre Vorgesetzten gegeben hatten, tun.

[190] Seite 41: Zeugenaussage von Herrn Guerin:

»Da ich nichts gestehen wollte, band mir einer der Verhörer mein Halstuch um den Mund, um meine Schreie zu ersticken. Ein anderer deutscher Polizeibeamter nahm meinen Kopf zwischen seine Beine und zwei weitere, beiderseits von mir, verabreichten mir 25 Hiebe mit einem Knüppel auf mein Kreuz, jedesmal, wenn ich log. Diese Sitzung dauerte über 2 Stunden. Am folgenden Morgen fingen sie wieder an, und zwar ebensolange, wie am Tage vorher. Man unterzog mich diesen Mißhandlungen, weil ich am 11. November als Kundgebung einen Kranz vor dem Denkmal der Toten des Krieges 1914-1918 niedergelegt hatte...«

Seite 42 ein Bericht von Herrn Alfred Deudon. Hier ist eine Schilderung der Mißhandlungen, die er erlebte:

»18. August hat man mir die Weichteile mit Hammerschlägen verletzt,

19. wurde ich in die Badewanne getaucht,

20. wurde mir der Kopf mit einem Eisenring zusammengepreßt,

21. und 24. war ich Tag und Nacht angekettet,

26. August nochmals Tag und Nacht angekettet und einige Zeit an den Armen aufgehängt.«

Seite 44: Aussagen des Herrn Deltombe, der am 14. Juni 1944 von der Gestapo verhaftet worden war.

Ich lese Absatz 2:

»Am 15. Juni, 8.00 Uhr morgens, wurde ich zum Folterkeller geführt. Sie forderten das Eingeständnis der Sabotageaktion, die ich mit meinen Gruppen ausgeführt hatte. Ich sollte meine Kameraden sowie unsere Zufluchtstätten angeben. Weil ich nicht schnell genug antwortete, begann die Folterung; sie legten mir besondere Handschellen an, die Hände hinter dem Rücken und hingen mich mit den Handgelenken auf. Dann schlugen sie mich mit einem Ochsenziemer, besonders ins Kreuz und ins Gesicht. Diese Folterungen dauerten an diesem Tag 3 Stunden.

Am Freitag, den 16. Juni, geschah nochmals das gleiche, dauerte aber nur 1 1/2 Stunden, da ich erschöpft war, und sie mich auf einer Bahre in meine Zelle zurückbrachten.

Am Samstag abermals noch schlimmere Folterungen. Da mußte ich meine Sabotagehandlungen eingestehen, denn die Unmenschen stießen mir Nadeln in die Arme. Sie ließen mich von nun an bis zum 10. August in Ruhe. Dann rief man mich in die Schreibstube, um mir mitzuteilen, daß ich zum Tode verurteilt wäre.

[191] Man schickte mich nach Brüssel, wo ich am 8. September aus dem Verschlepptenzug von Patrioten aus Brüssel befreit wurde.«

Seite 50:

»Die Frauen waren den gleichen Mißhandlungen ausgesetzt wie die Männer. Neben den körperlichen Folterungen erfreuten sich ihre sadistischen Henkersknechte besonders daran, wenn sie sahen, daß eine Frau oder ein junges Mädchen, welche nackt ausgezogen wurden, sich schämten. Sogar vor schwangeren Frauen hielten sie mit Schlägen nicht zurück. Und wenn die Frauen unter den Unmenschlichkeiten niederkamen, ließ man sie ohne Pflege, und setzte sie allen Zufällen und allen Komplikationen dieser Zwangsgeburt aus.«

Dies ist der Text einer Zusammenfassung, welcher von dem amerikanischen Offizier verfaßt wurde, der diese Untersuchung leitete.

Der Gerichtshof wird auf Seite 53 die Erklärung von Madame Sindemans finden, die in Paris am 24. Februar 1944 von vier Soldaten, jeder mit einer Maschinenpistole bewaffnet, und von zwei deutschen Zivilisten mit Revolvern in der Faust, verhaftet wurde:

»Indem sie meine Handtasche untersuchten, fanden sie drei Identitätskarten. Dann entdeckten sie in meinem Zimmer die Stempel der Kommandantur sowie auch Ausweispapiere, Ausweiskarten deutscher Arbeiter, die ich ihnen am Vortage gestohlen hatte.«

»... Sie legten mir sofort Handschellen an und führten mich zu einem Verhör ab. Da ich keine Antwort gab, schlugen sie mich derart gewaltig ins Gesicht, daß ich vom Stuhl fiel. Sie schlugen mich mit einem Gummiknüppel mitten ins Gesicht. Dieses Verhör begann um 10.00 Uhr morgens und endete erst abends 11.00 Uhr. Ich muß hinzufügen, daß ich im dritten Monat schwanger war.«

Jetzt legen wir die Dokumente F-563 und auch F-564, beide unter der einzigen Nummer RF-308 vor. Es handelt sich um einen Bericht über die Greueltaten der Gestapo in Bourges. Ich werde einen Teil dieses Berichts vorlesen.

VORSITZENDER: M. Dubost, wie beweisen Sie die Identität dieses Dokuments. Es scheint der Bericht von M. Marc Toledano zu sein?

M. DUBOST: Das ist richtig, Herr Präsident. Dieser Bericht wurde zusammen mit den anderen Dokumenten dem der französischen Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen hinzugefügt. Das wird durch die offiziellen Unterschriften von Herrn Zambeaux bewiesen und offiziell auf dem Original bestätigt, welches sich in den Händen des Gerichtssekretärs befindet. Wir werden Seite 5 verlesen, dies ist die erste Seite des Originaltextes:

[192] »Ich, Unterzeichnete, Madame Bondoux, Aufseherin des Gefängnisses von Bourges, bescheinige, daß 9 Männer, meistens junge Leute, eine schändliche Behandlung erlitten haben, indem sie 15-20 Tage lang mit auf dem Rücken gebundenen Händen und geketteten Füßen blieben, und indem es ihnen vollkommen unmöglich war, normal Nahrung zu sich zu nehmen. Sie schrien vor Hunger. Durch diesen Zustand veranlaßt, drückten mehrere kriminelle Häftlinge den Wunsch aus, diesen Märtyrern zu helfen, indem sie kleine Päckchen, die sie von ihren Rationen absparten, verfertigten, die ich dann abends herüberbrachte.

Ein gewisser deutscher Aufseher, den ich unter dem Vornamen Michael kannte, warf ihnen ihr Brot in eine Ecke der Zelle und ging nachts hinauf, um sie zu schlagen.

Alle diese jungen Leute wurden am 20. November 1943 erschossen.

Andererseits sagte mir eine Frau Hartwig, welche, ich glaube, in Chevannes (Cher) wohnt, daß sie 4 Tage lang auf einem Stuhl festgebunden war. Auf alle Fälle habe ich festgestellt, daß diese Person einen völlig zerschlagenen Körper hatte.«

Wir lesen in der Erklärung des Herrn Labussiere, Hauptmann d. R., Schullehrer in Marseille-Les-Aubigny:

»Am 11. Mai wurde ich zweimal mit einem Ochsenziemer geschlagen. Zum Empfang der Schläge, mußte ich mich über eine Bank beugen, so daß so wohl die Muskeln der Schenkel als auch die der Waden angespannt waren. Erst empfing ich 30 Schläge mit einem dicken Ochsenziemer, später wurde die Prozedur mit einem anderen Instrument fortgesetzt, welches am Ende eine Schnalle hatte. Ich wurde auf das Hinterteil, auf die Schenkel und auf die Waden geschlagen.

... Mein Folterer hieß mich die Beine spreizen, Endlich hörte er auf, indem er mir mit einem sehr feinen Ochsenziemer noch etwa 20 Schläge versetzte. Als ich mich wieder aufrichtete, wurde ich schwindelig und fiel zu Boden. Ich wurde mit Fußtritten immer wieder hochgebracht. Unnötig zu sagen, daß die Handfesseln von meinem Handgelenk nie abgenommen wurden.«

Ich zaudere etwas, das übrige dieser Zeugenaussage vorzulesen. Ich gehe auf Seite 7 über, die dritte Zeile von unten. Die vorhergehenden Einzelheiten sind furchtbar.

»... Am 12. um 10.00 Uhr, nachdem er eine Frau geschlagen hatte, kam Paoli zu mir und sagte: ›Hund, hast du denn kein Herz, soeben habe ich deine Frau geschlagen und werde [193] es so lange fortsetzen, solange du nichts aussagst.‹ Er wollte von mir die Treffpunkte und die Namen der Kameraden wissen.«

Nächste Zeile:

»Am 14. um 18.00 Uhr wurde ich wiederum in die Folterkammer geführt. Ich konnte mich nicht mehr schleppen. Bevor Paoli mich eintreten ließ, sagte er zu mir: ›Ich gebe dir 5 Minuten Zeit, um all das zu sagen, was du weißt. Wenn du in 5 Minuten nichts gesagt hast, wirst du um 3.00 Uhr, deine Frau um 6.00 Uhr erschossen und dein Kind wird nach Deutschland verschickt‹.«

Seite 9: Nachdem das Verhör unterzeichnet war, sagte ihm der Deutsche:

»Schau dein Gesicht an, du siehst, was man aus einem Menschen in 5 Tagen machen kann. Du hast noch nicht alles gesehen.« Und er fügte hinzu: »Jetzt verschwinde, du verpestest uns.«

Der Zeuge schließt:

»Tatsächlich war ich mit Dreck vom Kopf bis zum Fuß bedeckt. Man ließ mich in einen Wagen steigen und brachte mich in meine Zelle zurück... Während dieser 5 Tage hatte ich sicherlich mehr als 700 Schläge mit dem Ochsenziemer erhalten.«

Ein großer Bluterguß war auf seinem Gesäß entstanden. Er mußte von einem Arzt operiert werden. Seine Mitgefangenen mieden ihn, denn er roch schlecht, sein Körper war infolge der Mißhandlungen von Geschwüren bedeckt. Als er am 24. November verhört wurde, hatte er sich noch nicht erholt.

Seine Aussagen beendet er mit einer allgemeinen Angabe über Foltermethoden:

»1. Ochsenziemer.

2. Badewanne. Der Gefolterte wurde zuerst mit dem Kopf in eine mit kaltem Wasser gefüllte Badewanne bis zur Erstickung getaucht. Daraufhin un terzog man ihn künstlicher Atmung. Wenn er nicht aussagte, wurde diese Behandlung mehrfach wiederholt. Mit den nassen Kleidern verbrachte er die Nacht in einer kalten Zelle.

3. Elektrischer Strom: Die Pole wurden zuerst an die Hände, dann an die Füße, die Ohren und endlich einer in den After und der andere an das Ende des männlichen Gliedes angebracht.

4. Zerschmetterung der Hoden mittels einer dazu hergestellten Presse, das Abdrehen der Hoden war häufig.

[194] 5. Aufhängen: Der Patient wurde mit Handfesseln auf dem Rücken festgebunden, ein Haken an die Handfesseln befestigt, und mittels einer Rolle wurde das Opfer hochgezogen. Zu Beginn zog man ihn hoch und ließ ihn ruckweise herunterfallen. Schließlich ließ man ihn längere oder kürzere Zeit hängen. Sehr oft waren die Arme ausgerenkt. Ich habe im Lager den Leutnant Lefevre gesehen, der den Gebrauch seiner beiden Arme eingebüßt hatte, da er über 4 Stunden auf diese Art aufgehängt worden war.

6. Verbrennungen mittels einer Lötlampe oder Streichhölzern.

Am 2. Juli kam im Lager mein Kamerad Laloue, Lehrer in Cher, an, der den größten Teil dieser Folterungen in Bourges erlitten hatte. Er hatte einen ausgerenkten Arm und konnte infolge des Aufhängens keinen einzigen Finger der rechten Hand bewegen. Er hatte sowohl den Ochsenziemer als auch die Elektrizität ertragen. Er war mit Streichhölzern gebrannt worden: Man hatte ihm unter sämtliche Finger- und Fußnägel abgeschnittene Streichhölzer hineingestoßen. Seine Handgelenke und Knöchel wurden mit Wattebändern umwunden. Diese, wie auch die Streichhölzer, wurden angezündet. Während alles brannte, stach ihn ein Deutscher mehrere Male mit einem spitzigen Messer in die Fußsohle, während ihn ein anderer mit einem Ochsenziemer schlug. Durch die Phosphorbrandwunden waren einige Finger bis zum 2. Glied abgefressen. Geschwüre, welche sich gebildet hatten, sprangen von selbst auf und retteten ihn so von einer Blutvergiftung.«

Wir verlesen das folgende Protokoll, unterzeichnet von Herrn Magnon, einem der Generalstabschefs der französischen Inneren Streitkräfte, welche das Departement Cher befreiten. Die Unterschrift ist von amtlichen französischen Behörden beglaubigt.

»Nach der Befreiung von Bourges hat am 6. September 1944 eine Inspektion in den Gestapokellern ein Folterinstrument entdeckt. Es ist ein Armband, das aus mehreren Hartholzkugeln, die mit Stahlspitzen versehen sind, zusammengesetzt ist. Eine besondere Vorrichtung gestattete, das Armband um die Handgelenke des Patienten zu verengen. Dieses Armband wurde von zahlreichen Soldaten und Chefs des Marquis von Manetou-Salon gesehen.

Es befand sich in den Händen des Oberfeldwe bels Neuilly, z. Zt. im 1. Bataillon der 34. Halb- Brigade.

Eine Skizze ist dieser Erklärung beigefügt. Der Unterzeichnete, Major Magnon, bescheinigt, das oben beschriebene Instrument gesehen zu haben.«

[195] Wir überreichen nunmehr dem Gerichtshof das Dokument F-565. Es stammt aus den militärischen Sicherheitsstellen des Departements Vaucluse. Es wird Beweisstück RF-309. Es zeigt eine Wiederholung der gleichen Methoden, und ich glaube nicht, daß wir dabei verweilen müssen.

Ich wende mich nun dem Dokument F-567 zu, das ich als Beweisstück RF-310 vorlege. Es bezieht sich auf die Folterungen, wie sie von den deutschen Polizeibehörden in Besangen ausgeübt wurden. Es handelt sich um die Aussagen des Herrn Dommergues, Professor in Besançon. Diese Aussage wurde von der amerikanischen Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen, von Hauptmann Miller, aufgenommen. Wir lesen in der Aussage des Prof. Dommergues folgendes: Am 11. Februar 1944 verhaftet. Während des Verhörs mit einem Ochsenziemer heftig geschlagen. Als eine Frau, die gefoltert wurde, Schreie ausstieß, sagte man Herrn Dommergues, daß es seine eigene Frau wäre. Er sah einen Kameraden hängen, mit einem Gewicht von 50 kg an jedem Fuß, einem anderen waren Stecknadeln in die Augen eingestochen. Ein Kind wurde völlig stumm.

Dies sind die Hauptzüge eines Berichts der amerikanischen Untersuchungsstelle für Kriegsverbrechen, so, wie sie aus der Aussage des Herrn Dommergues hervorgehen. Diesem Dokument ist ein zweiter Teil, Dokument F-567 b beigefügt. Ich werde von den Seiten 3, 4, 5, 6 und 7 dieses Dokuments verlesen; auf Seite 9 des deutschen Textes:

VORSITZENDER: Ein Mitglied des Gerichtshofs hat ein Dokument ohne Nummernbezeichnung, und ich möchte wissen, auf welche Aussage Sie sich berufen. Ist sie von Dr. Gomet?

M. DUBOST: Jawohl, Herr Vorsitzender, sie ist von Dr. Gomet. Übrigens handelt es sich um keine Aussage, sondern um einen Brief von Dr. Gomet, der Sekretär und Ratsmitglied des Departements Doubs war und der nationalen Ärztekammer angehörte. Er richtete diesen Brief am 11. September 1943 an den Chefarzt der Feldkommandantur Besançon. Der Text des Briefes lautet folgendermaßen:

»Herr Chefarzt und werter Kollege,

ich übermittle Ihnen beiliegend die Note, welche ich auf Ihr Ansuchen verfaßte und an meine Departementskollegen in einem Rundschreiben vom 1. September richtete. Mein Gewissen drängt mich, wegen einer anderen Sache an Sie heranzutreten. Kürzlich habe ich einen Franzosen behandelt, dessen zahlreiche Wunden und Blutunterlau fungen im Gesicht und am Körper durch Folterapparate verursacht wurden, deren sich der deutsche Sicherheitsdienst bedient. Es handelt [196] sich um einen vollkommen ehrbaren Mann, einen hohen Beamten des Französischen Staates. Er wurde verhaftet, weil man ihn für fähig glaubte, gewisse Aussagen zu machen. Es lag nichts gegen ihn vor, wie durch seine Entlassung nach dem unterzogenen Verhör und einigen Tagen Haft bewiesen wurde.

Die Folterung wurde ihm also nicht aus strafrechtlichen oder Selbstverteidigungsgründen, sondern zu dem einzigen Zweck auferlegt, ihn unter Ausübung von Gewalt und durch Schmerzen zum Sprechen zu bringen.

Als Vertreter der französischen Ärzteschaft verpflichtet mich mein Gewissen und mein Amt, Sie von dem zu unterrichten, was ich in Ausübung meines Berufes als Arzt feststellen konnte. Ich appelliere an Ihr ärztliches Gewissen und frage Sie, ob es auf Grund der jedem Arzt gestellten Aufgabe, die Gesundheit seiner Mitmenschen zu schützen, nicht unsere Pflicht wäre, einzuschreiten.«

Er muß eine Antwort des deutschen Arztes erhalten haben, denn Dr. Gomet richtete einen zweiten Brief an ihn, dessen Text wie folgt lautet:

»Herr Chefarzt und werter Kollege,

Sie erinnern sich an die Tatsache, die ich in meinem Schreiben vom 11. September 1943 über die vom deutschen Sicherheitsdienst im Laufe des Verhörs eines von mir später behandelten französischen Beamten benützten Folterapparate dargelegt habe. Sie ersuchten mich verständlicherweise, die fragliche Person persönlich untersuchen zu dürfen. Ich habe Ihnen bereits anläßlich meines kürzlichen Besuches gesagt, daß ich bei Ihnen ohne Wissen meines Patienten vermittelt habe, und daß ich nicht weiß, ob dieser mir erlaubt, seinen Namen bekanntzugeben.

Ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich die Verantwortung für diesen Schritt allein auf mich nehme, daß die Person selbst, bei der ich durch Ausübung meines Berufes die Ihnen geschilderten Tatsachen persönlich feststellen konnte, mit diesem Bericht nichts zu tun hat; daß es sich um eine rein berufliche Frage handelt, und daß mein ärztliches Gewissen mich dazu verpflichtet, sie Ihnen zur Kenntnis zu bringen. Ich will dabei sagen, daß ich nur das ausspreche, was ich mit Sicherheit gesehen habe und ich mich als Ehrenmann, als Arzt und Franzose für die Wahrhaftigkeit meiner Aussage verbürge.

Mein Patient wurde seitens des deutschen Sicherheitsdienstes in den letzten Tagen des Monats August 1943 zwei Verhören unterzogen. Ich untersuchte ihn am 8. September 1943, d.h. ungefähr 10 Tage nachdem er aus dem Gefängnis kam, woselbst er vergebens um ärztlichen Beistand ersucht[197] hatte. Er hatte noch eine Blutunterlaufung am linken Augenlid und Schwellungen in der rechten Schläfengegend; er sagte, daß diese durch eine ringartige Vorrichtung, die man ihm auf den Kopf gesetzt hatte, und auf die man mit kleinen Keulen schlug, hervorgerufen wurden. Er hatte Blutunterlaufungen an den Handrücken, nach seinen Angaben waren diese in einen Schraubstock gelegt worden. Er hatte noch auf der Vorderseite der Beine Narbenkrusten, kleine, oberflächliche Wunden, die, wie er sagte, durch Schläge mittels biegsamer, mit kleinen Spitzen versehener Ruten, hervorgerufen worden waren.

Ich kann selbstverständlich nicht behaupten, auf welche Art die festgestellten Blutunterlaufungen und Wunden hervorgerufen wurden. Ich betone aber, daß sie durch ihr Aussehen durchaus mit den mir gemachten Erklärungen übereinstimmen. Es wird Ihnen leicht sein, Herr Chefarzt und werter Kollege, zu erfahren, ob Apparate, die der obigen Schilderung entsprechen, tatsächlich vom deutschen Sicherheitsdienst verwendet werden.«

Ich übergehe den Rest.

VORSITZENDER: Ich möchte den Anklagevertretern und den Verteidigern bekanntgeben, daß der Gerichtshof morgen keine öffentliche Sitzung abhält. Er hat eine Reihe von Verwaltungsangelegenheiten zu besprechen.

Wir werden uns nun auf 2.00 Uhr vertagen.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 6, S. 178-199.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon