Vormittagssitzung.

[567] VORSITZENDER: Ich habe eine Ankündigung zu machen und will es der Reihe nach in Form von Paragraphen tun.

Paragraph 1): Der Gerichtshof kann Paragraph 1 des Antrags der Anklagebehörde vom 11. Februar 1946 zu den Beweisen der Angeklagten nicht annehmen, ordnet jedoch an, daß auf Grund des Artikels 24d) des Statuts die Verteidigung ihre Beweise auf das Material zu beschränken hat, das zur Entkräftung der Beschuldigungen der Anklageschrift nötig ist.

Der Gerichtshof wird seine Entscheidung über die Absätze 2 bis 5 des Antrags der Anklagebehörde später verkünden.

Paragraph 2): Hinsichtlich der Namhaftmachung von Zeugen und so weiter durch die Verteidigung auf Grund des Artikels 24d) des Statuts, auf den in Absatz 1 der Note von Dr. Stahmer an den Gerichtshof vom 4. Februar 1946 Bezug genommen wird, macht der Gerichtshof folgende Vorschrift bekannt:

Um zu vermeiden, daß durch Beibringung von Zeugen und Herbeischaffung von Dokumenten eine Verzögerung entsteht, wird ohne Präjudiz für das Recht der Angeklagten, nach Beendigung der Vorträge der Anklagebehörde weitere Anträge zu stellen, den Verteidigern der Angeklagten Göring, Heß, Ribbentrop und Keitel aufgeben, dem Generalsekretariat bis Donnerstag, den 21. Februar 1946, 5.00 Uhr nachmittags, schriftliche Erklärungen einzureichen, die die Namen der Zeugen und den Inhalt der Dokumente enthalten, die sie vorladen beziehungsweise vorlegen wollen, und zwar mit einer Zusammenfassung der Tatsachen, die damit bewiesen werden sollen und mit einer Erklärung über deren Bedeutung.

Der Gerichtshof ordnet eine öffentliche Sitzung auf Samstag, den 23. Februar 1946, 10.00 Uhr vormittags an, in der die Stellungnahme zu diesen Erklärungen vorgetragen werden kann.

Paragraph 3): Der Gerichtshof wird Anordnungen über die Einbringung ähnlicher Erklärungen für die anderen Angeklagten zu gegebener Zeit treffen.

Paragraph 4): Der Gerichtshof wird später bekanntgeben, welche Entscheidung er über die anderen in Dr. Stahmers Memorandum vorgebrachten Dinge gefällt hat.

Der Gerichtshof wird nunmehr den Antrag der Verteidiger auf Vertagung hören.


[567] PROFESSOR DR. HERBERT KRAUS, STELLVERTRETENDER VERTEIDIGER FÜR DEN AN GEKLAGTEN SCHACHT: Professor Kraus für die Verteidigung. Die Verteidiger sind dankbar für die ihnen vom Gerichtshof gegebene Gelegenheit, den von ihnen am 4. Februar eingereichten Antrag auf eine Unterbrechung der Verhandlungen nach Abschluß der Anklage näher zu begründen.

Dieser Antrag bildet den Abschluß einer Reihe von Vorschlägen, mit denen die Verteidigung einen einfachen, klaren und möglichst schnellen Ablauf ihrer Beweisaufnahme anstrebt. Dieser Antrag bedarf nach unserer Auffassung nur in wenigen Punkten noch näherer Ausführungen.

Die Anklage lautet gegen alle Angeklagten auf Teilnahme an einer Verschwörung. Das soll anscheinend bedeuten, daß jede im Laufe dieses Verfahrens von der Anklage vorgeworfene Handlung – ganz gleichgültig, von wem sie begangen ist und wem sie bekannt war – jedem dieser Angeklagten zur Last gelegt wird, und daß er wegen jeder dieser Handlungen verurteilt werden kann.

Wenn sich auch naturgemäß für den einzelnen Verteidiger gewisse Gebiete herausstellen, für die er sich besonders interessieren muß, so gibt es doch überhaupt keine Gebiete, die er völlig außer acht lassen kann. Da die meisten Verteidiger nur mit einem Assistenten arbeiten, manche sogar allein, so ist ohne weiteres der ungeheure Umfang der Tätigkeit ersichtlich, der sich aus der Prüfung und Besprechung des täglich von der Anklagebehörde eingereichten Materials ergibt.

Die notwendigen Besprechungen mit den Angeklagten nehmen die Abendstunden und die sitzungsfreien Tage in Anspruch. Diese Besprechungen sind überdies wegen der getroffenen Sicherheitsmaßnahmen äußerst anstrengend.

Es geht daher einfach über die Kraft des einzelnen Verteidigers, neben der Teilnahme an den Sitzungen und der laufenden Verarbeitung des Prozeßstoffes diejenigen geistigen und technischen Vorbereitungen zu treffen, die bei einem Verfahren von dieser Bedeutung mit Recht von seiner Verteidigung erwartet werden.

Das vorgelegte Material ist noch nicht abschließend; die Russische Anklagedelegation bringt täglich neue Beweismittel. Es würde nach Auflassung der Verteidigung eine unrichtige Einschätzung des Umfangs und des Gewichts der Anklagen bedeuten, die die Russische Anklagedelegation jetzt vorbringt, wenn man den Verteidigern zumuten wollte, die Vorbereitungen für ihre Verteidigung abzuschließen, bevor sie überhaupt das Ende der Anklagen gehört haben. Dem Gerichtshof sind in dem schriftlichen Antrag bereits die Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Beweismittel angedeutet worden. Dafür mögen einige Beispiele angeführt werden; Beispiele, die fast von allen Verteidigern ergänzt werden können. Ein Verteidiger hat [568] im November des vorigen Jahres die Ladung eines Zeugen beantragt, der für seine gesamte Verteidigung von entscheidender Wichtigkeit ist. Der Antrag wurde vom Gerichtshof genehmigt. Obwohl es sich um einen sehr hohen deutschen Beamten handelt, konnte erst im Januar dieses Jahres das Lager festgestellt werden, in dem er sich befindet. Der Zeuge ist bis heute noch nicht in Nürnberg eingetroffen, und der Verteidiger hat daher überhaupt keine Vorstellung davon, über welche Fragen dieser Zeuge aussagen kann, und was er darüber aussagen kann. In zahlreichen Fällen konnte der Aufenthalt von solchen Zeugen bisher nicht festgestellt werden, deren Ladung vom Gerichtshof im November oder Dezember angeordnet worden ist. Die Verteidiger können dabei zur Auffindung in allen den Fällen nichts beitragen, in denen sich die Zeugen in alliierten Gefangenenlagern befinden, wenn diese Zeugen keine Gelegenheit haben, Nachrichten über ihren Aufenthalt zu geben. Ein Teil der Verteidiger ist aufgefordert worden, zur Vernehmung von Zeugen außerhalb Deutschlands Fragebogen vorzulegen, auf Grund deren diese Zeugen an ihrem Aufenthaltsort vernommen werden sollen. Die Antworten auf diese Fragen sind bisher in keinem Falle in die Hände der betreffenden Verteidiger zurückgelangt.

Für die in Deutschland lebenden Zeugen ist den Verteidigern wiederholt aufgegeben worden, selbst die Vernehmung oder eine schriftliche Erklärung herbeizuführen. Da die Verteidiger während der Sitzungen in Nürnberg gebunden sind, können sie diese Aufgabe nur während einer längeren Unterbrechung der Sitzung erfüllen.

Endlich: Ein Verteidiger hat Anfang November die Vorlage einer Reihe von Urkunden beantragt, die für seine Verteidigung unentbehrlich sind. Diese Urkunden befinden sich im Besitze einer der Signatarmächte des Statuts. Sie sind von der Anklagebehörde geprüft und von ihr insoweit vorgelegt worden, als sie der Belastung des betreffenden Angeklagten dienen. Der Verteidiger ist bis heute noch nicht im Besitze dieser entlastenden Urkunden.

Wir möchten ferner nochmals auf die technischen Schwierigkeiten hinweisen, die sich aus der Vervielfältigung und den Übersetzungen der von der Verteidigung vorzulegenden...


VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, Professor Kraus, Sie sprechen von einem Dokument, das, wie Sie sagen, unerläßlich ist und sich im Besitze einer der Signatarmächte des Statuts befindet, von der Anklagebehörde durchgesehen und in dieser Sache zum Beweis vorgelegt wurde, den Angeklagten jedoch nicht zur Verfügung steht. Um welches Dokument handelt es sich hier?


PROF. DR. KRAUS: Nein, Herr Präsident, es ist eine Dokumentensammlung, wo die belastenden Teile seitens der Staatsanwaltschaft vorgelegt worden sind; wir aber sind noch nicht im [569] Besitz der entlastenden Teile. Nähere Auskunft kann darüber Herr Rechtsanwalt Kranzbühler geben, den dieser Fall betrifft.


VORSITZENDER: Ich weiß, daß Dr. Kranzbühler einen Antrag gestellt hat. Wenn es jedoch wirklich ein Teil eines Dokuments ist, so hat der Gerichtshof schon mehrmals verfügt, daß, falls die Anklagebehörde einen bestimmten Teil eines Schriftstückes vorlegt, das ganze Dokument den Verteidigern zur Verfügung stehen muß, damit diese alle anderen Stellen besprechen und erläutern können, welche die zum Beweis vorgelegte Stelle ins richtige Licht setzen können.


PROF. DR. KRAUS: Ja, Herr Präsident, es handelt sich hier um ein Dokumentenkonvolut, nicht nur um ein einzelnes Dokument, und Herr Dr. Kranzbühler erstrebt nun diejenigen Urkunden aus diesem Konvolut, welche zur Entlastung dienen, nachdem die belastenden Urkunden von der Staatsanwaltschaft vorgelegt worden sind.


VORSITZENDER: Fahren Sie fort!


PROF. DR. KRAUS: Die Verteidiger erkennen dankbar die Bereitschaft der Anklagebehörde an, sie in technischen Fragen zu unterstützen. Die großen Schwierigkeiten, die die Anklagebehörde selbst in diesen Fragen gehabt hat, und die wiederholt zur Besprechung vor diesem Gerichtshof geführt haben, zeigen jedoch, daß zu einer sachgemäßen Vorbereitung eine angemessene Zeit gehört. Die Verteidiger legen Wert darauf, dem Gerichtshof ihre Bereitschaft und ihre Absicht zu versichern, das Verfahren nicht unnötig zu verlängern. Sie sind jedoch der Auffassung, daß eine ungenügende Vorbereitung vor Beginn der Verteidigung zu entsprechenden Verzögerungen im Verlauf der Verteidigung führen muß, und daß die Ergebnisse einer solchen Verteidigung unter Umständen dann nicht ausreichen würden, um dem Gerichtshof überhaupt die Möglichkeit einer gerechten Entscheidung zu verschaffen.

Die Verteidiger glauben sich mit dem Gerichtshof darin einig, daß dieser für die Geschichte der Menschheit so wichtige Prozeß bis zum letzten Tage mit der Ruhe und Überlegung geführt werden soll, die seinen bisherigen Verlauf ausgezeichnet hat. Demgegenüber sollte die verständliche Ungeduld von Meinungen, die auf eine rasche Beendigung des Prozesses drängen, nicht ins Gewicht fallen.

In diesem Sinne bitten die Verteidiger auch die Anklagebehörde um Unterstützung ihres Antrags. Die beantragte Frist von drei Wochen kann nicht erheblich sein gegenüber der Gesamtdauer, die dieses Verfahren nach dem von der Anklage bestimmten Umfang notwendig haben muß.

Die Gewährung dieser Frist würde andererseits auch dem Umstand Rechnung tragen, daß die Verteidiger sich bei der Durchführung ihrer Verteidigung in einer seelisch und materiell schwierigen [570] Gesamtsituation befinden. Es sei die Tatsache erwähnt, daß eine Anzahl von uns sich dem heutigen Antrage angeschlossen hat entgegen der Meinung der von ihnen vertretenen Angeklagten, welche ein baldiges Ende dieses Verfahrens herbeiwünschen. Wir fühlen uns in diesen Punkten aber ausschließlich unserem eigenen Gewissen verantwortlich und unseren beruflichen Aufgaben als Verteidiger. So bitte ich den Gerichtshof, davon Kenntnis nehmen zu wollen, daß nach ernsten und gründlichen Beratungen meine Kollegen und ich, ohne Ausnahme, der Überzeugung sind, daß die beantragte Frist von drei Wochen die Mindestzeit darstellt, welche sie erforderlich halten für die ordnungsgemäße Vorbereitung der Verteidigung.


VORSITZENDER: Dr. Kraus, der Gerichtshof möchte wissen, falls Sie die Frage beantworten können, ob die Verteidiger bereits alle oder fast alle Zeugen, die sie vorladen wollen, ausfindig gemacht, und ob Sie sich schon entschlossen haben, welche Zeugen sie vorzuladen wünschen.


PROF. DR. KRAUS: Diese Frage kann ich nicht beantworten; das würde eine Umfrage nötig machen. Nach meiner Kenntnis liegen die Fälle verschieden. Einige Verteidiger sind in dieser Richtung mehr oder weniger fertig, andere noch nicht.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Hoher Gerichtshof! Ich glaube, es wäre wohl angebracht, wenn ich Herrn Professor Kraus' bewundernswert deutlichen Ausführungen folgend, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf zwei Seiten der Frage lenke: Erstens, was Herr Professor Kraus intellektuelle Vorbereitung nannte, und zweitens, die technischen Notwendigkeiten zur Vorbereitung der Verteidigung.

Zum ersten Punkt verweise ich den Gerichtshof auf den Inhalt des schriftlichen Antrags von Dr. Stahmer, dem sich Herr Professor Kraus im großen und ganzen heute angeschlossen hat. Es heißt darin, daß eine Unterbrechung verlangt wird zum Aufbau der Verteidigung nach Beendigung der Anklage, das heißt, nachdem die Anklagebehörde fertig ist; zweitens, daß die Verteidiger bisher nicht die Zeit gehabt hätten, ihre Verteidigung so vorzubereiten, daß ein glatter Verlauf sichergestellt ist; und drittens, eine oder zwei Zeilen weiter, man könne gerechterweise von den Verteidigern nicht verlangen, daß sie imstande seien, sofort zu allen Fragen Stellung zu nehmen.

Ich erlaube mir, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf einige Daten hinzuweisen.

Die Anklageschrift ist in diesem Verfahren am 18. Oktober eingereicht worden, also heute genau vor vier Monaten. Die Angeklagten wurden sofort mit dem Inhalt der Anklageschrift bekanntgemacht, und sie ist ein Dokument von so großer öffentlicher Bedeutung, daß [571] man berechtigterweise annehmen kann, daß die Verteidiger zumindest deren allgemeinen Inhalt sich sehr schnell eingeprägt haben.

Damals hat General Nikitchenko als Vorsitzender dieses Gerichtshofs in Berlin erklärt: »Es muß klargestellt werden, daß der Gerichtshof, der den Bestimmungen des Statuts zufolge ein schleuniges Verfahren über die durch die Beschuldigungen vorgebrachten Fragen gewährleistet, keine Verzögerung in der Vorbereitung der Verteidigung noch des Prozesses zulassen wird.«

Ich erinnere den Gerichtshof daran, daß die Anklageschrift mehr Einzelheiten enthält als wahrscheinlich irgendeine Anklageschrift in der Geschichte der Rechtswissenschaft.

Der dritte Punkt, den ich vorbringen will, ist, daß eine vorläufige Liste der Dokumente den Angeklagten am 1. November in ihrem Informationsraum zur Verfügung gestellt wurde. Die ersten vorläufigen Dokumente, die zwar nicht vollzählig waren, sich aber auf viele hundert beliefen, wurden am 5. November vorgelegt. Mit Ausnahme eines einzigen, Dr. Bergold, der den Angeklagten Bormann vertritt, waren alle Verteidiger für die einzelnen Angeklagten am 10. November bestellt.

Dann sind vier ausführliche Reden von der Anklagebehörde gehalten worden, in denen der Umfang und die Bedeutung dieser Anklage hervorgehoben wurden. Jeder erfahrene Rechtsanwalt weiß, daß die Eröffnungsrede, die den Kern der Sache enthält, für die Verteidigung von größter Bedeutung ist.

Wie Professor Kraus ausführte, wurden seit Anfang November Anträge zur Vorladung von Zeugen eingebracht. Ich werde später auf die einzelnen Punkte dieser Anträge eingehen, möchte aber schon jetzt ganz allgemein sagen, daß jeder, der diese Anträge gelesen hat, sich im klaren sein mußte, daß die Verteidigung von Anfang an nicht nur die Bedeutung des von ihr übernommenen Falles richtig einschätzte, sondern sich auch die Verteidigung, die sie einzuschlagen wünschte, zurechtgelegt hatte.

Mein achter Punkt ist, daß die Verteidiger, nachdem sie praktisch alles über Anklagepunkt 1 und 2, den allgemeinen Plan und den Angriffskrieg, gehört haben, zu Weihnachten eine Pause von zwölf Tagen hatten, und der Herr Vorsitzende deutete damals an, daß dies zum Teil auch geschah, um ihnen damit Zeit zur Vorbereitung zu geben.

Es muß gerechterweise darauf hingewiesen werden, daß die meisten von uns schon mit ganz bedeutenden Prozessen befaßt waren, in denen Menschenleben auf dem Spiele standen, und in denen die Frage einer Vertagung überhaupt nicht aufgetaucht ist. Dieser Fall aber geht darüber hinaus.

Dann möchte ich sagen, daß die Fälle der einzelnen Angeklagten mit Anklagepunkt 1 und 2, dem allgemeinen Plan und dem Angriffskrieg, [572] gleichbedeutend sind, und die wesentlichen Dokumente in der Einzelbeweisführung zusammengestellt worden sind. In jedem Falle waren die Verteidiger spätestens um Mitte des Monats Januar im Besitz dieser Dokumente und Schriftsätze. Alle Vorträge, mit Ausnahme von vier, waren am 17. Januar abgeschlossen. Das Verfahren ist durch die Ausführungen von Herrn Dubost und von Herrn Quatre sowie durch die meiner Sowjetkollegen, da diese noch andauern, auf den heutigen Stand gebracht worden. Außerdem zeigen die Protokolle, von denen jeder Angeklagte eine Abschrift in deutscher Sprache erhalten hat, welches Gewicht und welche Bedeutung die Anklagevertretung jedem Einzelfall beimißt.

Wir alle wissen aus eigener Erfahrung, daß man die Verteidigung in keinem Prozeß vorbereiten kann, ohne bis spät in die Nacht hinein zu arbeiten. Ich möchte den Gerichtshof jedoch darauf hinweisen, daß die der Verteidigung bisher gewährte Hilfe und die zur Verfügung gestellte Zeit in diesem Fall erheblich waren.

Ich will die rein technische Seite des Falles nur ganz kurz besprechen, weil Herr Professor Kraus so fair und liebenswürdig war, zuzugeben, daß die Anklagebehörde die Verteidigung unterstützt hat. Ich möchte noch folgendes hinzufügen: Wenn es sich darum handeln sollte, Photokopien von deutschen Dokumenten herzustellen oder Abschriften oder Vervielfältigungen von Dokumenten in irgendeiner Art oder weitere Schreibkräfte zur Verfügung zu stellen, so sind wir bereit, noch über das, was wir bisher getan haben, hinauszugehen, um jeden diesbezüglichen Wunsch so weit wie möglich zu erfüllen.

Ich will mich jetzt mit dem wichtigsten Punkt befassen, den Professor Kraus erwähnt hat, daß die Anklagebehörde viel Zeit zur Verfügung gehabt hätte, um ihren Fall vorzubereiten und auszuarbeiten, und daß die Verteidigung gleiche Rechte beanspruchen könnte.

Es ist meine Ansicht, die ich mir ergebenst vorzubringen erlaube, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Falle der Anklagebehörde und dem Falle der Verteidigung besteht. Die Anklagebehörde muß das gesamte Gebiet bearbeiten, während die Verteidigung nur die Punkte herausgreift, die sie zu bekämpfen beabsichtigt.

Ich erlaube mir gegenüber dem Standpunkt von Professor Kraus, daß es einen Unterschied bildet, daß wir es hier mit einer Anklage wegen Verschwörung zu tun haben, anderer Meinung zu sein. Mag die Anklage auf Verschwörung lauten, oder nicht, es sind Tatsachen gegeben, über die nicht gestritten werden kann. Wie Dr. Stahmer in seinem Memorandum andeutet, gibt es Tatsachen, die Gegenstand eines Rechtsstreits bilden oder zu Diskussionen über die Schlußfolgerungen führen können, die man aus ihnen ableiten kann. Die Tatsache, daß einem Falle eine Verschwörung zugrundeliegt, ändert [573] nichts an der Tatsache, daß gewisse Fragen entweder durch Beweise widerlegt werden oder nicht widerlegt werden können.

Ich persönlich habe bis jetzt noch nichts sehen können, woraus man schließen könnte, daß zum Beispiel die Wiederaufstellung einer Armee in Deutschland, die Besetzung des Rheinlandes, der Anschluß Österreichs, das Bestehen der und die Vorgänge in den Konzentrationslagern, viele Handlungen von SS-Divisionen und anderer Organisationen unter Himmler überhaupt bestritten werden können, denn die Verteidiger hatten die Möglichkeit, Zeugen über alle diese Angelegenheiten ins Kreuzverhör zu nehmen, und diese Kreuzverhöre haben keine Einwendungen gegen diese Behauptungen rechtfertigen können.

Ich bezweifle im Augenblick nicht die Richtigkeit der Entscheidung des Gerichtshofs von heute früh, noch versuche ich daran zu rütteln, sondern ich nehme sie natürlich mit der größten Bereitwilligkeit an. Ich hoffe jedoch, daß der Gerichtshof mir recht gibt, wenn ich zur Erklärung vorbringe, daß die Anklagebehörde darauf bedacht war, zur Unterstützung der Verteidigung die vorliegenden Fragen auszuschalten und bereitgewesen wäre, soweit es an ihr liegt, zuzustimmen, daß der Verteidigung eine gewisse Zeit für diesen Zweck zur Verfügung gestellt wurde. Aber die Verteidiger haben gesagt – und ich beklage mich wieder nicht –, daß sie das nicht tun wollen. Deshalb erübrigt sich auch dieser Grund für eine Vertagung.

Ich möchte nicht, daß der Gerichtshof denken könnte, wir haben keine Vernunft oder kein Einsehen. Wir wissen, da wir auch die andere Seite gesehen haben, daß gewisse technische Fragen gelöst werden und Schlußfolgerungen vorbereitet werden müssen, ehe ein Fall in Angriff genommen werden kann. Wir verstehen wohl, daß die Verteidiger von Göring, Heß und Ribbentrop ein oder zwei Tage brauchen werden, um ihre Sachen in Ordnung zu bringen. Ich will je doch klarmachen, daß das nach unserer Ansicht etwas völlig anderes ist als eine dreiwöchige Vertagung.

Ich erlaube mir, jedem Wort, das Professor Kraus über die Aufrechterhaltung der Würde dieses Verfahrens gesagt hat, zuzustimmen; es ist aber meiner bescheidenen Meinung nach zur Aufrechterhaltung des Ansehens des Prozesses nicht nötig, daß er langsam vonstatten geht. Das wäre nicht nur falsch, sondern stünde in direktem Widerspruch zu der Stelle des Statuts, auf die General Nikitchenko in Berlin verwiesen hat.

Was die Zeugen betrifft, so sind, wie der Gerichtshof weiß, gewisse Schwierigkeiten insofern vorhanden, als die Verteidiger erstens einmal sehr viele Zeugen beantragt haben, die hauptsächlich Wiederholungen darstellen, und sie haben, soweit ich die Anträge beurteilen kann, erst kürzlich angefangen, sich klar darüber zu werden, [574] wer wesentliche Zeugen sind, und der Gerichtshof wird darüber die Entscheidung treffen, wie er bereits angedeutet hat.

Ich möchte nur noch ein weiteres Beispiel erwähnen: Professor Kraus brachte die Sprache auf gewisse Dokumente, die Dr. Kranzbühler verlangte; es waren, glaube ich, U-Boot-Tagebücher. Ich habe bereits dafür gesorgt, daß der Assistent von Dr. Kranzbühler nach London fahren kann, um diese Dokumente in der Admiralität mit Muße zu überprüfen. Das ist unsere Antwort darauf. Ich behaupte ergebenst, daß man wohl nicht mehr tun kann, um der Verteidigung zu helfen, in den Besitz der von ihr gewünschten Dokumente zu kommen.

Herr Präsident! Ich habe die mir zur Verfügung stehende Zeit fast erschöpft und möchte zum Schluß nur noch folgendes sagen: Die Anklagebehörde hatte Handlungen zu prüfen und zusammenzufassen, die sich über zwölf und in manchen Fällen über zwanzig Jahre erstreckten. Wir haben Beweise für diese Handlungen gesammelt und zusammengestellt. Wir haben einen Fall vorgebracht, der sich hauptsächlich auf schriftliche Erklärungen oder schriftliche Berichte von Erklärungen stützt, die die Angeklagten selbst abgegeben haben. Die der Verteidigung obliegende Aufgabe ist, die Erklärungen dafür zu geben, daß das, was sie sagen, der wahre Sinn der Worte ist, die erwiesen sind und von denen nicht bestritten wird, daß sie von den Angeklagten selbst gesprochen wurden.

Sie hatten den bereits angegebenen Zeitraum zur Verfügung, und ich will es nicht noch wiederholen, und da der Fall so steht, so behauptet die Anklagebehörde, die, wie ich sagte, den Wunsch hat, soweit wie nur möglich bei der Arbeit zu helfen, ob es sich nun um technische Dinge handelt oder um Vorbereitung von Dokumenten oder sonst etwas, daß die Verteidigung wohl nicht berechtigt ist, mehr Zeit zu verlangen, um sich diesen Fall allgemein zurechtzulegen und zu überlegen. Aus diesem Grunde sprechen wir uns ergebenst, aber entschieden, gegen jede Vertagung aus, die über wenige Tage hinausgeht, da es zum Zweck der Beendigung der Vorbereitung und technischen Ordnung der Akten höchstens einer Woche, vielleicht sogar nur kürzerer Zeit, bedarf. Dies, Herr Vorsitzender, ist der Standpunkt aller meiner Kollegen.


VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird seine Entscheidung über diesen Fall erwägen und wird die Verhandlung heute Nachmittag um 4.00 Uhr unterbrechen zur Beratung aller übrigen Fragen, die in Dr. Stahmers Memorandum aufgeworfen werden.


SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehr gut! Ich will jedoch zum Schluß noch eine Sache vorbringen, die klarzustellen meine Kollegen mich gebeten haben. Ich selbst habe mich mit meinem Vorbringen nicht auf eine bestimmte Anzahl von Tagen festgelegt, weil ein Wochenende dazwischen kommen kann und verschiedene andere [575] Fragen aufkommen können, die zu erwägen sind. Meine Kollegen wollen jedoch dem Gerichtshof bekanntgeben, daß ihrer Ansicht nach, unter Berücksichtigung der Zeit bis zum Abschluß des Vorbringens der Sowjetdelegation und der Erörterungen über die Organisationen, wofür eine gewisse Zeit vor gesehen ist, zwei Tage vollauf ausreichen, obwohl, wie ich bereits sagte, eventuell noch ein Wochenende dazukommen kann. Ich möchte nur klarstellen, daß unser Einspruch gegen eine Vertagung endgültig ist. Ich danke sehr.


VORSITZENDER: Oberst Smirnow, wollen Sie bitte Ihren Vortrag fortsetzen!


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich fahre mit meinem Vortrag fort und lege weitere Beweisstücke im Fall Jugoslawien vor.

Zum Beweis dafür, daß in Jugoslawien die Verbrechen auf dem Gebiet des Geiselwesens furchtbare Ausmaße angenommen haben, hat die Regierung von Jugoslawien zahlreiche Urkunden im Original oder in beglaubigter Kopie vorgelegt. Ich werde diese Dokumente, die dem Bericht der Jugoslawischen Regierung beigefügt sind, nicht näher erläutern, sondern mich darauf beschränken, dem Gerichtshof die Dokumente selbst vorzulegen, denn der Inhalt dieser Dokumente ist meiner Meinung nach so klar, daß er keines Kommentars bedarf.

Als USSR-256a lege ich das Original einer Bekanntmachung vom 12. August 1941 über die Erschießung von zehn Geiseln vor. Das gedruckte Plakat trug die Unterschrift Hradbetzkys, des deutschen Polizeikommissars in Lasko.

Ferner lege ich als USSR-148 die beglaubigte Photokopie einer Bekanntmachung über eine weitere Erschießung von siebenundfünfzig Personen vor. Dieses Plakat trägt das Datum: 13. November 1941 und ist von Kutschera unterschrieben; ferner lege ich als USSR-144 die beglaubigte Abschrift einer Bekanntmachung vom 21. Januar 1942 über die Erschießung von fünfzehn Geiseln vor; dieses Plakat ist von Rösener unterschrieben.

Weiterhin lege ich als USSR-145 die beglaubigte Photokopie einer Bekanntmachung über die Erschießung von einundfünfzig Geiseln aus dem Jahre 1942, der Monat ist nicht bekannt, vor. Das Plakat ist von Rösener unterschrieben. USSR-146 ist das Original einer von Rösener unterschriebenen Bekanntmachung vom 31. März 1942 über die Erschießung von neunundzwanzig Geiseln. Schließlich lege ich als USSR-147 eine beglaubigte Photokopie einer Bekanntmachung vor, derzufolge am 1. Juli 1942 neunundzwanzig Geiseln erschossen worden sind.

Ich glaube, daß aus diesen Dokumenten klar hervorgeht, daß die Erschießung von Geiseln ein System war, das von den deutschen Machthabern in Jugoslawien in sehr großem Ausmaß angewendet wurde.

[576] Zum Abschluß meiner Beweisführung zu diesem Thema lege ich als USSR-304 dem Gerichtshof den Bericht Nummer 6 der Außerordentlichen Jugoslawi schen Regierungskommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen vor. Ich will daraus lediglich den Absatz 1 verlesen:

»Eine Gruppe von Geiseln wurde in Celje öffentlich aufgehängt, und zwar auf Haken, auf denen Fleischer üblicherweise Fleisch aufhängen. In Marburg wurden die Häftlinge jeweils in Fünfergruppen gezwungen, die erschossenen Geiseln in Kisten zu legen und sie auf Frachtautos zu verladen. Darauf wurden sie selbst erschossen und die nächsten 5 wurden gezwungen, diese Arbeit auszuführen. So ging es immer weiter. Die Sodnastraße in Marburg war von Blut überströmt, das aus den Frachtautos sickerte.«

Ich beende hier mein Zitat.

Wenn wir dem Gerichtshof ein vollständiges Bild über die von den Nazis in den westeuropäischen Ländern ausgeübte Schreckensherrschaft geben wollen, so dürfen wir, scheint es uns, Griechenland nicht mit Stillschweigen übergehen, da auch dieses Land ein Opfer des faschistisch-deutschen Terrors gewesen ist. Ich lege daher dem Internationalen Militärgerichtshof einen Bericht der Griechischen Republik vor. Dieser Bericht ist vom Griechischen Gesandten in Großbritannien sowie von einem Mitglied des britischen Außenministeriums unterschrieben und gehörig beglaubigt. Dieses Dokument wird dem Gerichtshof als Beweisstück USSR-379, Dokument UK-82 unterbreitet. Ich werde kurze Auszüge aus diesem Bericht verlesen, der vom deutschen Terror in Griechenland und dem verbrecherischen Geiselsystem handelt.

Am 6. April 1941 erklärte Deutschland Griechenland den Krieg, und schon am 31. Mai hat der deutsche Kommandant von Athen einen offenen Terrorbefehl herausgegeben, der sich gegen die friedliche Bevölkerung in Griechenland richtete.

Der unmittelbare Anlaß für diesen Befehl war der Umstand, daß am 30. Mai 1941 griechische Patrioten die Hakenkreuzfahne von der Akropolis heruntergerissen hatten.

Ich verlese hier den Befehl des Kommandierenden Generals der Deutschen Wehrmacht in Griechenland, und zwar zitiere ich aus dem Bericht der Griechischen Regierung, auf Seite 33 der russischen Übersetzung.

Der Befehl droht strenge Bestrafung aus folgenden Gründen an:

»a) Da in der Nacht vom 30. zum 31. Mai die deutsche Kriegsflagge, die über der Akropolis wehte, von unbekannten Personen heruntergerissen wurde, werden die Schuldigen sowie ihre Helfershelfer mit dem Tode bestraft,

[577] b) da die Presse und die öffentliche Meinung aller Schichten immer noch fortfährt, offenkundige Sympathie für die Engländer zu zeigen, die gegenwärtig vom europäischen Kontinent vertrieben sind,«

– selbst Sympathien für die Engländer wurden also ebenso bestraft. –

»c) da die Vorfälle auf der Insel Kreta«

– augenscheinlich meint der deutsche Befehlshaber damit den legalen Widerstand der Bevölkerung der Insel Kreta.... –

»nicht nur nicht verurteilt, sondern in weiten Kreisen sogar gutgeheißen werden,

d) da, obwohl ausdrücklich verboten, immer wieder den englischen Kriegsgefangenen durch Geschenke, wie Blumen, Obst und Zigaretten, Sympathiekundgebungen dargebracht werden und die griechische Polizei dies duldete, anstatt mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln einzuschreiten,

e) da die Haltung eines großen Teils der Bevölkerung Athens gegenüber der Deutschen Wehrmacht neuerdings unfreundlich geworden ist.«

Von dieser Zeit an wird in Griechenland das gleiche Regime des deutsch-faschistischen Terrors eingerichtet, das die Handlungen der hitlerischen Verbrecher in allen von ihnen besetzten Gebieten ausgezeichnet hat. Zum Beweis dafür zitiere ich den Bericht der Griechischen Regierung auf Seite 34 der russischen Übersetzung. Ich beginne das Zitat mit Zeile 4 von oben:

»In Verletzung des Artikels 50 der Haager Konvention haben sie systematisch Unschuldige bestraft nach dem Grundsatz, daß die gesamte Bevöl kerung die Verantwortung für von einzelnen Personen begangene Handlungen tragen müsse.

Sie unterwarfen die Bevölkerung dem Hungertode und wandten Druckmittel an, um den Widerstand des griechischen Volkes zu schwächen. Nur wenig Menschen wurden vor Militärgerichte gebracht, und wo dies geschah, war es eine lächerliche Komödie. Man führte eine Politik von Vergeltungsmaßnahmen ein, die Festnahme und Hinrichtung von Geiseln, Massenerschießungen, Plünderungen, Raub und Zerstörung ganzer Dörfer zum Inhalt hatte, und zwar als Buße für feindliche Handlungen, die von unbekannten Tätern in der Nähe solcher Ortschaften begangen worden waren.

Die Mehrzahl derer, die hingerichtet wurden, waren deshalb Menschen, die ganz willkürlich aus Gefängnissen und Lagern genommen wurden und daher in gar keiner Beziehung zu den Taten stehen konnten, zu deren Vergeltung sie hingerichtet wurden. Das Leben eines jeden hing von der Willkür des lokalen Kommandanten ab.«

[578] Es erscheint mir richtig, die Ermordung vieler tausend Menschen durch Aushungerung als ein Glied in der Kette der Terrorherrschaft der deutschen Faschisten in Griechenland anzusehen. Im Bericht der Griechischen Regierung, auf Seite 36 des russischen Textes, heißt es folgendermaßen:

»Es besteht kein Zweifel, daß der größte Teil der griechischen Bevölkerung im Laufe von 3 Jahren am Rande des Hungertodes stand. Tausende von Menschen mußten monatelang Hunger leiden, bis sie endlich auf dem Seeweg Hilfe erhielten. Daher hat in der Zeit vom August 1941 bis April 1942 die Sterblichkeit um 500 bis 600 Prozent in der Hauptstadt, um 800 bis 1000 Prozent auf den griechischen Inseln zugenommen. 25 Prozent der neugeborenen Kinder sind gestorben und der Gesundheitszustand der Überlebenden war sehr schlecht.«

In dem Bericht der Griechischen Regierung sind Auszüge aus den Berichten neutraler Missionen angeführt. Ich bringe einen dieser Auszüge, der sich auf Seite 38 des russischen Textes des griechischen Regierungsberichtes befindet:

»Im Laufe des Winters 1941/42, als in der Hauptstadt Hungersnot herrschte, waren die Verhältnisse in den Provinzen noch einigermaßen erträglich. Im Laufe des nächsten Winters aber, als der freie Markt alle Vorräte verschlungen hatte, die aus Kanada zur Unterstützung der Großstädte geschickt waren, hat sich die Lage wesentlich verändert. Als wir zum ersten Male nach Griechenland fuhren, um die allgemeine Lage zu prüfen, und zwar im März 1943, haben wir Menschen getroffen, die buchstäblich weinend um ein Stück Brot baten. Die Bevölkerung vieler Dörfer lebte nur von Ersatzbrot, das aus Ersatzmehl, wilden Birnen und Eicheln gebacken war, eine Nahrung, die im allgemeinen nur für Schweine bestimmt ist. In vielen Gegenden hatten die Leute seit Dezember überhaupt kein anderes Brot gesehen. Wir wurden auch in Häuser gerufen, in denen man uns leere Fächer und Vorratskammern zeigte. Wir sahen, wie die Menschen Gras kochten, und zwar ohne Butter, nur um sich den Magen irgendwie zu füllen.

Die Bevölkerung ärmerer Dörfer war vollkommen abgemagert. In besonders elendem Zustand waren die Kinder, sie hatten abgemagerte Arme und Beine und aufgequollene Bäuche. Sie hatten weder die sonst Kindern eigene Lebenskraft oder Freude, sondern waren apathisch und erschöpft. Die Tatsache, daß die Hälfte der Kinder nicht in der Lage [579] war, in die Schule zu gehen, war eine durchaus übliche Erscheinung.

(Bericht der schwedischen Beauftragten für den Peloponnes, Januar 1944.)«

Um das System der Geiselnahme, das von den Hitler-Verbrechern in Griechenland eingeführt wurde, zu schildern, muß ich wieder Auszüge aus dem Bericht der Griechischen Regierung anführen. Aus dem Text dieses Berichts geht hervor, daß die Geiselerschießungen in Griechenland in den ersten Wochen der Besetzung durch die deutsch-faschistischen Truppen in großem Ausmaß durchgeführt worden sind. Ich zitiere hierzu einen Auszug aus dem Bericht Griechenlands auf Seite 41 des Berichts. Ich beginne mit der dritten Zeile von oben im russischen Text:

»Geiseln wurden aus allen Schichten der Bevölkerung willkürlich genommen. Politische Persönlichkeiten, Professoren, Wissenschaftler, Rechtsgelehr te, Ärzte, Offiziere, Staatsbeamte, Priester, Arbeiter, Frauen, alle wurden unter die Rubrik ›Verdächtige‹ oder ›Kommunisten‹ eingegliedert und in die Ortsgefängnisse oder Konzentrationslager gebracht. Während der Verhöre wurden die Gefangenen allen möglichen raffinierten Foltern unterworfen. Die Geiseln wurden in Anhaltelagern eingeschlossen, in denen ein für die Gefangenen unerträgliches Regime geführt wurde.«

In dem Bericht der Griechischen Regierung, ebenfalls auf Seite 41 des russischen Textes, heißt es zu diesen Fragen:

»Man ließ die Häftlinge hungern; sie wurden geprügelt und gefoltert. Sie mußten unter ganz unmenschlichen Bedingungen leben und erhielten keinerlei Arzneimittel oder sanitäre Hilfe. Sie waren dem raffinierten Sadismus der SS-Wache ausgeliefert. Viele wurden erschossen oder gehängt, viele starben an grausamen Mißhandlungen oder Hunger und nur wenige wurden freigelassen und erlebten den Tag der Befreiung ihres Vaterlandes. Die Geiseln wurden in Konzentrationslager nach Deutschland überführt. So befand sich auch eine Anzahl Griechen in den Lagern Buchenwald, Dachau usw.«

Der Bericht nennt die Gesamtzahl der ermordeten Geiseln.

Auf derselben Seite 41 heißt es:

»ungefähr 91000 Geiseln wurden erschossen.«

Um das Ausmaß richtig einzuschätzen, in dem die Hitler-Leute ihre Verbrechen im Zusammenhang mit der Vernichtung der Zivilbevölkerung auf dem Gebiet der Sowjetunion begingen, bitte ich nunmehr die verehrten Richter, Seite 299 des Dokumentenbuches vorzunehmen, wo...

[580] VORSITZENDER: Sie sind nun von Griechenland zu etwas anderem übergegangen, nicht wahr, Oberst Smirnow?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ja!


VORSITZENDER: Wir wollen nun die Sitzung für eine kurze Zeit unterbrechen.


[Pause von 10 Minuten.]


OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Mit Ihrer Zustimmung, Herr Vorsitzender, will ich auf Wunsch des Gerichtshofs einige Beweisstücke auslassen. Da diese Stellen, die ich auslassen werde, umfangreich sind, werde ich den Dolmetschern jedesmal die Anzahl der übersprungenen Seiten angeben. Ich bitte den Gerichtshof, seine Aufmerksamkeit auf ein Dokument zu richten, das von dem ungeheuren Ausmaß der Vernichtung von Sowjetbürgern während der Zeit der Besetzung der USSR zeugt. Zum Beweis dafür berufe ich mich auf ein Dokument, das die Herren Richter auf Seite 291 des Dokumentenbuches finden werden, am Ende des letzten Absatzes, auf der ersten und zweiten Spalte des Textes. Es ist ein Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Zerstörungen, Plünderungen und Greueltaten der deutsch-faschistischen Eindringlinge in der Stadt Rowno und Umgebung. Ich lege dieses Dokument als USSR-45 vor.

Ich zitiere das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Sachverständigen über die Leichen friedlicher Sowjetbürger, die von den Deutschen ermordet und deren Leichen später exhumiert worden sind:

»1. An allen untersuchten Begräbnisplätzen in der Stadt Rowno und ihrer Umgebung, wurden die Leichen von mehr als 102000 von den Deutschen erschossener und sonst ermordeter friedlicher Sowjetbürger und Kriegsgefangener gefunden. Hiervon wurden

a) in der Stadt Rowno, in der Nähe des Holzlagerplatzes in der Belayastraße: 49000,

b) in der Stadt Rowno, in den Gemüsegärten in der Belayastraße: 32500,

c) im Dorfe Sossenki: 17500,

d) in den Steinbrüchen in der Nähe des Dorfes Vydumka: 3000,

e) auf den zum Rownoer Gefängnis gehörigen Grundstücken 500 Leichen gefunden.«

Ich bitte den Gerichtshof, seine Aufmerksamkeit auf die im folgenden Text enthaltenen Hinweise auf die verschiedenen Ermordungsmethoden zu richten, die von den Verbrechern in den einzelnen Zeitabschnitten angewandt wurden:

[581] »Die Massenerschießungen wurden, wie aus den Punkten a), b) und c) ersichtlich ist, im Jahre 1941 vorgenommen. Die Ermordung friedlicher Bürger durch Kohlenoxydvergiftung in Gaswagen fand, wie aus Punkt d) ersichtlich ist, im Jahre 1943 statt. Die Erschießungen mit nachfolgender Verbrennung der Leichen fanden ebenfalls im Jahre 1943 statt, und die Erschießungen in Gefängnissen im Jahre 1944.«

Ich lasse die nächsten eineinhalb Seiten aus und bitte den Gerichtshof, sein Augenmerk auf eine Stelle im gleichen Dokument zu lenken, die auf Seite 240 in der zweiten Spalte des Textes zu finden ist und von regelmäßigen Vernichtungen der Gefangenen im Rownoer Gefängnis handelt.

Ich will mich damit länger befassen, weil diese Methoden der Vernichtung von Sowjetbürgern charakteristisch für die Gewaltherrschaft waren, die die Hitlerschen Eindringlinge während der Besetzung in dem Gebiete der Sowjetunion errichtet haben.

Ich zitiere auf Seite 240 des Dokumentenbuches:

»Am 18. März 1943 hat die von den deutschen Besatzungstruppen herausgegebene Zeitung ›Wolhyn‹ folgende Notiz veröffentlicht:

Am 8. März 1943 unternahmen Insassen des Gefängnisses von Rowno einen Fluchtversuch, wobei sie einen deutschen Beamten und einen Wachposten töteten. Die Flucht wurde durch das energische Eingreifen der Gefängniswärter vereitelt. Auf Befehl des Kommandanten der Deutschen Schutzpolizei und des Sicherheitsdienstes wurden alle Gefängnisinsassen am selben Tage erschossen.

Im November 1943 wurde der deutsche Bezirksrichter von einem unbekannten Täter ermordet. Als Vergeltung dafür wurden über 350 Insassen des Gefängnisses von Rowno durch die Hitleristen erschossen.«

Ich werde keine weiteren Beispiele über die Erschießung von Gefängnisinsassen anführen; die verehrten Richter werden in den Filmen, die ihnen vorgeführt werden, eine ganze Reihe ähnlicher Verbrechen sehen, die die Hitlerschen Eindringlinge in dem Gebiet der USSR begingen.

Ich gehe nun zum nächsten Teil meines Vortrags über: Die Vernichtung der Dorfbevölkerung als Vergeltungsmaßnahme.

»In der endlosen Reihe der Greueltaten der deutschen Faschisten sind solche, die lange, vielleicht sogar immer im Gedächtnis der empörten Menschheit bleiben werden, obwohl sie später von noch schwereren Verbrechen dieser Nazis gehört hat. Zu diesen unvergeßlichen Verbrechen der Nazis gehört die Vernichtung des kleinen Dorfes Lidice in der [582] Tschechoslowakei und die bestialische Vergeltung gegen die Bevölkerung dieses Dorfes.

Viele Male, und in sogar noch grausamerer Form, hat sich das Schicksal von Lidice auf dem Gebiete der Sowjetunion, Jugoslawiens und Polens wiederholt. Aber die Welt kennt Lidice und wird es nie vergessen. Dieses kleine Dorf wurde zum Symbol der Nazi-Verbrechen.

Die Vernichtung von Lidice wurde von den Nazis als Vergeltung für die gerechte Tötung des Protektors von Böhmen und Mähren, Heydrich, durch tschechische Patrioten, durchgeführt.«

Der Hauptanklagevertreter der USSR brachte, als er über Lidice sprach, einen amtlichen Bericht über diesen Terrorakt der Deutschen aus der deutschen Zeitung »Der neue Tag« vom 11. Juni 1942.

Ich will ganz kurze Auszüge aus dem tschechischen Regierungsbericht bringen, die der Gerichtshof auf Seite 172 des Dokumentenbuches finden wird.

»Am 9. Juni 1942 wurde das Dorf Lidice auf Befehl der Gestapo von Soldaten umstellt, die auf 10 großen Lastkraftwagen aus Slany eingetroffen waren. Jeder konnte in das Dorf hineingehen, aber niemand wurde herausgelassen. Ein zwölfjähriger Junge versuchte fortzulaufen. Er wurde von einem Soldaten sofort erschossen. Eine Frau versuchte zu entkommen, eine Kugel in den Rücken setzte ihrer Flucht ein Ende. Nach der Ernte wurde ihr Leichnam in den Feldern gefunden.

Die Gestapo trieb Frauen und Kinder in die Schule. Der 10. Juni war der letzte Tag für Lidice und seine Bewohner. Die Männer waren schon im Keller, auf der Tenne und im Pferdestall der Familie Horak eingesperrt. Sie sahen ihr Schicksal kommen und erwarteten es mit Fassung. Der 73 jährige Priester Stembeck stärkte sie mit den Worten Gottes.«

Ich lasse die folgenden zwei Absätze aus und fahre fort:

»Aus dem Horakhof wurden je 10 Männer in den Garten geführt und erschossen. Dieser Massenmord währte vom frühen Morgen bis 4.00 Uhr nachmittags. Später ließen sich die Mörder mit den Leichen am Ort der Vollstreckung photographieren.«

Ich lasse die nächsten vier Absätze aus und gehe zum Schicksal der Bevölkerung von Lidice über:

»Das Schicksal der männlichen Bevölkerung von Lidice ist beschrieben worden. 172 Männer und Jünglinge von 16 Jahren aufwärts sind am 10. Juni 1942 erschossen worden. [583] 19 Männer, die am 9. und 10. Juni in den Kohlengruben bei Kladno gearbeitet hatten, wurden später in den Bergwerken oder in den nahegelegenen Wäldern verhaftet, nach Prag gebracht und erschossen.

Auch 7 Frauen von Lidice wurden in Prag erschossen, die restlichen 195 Frauen wurden in das Konzentrationslager nach Ravensbrück transportiert. 42 starben infolge von Mißhandlungen, 7 wurden vergast, 3 werden vermißt. 4 Frauen wurden von Lidice in ein Entbindungsheim nach Prag gebracht, die neugeborenen Kinder wurden getötet, die Mütter nach Ravensbrück geschickt. Die Kinder von Lidice wurden einige Tage nach der Vernichtung des Dorfes von ihren Müttern getrennt. 90 Kinder wurden nach Lodz in Polen gesandt und von dort weiter in das Konzentrationslager ›Gneisenau‹ ins sogenannte ›Wartheland‹ verbracht. Bisher sind die Spuren der Kinder noch nicht entdeckt worden. Sieben der Jüngsten, unter einem Jahr, wurden in ein deutsches Kinderspital nach Prag gebracht, und nach einer Untersuchung durch sogenannte ›Rassenforscher‹ nach Deutschland gesandt. Sie sollten als Deutsche erzogen werden und deutsche Namen erhalten. Jede Spur von ihnen ist verloren gegangen.

Zwei oder drei Kinder wurden im Ravensbrücker Konzentrationslager geboren. Sie wurden sofort nach ihrer Geburt getötet.«

Viele Sowjetdörfer haben dasselbe Schicksal wie Lidice erlitten. Viele friedliche Bewohner dieser Dörfer sind nach noch schwereren Leiden zugrunde gegangen, sie wurden bei lebendigem Leibe verbrannt oder Opfer noch anderer qualvoller Hinrichtungen. Ich habe die Anzahl der Beispiele, die ich zum Beweise vorbringen wollte, wesentlich verringert und lasse daher die nächste Seite aus. Ich bitte den Gerichtshof, seine Aufmerksamkeit auf den Text zu lenken, den er auf Seite 295 im Dokumentenbuch finden wird. Dies ist der von meinem Kollegen, Oberst Pokrowsky, schon früher vorgelegte Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Verbrechen der Hitler-Eindringlinge in der Litauischen sozialistischen Sowjetrepublik.

Ich zitiere daraus nur einen Absatz:

»Am 3. Juni 1944 brachen die Hitleristen in das Dorf Pertschjupa im Trakaiski-Distrikt ein. Sie umzingelten das Dorf und plünderten es vollkommen aus. Danach trieben sie alle Männer in ein großes Haus, die Frauen und Kinder In drei andere Häuser, und setzten diese Gebäude in Brand. Diejenigen, die zu flüchten versuchten, wurden von den faschistischen Mördern eingefangen und wieder in die [584] brennenden Häuser geworfen. So wurde die ganze Bevölkerung des Dorfes, 119 Menschen, unter ihnen 21 Männer, 29 Frauen« – und ich betone besonders die letzte Zahl – »69 Kinder verbrannt.«

Ich bitte den Gerichtshof, nun auf ein anderes Dokument überzugehen, das ich als USSR-279 vorlege. Es ist ein Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Greueltaten der deutsch-faschistischen Eindringlinge in den Städten Wjasma, Gschazk und Sytschew, im Ostgebiet von Smolensk und in der Stadt Rschew, im Bezirk Kalinin.

Ich hätte gern mehr aus diesem Bericht verlesen, beschränke mich jedoch nur auf wenige Stellen, um wiederum Zeit zu sparen und Einzelheiten zu vermeiden.

Ich lasse zwei Seiten aus dem Text aus und gehe auf Seite 145 meines Textes über. Ich zitiere den sechsten Absatz:

»Im Dorf Sajtschiki haben die Gestapoleute den 61 jährigen Michael Saikow, den 69 jährigen Nikifor Beljakow, die 70 jährige Katharina Begorowa, die 70 Jahre alte Katharina Golubjewa, den 5 Jahre alten Igor Dadonow, die 7 jährige Mira Sernowa und viele andere, insgesamt 23 Menschen, in ein Haus getrieben und das Haus in Brand gesteckt, und alle, die sich dort befanden, wurden bei lebendigem Leibe verbrannt.«

Ich lasse wieder zwei Absätze aus und verlese noch einen Absatz:

»Bei dem Rückzug der Deutschen aus dem Dorf Gratschewo im Bezirk Gschazk, im März 1943, hat der stellvertretende Chef der deutschen Feldgendarmerie, Leutnant Boß, 200 Einwohner in das Haus der Bäuerin Tschistjakova,«- es sind noch weitere Namen von Dörfern angegeben worden – »getrieben, die Türe verschlossen und das Haus angesteckt. Alle 200 Menschen sind verbrannt.«

Ich will die Namen der Getöteten nicht alle aufzählen, nur bitte ich den Gerichtshof zu bedenken, daß darunter Leute im Alter von 63 und 70 Jahren und Kinder von 3, 4 und 5 Jahren waren.

Ich lasse wieder zwei Absätze aus und zitiere noch eine Stelle:

»In den Dörfern Kulikowo und Kolesniki, im Bezirk Gschazk, haben die Faschisten alle Bewohner, jung und alt, in einem Bauernhaus verbrannt.«

Hiermit beende ich die Verlesung dieses Dokuments. Dann möchte ich noch ein weiteres deutsches Dokument hinzufügen, das ich als USSR-119 vorlege. Es ist dies eine beglaubigte Photokopie der Berichte der 15. Gendarmerie-Abteilung. Unter diesen Dokumenten finden wir eine Zusammenfassung über die Strafexpedition im Dorfe Borysowka vom 22. bis 26. September 1942.

[585] Der Gerichtshof findet dieses Dokument auf Seite 309 des Dokumentenbuches.

Ich zitiere einen kurzen Auszug aus diesem Dokument, in dem ohne Zweifel festgestellt wird, daß unter dem Vorwand eines Kampfes gegen die Partisanen die Hitler-Verbrecher die friedliche Bevölkerung der sowjetischen Dörfer mitleidlos vernichtet haben.

Ich zitiere den ersten Teil des Dokuments nach der Überschrift:

»1. Auftrag: Der bandenverseuchte Ort Borysowka ist durch die 9. Kompanie zu vernichten.

2. Kräfte: 2 Züge der 9. Polizei-Abt. 15, 1 Gendarmeriezug (mot. 16) und ein Pakzug von Berezy- Kartuska.«

Ich möchte hier unterstreichen, meine Herren Richter, daß sich bei Expeditionskräften eine Panzerabtei lung aus Berezy-Kartuska befand. Gegen wen wurden wohl Panzerkräfte, zwei Züge Gendarmerie angewandt? Die Antwort darauf finden wir im folgenden Abschnitt dieses Berichts:

»3. Ausführung: Die Kompanie sammelte am 22. September 1942 abends in Dywin. In der Nacht vom 22. auf 23. September 1942 erfolgte der Marsch von Dywin in Richtung Borysowka. Mit zwei Zügen wurde bis 4.00 Uhr früh das Dorf, von Norden und Süden umfassend, abgeriegelt. Mit Anbruch des Tages wurden durch den Dorfschulzen von Borysowka die gesamte Bevölkerung des Dorfes zusammengeholt. Nach Überprüfung der Bevölkerung, unter Hinzuziehung der Sicherheitspolizei aus Dywin, wurden 5 Familien nach Dywin umgesiedelt. Der Rest wurde durch ein besonders eingeteiltes Kommando erschossen und 500 Meter nordostwärts Borysowka begraben. Es wurden insgesamt 169 Personen erschossen, darunter 49 Männer, 97 Frauen und 23 Kinder.«

Ich glaube, daß die Ziffern so anschaulich sind, daß ich damit die Verlesung des Dokuments beenden kann. Ich lasse zwei Seiten des Textes aus und gehe zum nächsten Teil meines Vertrags über.

Ich bitte den Gerichtshof, Seite 316 des Dokumentenbuches vorzunehmen, wo sich der Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Zerstörungen der deutsch-faschistischen Eindringlinge im Gebiet Stalinsk befindet.

Bisher habe ich Beweise dafür angeführt, daß die deutschen faschistischen Eindringlinge die Sowietbevölkerung der Dörfer ausrotteten, indem sie sie bei lebendigem Leibe verbrannte. In diesem Bericht finden wir eine Bestätigung dafür, daß auch in den Städten die Menschen lebend verbrannt wurden. Dieser Bericht wurde dem Gerichtshof unter USSR-2 vorgelegt. Ich zitiere einen Absatz auf Seite 316 des Dokumentenbuches:

[586] »In der Stadt Stalino haben die deutschen Eindringlinge die Einwohner des Hauses, in dem Gelehrte wohnten, in den Stall getrieben, den Eingang verbarrikadiert, sodann den Stall mit Brennstoff begossen und in Brand gesteckt. Alle Leute, die sich im Stall befanden, sind verbrannt, mit Ausnahme von 2 Mädchen, die sich zufällig retten konnten.

Am 11. September 1943 hat eine Kommission« – ich übergehe den folgenden Teil, der die Zusammensetzung der Kommisson enthält – »... die Ausgrabung des verbrannten Stalles durchgeführt. Dabei wurden an der Brandstelle 41 verkohlte Leichen ans Tageslicht gebracht.«

Seit Beginn des Krieges gegen die USSR hat der deutsch-faschistische Terror gegen die friedliche Bevölkerung ungeheuerliche Formen angenommen. Das vermerkten sogar deutsche Offiziere, die am ersten Weltkrieg teilgenommen hatten, in ihren Berichten, und sie unterstrichen, daß ihnen bei aller Grausamkeit des vorigen Krieges Derartiges niemals begegnete.

Ich verweise wieder auf ein deutsches Dokument, das ich dem Gerichtshof als USSR-293 vorlege. Es ist eine beglaubigte Photokopie eines Berichts des ehemaligen Befehlshabers des 528. Infanterie-Regiments, Major Rösler, und ein Bericht von Schirwindt, des Chefs des 9. Militärbezirks. Da das Dokument sehr interessant ist, möchte ich es vollständig verlesen. Die verehrten Herren Richter werden die Stelle auf Seite 319 des Dokumentenbuches finden. Ich zitiere:

»z. Zt. Kassel, den 3. 1. 1942. Major Rösler. Bericht:

Die mir vom Infanterie-Ersatz-Regiment 52 vorgelegte Angelegenheit ›Verhalten gegenüber der Zivilbevölkerung im Osten‹ gibt mir Veranlassung, das Folgende zu berichten:

Ende Juli 1941 befand sich das damals von mir geführte Infanterie-Regiment 528 auf dem Wege von Westen nach Shitomir, wo es eine Rastunterkunft beziehen sollte. Als ich mit meinem Stab am Nachmittag des betreffenden Ankunftstages mein Stabsquartier bezogen hatte, hörten wir aus nicht allzuweiter Entfernung in regelmäßigen Abständen Gewehrsalven, denen nach einiger Zeit Pistolenschüsse folgten. Ich beschloß, dieser Erscheinung nachzugehen und begab mich mit Adjutant und Ordonnanzoffizier (Oberleutnant von Bassewitz und Leutnant Müller-Brodmann) in Richtung des Gewehrfeuers auf die Suche. Wir bekamen bald den Eindruck, daß sich hier ein grausames Schauspiel abspielen müsse, denn nach einiger Zeit sahen wir zahlreiche Soldaten und Zivilpersonen einem vor uns liegenden Bahndamm zuströmen, hinter dem, wie man uns meldete, laufend Erschießungen vorgenommen wurden. Während der ganzen Zeit konnten [587] wir über den Bahndamm zunächst nicht hinwegsehen, hörten jedoch immer nach einem gewissen Zeitraum den Ton einer Trillerpfeife und danach eine etwa 10-läufige Gewehrsalve, an die sich nach einiger Zeit Pistolenschüsse anreihten. Als wir schließlich den Bahndamm erklettert hatten, bot sich jenseits dieses Dammes ein Bild, dessen grausame Abscheulichkeit auf den unvorbereitet Herantretenden erschütternd und abschreckend wirkte. In die Erde war ein etwa 7-8 Meter langer, vielleicht 4 Meter breiter Graben eingezogen, dessen aufgeworfene Erde auf der einen Seite aufgeschichtet war. Diese Aufschichtung und die darunterliegende Grabenwand war vollständig mit Strömen von Blut besudelt. Die Grube selbst war mit zahlreichen, schwer abzuschätzenden menschlichen Leichen aller Art und jeden Geschlechts gefüllt, so daß ihre Tiefe nicht geschätzt werden konnte. Hinter dem aufgeschütteten Wall stand ein Kommando Polizei, das von einem Polizeioffizier befehligt wurde. Die Uniformen dieses Kommandos wiesen Blutspuren auf. In weitem Umkreis ringsherum standen unzählige Soldaten dort bereits liegender Truppenteile, teilweise in Badehosen, als Zuschauer, ebenso zahlreiche Zivilisten mit Frauen und Kindern. Ich habe mir daraufhin durch ganz dichtes Herantreten an den Graben ein Bild verschafft, das ich bis heute nicht vergessen konnte. Unter anderem lag in diesem Grab ein alter Mann mit einem weißen Vollbart, der über seinem linken Arm noch ein kleines Spazierstöckchen hängen hatte. Da dieser Mann noch durch seine stoßweise Atemtätigkeit Lebenszeichen von sich gab, ersuchte ich einen der Polizisten, ihn endgültig zu töten, worauf dieser mir mit lachender Miene sagte: ›Dem habe ich schon 7mal was in den Bauch gejagt, der krepiert schon von alleine.‹ Die in dem Grabe liegenden Erschossenen wurden nicht besonders zurechtgelegt, sondern blieben so, wie sie nach dem Schuß von der Grabenwand heruntergefallen waren. Sämtliche dieser Leute wurden durch Nackenschüsse erledigt und anschließend von oben her mit Pistolenschüssen abgefangen.

Ich habe durch meine Teilnahme am Weltkriege sowie dem französischen und russischen Feldzug dieses Krieges keineswegs eine übertriebene Verweichlichung meines Gemütes erfahren, habe auch durch meine Betätigung in den Freiwilligenformationen des Jahres 19 manches mehr als Unerfreuliche erlebt, ich kann mich jedoch nicht entsinnen, jemals einer solchen Szene, wie der geschilderten, beigewohnt zu haben.«

[588] Ich lasse einen Absatz aus und fahre fort:

»Ich erwähne noch, daß nach Aussagen von Soldaten, die sich diese Hinrichtungen öfters ansahen, täglich mehrere Hunderte erschossen worden sein sollen. Gezeichnet: Rösler.«

Bezeichnend ist auch die Stellungnahme des stellvertretenden Befehlshabers des IX. Armeekorps und Chefs des 9. Militärbezirks, der den Bericht Röslers an den Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes in Berlin weiterleitete. Ich zitiere dieses Dokument. Der Gerichtshof wird es auf Seite 318 des Dokumentenbuches finden:

»Betrifft: Greueltaten gegenüber der Zivilbevölkerung im Osten.

Auf Grund umlaufender Berichte über Massenexekutionen in Rußland bin ich dem Ursprunge nachgegangen, da ich sie für weit übertrieben hielt.

Anliegend überreiche ich einen Bericht des Majors Rösler, der die Gerüchte in vollem Maße bestätigt.«

Charakteristisch ist auch der letzte Satz:

»Wenn solche Handlungen in dieser Öffentlichkeit stattfinden, wird es nicht zu vermeiden sein, daß sie in der Heimat bekannt und kritisiert werden. Unterschrift: Schirwindt.«

VORSITZENDER: Oberst Smirnow! Wissen Sie, wer der stellvertretende Befehlshaber des IX. Armeekorps und wer Kommandeur des IV. Wehrbezirks war, und wissen Sie, wer der Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes in Berlin war? Wissen Sie, ob auf diesen Bericht eine Antwort erfolgte?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Herr Vorsitzender! Ich kann Ihnen hierauf erst in einiger Zeit antworten. Diese Fragen sind mir neu und müssen erst nachträglich aufgeklärt werden. Ich werde erst Nachforschungen darüber anstellen und dem Gerichtshof die Antwort sowie die diesbezüglichen Dokumente bald vorlegen.

Erlauben Sie mir zur Erleichterung der Vorlage der Beweise, zu den folgenden Teilen meines Berichts folgende zwei Alben, die von der Außerordentlichen staatlichen Kommission beglaubigt sind, vorzulegen. Diese werden auch jedem der Herren Richter vorgelegt werden, und außerdem bitte ich um die Erlaubnis, Photographien auf der Leinwand zu zeigen. Ich möchte dazu bemerken, daß ich diese Bilder nicht vom Gesichtspunkt der darauf dargestellten Greuel aus ausgesucht habe; die Herren Richter werden in unserem Dokumentenbuch noch schrecklichere Vorfälle finden, sondern mehr, weil alle diese Aufnahmen auf Grund ihres besonders typischen Charakters ausgewählt sind.

Bevor ich diese Photodokumente bringe, bitte ich um die Erlaubnis, noch ein deutsches Dokument vorlegen zu dürfen. Ich lege [589] es als USSR-297 vor. Es ist die beglaubigte Photokopie eines Berichts des Chefs der Sicherheitspolizei und SD, worin er verbot, die Massenhinrichtungen, genannt Exekutionen, zu photographieren. Bemerkenswert ist, daß die meisten dieser von mir vorgelegten Photos, und eine Reihe anderer, von den Deutschen selbst aufgenommen worden sind. Diese Tatsache hat die Aufmerksamkeit der Polizeiobrigkeit auf sich gelenkt, und danach wurde es den deutsch-faschistischen Verbrechern verboten, Aufnahmen dieser Art zu machen. Ich zitiere einen sehr kurzen Auszug aus diesem Dokument: Der Gerichtshof wird die Stelle, die ich verlese, auf Seite 321 des Dokumentenbuches finden:

»Der Reichsführer-SS hat durch Befehl vom 12. November 1941, Tgb. Nr. I-1461/41 Ads., das Photographieren von Exekutionen verboten und angeordnet, daß, sofern derartige Aufnahmen aus dienstlichen Gründen erforderlich sind, das gesamte Aufnahmematerial archivmäßig zu sammeln ist.«

Ich lasse den nächsten Absatz aus und zitiere den dritten Absatz:

»Der Führer des Einsatz- oder Sonderkommandos, bzw. der Kompaniechef der Waffen-SS und des Zugführers der Kriegsberichter-Abteilung tragen die Verantwortung dafür, daß Platten, Filme und Abzüge nicht in der Hand des einzelnen Angehörigen der Einsatzdienststellen verbleiben.«

Den Rest des Dokuments verlese ich nicht, weil ich annehme, daß genügend Beweisstücke dafür vorgelegt worden sind, daß die Polizeibehörden über die zahlreichen Aufnahmen von Exekutionen und Massenhinrichtungen durch die deutsch-faschistischen Verbrecher beunruhigt waren, weil sie eine Bestätigung dieser Hinrichtungen darstellten.

Ich erlaube mir jetzt, diese Dokumente auf die Leinwand zu bringen, Sie gestatten es wohl, Herr Vorsitzender?

VORSITZENDER: Worauf warten Sie, Oberst Smirnow?

OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Ich dachte, daß das Licht ausgehen würde, doch es scheint, daß mir unbekannte technische Schwierigkeiten vorliegen. Ich kann deshalb mit der Vorführung der Aufnahmen nicht beginnen.


VORSITZENDER: Glauben Sie, daß Sie Ihren Vortrag fortsetzen und die Photographien nach der Mittagspause zeigen können? Wieviel Zeit wird die Vorführung der Bilder in Anspruch nehmen?


OBERJUSTIZBAT SMIRNOW: Ich stimme dem voll zu, Herr Vorsitzender. Ich bitte, zum zweiten Teil meines Vertrags übergehen zu dürfen. Er trägt die Überschrift: »Massenvernichtungen friedlicher Bürger Rußlands, Polens, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei durch die deutschen Faschisten«.

[590] Die Massenvernichtung der friedlichen Bevölkerung der Sowjetunion und der osteuropäischen Länder wurde von den deutsch faschistischen Verbrechern überall ausgeführt, wie wir aus den amtlichen Befehlen und den Berichten über die Durchführung dieser Hinrichtungen ersehen können. Sie hatten dabei folgende Ziele im Auge:

  • 1. Die physische Ausschaltung derjenigen Bevölkerungsschichten, die als eines Widerstandes fähig angesehen wurden.

  • 2. Rassische Gründe, das heißt die Verwirklichung des Leitmotivs der menschenhassenden Rassentheorie.

  • 3. Vergeltungsmaßnahmen.

  • 4. Angeblicher Kampf gegen Freischärler, die die deutschen Faschisten nicht fangen und vernichten konnten und an deren Stelle sie mit Vergeltungsmaßnahmen gegen die friedliche Bevölkerung vorgingen.

Die Hinrichtung von Kindern war eine besonders grausame Maßnahme im Hitlerschen Terrorsystem. Die Anwendung besonders qualvoller Mittel zur Ermordung von Kindern ist eine der grundlegendsten und widerwärtigsten Eigentümlichkeiten des Hitlerschen Terrorsystems in den zeitweilig besetzten Gebieten der Sowjetunion.

Unmittelbar nach der Machtergreifung durch die Faschisten begann Hermann Göring, Gesetze zu erlassen, die die Vivisektion verboten. Er schonte Hunde, Kaninchen und Meerschweinchen, an denen man zum Wohle der Menschheit wissenschaftliche Experimente vornimmt. Zum Beweis dafür berufe ich mich auf das Buch Görings, betitelt »Reden und Aufsätze«, das im Jahre 1940 von Erich Gritzbach in München herausgegeben wurde; Beweisstück USSR-377. Auf Seite 80 dieses Buches finden wir eine Rede Görings »Der Kampf gegen die Vivisektion«. Ich will keinen längeren Auszug aus diesem Buch zitieren, sondern nur einen einzigen Satz erwähnen, der bezeugt, daß aus seiner Liebe zu Tieren Hermann Göring das Recht herleitete, Menschen in Konzentrationslagern zu inhaftieren.

Auf der dem Gerichtshof bekannten SS-Gruppenführertagung in Posen führte Himmler aus; ich zitiere dies aus Dokument 1919-PS:

»Wir Deutschen sind die einzigen auf der Welt, die eine anständige Einstellung zum Tier haben...«

Aber diese Verbrecher, die so gefühlvoll über Tierquälereien sprachen, alle diese Menschen, von Himmler bis Keitel, befahlen ihren Untergebenen unausgesetzt eine unmenschliche und in ihrer Grausamkeit sinnlose Vernichtung von Kindern.

Bei der soeben erwähnten Tagung erwähnte Himmler auch das Folgende:

»Wenn mir einer kommt und sagt: ›Ich kann mit Kindern oder Frauen den Panzergraben nicht bauen. Das ist [591] unmenschlich, denn dann sterben die daran‹ – dann muß ich sagen: ›Du bist ein Mörder an Deinem eigenen Blut!‹«

Durch zahlreiche Untersuchungen der deutsch-faschistischen Greueltaten in der Sowjetunion wurde zweifellos festgestellt, daß bei Massenerschießungen viele Kinder bei lebendigem Leibe in die Gruben geworfen wurden.

Zur Bekräftigung dessen möchte ich auf die amtlichen Dokumente verweisen:

»Die deutschen Verbrecher warfen Kinder lebendig in die Gruben.«

Ich bitte den Gerichtshof, seine Aufmerksamkeit auf ein Dokument zu lenken, das bereits von meinem Kollegen, Oberst Pokrowsky, als USSR-46 vorgelegt wurde. Es ist ein Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Verbrechen der deutsch-faschistischen Eindringlinge in der Stadt und in dem Bezirk von Orel. Der Gerichtshof findet diese Stelle auf Seite 334 des Dokumentenbuches, und zwar die letzten drei Zeilen auf der Seite, sodann auf der nächsten Seite 335.

Ich beginne das Zitat:

»Diejenigen, die in der Stadt erschossen wurden, wurden weggebracht und gewöhnlich in waldige Gegenden in Gräben geworfen. Im Gefängnis wur den Hinrichtungen in der folgenden Weise ausgeführt: Die Männer hatten in einer Linie, mit dem Gesicht der Mauer zugewandt, zu stehen und der ›Gendarm‹ gab aus seiner Pistole Schüsse in das Genick ab. Diese Schüsse verletzten lebenswichtige Stellen, so daß der Tod augenblicklich eintrat. Frauen wurden in den meisten Fällen mit dem Gesicht auf die Erde niedergelegt und der Gendarm schoß durch ihren Hinterkopf. Eine andere Methode bestand darin, daß man Gruppen in einen Graben trieb; alle waren gleich ausgerichtet. Sodann wurden sie ebenfalls von hinten durch den Kopf geschossen, und zwar mit automatischen Gewehren. In den Gräben wurden Kinderleichen aufgedeckt, die nach Berichten von Augenzeugen, bei lebendigem Leibe begraben worden waren.«

Weiterhin beziehe ich mich auf ein Dokument, das dem Gerichtshof als USSR-1 vorgelegt wurde. Es ist ein Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Verbrechen der deutsch-faschistischen, Besatzung im Bezirk von Stawropol. Ich zitiere eine Stelle auf Seite 271 des Dokumentenbuches, und zwar Abschnitt 3. Ich beginne:

»Bei der Besichtigung eines anderen Grabens, der in der Nähe des Kolzberges gelegen ist, und zwar 250 Meter von der Straße« – ich überspringe den nächsten Satz – »wurde ein [592] 10 Meter hoher ausgespülter Erdaufwurf entdeckt, aus welchem einzelne Teile menschlicher Leichen hervorsahen. An dieser Stelle wurden in der Zeit vom 26. bis 29. Juli 1943 Ausgrabungen vorgenommen, denen zufolge 130 Leichen gefunden wurden. Die gerichtsmedizinische Untersuchung ergab folgendes: Die Leiche eines 4 Monate alten Mädchens wies keine Spuren eines gewaltsamen Todes auf. Das Kind wurde lebendig in den Graben geworfen und ist infolgedessen erstickt.«

Ich überspringe den nächsten Satz und zitiere aus dem nächsten Absatz:

»Die gerichtsmedizinische Untersuchung der Säuglingsleichen hat ergeben, daß sie sämtlich lebendig, zusammen mit den erschossenen Müttern, in den Graben geworfen worden waren. An allen übrigen Leichen wurden Folterspuren gefunden.«

Ich verweise nun noch auf das Urteil des Militärgerichts der vierten ukrainischen Front, das bereits als USSR-32 dem Gerichtshof vorgelegt wurde.

VORSITZENDER: Es wäre vielleicht besser, wenn wir jetzt unterbrechen würden.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 7, S. 567-594.
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