Vormittagssitzung.

[576] [Der Angeklagte Rosenberg im Zeugenstand.]


MR. DODD: Gerade vor der Pause gestern nachmittag erkundigte sich der Gerichtshof nach dem Stand des Dokumentenbuches Frank, und als ich dem Gerichtshof mitteilte, daß wir zum Vortrag bereit seien, erinnerte Dr. Seidl an ein Abkommen, das wir getroffen hatten. Ich habe gestern nicht daran gedacht. Ich glaube, wir haben uns beide ein wenig geirrt. Die Lage ist nun so: Wir haben gestern abend um 6.00 Uhr ein Übereinkommen getroffen, daß hinsichtlich der Dokumentenbücher Frank keinerlei Unklarheiten bestehen.

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich möchte eine kurze Richtigstellung machen. Ich habe gestern von der Anforderung eines Dokuments über die Gründung des Einsatzstabes Rosenberg gesprochen. Mein Klient hat mich wiederholt gebeten, dieses Dokument vorzulegen. Es besteht aber die Möglichkeit, daß ich dieses Dokument verwechselt habe mit anderen Dokumenten, die ich angefordert und nicht bekommen habe. Ich wollte das nur richtigstellen.


VORSITZENDER: Sie wollen lediglich diese mündliche Richtigstellung vornehmen? Gut.


DR. THOMA: Jawohl.


VORSITZENDER: Wünscht irgendein anderer Verteidiger an den Angeklagten Fragen zu richten?


DR. HAENSEL: Herr Zeuge! Sind Sie der Ansicht, daß das, was Sie zur Erledigung Ihrer Aufgaben – Sie waren nämlich Beauftragter des Führers für die geistigen Ziele der NSDAP und der angeschlossenen Verbände – daß das, was Sie als Beauftragter des Führers für diese Ziele und für die planmäßige, wie es hieß, geistige Bekämpfung des Judentums gesagt und geschrieben haben, als offizielle Umreißung der Tätigkeit der Partei und der Gliederungen anzusehen ist?


ROSENBERG: Wenn ich diese lange Serie von Fragen einzeln beantworten darf, dann ist es folgendes: Meine Dienststelle hat in der Frage der geistigen Erziehung mit dem Hauptschulungsamt der SS selbstverständlich dauernd in Beziehung gestanden. Meine Dienststelle hat die sogenannten Leithefte der SS, die als Schulungszeitschrift erschienen, gelesen, und ich habe sie auch öfter in der Hand gehabt und habe in diesen Jahren gefunden, daß in diesem Schulungsamt, in diesen Heften, zum mindesten eine Menge sehr[576] wertvoller Aufsätze und meist sehr anständiger Gedanken enthalten sind. Das war ja auch für mich ein Grund, in all diesen Jahren bis dahin mit der SS an sich in keinen Konflikt gekommen zu sein.

Was die Judenfrage betrifft, so ist das Ziel in diesem Problem ja in dem Programm der NSDAP ausgesprochen worden, und das ist das einzige Offizielle, an das sich die Parteigenossen gehalten haben. Das, was ich darüber gesagt habe und was andere darüber geschrieben haben, ist als eine Begründung anzusehen. Es ist sicher viel davon akzeptiert worden; es sind aber, was den Führer und den Staat betrifft, diese Vorschläge für sie nicht bindende Vorschriften gewesen.


DR. HAENSEL: War das Ziel Ihrer Bekämpfung des Judentums begrenzt? Haben Sie sich vorgestellt, daß die Juden ausgeschaltet werden sollten aus Staatsverwaltung und Wirtschaft, oder haben Ihnen von vornherein schärfere Maßnahmen wie Ausrottung und so weiter vorgeschwebt? Was war Ihr Ziel?


ROSENBERG: Mir hat entsprechend dem Parteiprogramm das eine Ziel vorgeschwebt, daß die Führung im deutschen Staat geändert würde, wie sie namentlich von 1918 bis 1933 bestanden hat. Das war das wesentliche Ziel. Über die Ausschaltung, sogar aus der Wirtschaft, ist damals nicht gesprochen worden, und ich habe gestern schon auf zwei meiner Reden, die ja gedruckt vorliegen, hingewiesen, wo ich erklärte, nach Beendigung dieses harten politischen Kampfes müsse eine Zensur oder eine Überprüfung der Frage stattfinden. Es ist auch früher von der Forderung der Auswanderung der Juden aus Deutschland gesprochen worden; ist auch richtig. Das ist von mir später, als die Dinge sich verschärften, noch einmal ausgesprochen worden; auch in den Gedanken der Vorschläge sehr prominenter jüdischer Führer, deutsche Arbeitslose nach Afrika, Südamerika und nach China zu deportieren.


DR. HAENSEL: Man könnte also, wenn man Ihren Gedankengängen von gestern und heute folgt, drei Gruppen von Maßnahmen gegen die Juden unterscheiden: Einmal bis 1933, bis zur Machtergreifung, das wären die propagandistischen Maßnahmen; zweitens nach 1933, die Maßnahmen, die in den Gesetzen gegen die Juden ihren Niederschlag fanden; und schließlich, nach dem Kriege, gewisse Maßnahmen, die zweifelsfrei zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören.

Gehen Sie mit dieser Dreiteilung einig?


ROSENBERG: Ungefähr so, ja.


DR. HAENSEL: Dann möchte ich Ihr Augenmerk auf die zweite Gruppe richten, nämlich auf die Maßnahmen, die nach der Machtergreifung im Wege der Gesetzgebung gegen die Juden ergangen sind. Haben Sie hierbei mitgewirkt?


[577] VORSITZENDER: Sie sind Verteidiger für die SS, nicht wahr?


DR. HAENSEL: Ja.


VORSITZENDER: Was haben diese Fragen mit der SS zu tun?


DR. HAENSEL: Die Fragen haben das mit der SS zu tun: Wenn die Partei als Ganzes das Ziel einer zunächst geordneten Judengesetzgebung hatte, so war die SS auch an dieses Ziel gebunden und hatte zunächst keine darüber hinausgehenden Ziele, Ich wollte feststellen, wann die Gesetzgebung und die Maßnahmen gegen die Juden verbrecherisch wurden, und daß bis dahin die SS auch nicht in irgendeiner Weise verbrecherische Maßnahmen gegen die Juden unternahm.


VORSITZENDER: Nun, er hat schon gesagt, daß die Judenfrage im Parteiprogramm enthalten war. Das ist alles, was Sie wünschen, nicht wahr?


DR. HAENSEL: Ich wollte nur zeigen: Die Tatsache, daß es im Parteiprogramm gestanden hat, beweist noch nicht, daß es als Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Parteiprogramm gestanden hat, sondern im Parteiprogramm stand ein allgemeiner Satz, von dem ich noch nicht glaube, daß er ohne weiteres ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist Dazu müßte noch hinzukommen...


VORSITZENDER: Das ist eine Frage der Auslegung des Parteiprogramms. Darüber hat er nicht Zeugnis abzulegen. Es liegt als ein Dokument vor. Das Parteiprogramm ist in den schriftlichen Dokumenten enthalten.


DR. HAENSEL: Aber außer dem Parteiprogramm sind nachher eine Menge von Gesetzen und Erlassen ergangen, die dieses Parteiprogramm erweitert haben und die Frage...


VORSITZENDER: Dies sind ebenfalls Dokumente, die der Gerichtshof auszulegen hat und nicht dieser Zeuge.


DR. HAENSEL: Die Frage ist, soweit der Zeuge es sagen kann, wie weit bei der Durchführung dieser Bestimmungen die SS mitgewirkt hat.


VORSITZENDER: Er kann über Tatsachen aussagen, nicht aber über Gesetze oder die Auslegung von Dokumenten. Wenn Sie ihn nach Tatsachen fragen, gut; wenn Sie aber verlangen, daß er das Parteiprogramm oder Erlasse auslegt, so ist dies die Aufgabe des Gerichtshofs.

DR. HAENSEL: Gut.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie haben in Ihren Büchern das Ziel vertreten, daß die Deutschen sich zu einem Großdeutschland vereinigen sollen, das steht auch im Parteiprogramm?

[578] ROSENBERG: Jawohl.

DR. HAENSEL: Haben Sie geglaubt, daß dies nur durch die Vorbereitung eines Krieges möglich sei, oder haben Sie auch geglaubt, daß es friedlich möglich sei?


ROSENBERG: Ich habe am Anfang meiner Ausführungen auf einen vor einem Internationalen Kongreß dargelegten. Vortrag von 1932 verwiesen. Hier war dieser Vorschlag vom Führer ausdrücklich gebilligt, der dahin ging, daß diese vier Großmächte das gesamte europäische Problem überprüfen sollten; und in diesem Vorschlag war einbegriffen der Verzicht auf deutsche Kolonialpolitik, der Verzicht auf Elsaß-Lothringen und der Verzicht auf Südtirol, sowie Ansprüche für die abgetrennten deutschen...


VORSITZENDER: All diese Dinge haben wir von dem Angeklagten Göring und dem Angeklagten Ribbentrop schon früher gehört und haben erklärt, daß wir das nicht nochmals hören wolle. Es hat jedenfalls mit der SS nichts direkt zu tun.


DR. HAENSEL: Nun eine letzte Frage. Ist Ihnen bekannt, daß die SS gegenüber den Juden geheime und andere Ziele verfolgte, ganz verschieden von jenen, die offiziell veröffentlicht waren?


ROSENBERG: Das habe ich hier gehört.


DR. HAENSEL: Aus eigener Kenntnis wissen Sie es nicht?


ROSENBERG: Nein.


DR. STEINBAUER: Herr Zeuge! Ich habe nur eine einzige Frage an Sie zu richten. Die Anklagebehörde hat unter 091-PS einen Brief vorgelegt, den Sie als Leiter des Einsatzstabes an Dr. Seyß-Inquart in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Niederlande gerichtet haben, und in welchem Brief Sie die Ausfolgung der Bibliothek des sogenannten Sozialinstitutes in Amsterdam verlangt haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich an diese Bibliothek erinnern. Es ist dies eine umfangreiche Bibliothek sozialistisch-marxistischen Inhalts gewesen. Die Anklagebehörde hat die Antwort meines Klienten nicht vorgelegt. Darum muß ich Sie fragen: Erinnern Sie sich an diesen Sachverhalt und welche Antwort hat Ihnen Seyß-Inquart gegeben?


ROSENBERG: An diese Bibliothek erinnere ich mich sehr weil mir darüber vorgetragen worden ist. Es handelt sich meines Wissens um eine Errichtung einer geistigen Zentrale der Zweiten Internationale in Amsterdam, in der nämlich die Geschichte der sozialen Bewegungen in verschiedenen Staaten hier bibliothekarisch zusammengefaßt werden sollte, um auf Grund dieses wissenschaftlichen Materials nun einen geistig-politischen Kampf, einen wissenschaftlichen Kampf...


[579] DR. STEINBAUER: Gut. Gut. Wir wollen kurz sein. Also Sie wissen, um was es sich handelt. Welche Antwort haben Sie nun bekommen? Hat Seyß-Inquart zugestimmt, daß diese Bibliothek nach Deutschland kommt, oder hat er verlangt, daß sie in Holland verbleibt?


ROSENBERG: Es wurde zunächst abgemacht, daß diese Bibliothek in Holland verbliebe, und daß die Katalogisierung und Ordnung dieser noch nicht geordneten Bibliothekschätze in Amsterdam vorgenommen werden sollte. Und das ist im Laufe der Jahre in Amsterdam geschehen. Erst im Jahre 1944, als entweder die Invasion schon begonnen hatte oder unmittelbar mit ihr gerechnet wurde, als die Bombenangriffe auch in diesem Gebiet sich verstärkten, ist ein Teil nach Schlesien gebracht worden, der andere Teil ist meines Wissens nicht durchgekommen, sondern in Emden geblieben und der dritte Teil ist, glaube ich, nicht abtransportiert worden.


DR. STEINBAUER: Ist es also richtig, daß Seyß-Inquart verhindert hat, daß diese Bibliothek der holländischen Arbeiterschaft weggenommen wurde?


ROSENBERG: Jawohl.


VORSITZENDER: Wünscht die Anklagebehörde ein Kreuzverhör vorzunehmen?


MR. DODD: Bevor wir verschiedene Punkte zu erörtern beginnen, möchte ich Sie bitten, Ihren Namen ein paarmal auf dieses Stück Papier mit Bleistift und mit Tinte zu schreiben.

Schreiben Sie bitte »A. Rosenberg« mit Tinte und »Alfred Rosenberg« mit Tinte; und wollen Sie den Anfangsbuchstaben Ihres Zunamens als großen Buchstaben niederschreiben.

Wollen Sie bitte jetzt mit Bleistift auf ein anderes Stück Papier das gleiche tun: »A. Rosenberg« mit Bleistift, »Alfred Rosenberg« und den Anfangsbuchstaben Ihres Zunamens. Und dann möchte ich Sie noch um etwas bitten. Wollen Sie den Anfangsbuchstaben Ihres Nachnamens in Druckschrift niederschreiben.

Als Sie gestern nachmittag durch Ihren Anwalt das erstemal verhört wurden, haben Sie vor dem Gerichtshof die Erklärung abgegeben, daß Sie mit Heinrich Himmler, dem Reichsführer-SS, eine Besprechung über Konzentrationslager hatten, wenn ich mich recht erinnere, sagten Sie, es war im Jahre 1938. Stimmt das?


ROSENBERG: Ja, ich habe erklärt, ich habe mit ihm einmal über Konzentrationslager gesprochen; ob es 1938 war: Ich kann das genaue Datum nicht angeben, weil ich mir keine Notiz darüber gemacht habe.


MR. DODD: Sehr gut. Er hat Ihnen den Vorschlag gemacht, das eine oder andere dieser Lager zu besichtigen, Dachau oder irgendein anderes Lager, nicht wahr?


[580] ROSENBERG: Ja, er hatte mir damals gesagt, ich sollte mir mal Dachau ansehen.


MR. DODD: Und Sie lehnten die Einladung ab, nicht wahr?


ROSENBERG: Ja.


MR. DODD: Und wenn ich mich recht erinnere, sagten Sie, daß Sie dies taten, weil Sie davon überzeugt waren, daß er Ihnen die ungünstigen Dinge in diesem Lager doch nicht zeigen würde?


ROSENBERG: Ja, das habe ich so ungefähr angenommen, falls es wirklich ungünstige Dinge waren, daß ich sie ja doch nicht sehen würde.


MR. DODD: Sie meinen also, daß Sie lediglich angenommen haben, daß da ungünstige Verhältnisse herrschten. Sie wußten nicht, daß dort ungünstige Verhältnisse herrschten?


ROSENBERG: Ich habe das aus der ausländischen Presse gehört, und es ist darüber...


MR. DODD: Wann haben Sie es zum erstenmal durch die Auslandspresse erfahren?


ROSENBERG: Das war schon in den ersten Monaten 1933.


MR. DODD: Und haben Sie die Berichte der Auslandspresse über die Konzentrationslager von 1933 bis 1938 ununterbrochen gelesen?


ROSENBERG: Ich habe die Auslandspresse überhaupt nicht gelesen, weil ich leider nicht englisch spreche. Ich habe nur ab und zu einige Auszüge davon erhalten, und in der deutschen Presse sind ja auch einige Hinweise darauf erschienen mit einer strikten Erklärung, daß sie nicht stimmen. Ich kann mich noch an eine Erklärung des Ministers Göring erinnern, wo er sagte, er sei fassungslos, daß so etwas geschrieben werden könne.

MR. DODD: Aber Sie glaubten doch, daß das insoweit zutreffe, als in jenem Lager ungünstige Verhältnisse zu finden wären, die Ihnen Himmler nicht zeigen würde.


ROSENBERG: Ja, ich nahm an, daß in einem solchen Revolutionsprozeß sicher eine Anzahl von Übergriffen stattfinden, daß in manchen Gauen auch hier und da Zusammenstöße stattfinden, und daß die Tatsache, daß die Ermordungen von Nationalsozialisten in den ersten Monaten nach der Machtübernahme ja fortlaufend weiterginge, auch wahrscheinlich hier und da harte Gegenmaßnahmen nach sich gezogen haben.


MR. DODD: Glaubten Sie, daß diese Maßnahmen gegen die Nationalsozialisten auch noch im Jahre 1938 durchgeführt wurden?


[581] ROSENBERG: Nein. Die Hauptmitteilungen über weitergehende Ermordungen von Angehörigen der Hitler-Jugend, der Polizei und Angehörigen der Partei waren hauptsächlich im Jahre 1943 und 1944. Ich kann mich nicht entsinnen, daß in den kommenden Jahren hier noch viele Meldungen darüber veröffentlicht worden sind.


VORSITZENDER: Haben Sie 1943 und 1944 gesagt, oder meinen Sie 1933 und 1934?


ROSENBERG: 1933 und 1934, Entschuldigung.

MR. DODD: Aber auf jeden Fall hatten Sie im Jahre 1938 irgendwelche Kenntnisse, die Sie zu der Annahme geführt haben, es würde sich für Sie nicht lohnen, diese Lager zu besichtigen, da dort Dinge vor sich gehen, die man Ihnen nicht zeigen würde? So verhält es sich doch, nicht wahr?


ROSENBERG: Nein, aber ich habe ganz offen gesagt, daß unter Umständen eben doch Übergriffe passieren könnten, und ich habe Himmler darauf angesprochen, daß er auf jeden Fall weiß, daß solche Dinge uns bekanntlich vom Ausland mitgeteilt wurden und er achtgeben solle. Eine Mitteilung an mich persönlich über eine Beschwerde ist ein einziges Mal erfolgt.


MR. DODD: Gut, jetzt kommen wir zu einem anderen Punkt. Sie erklärten gestern, daß Ihr Buch »Der Mythus des 20. Jahrhunderts« Ihre persönlichen Ideen zum Ausdruck bringt, und daß Sie nicht die Absicht hatten, durch dieses Buch auf die Staatspolitik großen Einfluß auszuüben. Stimmt das? Haben Sie das gestern in Bezug auf Ihr Buch gesagt?


ROSENBERG: Den Schluß habe ich nicht ganz verstanden. Ich muß sagen, ich habe den »Mythus des 20. Jahrhunderts« geschrieben in den Jahren, nach verschiedenen grundgeschichtlichen und sonstigen Vorstudien, etwa 1927 und 1928, und erschienen ist er im Oktober 1930 mit dem Vorwort, daß das ein persönliches Bekenntnis ist, und daß nicht die politische Organisation, der ich angehöre, dafür verantwortlich sei.


MR. DODD: Gut. Jetzt werde ich Ihnen Dokument 3553-PS zeigen lassen. Das ist, Herr Vorsitzender, US-352. Es ist bereits als Beweismittel vorgelegt worden.


[Zum Zeugen gewandt:]


Sie haben ein Vorwort beziehungsweise eine kurze Einführung für diese Ausgabe Ihres Buches geschrieben, die Ihnen nun vorliegt. Sie sagen darin:

»Zum 150. Tausend.

Der ›Mythus‹ hat heute tiefe, nicht mehr auszutilgende Furchen in das Gefühlsleben des deutschen Volkes gezogen. Immer neue Auflagen sind ein deutliches Zeichen dafür, daß [582] ein entscheidender geistig-seelischer Umbruch zu einem geschichtlichen Ereignis heranwächst. Vieles, was in meiner Schrift scheinbar absonderliche Idee war, ist bereits staatspolitische Wirklichkeit geworden. Vieles andere wird, so hoffe ich, noch als weiteres Ergebnis des neuen Lebensgefühls seine Verkörperung finden.«

Das haben Sie doch geschrieben, nicht wahr?

ROSENBERG: Das ist doch ganz richtig, weil dieses Buch von 700 Seiten ja nicht nur jene Punkte betrifft, die mir hier vorgeworfen werden, sondern dieses Buch behandelt eine große Anzahl von Problemen, das Problem des Bauerntums, das Problem der Weltstaaten, das Problem des Begriffs des Sozialismus, das Problem des Verhältnisses zwischen Führerschaft, der Industrie und dem Arbeitertum, eine Darstellung der Beurteilung...

MR. DODD: Einen Augenblick. Es ist gar nicht notwendig, daß Sie uns das ganze Inhaltsverzeichnis des Buches vortragen. Ich habe Sie nur gefragt, ob Sie das Vorwort geschrieben haben?


ROSENBERG: Ja, natürlich.


MR. DODD: Nun komme ich zu dem bekannten Zwangsarbeiterprogramm. Ich glaube, es ist heute jedem, der diesem Prozesse beigewohnt hat, und natürlich auch Ihnen, vollkommen klar, daß sowohl im Osten als auch in den besetzten Westgebieten ein Zwangsarbeits- oder sogenanntes Sklavenarbeitsprogramm durchgeführt wurde. Das entspricht doch den Tatsachen?


ROSENBERG: Ja, darüber besteht ja das Gesetz vom 21. März, daß die Arbeiter aus den besetzten Gebieten nach Deutschland gebracht wurden. Es bestand ja auch in Deutschland ein Arbeitsverpflichtungsgesetz.


MR. DODD: Es gibt nur zwei Dienststellen im damaligen deutschen Staate, die irgendwie für dieses Zwangsarbeitsprogramm verantwortlich gemacht werden können, sei es teilweise oder für die gesamte Durchführung, nicht wahr? Zwei Hauptdienststellen wenigstens.


ROSENBERG: Jawohl.


MR. DODD: Und das waren Ihr eigenes Ministerium und das Amt des Angeklagten Sauckel. Das ist doch eine ganz einfache Tatsache. Stimmt das oder nicht?


ROSENBERG: Es ist richtig, daß der Auftrag an den Gauleiter Sauckel erteilt worden ist mit Weisungsrecht an mich und an alle Obersten Reichsbehörden. Ich hatte die Pflicht, diesen Auftrag nach meiner Möglichkeit, meinem Ermessen und meinen Richtlinien im besetzten Ostgebiet bekanntzugeben und durchführen zu lassen.


[583] MR. DODD: Haben Sie durch Ihr Ministerium die Anordnungen über den Einsatz in Zwangsarbeit erlassen? Haben Sie die Leute gezwungen, Haus und Hof zu verlassen, um in Deutschland für den deutschen Staat zu arbeiten?


ROSENBERG: Ich habe ungefähr dreiviertel Jahr darum gekämpft, daß dieser Aufruf an die Arbeiter im Osten auf freiwilliger Grundlage erfolgt. Aus meinem Vermerk einer Besprechung mit Gauleiter Sauckel noch aus dem Jahre 1943 geht ja eindringlich hervor, daß ich die ganze Zeit bemüht gewesen bin, das zu tun. Ich habe noch mitgeteilt, wieviele Millionen Flugblätter, wieviele Millionen Plakate und Broschüren ich im Lande verteilt habe, um diese Grundlage durchzusetzen. Als ich aber auch hörte, daß, wenn die Zahl der einberufenen deutschen Arbeiter nicht ersetzt werden könne, die deutschen Heeresreserven zu Ende wären, dann konnte ich nicht mehr dagegen protestieren, daß nicht auch ein Aufruf für bestimmte Jahrgänge erfolgte, und daß hier die landeseigenen Verwaltungen und zur Unterstützung auch die Exekutive der Gendarmerie eingesetzt wurde. Das habe ich ja gestern...


MR. DODD: Sie versuchten also, die Arbeitskräfte freiwillig zu bekommen, und als Sie feststellten, daß sie Ihrem Ruf nicht Folge leisten wollten, dann haben Sie Zwang ausgeübt. Stimmt das?


ROSENBERG: Daß hier ein Zwang ausgeübt wurde, ist ja richtig und wird nicht bestritten. Wo ein Übergriff – und es gab manche furchtbaren Übergriffe – geschehen ist, habe ich das Menschenmögliche getan, um das zu verhindern oder zu mildern.

MR. DODD: Gut. Sie hatten innerhalb Ihres eigenen Ministeriums ein Gesetz über Zwangsarbeit herausgegeben, nicht wahr?


ROSENBERG: Ja, es ist am Anfang ein allgemeines Arbeitsdienstpflichtgesetz erschienen...


MR. DODD: Richtig! Das war am 19. Dezember 1941.


ROSENBERG: Es mag sein, daß es um diese Zeit erschienen ist.


MR. DODD: Sie dürfen mir glauben, daß dies das Datum Ihres Erlasses über Zwangsarbeit ist, und zwar über Zwangsarbeit in den besetzten Ostgebieten, das möchte ich Ihnen besonders klar vor Augen führen.


ROSENBERG: Jawohl.


MR. DODD: Dieses Gesetz wurde von Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete erlassen.


ROSENBERG: Jawohl.


MR. DODD: Jetzt lasse ich Ihnen Dokument 1975-PS vorlegen, US-820, das bereits als Beweismittel eingereicht wurde. Nein, [584] Verzeihung, es ist noch nicht als Beweismittel vorgelegt worden. Ich reiche es jetzt ein.

Ich lege auf dieses Dokument nicht allzuviel Wert und möchte es nur als eine erlassene Verordnung bestätigt sehen. In Absatz 1, Ziffer 1 heißt es:

»Alle Bewohner der besetzten Ostgebiete unterliegen nach Maßgabe ihrer Arbeitsfähigkeit der öffentlichen Arbeitspflicht.«

Ich möchte ferner auf Absatz 1, Ziffer 3 hinweisen, wo es heißt:

»Für Juden ergeht Sonderregelung.«

Das war am 19. Dezember 1941.


ROSENBERG: Das mir vorgelegte Dokument ist unterschrieben vom Reichskommissar für die Ukraine und bezieht sich auf ein Rahmengesetz des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete. Ich bitte mir das Rahmengesetz des Ministers für die besetzten Ostgebiete vorzulegen, um diese Durchführungsbestimmungen des Reichskommissars richtig beurteilen zu können.

MR. DODD: Das können wir Ihnen zur Verfügung stellen. Dies hier ist dem Amtsblatt des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete entnommen. Sie wollen doch nicht leugnen, daß Sie diesen Erlaß herausgegeben haben, und daß diese zwei Absätze, die ich Ihnen vorgelesen habe, darin enthalten waren?


ROSENBERG: Das wird ja nicht bestritten.


MR. DODD: Gut, wenn Sie die anderen Absätze einsehen wollen, dann werde ich dafür sorgen, daß Ihnen diese Teile zur Einsicht vorgelegt werden. Ich kann Ihnen jedoch im Augenblick versichern, daß es sich hier um keinen Trick handelt.

Ich gehe nun zu einem anderen Dokument über.


ROSENBERG: Ich darf noch auf einen Punkt hinweisen, wo es hier unter Absatz 1 ausdrücklich heißt:

»Nicht voll Arbeitsfähige unterliegen der Arbeitspflicht im Rahmen ihres Leistungsvermögens.«

Es ist hier also auf den Zustand der Gesundheit Rücksicht genommen worden.

MR. DODD: Das habe ich Ihnen ja vorgelesen.

Sie hatten einen ständigen Staatssekretär namens Alfred Meyer, nicht wahr?


ROSENBERG: Ich kann einen Punkt über die Judengesetzgebung hier nicht finden. Es ist hier ein Punkt über die Anweisung für Juden erschienen, nur findet sich hier das nicht.


MR. DODD: Es steht gerade unter dem Satz, auf den Sie eben Bezug genommen haben, zwei Absätze weiter unten. Da steht eine [585] 3 in Klammern, und dann heißt es: »Für Juden ergeht Sonderregelung.«

Finden Sie es dort?


ROSENBERG: Ich finde das hier nicht. Ach so, auf dieser Seite, jawohl. Das ist ein anderes Gesetz, ja wohl.


MR. DODD: Gut! Ich habe Sie nur gefragt, damit Sie sich überzeugen, daß es wirklich dort steht. Sie haben es gefunden und wir wollen fortfahren.

Ich habe an Sie die Frage gestellt, ob Sie einen ständigen Staatssekretär namens Meyer, Alfred Meyer, hatten?


ROSENBERG: Jawohl.


MR. DODD: Ich zeige Ihnen jetzt Dokument 580-PS, US-821. Es ist dies ein Erlaß Ihres Ministeriums für die besetzten Ostgebiete, der von Ihrem ständigen Staatssekretär Alfred Meyer unterzeichnet ist. Er war an den Reichskommissar für das Ostland, Lohse, und an den Reichskommissar für die Ukraine, Koch, über den wir hier in dem Prozeß schon mancherlei gehört haben, gerichtet. Ich will von Ihnen bestätigt haben, daß in diesem Befehl 247000 gewerbliche Arbeitskräfte und 380000 landwirtschaftliche Arbeitskräfte angefordert werden.

Betrachten Sie nun Seite 2 des englischen Textes, ebenfalls Seite 2 des deutschen Originaltextes, Zeile 14 des englischen und Zeile 22 des deutschen Textes. Vor dem Absatz steht die Zahl 6.

Hier steht folgendes:

»Die Arbeitskräfte sind anzuwerben. Zwangsgestellungen sind zu vermeiden, vielmehr soll aus po litischen Gründen die Freiwilligkeit der Meldung gewahrt bleiben. Falls die Anwerbung nicht zu dem geforderten Ergebnis führt und überschüssige Arbeitskräfte noch vorhanden sind, ist äußerstenfalls und im Einvernehmen mit dem Generalkommissar von der Verordnung über die Einführung der Arbeitspflicht in den besetzten Ostgebieten vom 19. Dezember 1941 Gebrauch zu machen. Versprechungen...«

Dieser Befehl, von dem Mitglied Ihres Stabes, Meyer, unterzeichnet, ist eine Weisung an die Reichskommissare für das Ostland, die Ihre Verordnung vom 19. Dezember 1941 über Zwangsarbeit zur Grundlage hat.

ROSENBERG: Herr Ankläger! Sie haben die Einleitung verlesen, und daraus geht ja hervor, daß auch der Stellvertreter von mir in eindeutiger Form alle Bemühungen gemacht hat, um Zwangsstellungen zu vermeiden, sondern es soll... wie er sagt, es soll dabei »die Freiwilligkeit der Meldungen« gewahrt werden. Das ist, wie ich gestern schon gesagt habe, der Beweis dafür, daß Meyer, der [586] mein ständiger Stellvertreter war, nachdrücklichst versucht hat, in diesem Sinne zu wirken, und äußerstenfalls bezieht sich das hier nicht auf Willkürmaßnahmen, sondern auf eine allgemeine Arbeitsdienstpflicht in den besetzten Ostgebieten, die verhindern sollte, daß Hunderttausende auf den Straßen herumlungerten, die nicht arbeiten oder studieren konnten. Ich möchte aber auch den Schluß dieses Absatzes verlesen, der lautet:

»Versprechungen, die nicht gehalten werden können, dürfen weder in Wort noch in Schrift gemacht werden. Die Aufrufe (Maueranschläge) und die Werbung in Presse und Rundfunk dürfen daher keine unwahren Angaben enthalten, um Enttäuschung der im Reich eingesetzten Arbeitskräfte und damit Rückwirkungen auf die künftige Werbung in den besetzten Ostgebieten zu vermeiden.«

Ich glaube, daß eine loyalere Haltung, mitten im Kriege, überhaupt nicht denkbar ist.

MR. DODD: Sehr gut. Ich hoffe, Ihr Einverständnis zu finden, wenn ich darauf hinweise, daß Sie trotz Ihrer Einwände und Vorstellungen, die wir nicht in Zweifel ziehen, Ihren Leuten in den besetzten Ostgebieten das Recht gegeben haben, Menschen anzuwerben und sie zu zwingen, in Deutschland zu arbeiten. Und Sie haben das auf Grund Ihrer eigenen Verordnung durchgeführt. Diesen Punkt wollte ich Ihnen klarmachen.

ROSENBERG: Ich habe ein Arbeitsverpflichtungsgesetz Ende 1941 erlassen für das Gebiet des entsprechenden Reichskommissariats, das heißt für das Ostland und die Ukraine. Die Verpflichtungen dieser Arbeitskräfte für das Reich sind ja viel später gekommen, und für die Arbeitspflicht in den besetzten Gebieten war das nach meiner Ansicht eine notwendige, gesetzliche Grundlage, um nicht wilde Werbungen und nicht ein Chaos durch die hunderttausend Herumlungernden herbeizuführen.


VORSITZENDER: Sie beantworten die Frage nicht. Sie reden um das eine Wort »ja« herum, das Ihre ganze Antwort sein sollte.


ROSENBERG: Als die Arbeitsdienstpflicht auch für das Reich verkündet wurde, bin ich für eine »freiwillige« eingetreten. Dies konnte nicht lange so gehalten werden, und darum habe ich selbstverständlich zugestimmt, daß dann auch Zwangsgesetze eingeführt wurden. Das habe ich gestern dreimal zugegeben, ich habe es ja nicht geleugnet.


MR. DODD: Ich weiß, daß Sie es gestern dreimal gesagt haben und heute morgen wieder. Und nun kommen wir zu Ihrem eigenen Verteidigungs-Dokument Ro-11, glaube ich, es ist der Brief, den Sie am 14. Dezember 1942 an Koch geschrieben haben. Ich glaube nicht, daß wir Ihnen den Brief nochmals zeigen müssen, Sie haben ihn ja [587] gestern gesehen. In diesem Dokument haben Sie Koch gegenüber ausdrücklich auf die Aktionen hingewiesen, bei denen Leute, die vor Theatern Schlange standen, aus diesen und von den Straßen weg aufgegriffen wurden, auch Besucher von Kinos und sonstigen Vergnügungsstätten. Sie wußten doch, daß dieses Vorgehen eine Folge Ihrer Zwangsarbeitsverordnung war, nicht wahr? Sie haben dagegen Stellung genommen, aber Sie wußten doch, was vorging.


ROSENBERG: Es passiert bei jedem Gesetz, daß Übergriffe vorkommen, und sobald ich von Übergriffen erfuhr, bin ich ja auch dagegen eingeschritten.


MR. DODD: Gut. Können Sie nun im Hinblick auf diese Zwangsarbeit ehrlich und aufrichtig behaupten, Ihr Ministerium sei für dieses furchtbare Programm der Verschleppung von Menschen von ihren Wohnstätten nach Deutschland nicht in bedeutendem Umfange verantwortlich gewesen, oder erklären Sie, für das Schicksal dieser Hunderttausende von Leuten aus den besetzten Ostgebieten ein hohes Maß der Verantwortung zu tragen?


ROSENBERG: Ich übernehme selbstverständlich die Verantwortung für jene Gesetze, die ich erlassen habe, und für jene Rahmenverordnungen, die von meinem Ministerium hinausgegangen sind. Für die Durchführung dieser Maßnahmen sind gesetzmäßig die territorialen Regierungen verantwortlich, und wo Sie diese Maßnahmen überschritten haben, sie waren ja 1500 Kilometer von mir entfernt, habe ich mich um jedes Vorkommnis gekümmert. Es ist viel übertrieben gewesen, es sind auch Übergriffe vorgekommen und ich gebe zu, daß schreckliche Dinge geschehen sind. Ich versuchte zu intervenieren und Strafmaßnahmen einzuleiten, und deswegen sind eine ganze Reihe deutscher Beamter vor Gericht gekommen und verurteilt worden.


MR. DODD: Wenn wir nun die furchtbaren Schicksale dieser Menschen einmal beiseite lassen und annehmen, es seien keine umfangreichen Gewalttaten vorgekommen, so bleibt dennoch die Tatsache bestehen, daß Leute gezwungen wurden, gegen ihren Willen ihre Heimat zu verlassen. Ich nehme an, daß Sie hierfür die Verantwortung übernehmen wollen?


ROSENBERG: Jawohl.


MR. DODD: Und Sie glauben auch, daß ein beträchtlicher Teil davon...


ROSENBERG: Ich nehme die Verantwortung auf mich infolge eines Staatsgesetzes, das den Gauleiter Sauckel beauftragte, mir weisungsberechtigt diese Forderungen zu stellen, die ich in gesetzmäßiger Form auf die Ostgebiete übertragen habe.


[588] MR. DODD: Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang kurz an folgendes erinnern: Sie haben gestern zugegeben, daß Sie die Verschleppung von 10-, 12-und 14jährigen Kindern nach Deutschland gebilligt haben. Und ich glaube, Sie sagten, daß es Ihnen anfangs schwer fiel, daß Sie sich jedoch beruhigt hätten, nachdem Sie erfahren hatten, diese Kinder seien gut untergebracht. Ist das eine richtige Darstellung der Haltung, die Sie bei Ihren Zwangsmaßnahmen gegen diese Kinder aus dem Osten eingenommen haben?


ROSENBERG: Nein, das stimmt nicht, ich weiß ja nicht, wie die Übersetzung der Verlesung meines Dokuments gewesen ist. Es ergab sich ja gerade das Gegenteil, daß ich verhindern wollte, daß in einer Aktion vorne im Operationsgebiet etwas geschah, was unter Umständen für viele Kinder von schwerster Bedeutung sein konnte, und daß ich dann auf die Bitte der Heeresgruppe Mitte, die das sowieso ohne mich getan hätte, die Betreuung dieser Kinder mit übernommen habe. Und zwar unter der Bedingung einer sorgfältigsten Betreuung, einer Betreuung ihrer eigenen Mütter, eines Verkehrs mit ihren Eltern, um sie später wieder in ihre Heimat zurückzuführen. Das ist ja also das Gegenteil von dem, was die Anklage aus diesem Dokument hier vorgetragen hat.


MR. DODD: Ich möchte bei diesem Punkt nicht länger verweilen und will Sie nur noch daran erinnern, daß das Dokument, das Sie gestern gesehen und besprochen haben, unter anderem die Feststellung trifft, daß Sie durch die Verschleppung der Kinder aus dem Osten noch ein anderes Ziel erreichen werden, nämlich die Zerstörung des biologischen Potentials dieser Ostvölker. Hierzu haben Sie doch, unter anderem, Ihre Zustimmung gegeben, nicht wahr?


ROSENBERG: Ja, das ist im ersten Punkt ja bereits von der Anklage verlesen worden. Ich habe aber diesen Punkt durch die Verlesung des ganzen Dokuments ja entsprechend richtiggestellt, daß das für meine Bewilligung oder Zustimmung ja überhaupt nicht ausschlaggebend gewesen ist, daß ich das ja im ersten Vortrage als Begründung überhaupt abgelehnt habe, und daß, erst als ich andere Mitteilungen hörte, ich nun eine Form gefunden habe, für die mir die Frauen gedankt haben. Trotzdem ich hier ja nicht das Verdienst gehabt habe, daß sie hier so betreut wurden, sondern die Hitler-Jugend in Dessau und anderswo.


MR. DODD: Wenn ich Ihre Aussagen gestern richtig verstanden habe, waren Sie, vielleicht mit Ausnahme einer kurzen Zeit, über die wir sprachen, zu allen Leuten, die in den besetzten Ostgebieten unter Ihrem Befehl standen, sehr gütig und menschenfreundlich. Sie wollten sehr freundlich zu Ihnen sein, nicht wahr?


ROSENBERG: Ich möchte solche Sätze mit sentimentalen Kennzeichnungen durchaus nicht für mich beanspruchen; ich habe mich [589] nur bemüht, mitten in diesem furchtbaren Kriege des Ostens, der ja fortlaufende Ermordungen deutscher Beamter und deutscher Landwirtschaftsführer mit sich brachte, eine verständnisvolle Politik zu treiben und die Menschen innerlich freiwillig auch zur Mitarbeit heranzuführen.


MR. DODD: Ja. Ich möchte Ihnen Dokument 1058-PS, US-147 zeigen.


[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]


Hier ist nun das Dokument, es ist ein Auszug aus einer vor Ihren engsten Mitarbeitern am 20. Juni 1941, einen Tag vor dem Angriff auf Rußland, gehaltenen Rede, auf die bereits früher einmal Bezug genommen worden ist. Ich verweise Sie auf den ersten Absatz, den einzigen auf dieser Seite, er lautet:

»Die deutsche Volksernährung ist in diesen Jahren zweifellos...«

ROSENBERG: Auf welcher Seite?

MR. DODD: Erste Seite. Es ist nur eine Seite. Oh, Sie haben das ganze Dokument. Sie haben gestern darauf Bezug genommen, es ist Seite 8, Zeile 54. Sie werden sich daran erinnern, Sie haben gestern darüber gesprochen. Sie sagten, es sei eine Rede aus dem Stegreif gewesen. Finden Sie es auf Seite 8?


ROSENBERG: Ja, ich habe es gefunden.


MR. DODD: In diesem Absatz sagen Sie unter anderem – und ich will Sie aus einem besonderen Grund darauf hinweisen – die Aufgabe der Ernährung des deutschen Volkes stehe an der Spitze der Forderungen, und die Südgebiete und der Nordkaukasus müßten für die deutsche Volksernährung einen Ausgleich schaffen. Sie fahren dann fort, es sei kein Grund vorhanden, die Russen mit den Überschußprodukten der Ostgebiete zu ernähren Sie sagen dann:

»Wir wissen, daß das eine harte Notwendigkeit ist, die außerhalb jeden Gefühls steht.«

Dann fahren Sie fort:

»Zweifellos wird eine sehr umfangreiche Evakuierung notwendig sein, und dem Russentum werden sicher sehr schwere Jahre bevorstehen.«

Sie haben gestern einen Teil dieser Rede verlesen, die Sie im günstigen Sinne für sich auslegten. Waren alle Teile dieser Rede aus dem Stegreif gehalten, oder nur die Stellen, die Sie jetzt zu belasten scheinen?

ROSENBERG: Ich habe diese ganze Rede nach einigen Stichworten gehalten, und dieser Paragraph ist von der Anklage mindestens schon drei- oder viermal verlesen worden. Ich habe gestern [590] bei Behandlung dieser Rede selbst auf diesen Paragraphen ausdrücklich hingewiesen und habe außerdem hinzugefügt, daß aus dem Kreise des Vierjahresplans mir mitgeteilt wurde, man wisse nicht, ob nach Eroberung des Moskauer Industriegebietes die Industrie voll erhalten werden könne – hier steht »Waggonfabriken« zum Beispiel –, daß man sich auf einige zentrale Industrien beschränken müsse, und daß dadurch ein schweres Problem in der Versorgung dieses Raumes eintreten muß. Und meine Bemerkung ging dann darauf hin, daß man notwendigerweise diese arbeitslosen Menschen wahrscheinlich evakuieren müsse. Ich habe dann ausdrücklich noch auf das Dokument, nämlich das erste Dokument des Ostministeriums zu dieser Frage, hingewiesen, wo unter sieben vordringlichsten Punkten der Zivilverwaltung der dritte Punkt, die Ernährung der Bevölkerung der Gebiete, steht. Und im Dokument selber wird später darauf eingegangen, wo es heißt, daß Hungersnöte auf jeden Fall zu verhindern sind und daß die Bevölkerung dann aus Sonderzulagen ernährt werden müsse. Ich glaube, ich war gesetzmäßig und vorschriftsmäßig selbst in dieser harten Zeit nicht in der Lage, überhaupt mehr zu verordnen. Meine ganze geistige Haltung und politische Haltung geht aus dem hervor, was ich gesagt habe über die Forderung der ukrainischen Freiheit und Kultur, über das Selbstbestimmungsrecht der Kaukasier und auch über den russischen Staat und seine großen...

MR. DODD: Gut, ich möchte nicht, daß Sie darüber noch einmal sprechen. Ich verstehe Sie vollkommen und glaube, jedermann hier stimmt mit mir überein. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß Sie schon zu diesem früheren Zeitpunkt geäußert haben, es werde harte Notwendigkeiten geben, und den Russen stünden sehr schwere Zeiten bevor. Das ist alles. Wenn Sie nicht zugeben wollen, daß Sie das ebenso ernst gemeint haben, wie Ihre anderen Äußerungen, so werde ich Sie dazu nicht zwingen.

Ich wende mich dem Dokument...


ROSENBERG: Ich glaube, Herr Ankläger, eine größere Vorsorge für dieses Problem kann man ja nicht haben, als wenn man vorher darüber nachdenkt, wie man die Schwierigkeiten meistert. Andere Besatzungstruppen haben dasselbe gefunden.


MR. DODD: Gut. Ich möchte Ihnen jetzt Dokument 045-PS, US-822 zeigen. Wollen Sie sich dieses Dokument ansehen?


ROSENBERG: Ich darf wegen der Übersetzung dieses Passus noch eines sagen. Es ist mir gesagt worden, diese Maßnahmen sollten »ohne jedes Gefühl« durchgeführt werden. Es steht im Original »außerhalb des Gefühls«.


MR. DODD: Gut! Ich nehme Ihre Auslegung an, die Stelle wird uns daher keine Schwierigkeiten mehr bereiten. Ich bitte Sie, sich [591] dieses Dokument anzusehen; es ist eine Denkschrift, die in Ihren Akten gefunden worden ist.


ROSENBERG: Jawohl.


MR. DODD: Sie geben hier im zweiten Absatz eine Darstellung der vom Führer festgelegten sogenannten Ziele der deutschen Politik, besonders in der Ukraine. Nach Ihren Worten sind diese Ziele:

»Auswertung und Einsatz der Bodenschätze, in bestimmten Gebieten eine deutsche Siedlung, keine künstliche Intellektualisierung der Bevölkerung, sondern das Erhalten ihrer Arbeitskraft, im übrigen eine weitgehende Desinteressiertheit an den inneren sonstigen Geschehen.«

Dann gehen wir etwas weiter. Es ist wohl nicht notwendig, alles zu lesen, da auf einen großen Teil hiervon bereits in einem anderen Dokument Bezug genommen wurde. Wir kommen nun zu Zeile 12 vom Ende des Absatzes; wir fangen bei Zeile 14 an:

»Ich bin bei fortlaufender Beobachtung der Dinge in den besetzten Ostgebieten der Überzeugung, daß die deutsche Politik über die Eigenschaften der beherrschten Völker eine bestimmte, vielleicht auch abschätzende Meinung haben kann, daß es aber nicht Aufgabe der deutschen politischen Vertretung ist, Maßnahmen und Urteile hinauszurufen, die letzten Endes zu einer stumpfen Verzweiflung der beherrschten Bevölkerung führen können, anstatt den erwünschten produktiven Arbeitseinsatz zu fördern.«

Im nächsten Absatz sagen Sie dann:

»Mußten wir innerpolitisch in offenster Angriffsform unser Wollen im Gegensatz zu den andern im ganzen Volk verkünden, so hat die politische Führung im Osten dort schweigsam zu sein, wo notwendige Härte von der deutschen Politik diktiert wird; sie hat zu schweigen über ihre vielleicht abschätzende Beurteilung der beherrschten Völker. Ja, eine kluge deutsche Politik kann unter Umständen auch durch für die Politik belanglose Erleichterungen und einzelnes menschliches Entgegenkommen mehr für deutsche Interessen erreichen als durch offene unüberlegte Brutalitäten.«

War diese Darstellung in der Denkschrift vom 16. März 1942 wirklich ein ehrlicher Ausdruck Ihrer Ansichten?

ROSENBERG: Dieses Dokument stimmt. Es ist mir auch in der Voruntersuchung vorgelegt worden. Es ergibt sich aus diesem Dokument, daß ich beim Führer, trotzdem mir bekannt war, daß er meine weitergehenden Vorschläge doch nicht akzeptiert hatte, um diese weitergehenden Vorschläge kämpfte. Es ergibt sich zweitens daraus, daß ich bei ihm persönlich dafür eintrat, daß einige wildgewordene Kleinbürger im Osten keine abschätzenden Redensarten über andere [592] Völker machen, die sie vielleicht nur äußerlich aus einem jetzt materiell armen Dasein vor Augen haben. Ich konnte von den vielen Tausenden, die hinkamen, nicht einfach Sympathie oder Antipathie erwarten, aber ich konnte eines von ihnen fordern, das ist: falls sie eine abschätzende Beurteilung hatten, das für sich zu behalten und sich anständig zu verhalten.

Zum Schluß möchte ich noch etwas hinzufügen, was außerordentlich entscheidend ist, es steht nämlich hier im letzten Absatz:

»Ich bitte den Führer, über diesen Vermerk und den Erlaßentwurf zu entscheiden.«

Diese Instruktion liegt dem Dokument leider nicht bei, ich glaube, daß sich daraus manches ergeben hätte.

MR. DODD: Gut! Wir kommen nun zu R-36, US-699.


[Das Dokument wird dem Zeugen überreicht.]


Sie haben dieses Dokument schon vorher gesehen?

ROSENBERG: Ja, ich habe es gesehen.

MR. DODD: Es ist eine für Sie verfaßte Aufzeichnung eines Ihrer Mitarbeiter, Dr. Markull, die Ihnen von Leibbrandt, ebenfalls einem Ihrer Mitarbeiter in leitender Stellung, am 19. August 1942 überreicht worden ist. Lesen Sie bitte mit, während ich einzelne Absätze zur Verlesung bringe. Die ersten Zeilen tragen das Datum des 5. September 1942 und sind gerichtet an den »Herrn Reichsminister im Hause«. Es heißt dann weiter, daß Ihnen in der Anlage eine Aufzeichnung mit Stellungnahme des Dr. Markull zum Bormann-Brief vom 23. Juli überreicht wird.

Bevor wir mit der Verlesung beginnen, möchte ich noch auf einen Punkt hinweisen: Sie haben gestern gesagt, daß Sie in einigen Fragen Meinungsverschiedenheiten mit Bormann hatten.

Stimmt das?


ROSENBERG: Ich habe gesagt...


MR. DODD: Beantworten Sie die Frage. Haben Sie das gestern gesagt?


ROSENBERG: Ich habe in entscheidenden Punkten mit Bormann nicht übereingestimmt. Ich habe erklärt, daß ich im Laufe der Jahre derart bestürmt wurde, daß ich das eine oder andere Mal beruhigende Erklärungen abgeben mußte. Meine ganze Politik war...


MR. DODD: Gut! Wir wollen uns jetzt die Aufzeichnung zum Bormann-Brief an Sie vom 23. Juli, ich nehme an 1942, ansehen:

»Am 23. Juli 1942 hat Reichsleiter Bormann ein Schreiben an den Minister gerichtet, das in 8 Punkten die Grundsätze wiedergibt, die der Minister in den besetzten Ostgebieten durchführen soll.«

[593] Weiter heißt es dann, Sie hätten

»in einer Meldung an den Führer vom 11. August 1942 eingehend erläutert, inwieweit diese Grundsätze schon jetzt verwirklicht beziehungsweise der verfolgten Politik zugrundegelegt würden.«

Im nächsten Absatz steht:

»Wer diesen Briefwechsel liest, dem fällt als hervorstechendes Merkmal die vollkommene Übereinstimmung der Auffassungen ins Auge. Dem Minister sind offenbar zwei Punkte besonders wichtig gewesen: der erste betrifft die Sicherung der deutschen Herrschaft gegen den slawischen Volksdruck, der zweite die unumgänglich nötige Vereinfachung der Verwaltung. Hier handelt es sich in der Tat um entscheidende Fragen, auf die noch näher eingegangen werden muß.«

Und dann:

»Im übrigen erhebt der Minister« – das sind Sie – »nicht nur keinerlei Einwendungen gegen die Grundsätze oder auch nur die Formulierungen Bormanns, er nimmt sie vielmehr zur Grundlage seiner Antwort und bemüht sich um den Nachweis ihrer Verwirklichung. In einer Abteilungsleiterbesprechung jedoch, in der das Bormannsche Schreiben von Hauptmann Zimmermann mitgeteilt wurde, erhoben sich sofort schwere Sorgen sowohl wegen der Formulierung wie auch wegen der künftigen Ausrichtung unserer Ostpolitik.«

Und dann heißt es:

»Um die Berechtigung dieser Sorgen zu prüfen, geht man am besten von einer Fiktion aus, die deutlich zeigt, wie die Lage ist.«

Dann schreibt Markull unter Nummer 1:

»Man nehme an, das Bormannsche Schreiben ginge als Ministerialerlaß an die Reichskommissare. Da der Minister ja anscheinend die gleichen Anschauungen hat, ist diese Annahme« – der Minister sind wieder Sie – »keineswegs unwirklich. Da das Ostland ein Sonderfall ist, und im übrigen die Ukraine politisch auch das wichtigste Gebiet sein beziehungsweise werden dürfte, soll vorwiegend von den dortigen Verhältnissen ausgegangen werden.«

Dann heißt es weiter:

»Die Wirkungen eines solchen Ministerialerlasses zeigen sich am klarsten an den Menschen, die ihn in die Praxis umsetzen sollen.«

[594] Und dann geht er weiter:

»Denkt man sich die Formulierungen des Bormannschen Schreibens übersetzt in die Sprache eines Angehörigen der deutschen Zivilverwaltung, so kommen etwa folgende Anschauungen heraus:

›Die Slawen sollen für uns arbeiten. Soweit wir sie nicht brauchen, mögen sie sterben. Impfzwang und deutsche Gesundheitsfürsorge sind daher überflüssig. Die slawische Fruchtbarkeit ist unerwünscht. Sie mögen Präservative benutzen oder abtreiben, je mehr desto besser. Bildung ist gefährlich. Es genügt, wenn sie bis 100 zählen können. Höchstens die Bildung, die uns brauchbare Handlanger schafft, ist zulässig. Jeder Gebildete ist ein künftiger Feind. Die Religion lassen wir ihnen als Ablenkungsmittel. An Verpflegung bekommen sie nur das Notwendige. Wir sind die Herren, wir kommen zuerst.‹«

Es heißt dann weiter:

»Diese Sätze sind keineswegs überspitzt, sie werden vielmehr Wort für Wort vom Geist und Text des Bormann-Briefes gedeckt. Schon hier erhebt sich die Frage, ob diese Auswirkung im Reichsinteresse erwünscht ist. Es dürfte nicht zweifelhaft sein, daß diese Auffassung im ukrainischen Volk bekannt wird. Ähnliche Meinungen bestehen ja schon heute.«

Wir gehen dann weiter zum nächsten Absatz, Nummer 2:

»Indessen bedarf es der zu 1. gemachten Annahme gar nicht. Die obengenannten Ansichten über unsere Stellung im Osten sind schon jetzt lebendige Wirklichkeit.

Der Reichskommissar für die Ukraine hat in drei aufeinanderfolgenden Reden bei der Eröffnung... seine Auffassung über das von ihm regierte ukrainische Volk dargelegt.«

Dann zitiert er die dem Gerichtshof schon bekannten Reden.

Im nächsten Absatz heißt es, daß

»jeder Besucher und jeder Mitarbeiter der dortigen Zivilverwaltung dies aus eigener Ansicht bestätigen kann«,

unddaß es deutlich zeige,

»wie gut der Boden für den Bormann-Brief vorbereitet ist«.

Dann zitiert er weiter einige Redewendungen, die man hören konnte, wie zum Beispiel:

»Genau genommen sind wir ja hier unter Negern... Die Bevölkerung ist doch nur dreckig und faul«

und so weiter.

[595] Dann sagt er:

»Hinzuzufügen wäre noch, daß zum Beispiel der Kreisleiter Knuth, den der Gauleiter trotz schwerster Angriffe gegen seine geschäftliche Sauberkeit immer noch hält, zur Kiewer Frage in Gesprächen erklärt hat, Kiew müßte durch Seuchen entvölkert werden. Es wäre überhaupt am besten, wenn der überflüssige Bevölkerungsteil verhungerte.«

Und dann weiter in Punkt 3:

»Vollends unter den Gebietskommissaren sind mindestens 80 % gegen die geschilderten Auffassungen. In vielen Besprechungen bei den Generalkommissaren ist von ihnen zum Ausdruck gebracht worden, daß man das Volk anständig und verständnisvoll behandeln müsse.«

Erklärungen, die zu der erwähnten Politik in Widerspruch stünden, würden zu einem Unglück führen.

Und dann fährt Markull fort:

»Die falschen Auffassungen vom Herrenmenschentum sind im übrigen nur geeignet, die Disziplin der eingesetzten Männer zu lockern.«

Ich will das hier nicht alles verlesen, Sie werden es sicherlich selbst lesen. Ich komme jetzt zu dem bedeutungsvollen Absatz 5:

»Es bedarf immerhin der Prüfung, ob eine Übereinstimmung der bisherigen Politik mit dem Bormann-Brief nicht insofern festzustellen wäre, als die angeführten Erlasse und sonstigen Weisungen des Ministeriums lediglich taktisch zu verstehen seien, während im Grunde die gleichen Auffassungen bestünden. Auch das Antwortschreiben des Ministers« – das sind immer Sie – »vom 11. August würde ja in die gleiche Richtung weisen.«

Und dann erklärt er:

»daß der Minister« – das sind Sie – »sehr wohl weiß, daß man einen Kontinent von dem Gewicht des russischen nicht mit politischen Taktiken und vorgespiegeltem Befreiertum, sondern nur mit einer staatsmännischen Konzeption neuordnen kann.« – –

Und zum Schluß sagt er, daß »die bloß taktische Auslegung der Ministerpolitik« sich auch wegen ihrer Inkonsequenz verbiete:

»Dann hätte niemals von Befreiung gesprochen werden dürfen. Es durfte kein Theater offen bleiben, keine Fachschule, kein ukrainisches Universitätsinstitut arbeiten.«

Zum Schluß möchte ich noch den bedeutsamen Punkt 6 verlesen. Vielleicht darf ich diese Stelle zusammenfassen. Es heißt darin, daß dieses Schreiben Bormanns, das aus dem Feldquartier stamme, [596] offenbar nicht als Ministerialerlaß herausgehen könne, weil dies die gesamte bisher verfolgte Politik des Ministers – das sind Sie – desavouieren würde.

Und in Verbindung hiermit schreibt Markull einige Sätze weiter:

»Hier muß nochmals auf die augenfällige Übereinstimmung zwischen den Auffassungen Kochs und den Weisungen des Bormann-Briefes hingewiesen werden.«

Und dann heißt es ungefähr in der Mitte des Absatzes, daß nur Sie eine Entscheidung in dieser Frage treffen könnten, und er bringt im Hinblick auf verschiedene Schwierigkeiten gewisse Überlegungen zum Vorschlag, die von Nutzen sein könnten.

Und schließlich kommen wir zu dem zweiten Absatz der Ziffer II:

»Ohne an den Ausführungen des Reichsleiters Bormann irgendwelche Kritik üben zu wollen, muß doch trotzdem darauf hingewiesen werden, daß die Formulierungen seines Schreibens die Bedeutung des Einsatzes, um den es geht, nicht immer klar hervortreten lassen. Eine Wendung wie ›schwungvollen Handel mit Verhütungsmitteln‹ sollte besser nicht in Verbindung mit dem Namen des Führers gebracht werden! Auch die Abruptheit einiger anderer Formulierungen – ›Impfen der nichtdeutschen Bevölkerung kommt keinesfalls in Frage‹... dürfte der Schwere der hier auftauchen den geschichtlichen Fragen nicht voll entsprechen.«

Und schließlich möchte ich verlesen, was unter III steht; Markull sagt hier:

»Die vorstehenden Ausführungen mögen sehr scharf erscheinen. Sie sind jedoch diktiert von Sorge und Pflicht.«

Ich glaube nicht, daß es nötig ist, den letzten Absatz zu verlesen, er spricht lediglich über die politische Philosophie, die von dem japanischen Verbündeten in großartiger Form in seinen neuen Gebieten entwickelt werde.

Können Sie sich an diesen Bericht Dr. Markulls erinnern, der Ihnen von Ihrem Mitarbeiter Leibbrandt vorgelegt wurde? Sie können das übrigens mit Ja oder Nein beantworten. Das ist alles, was ich jetzt wissen will, nur, ob Sie sich daran erinnern oder nicht. Einen Augenblick bitte...

ROSENBERG: Ja, es ist dies ein Bericht von Dr. Leibbrandt, und ich möchte dazu folgendes erklären...

MR. DODD: Bevor Sie beginnen – Sie werden gleich dazu Gelegenheit haben. Ich möchte Ihnen nicht das Wort zu Ihren Erklärungen abschneiden, ich will dies nicht einmal versuchen. Ich möchte noch zu einem oder zwei Punkten an Sie Fragen stellen. Wenn Sie danach noch Erklärungen hierzu oder zu irgendeinem[597] anderen Thema abgeben wollen, wird dies der Gerichtshof bestimmt zulassen.

Sie hatten doch diesen Brief Bormanns beantwortet, nicht wahr?


ROSENBERG: Ja, das ist richtig.


MR. DODD: Und Sie stimmten doch mit diesen, ich möchte sagen, schockierenden Vorschlägen Bormanns überein? In Ihrem Brief waren Sie doch mit diesen schockierenden Vorschlägen einverstanden? Ja oder nein?


ROSENBERG: Ich habe einen beruhigenden Brief geschrieben, um hier eine Pause eintreten zu lassen gegenüber dem dauernden Druck, unter dem ich gehalten wurde, und möchte gleich vorwegnehmen, daß meine Tätigkeit und die Erlasse, die ich nach diesem Brief herausgegeben habe, sich in keiner Weise verändert hatten, daß im Gegenteil Erlasse für den Aufbau eines Schulwesens, für die weitere Fortführung des Gesundheitswesens gekommen sind, auf die ich bei der Beantwortung noch eingehen werde.


MR. DODD: Sie haben diesen Brief an den Führer geschrieben, nicht an Bormann, nicht wahr? Ihre Antwort ging an Hitler?


ROSENBERG: Ich schrieb meine Antwort an den Führer, ja.


MR. DODD: Und Sie beruhigten den Führer ebenfalls, nicht wahr, als Sie diese Sätze wiedergekäut haben, wie sie in diesem Brief über den Gebrauch von Präservativen und Abtreibungsmitteln wiederholt sind?


ROSENBERG: Nein, außerdem...


MR. DODD: Warten Sie, bis ich fertig bin. Ich sagte, Sie wiederholten in Ihrem Brief an den Führer jene schrecklichen, schmutzigen Vorschläge Bormanns, nicht wahr? Sie erwähnten sie in dem Brief an den Führer, nicht wahr?


ROSENBERG: Ich habe dem Führer einen Brief geschrieben, habe mir aber nicht den Wortlaut des Bormann-Briefes zu eigen gemacht, sondern habe beruhigend geschrieben, daß ich nicht mehr tue, als getan werden kann und muß. Ich wünschte mich zu wehren gegen einen Angriff von dem Hauptquartier, denn ich wußte dieser würde kommen, weil ich mehr tat für die Ostvölker als für das deutsche Volk, daß ich dort mehr Ärzte verlangte, als das deutsche Volk für seine Kranken hatte, daß für das Gesundheitswesen und damit für die Ostvölker von mir als deutschem Ostminister mehr getan wurde, als die deutschen Ärzte für das deutsche Volk tun konnten. Soweit war nämlich der Angriff gekommen, daß schließlich Koch mir den Vorwurf machte, daß ich eine Immigrationspolitik fördere. Das war der Grund, warum diese Streitfrage kurz danach auftauchte und dem Führer vorgelegt wurde.


[598] MR. DODD: Wir wollen die Sache klarstellen, ich möchte nicht, daß hier ein Mißverständnis herrscht. Leugnen Sie etwa, fast Wort für Wort die Ausdrücke aus Bormanns Brief wiederholt zu haben?


ROSENBERG: Ich habe den Brief ja nicht im Wortlaut hier.


MR. DODD: Aber Sie haben den Bericht Dr. Markulls hier, in dem es heißt, daß der Minister keinerlei Einwendungen gegen die Grundsätze oder auch nur gegen die Formulierungen Bormanns erhebe. Sicherlich würde keiner Ihrer Mitarbeiter es gewagt haben, Ihnen einen derartigen Bericht vorzulegen, wenn dieser nicht vollständig Ihren Äußerungen entsprochen hätte.


ROSENBERG: Ich habe es sehr begrüßt, daß meine Mitarbeiter immer den Mut gehabt haben, dort, wo es auch gegen das war, was ich selber von ihnen verlangte, mir ihre Meinung zu sagen. Dr. Leibbrandt ist zu mir gekommen und sagte voller Sorge: »Herr Reichsminister, das entspricht doch nicht dem, was wir hier zusammen arbeiten.« Ich sagte ihm: »Dr. Leibbrandt, beruhigen Sie sich. Ich habe eine beruhigende Erklärung geschrieben. Es wird nichts geändert und ich werde mit dem Führer später noch persönlich über diese Dinge sprechen.«


MR. DODD: Ihr Mitarbeiter hatte also keine Angst, Ihnen die Abfassung eines Briefes zu unterstellen, in dem Sie Wort für Wort mit Bormann übereinstimmen? Darüber will ich nicht mit Ihnen streiten. Mehr sollen Sie vor dem Gerichtshof hierüber gar nicht aussagen, es entspricht nämlich den Tatsachen, daß Sie in Ihrer Antwort diese Sätze Wort für Wort wiederholt haben.


ROSENBERG: Das stimmt ja nicht, sondern der Verfasser... ich muß sagen, ich habe diese Denkschrift von Leibbrandt, als er sie mir in die Hand gab, flüchtig durchgelesen und sagte: Das ist nun wieder mal ein ängstlicher Herr, der glaubt nun, daß in dieser großen Auseinandersetzung, die ich da habe, ich, solange ich irgend kann, etwas anderes tun werde, als ich für richtig halte. Aber ich habe hier eine schwere Auseinandersetzung vor mir und werde meine Haltung auch weiter durchführen, und das ist ja durch die Dokumente, die ich gestern aus einer Zeit von drei Jahren verlesen habe, eindeutig erwiesen.

Darf ich jetzt zu diesem Dokument Stellung nehmen?


MR. DODD: Beantworten Sie folgende Frage: Wen suchten Sie zu beruhigen? Hitler, Bormann oder beide?


ROSENBERG: Erstens ich habe zunächst einmal meinem Mitarbeiter, Dr. Leibbrandt, zugestimmt in dem Sinne, daß nämlich Ministerialerlasse in dieser Weise niemals von mir erscheinen würden.

Zweitens habe ich eine Schulverordnung für die Ukraine erlassen mit dem Aufbau einer vierjährigen Grundschule, mit dem Aufbau von Fachschulen und Fachhochschulen.


[599] VORSITZENDER: Einen Augenblick. Das ist doch keine Antwort auf die Frage. Sie sagten, daß Sie eine beruhigende Antwort gaben. Die Frage lautete: Wen wollten Sie beruhigen, Hitler, Bormann oder beide?


ROSENBERG: Ja, alle beide, jawohl.


MR. DODD: Herr Vorsitzender! Wäre dies nicht ein günstiger Zeitpunkt, eine Pause einzuschalten?


VORSITZENDER: Ja.


[Pause von 10 Minuten.]


DR. SEIDL: Herr Vorsitzender! Ich habe gestern mitgeteilt, daß die Dokumentenbücher für Frank bereits übersetzt sind. Es hat sich aber herausgestellt – und das habe ich soeben festgestellt –, daß die Dokumentenbücher noch nicht geheftet sind, und zwar deshalb, weil die dafür zuständige Stelle von einer anderen zuständigen Stelle noch nicht die Erlaubnis bekommen hat. Vielleicht könnte das Gericht bestimmen, daß die Dokumentenbücher geheftet werden, weil ja sonst die ganze Übersetzung keinen Sinn hat.

VORSITZENDER: Sehr gut.


MR. DODD: Ich wußte nicht, daß eine Verzögerung eingetreten ist. Ich werde jedoch, soweit es in unserer Macht steht, unverzüglich dafür sorgen, daß Sie die Bücher erhalten.


ROSENBERG: Darf ich zu diesem Dokument Stellung nehmen? Diese Denkschrift ist, wie ich am Anfang erklärte, von der Fiktion eines möglichen Ministerialerlasses ausgegangen. Sie verwendet dabei offenbar Wendungen, die Bormann in seinem Brief gemacht hat, aber mein Schreiben, das ich an den Führer geschrieben habe, kann ja diese Wendungen nicht enthalten, sondern wird beruhigende Erklärungen abgegeben haben, dergestalt, daß ich in den besetzten Ostgebieten nicht tue, was mir vorgeworfen wird, nämlich, daß ich das Interesse der deutschen Volksgesundheit gar nicht berücksichtigte, sondern mich in meiner Verwaltung aufblähe und große Gesundheitsabteilungen, Schulabteilungen, Erziehungsabteilun gen und so weiter gründe, und daß ich diese Verwaltungsabteilungen nunmehr unbedingt vereinfachen müsse.

Daß Bormann diese Ausdrücke gebraucht hat, entspricht leider der Art, wie er sich auszudrücken beliebte, was wir in den letzten Jahren ja mehr als notwendig feststellen mußten. Ich darf ganz kurz dazu sagen, daß er selber erklärte, daß der Minister scheinbar den Inhalt dieser Dinge deckt, aber ich möchte hier auf einen entscheidenden Punkt hinweisen: daß hier diese Ansichten, die da Bormann äußert, in einer gewissen persönlichen Umgebung von Koch verfolgt wurden, und gegen diese persönliche Umgebung von Koch ist ja in diesen tragischen Jahren meine ganze Arbeit gegangen, [600] und vor allen Dingen in der Erziehung des gesamten anderen Verwaltungsführerkorps, und das ergibt sich aus Punkt 3, wo steht:

»Vollends unter den Gebietskommissaren sind mindestens 80 Prozent gegen die geschilderten Auffassungen.«

MR. DODD: Ich glaube, wir wissen alle, was dort steht. Wenn Sie eine Erklärung hierfür abgeben können, dann sollten Sie dies tun.

ROSENBERG: Ja. Auf Seite 4 heißt es, der überwiegende Teil des Verwaltungsführerkorps setze seine Hoffnungen auf den Minister – auf mich – und ich habe mich bemüht und versucht, diese Hoffnungen meines Verwaltungsführerkorps, das ich durch meine Erlasse zu erziehen mich bemühte, zu erfüllen, weil diese Tausende von Menschen die weiten Ostgebiete ja nicht kennen konnten, diese Tausende ja schließlich auch in einem Kampf gegen den Bolschewismus nicht immer unterscheiden konnten, wie nun diese Dinge im Osten liegen. Dann gestatte ich mir, ganz konkret darauf hinzuweisen, daß der Verfasser ja sagt, der Erlaß des Ministers vom 17. März 1942 unterstreiche seine bisherigen Weisungen in verschärfter Form. Der Erlaß vom 13. Mai 1942 wendet sich gegen die Meinung, daß die Ukrainer überhaupt kein Volk seien, und gegen einen falschen Herrenstandpunkt. Das sind also zwei Erlasse, die ich nicht bekommen habe, die auch hier vorliegen, und weiter stellt er, wie Sie, Herr Anklagevertreter, ganz richtig sagen, fest, daß selbstverständlich der Minister – also ich – sehr wohl weiß, daß man einen solchen Kontinent anders behandeln muß als die Vorschläge oder Dinge, die hier passiert sind. In Konsequenz aber dieses Vorgehens habe ich sachlich festzustellen: Nach diesem Briefwechsel Koch/Bormann habe ich eingeleitet den regelmäßigen Aufbau einer Schulverwaltung in der Ukraine mit einer durchgearbeiteten Verordnung. Zweitens, ich habe gefordert den Ausbau des...


MR. DODD: Das interessiert mich nicht. Einen Augenblick.

ROSENBERG: Ich muß doch auf diese Beschuldigungen antworten.


MR. DODD: Das ist keine Antwort darauf, Herr Vorsitzender, es ist keine Erläuterung des Dokuments; er hält wieder eine dieser langen Reden über seine Handlungen nach Empfang des Dokuments, nach Abfassung des Briefes. Und ich bitte darum, ihn darüber zu belehren, daß er die Frage zu beantworten und keine Erklärungen über seine Verwaltungstätigkeit in der Ukraine abzugeben hat. Ich halte dies nämlich für unwichtig.


ROSENBERG: Ich habe ja den Führer nach dieser Sache persönlich gesprochen und habe ihm gesagt – und dieser Erlaß vom Mai 1943 liegt auch bei meinen Akten –, ich habe gesagt, daß es unmöglich ist, mit diesen Redensarten von Koch und Umgebung im Osten zu arbeiten.


[601] VORSITZENDER: Ob ein Brief bei Ihren Akten liegt oder nicht – jedenfalls kann Ihr Verteidiger Sie nach dem Kreuzverhör nochmals vernehmen. Sie können aber im Kreuzverhör keine langen Erklärungen abgeben und müssen Fragen mit Ja oder Nein beantworten. Falls Erläuterungen notwendig sind, müssen Sie sich kurz fassen. Sie haben zur Erklärung dieses Dokuments schon viel Zeit verbraucht.


MR. DODD: Wann haben Sie Koch kennengelernt?


ROSENBERG: Erich Koch?


MR. DODD: Ja.


ROSENBERG: In den zwanziger Jahren, das wird im Jahre 1927 oder 1928...


MR. DODD: Sie kennen ihn also anscheinend schon viele Jahre lang?


ROSENBERG: Ich habe ihn selten gesehen, aber als Gauleiter habe ich ihn persönlich manchmal gesprochen.


MR. DODD: Wann wurde er Gauleiter?


ROSENBERG: Er wurde, glaube ich, im Jahre 1928 Gauleiter in Ostpreußen. Ich kann das Datum nicht genau sagen, wann er Gauleiter wurde.


MR. DODD: Das genügt. Ich möchte nur ungefähr das Datum wissen. Hatten Sie viel mit ihm zu tun seit seiner Ernennung zum Gauleiter, sagen wir, bis 1940?


ROSENBERG: Zu der Kampfzeit habe ich mit ihm praktisch überhaupt nichts zu tun gehabt. Ich habe ihn dann später, nach 1933, einige Male gesprochen.


MR. DODD: Ich nehme an, daß Ihnen auf alle Fälle sein Ruf bei seinen Freunden und Bekannten wohlbekannt war.


ROSENBERG: Ich habe Koch als ein sehr plötzliches Temperament angesehen, das außerordentlich hin- und herschwankt und für eine Stetigkeit schwer zu gewinnen ist, und deshalb nicht zuverlässig in der Durchführung einer stetigen Handlung.


MR. DODD: Ihrer Antwort entnehme ich, daß Ihnen sein so geartetes Temperament vor seiner Ernennung zum Reichskommissar für die Ukraine noch nicht bekannt war, und daß Sie nichts über die während seiner Amtszeit als Reichskommissar für die Ukraine von ihm begangenen fürchterlichen Taten wußten, nicht wahr?


ROSENBERG: Nein, und...


MR. DODD: Das ist schon eine Antwort, es ist nicht notwendig, es zu erklären.


ROSENBERG: Ich wußte sogar, daß Koch früher die gegenteilige Meinung geäußert hatte und daß er erklärt hatte, in der Jugend des [602] Ostens ist auch die deutsche Jugend mit eingeschlossen. Das hat er früher geschrieben.


MR. DODD: Ich vermute also, daß Sie überrascht waren, als er sich dann so entpuppte, ist das richtig?

ROSENBERG: Das hat sich erst nach und nach herausgestellt. Daß dieses Temperament derartig ausschlagen würde, konnte auch ein anderer Mensch nicht voraussehen, und es wäre auch nicht so weit gekommen, wenn er nicht von anderer Seite eine Unterstützung bekommen hätte.


MR. DODD: Sie halten ihn nicht für so geeignet, wie aus seiner Beurteilung hervorgeht, sondern glauben vielmehr, daß er immer einer Ermutigung durch andere bedurft habe.

Meinen Sie das?


ROSENBERG: Ja, das hat selbstverständlich mitgewirkt.


MR. DODD: Jetzt lasse ich Ihnen Dokument 1019-PS zeigen, US-823. Bevor wir uns das ansehen, möchte ich darauf hinweisen, daß Koch der Mann ist, den Sie zum großen Teil für die furchtbaren Ereignisse, die sich unter Ihrer Verwaltung in der Ukraine zugetragen haben, verantwortlich machen, nicht wahr? Darüber besteht doch kein Zweifel, das haben Sie doch gestern den ganzen Tag behauptet?


ROSENBERG: Ja.


VORSITZENDER: Mr. Dodd! Wollen Sie bitte etwas langsamer sprechen?


MR. DODD: Ja, Herr Vorsitzender!


[Zum Zeugen gewandt:]


Sehen Sie sich bitte dieses Dokument an. Es ist eine Denkschrift über Ihre Vorschläge zur Personalbesetzung der Reichskommissariate im Osten und der politischen Zentralstelle in Berlin Sie wurde am 7. April 1941 verfaßt. Ich nehme an, das war nur wenige Tage, nachdem Hitler mit Ihnen über Ihre neue Ernennung im Osten gesprochen hatte, höchstens vier oder fünf Tage später. Stimmt das? Wollen Sie diese Frage beantworten?

ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: In dieser Denkschrift empfehlen Sie den Gauleiter Lohse, und wir wissen aus Dokumenten und dem Beweismaterial, daß er auch ernannt wurde. Das entspricht doch den Tatsachen?


ROSENBERG: Jawohl.


MR. DODD: Gut. Wir kommen nun zur nächsten Seite im englischen Text; es handelt sich um den Absatz, der mit den Worten beginnt:

»Hinzu kommt noch, daß sich eventuell die Notwendigkeit ergibt, nicht nur Petersburg, sondern auch Moskau militärisch [603] zu besetzen. Diese Besetzung wird wohl einen gänzlich anderen Charakter tragen als in den Ostseeprovinzen, in der Ukraine und im Kaukasus. Sie wird auf die Niederhaltung jeglichen russischen und bolschewistischen Widerstandes ausgerichtet sein und einer durchaus rücksichtslosen Persönlichkeit bedürfen, sowohl seitens der militärischen Vertretung als auch der eventuellen politischen Führung. Die Aufgaben, die sich hieraus ergeben, brauchen jetzt nicht aufgezeichnet zu werden. Falls nicht eine dauernde Militärverwaltung vorgesehen ist, empfiehlt der Unterzeichnete als Reichskommissar in Moskau den Gauleiter von Ostpreußen, Erich Koch.«

Haben Sie Koch als besonders rücksichtslosen Mann für diesen Posten im April 1941 vorgeschlagen? Ja oder nein?

ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Einen Augenblick, Sie haben gestern schon sehr viel geredet, geben Sie mir heute auch einmal Gelegenheit dazu.

Es ist derselbe Mann, dessen ausgeprägte Rücksichtslosigkeit Sie, wie Sie vor einer Minute behauptet haben, erst erkannt hätten, nachdem er all diese furchtbaren Untaten in der Ukraine begangen hatte. Es ist jedoch ganz klar, daß Ihnen dies bereits im April 1941 bekannt war. Stimmt das? Welche Antwort können Sie darauf geben?


ROSENBERG: Das stimmt ja nicht, das steht ja nicht hier. Ich habe erklärt, ich kenne auch Aufsätze von Koch aus dem Jahre 1933/34, wo er eine besondere Vorliebe für das russische Wesen hatte. Ich kannte Koch als eine mit Initiative in Ostpreußen wirkende Persönlichkeit, und ich mußte erwarten, daß im Zentrum, in Moskau und der Umgebung, die härtesten Anforderungen gestellt werden, denn hier war der bolschewistische Schwerpunkt, und es würden hier die härtesten Widerstände unter Umständen entstehen. Außerdem wollte ich Koch nicht im Ostland und nicht in der Ukraine haben, weil ich dort keine solchen Widerstände glaubte befürchten zu müssen. Koch verehrte einerseits das russische Wesen, andererseits aber war er ein wirtschaftlich mit Initiative sich einsetzender Mann. Und schließlich wußte ich, daß er derartig unterstützt wurde, daß irgendeine Arbeit für ihn im Osten sowohl seitens des Führers als auch des Reichsmarschalls vorgesehen war.


MR. DODD: Da Sie also einen rücksichtslosen Mann suchten, haben Sie Koch schon im April 1941 vorgeschlagen.


ROSENBERG: Dieser Ausdruck betrifft hier eine Initiative und natürlich auch die Ansicht, daß er bolschewistische Widerstände mit Rücksichtslosigkeit bekämpfen würde. Aber nicht in dem Sinne, daß er fremdes Volkstum unterdrücken oder fremde Kulturen ausrotten will.


[604] MR. DODD: Die Wahrheit ist, daß Sie im Hinblick auf die Ukraine irgendeine eigentümliche Absicht verfolgten, und daß Sie schon jemand anderen für diesen Posten vorgesehen hatten. Aber Koch war Ihnen als schlechter Schauspieler bekannt, und Sie wollten ihn in einem anderen Teile Rußlands eingesetzt sehen, nicht wahr?


ROSENBERG: Nein, ich wollte für die Ukraine den Staatssekretär Backe oder meinen Stabsleiter Schickedanz haben, wie aus diesem Dokument ersichtlich ist. Staatssekretär Backe, weil er nämlich ein Kaukasus-Deutscher ist und russisch spricht und das ganze südliche Gebiet kennt und wahrscheinlich hier sehr gut hätte arbeiten können. Ich bekam ihn nicht, es ist mir Koch aufgezwungen worden. Ich möchte sagen, gegen meinen persönlichen Protest in der Sitzung vom 16. Juli 1941.


MR. DODD: Wenn das Ihre Antwort ist, dann möchte ich zu diesem Punkt keine weiteren Fragen stellen. Was nun Ihr Verhalten gegen die Juden angeht, so haben Sie in Ihrer Frankfurter Rede im Jahre 1938 vorgeschlagen, sie alle müßten Europa und Deutschland verlassen. Stimmt das?


ROSENBERG: Es ist diese Redewendung gebraucht worden.


MR. DODD: Sie brauchen doch nur ja oder nein zu sagen. Haben Sie das in Ihrer Rede in Frankfurt 1938 gesagt oder nicht?


ROSENBERG: Ich kann aber doch nicht ja oder nein auf ein unrichtiges Zitat sagen.


MR. DODD: Ich glaube kaum, daß da etwas zu erklären ist; ich habe nur gefragt, ob Sie das in Ihrer Frankfurter Rede gesagt haben.


ROSENBERG: Ja, das ist im wesentlichen richtig.


MR. DODD: In Ihrer Reichsparteitagsrede, auf die Sie sich gestern bezogen haben, sagten Sie, daß Sie den Juden gegenüber eine harte Sprache gebraucht hätten. Damals nahmen Sie, wie ich vermute, gegen ihre Zulassung zu bestimmten Berufen und dergleichen Stellung. Ist das richtig?


ROSENBERG: Ich habe gestern gesagt, daß ich in zwei Reden für eine ritterliche Lösung eingetreten bin und für eine Parität eingetreten bin, und ich habe gesagt, man dürfe uns nicht vom Auslande die Diskriminierung des jüdischen Volkes vorwerfen, solange dieses Ausland die Diskriminierung unseres Volkes...


MR. DODD: Gut. Haben Sie je von der Ausrottung der Juden gesprochen?

ROSENBERG: Ich habe generell von der Ausrottung im Sinne dieses Wortes nicht gesprochen. Man muß hier die Worte wählen. Das Wort von der Ausrottung hat ja auch der britische Premierminister...


[605] MR. DODD: Auf die Worte werden wir noch zu sprechen kommen. Sagen Sie uns nur, ob Sie es jemals ausgesprochen haben oder nicht. Sie haben es ausgesprochen nicht wahr?


ROSENBERG: Ich habe in keiner Rede in diesem Sinne...


MR. DODD: Ich meine den Sinn. Haben Sie jemals mit jemandem über die Ausrottung der Juden als eine Staats- oder parteipolitische Maßnahme gesprochen?


ROSENBERG: Es ist in einer Besprechung beim Führer über eine beabsichtigte Rede, die nicht gehalten wurde, offen über diese Frage einmal gesprochen worden, und zwar in dem Sinne, daß da jetzt ein Krieg ausgebrochen sei, diese Drohung, die ausgesprochen war, nicht mehr berührt werden solle. Diese ganze Rede ist ja auch nicht gehalten worden.


MR. DODD: Wann wollten Sie denn die Rede halten, ungefähr zu welchem Zeitpunkt?


ROSENBERG: Im Dezember 1941.


MR. DODD: Dann haben Sie Ihrer Rede Bemerkungen über die Ausrottung der Juden hinzugefügt, nicht wahr? Ja oder nein?


ROSENBERG: Ich habe schon gesagt, daß dieses Wort nicht die Bedeutung hat, die Sie ihm eben unterlegen.


MR. DODD: Zu der Bedeutung des Wortes kommen wir noch. Ich wollte nur wissen, haben Sie in der Rede, die Sie im Dezember 1941 im Sportpalast halten wollten, den Ausdruck »Ausrottung der Juden« verwendet? Sie können darauf ganz einfach antworten.


ROSENBERG: Das mag sein, ich erinnere mich nicht, ich habe selbst den Wortlaut dieses Entwurfes nicht mehr gelesen. In welcher Form das ausgesprochen wurde, vermag ich nicht mehr zu sagen.


MR. DODD: Nun, vielleicht können wir Ihnen behilflich sein. Ich lasse Ihnen Dokument 1517-PS, US-824 überreichen. Dies ist ebenfalls eine Aufzeichnung von Ihnen über eine Unterredung beim Führer am 14. Dezember 1941; aus dem ersten Absatz geht klar hervor, daß Sie und Hitler eine Rede besprochen haben, die Sie im Sportpalast in Berlin halten sollten. Im zweiten Absatz finden Sie folgende Worte:

»Über die Judenfrage sagte ich, daß die Anmerkungen über die New Yorker Juden vielleicht jetzt nach der Entscheidung etwas geändert werden müßten. Ich stände auf dem Standpunkt, von der Ausrottung des Judentums nicht zu sprechen. Der Führer bejahte diese Haltung und sagte, sie hätten uns den Krieg aufgebürdet und sie hätten die Zerstörung gebracht, es sei kein Wunder, wenn die Folgen sie zuerst träfen.«

Sie sagen, daß Sie hinsichtlich der Bedeutung dieses Wortes Schwierigkeiten hätten, und ich frage Sie nun über die Bedeutung [606] des Wortes »Ausrottung«. Kennen Sie das deutsch-englische Standard-Wörterbuch von Cassell? Ich nehme an, Sie kennen es. Ist Ihnen dieses Wort bekannt, haben Sie je davon gehört?

ROSENBERG: Nein.

MR. DODD: Dann wird es Sie sicher interessieren. Wollen Sie dem Gerichtshof die Bedeutung des Wortes »Ausrottung« vorlesen?


ROSENBERG: Dazu bedarf ich nicht eines fremden Wörterbuches, um auszudeuten, was in deutscher Sprache das Wort: »Ausrottung« in vielen Bedeutungen meinen kann. Man kann eine Idee ausrotten, man kann ein Wirtschaftssystem ausrotten, man kann eine soziale Ordnung ausrotten und man kann in letzter Konsequenz auch eine Gemeinschaft ausrotten, gewiß, das sind eben die vielen Möglichkeiten, die in diesem Wort enthalten sind. Dazu brauche ich kein englisch-deutsches Wörterbuch. Übersetzungen aus der deutschen Sprache in die englische Sprache sind so oft falsch. Gerade im letzten Dokument, das Sie mir vorgelegt haben, hörte ich wieder die Übersetzung des Wortes: »Herrenrasse«. In dem Dokument steht von der »Herrenrasse« gar nichts, sondern es wird von einem falschen »Herrenmenschentum« gesprochen. Es wird scheinbar hier immer alles anders übersetzt.


MR. DODD: Gut. Das interessiert mich nicht. Wir wollen nur die Bedeutung des Wortes »Ausrottung« feststellen. Sie stimmen also mit mir überein, daß »ausrotten« »fortwischen« oder »abtöten« bedeutet. Das ist der Ausdruck, den Sie in Ihrer Besprechung mit Hitler gebraucht haben.


ROSENBERG: Hier habe ich wieder andere Übersetzungen gehört, die wieder neue deutsche Worte gebracht haben, so daß ich nicht feststellen kann, was Sie im Englischen damit ausdrücken wollen.


MR. DODD: Ist Ihre hier vorgebrachte scheinbare Unfähigkeit, sich mit mir über dieses Wort zu einigen, tatsächlich Ihr voller Ernst, oder wollen Sie nur Zeit verschwenden? Wissen Sie nicht, daß es in diesem Gerichtssaal viele Leute gibt, die deutsch sprechen und wissen, daß das Wort »fortwischen« »aus der Welt schaffen« bedeutet?

ROSENBERG: Es bedeutet »überwinden« einerseits, es bedeutet die Anwendung nicht auf Einzelpersonen, sondern auf juristische Personen, auf bestimmte geschichtliche Überlieferungen. Es ist ja auch auf der anderen Seite dieses Wort auf das deutsche Volk gemünzt worden, und wir haben ja auch nicht geglaubt, daß nunmehr daraus die Konsequenz gezogen würde, 60 Millionen Deutsche zu erschießen.


MR. DODD: Ich will Sie daran erinnern, daß diese Rede, in der Sie das Wort »Ausrottung« gebrauchten, etwa sechs Monate nachdem [607] Himmler an Höß, der als Zeuge hier vernommen worden ist, den Befehl zum Beginn der Ausrottungsaktion gegen die Juden gegeben hatte, verfaßt worden ist. Das entspricht doch den Tatsachen, nicht wahr?


ROSENBERG: Nein, das stimmt nicht; denn Adolf Hitler hat in seiner Reichstagserklärung erklärt, wenn hier ein neuer Weltkrieg durch diese Angriffe der unterstützten Emigranten beginnen würde, die Folge davon auch eine Vernichtung und eine Ausrottung sein würde.

Das ist als Folge und als eine politische Drohung aufgefaßt worden, und offenbar habe ich auch eine ähnliche politische Drohung vor dem Ausbruch des Krieges mit Amerika gebraucht, und als nun dieser Krieg ausgebrochen war, habe ich offenbar gesagt, da die Sache so gekommen ist, es hätte keinen Zweck, überhaupt davon zu sprechen.


MR. DODD: Die Juden wurden doch tatsächlich damals und später in den besetzten Ostgebieten ausgerottet, nicht wahr?


ROSENBERG: Da darf ich vielleicht zum Wortlaut sagen:

Es ist auch hier von der Ausrottung des Judentums die Rede; »Judentum« und »der Juden« ist ja auch noch ein Unterschied.


MR. DODD: Ich habe Sie eben gefragt, ob zu jenem Zeitpunkt und später in den besetzten Ostgebieten, die unter Ihrer Verwaltung standen, Juden tatsächlich ausgerottet wurden. Wollen Sie mit Ja oder Nein antworten?


ROSENBERG: Jawohl, ich habe ja gestern darüber ein Dokument zitiert.


MR. DODD: Ja, und dann haben Sie dem Gerichtshof gesagt, oder besser, versucht ihn glauben zu machen, daß das von der Polizei durchgeführt wurde, ohne daß Ihre Leute damit etwas zu tun gehabt hätten, nicht wahr?


ROSENBERG: Ich habe von einem Zeugen gehört, daß ein Gebietskommissar an diesen Dingen in Wilna beteiligt gewesen sein soll, und ich habe von einem weiteren Zeugen gehört, daß in anderen Städten die Mitteilung kam, daß die Polizei das durchführen würde. Und aus Dokument 1184 habe ich entnommen, daß ein Gebietskommissar sich auf jede Art und Weise gesträubt hat und Protest gegen diese sogenannte »Schweinerei« erhoben hat.


MR. DODD: Dr. Leibbrandt war Ihnen unterstellt. Er leitete die Abteilung II in Ihrem Ministerium für die besetzten Ostgebiete, nicht wahr?


ROSENBERG: Eine Zeitlang, ja.


[608] MR. DODD: Ich will Ihnen jetzt zum zweitenmal Dokument 3663-PS, US-825 zeigen lassen.


[Das Dokument wird dem Zeugen übergeben.]


Dieses Dokument besteht aus drei Teilen, wie Sie wohl bemerken werden. Die erste Seite ist ein Brief von Dr. Leibbrandt auf dem Papier des »Reichsministers für die besetzten Ostgebiete« und trägt das Datum vom 31. Oktober 1941. Das ist nur wenige Tage vor Ihrer Besprechung mit dem Führer über Ihre Rede, und das Schreiben ist an den »Reichskommissar Ostland in Riga« gerichtet. Das war Lohse, der Mann, den Sie für diesen Posten vorgeschlagen hatten. In dem Schreiben heißt es:

»Von seiten des Reichs- und Sicherheitshauptamtes wird Beschwerde darüber geführt, daß der Reichskommissar Ostland Judenexekutionen in Libau untersagt habe. Ich ersuche in der betreffenden Angelegenheit um umgehenden Bericht.

Im Auftrag

gez. Dr. Leibbrandt.«

Wenn Sie die nächste Seite aufschlagen, sehen Sie die Antwort.

Haben Sie das Original da?

ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Die Antwort ist auf der nächsten Seite, mit dem Datum:

»Riga, den 15. November 1941

An den Herrn Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Betrifft: Judenexekution, Bezug: Erlaß...«

Es wird anscheinend auf das Schreiben von Leibbrandt vom 31. Oktober 1941 Bezug genommen. Es heißt dann weiter:

»Ich habe die wilden Judenexekutionen in Libau untersagt, weil sie in der Art ihrer Durchführung nicht zu verantworten waren.

Ich bitte, mich zu unterrichten, ob Ihre Anfrage vom 31. Oktober als dahingehende Weisung aufzufassen ist, daß alle Juden im Ostland liquidiert werden sollen? Soll dieses ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht und wirtschaftliche Interes sen (z.B. der Wehrmacht an Facharbeitern in Rüstungsbetrieben) geschehen?«

Und dann steht da in einer anderen Handschrift die Notiz:

»Selbstverständlich ist die Reinigung des Ostlandes von Juden eine vordringliche Aufgabe. Ihre Lösung muß aber mit den Notwendigkeiten der Kriegswirtschaft in Einklang gebracht werden.«

[609] Dann heißt es weiter:

»Weder aus den Anordnungen zur Judenfrage in der ›Braunen Mappe‹ noch aus anderen Erlassen konnte ich bisher eine solche Weisung entnehmen.«

Darunter steht der Buchstabe »L«, für Lohse, nicht wahr? Wenn Sie die dritte Seite betrachten wollen – nein, es ist ein anderes Dokument, dieses Dokument hat nur zwei Teile. Jetzt sehen Sie sich bitte Dokument 3666-PS, US-826 an.

VORSITZENDER: Auf jenem Dokument steht der Anfangsbuchstabe »L«, nicht wahr?

MR. DODD: Ja.


VORSITZENDER: Und der Angeklagte gibt zu, daß dieser Buchstabe der Anfangsbuchstabe von »Lohse« ist, ist das richtig?


ROSENBERG: Das wird wohl kaum Lohse sein. Ich kenne Herrn Lohses Initial nicht, das weiß ich nicht.

MR. DODD: Nun gut, es ist...


ROSENBERG: Das kann auch Leibbrandt sein, das weiß ich nicht.


MR. DODD: Sie wollen also nicht sagen, daß dieser zweite Brief von Lohse kam, und daß das sein Anfangsbuchstabe ist?


ROSENBERG: Das kann ich nicht sagen.


MR. DODD: Gut.


ROSENBERG: Das kann ich nicht sagen, denn gewöhnlich werden ja Briefe mit der Schreibmaschine überall hingeschickt.


MR. DODD: Nun ja, wir...


ROSENBERG: Diese Notiz hinten ist mir nicht ganz verständlich. Sie besagt jedoch im wesentlichen, daß hier ein Protest gegen bekanntgewordene Polizeimaßnahmen vorliegt, und daß in Anordnung...


MR. DODD: Die Bedeutung werden wir gleich besprechen. Wir reden jetzt von diesem »L«. Können Sie auch irgendwo ein handschriftliches »R« entdecken, ein großes »R«?


ROSENBERG: Ja, hier ist ein »L«.


MR. DODD: Ja, ein »R«?

ROSENBERG: Ja, hier sind zwei »R«.


MR. DODD: Haben Sie diese Initialen darauf geschrieben?


ROSENBERG: Nein.


MR. DODD: Das ist Ihr Anfangsbuchstabe, nicht wahr?


ROSENBERG: Ich kann das nicht als mein »R« entziffern.


[610] MR. DODD: Sie behaupten, es sei nicht Ihr »R«? Das müssen wir aufklären. Sie sollten doch Ihre eigene Unterschrift kennen, wenn Sie sie irgendwo sehen?


ROSENBERG: Ich habe nie ein spitzes »R« gemacht, oben.

Ich bitte meine Handschrift zu vergleichen.


MR. DODD: Das werden wir schon machen, haben Sie keine Bedenken. Ich habe Sie gefragt, ob das Ihr Anfangsbuchstabe ist oder nicht?


ROSENBERG: Das kann ich nicht identifizieren als mein Initial.


MR. DODD: Wollen Sie sagen, daß das nicht Ihr Initial ist?


ROSENBERG: Ja.

MR. DODD: Gut. Ich verweise Sie nunmehr auf Dokument 3666-PS, das sich auch auf diese beiden anderen Dokumente bezieht. Es ist ebenfalls ein Brief auf dem Briefpapier des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, mit dem Datum vom 18. Dezember 1941. »Betrifft: Judenfrage. Auf das Schreiben vom 15. November 1941.«

Das ist also die Antwort auf den mit »L« gezeichneten Brief, in dem die Frage gestellt wird, ob die Judenexekutionen als Folge einer grundsätzlichen politischen Weisung zu betrachten seien. Die Antwort lautet:

»In der Judenfrage dürfte inzwischen durch mündliche Besprechungen Klarheit geschaffen sein. Wirtschaftliche Belange sollen bei der Regelung des Problems grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Im übrigen wird gebeten, auftauchende Fragen unmittelbar mit dem Höheren SS- und Polizeiführer zu regeln. Im Auftrag gez. Bräutigam.«

Haben Sie den Brief früher schon einmal gesehen?

ROSENBERG: Nein, den habe ich nicht gesehen. Meines Erachtens nicht. Es ist hier wieder ein solches »R« mit einer Spitze oben. Ich kann das auch nicht als mein »R« identifizieren.

MR DODD: Sie können diesen Buchstaben also nicht als Ihren Anfangsbuchstaben identifizieren?


ROSENBERG: Ja, ich kann das schon aus dem einfachen Grunde nicht als mein »R« identifizieren, da das Schreiben, unterschrieben von Bräutigam, vom Ostministerium an das »Ostland« gerichtet ist, und die Notizen oben sind ja von einer Stelle gezeichnet worden, die der Empfänger ist.


DR. THOMA: Herr Präsident! Darf ich Sie hier auf einen unmittelbaren Irrtum aufmerksam machen?

Dieses »R« steht im Zusammenhang mit einem »K«. Das heißt offensichtlich »Reichskommissar«.


MR. DODD: Wir reden ja nicht von dem »R« oben auf dem Brief, sondern ich spreche von dem handgeschriebenen Buchstaben.


[611] ROSENBERG: Ja, es ergibt sich ja jetzt aus diesem »R« ganz eindeutig, daß es sich hier um den Empfänger handelt.

»Eingegangen am 22. 12., R« und adressiert ist es vom Ministerium ins »Ostland«.

Diese Notiz stammt also von einem in Riga wohnenden Menschen, und es ist dasselbe »R«, das ja auch auf dem anderen Dokument steht.


MR. DODD: Wer war Ihr Reichsminister für das »Ostland«?


ROSENBERG: Lohse.


MR. DODD: Sein Name fängt nicht mit »R« an, nicht wahr?


ROSENBERG: Ja, aber es ist ja ersichtlich, daß dieser Brief offenbar in seiner Abteilung abgezeichnet wurde.


DR. THOMA: Darf ich dem Gericht auch in dieser Sache helfen? Bei dieser handschriftlich geschriebenen Sache mit dem deutschen »L« steht links außen »Wv. 1. 12. 41«, das heißt »Wiedervorlage« und unten steht dann »Vorgelegt, 1. 12. R«.

Das muß ein Vorgang sein, der sich in der Kanzlei des Reichskommissars abgespielt hat. Das ist ein erster Entwurf, den er deshalb auch nur mit dem ersten Buchstaben seines Namens signiert hat.


MR. DODD: Wir können diese Erklärung nicht als genügenden Beweis annehmen. Die Frage, um wessen Initiale es sich handelt, wird später zur Entscheidung gebracht werden.


VORSITZENDER: Was bedeuten oben die Worte: »Reichsminister für die besetzten Ostgebiete«?


MR. DODD: Das ist das Briefpapier, auf dem es geschrieben ist. Dieser ganze Brief ist in Handschrift auf die Rückseite des ersten Briefes geschrieben worden. Beide wurden im Büro dieses Angeklagten in Berlin gefunden.


[Zum Zeugen gewandt:]


Ich verweise Sie nun auf ein weiteres Dokument Nummer 36.

ROSENBERG: Ich behaupte mit Nachdruck, dieses »R« hat der Empfänger unterschrieben, an den der Brief gerichtet wurde.

MR. DODD: Gut, wir werden schon dazu kommen. Dokument Nummer 36. Ich lasse Ihnen Dokument 3428-PS vorlegen, US-827.


VORSITZENDER: Wollen Sie die Nummer noch einmal nennen?


MR. DODD: Ich bitte um Entschuldigung. Es war 3428-PS, das US-827 wird.


[Zum Zeugen gewandt:]


Es ist dies ein Brief aus Minsk, im besetzten Gebiet, vom 31. Juli 1942. Er wurde von Kube geschrieben. Er war auch einer Ihrer Mitarbeiter, nicht wahr? Wollen Sie das bitte beantworten?

[612] ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Und er ist an Lohse, den Reichskommissar für das Ostland gerichtet, nicht wahr?

ROSENBERG: Jawohl, das ist richtig.


MR. DODD: Sehen wir uns dieses Dokument an:

»Betreff: Partisanenbekämpfung und Judenaktion im Generalbezirk Weißruthenien.

Bei allen Zusammenstößen mit Partisanen in Weißruthenien hat es sich herausgestellt, daß das Judentum sowohl im ehemals polnischen Teil« – und so weiter – »Hauptträger der Partisanenbewegung ist. Infolgedessen ist die Behandlung des Judentums in Weißruthenien... eine hervorragend politische Angelegenheit...«

Sodann ein oder zwei Sätze weiter unten:

»In eingehenden Besprechungen mit dem SS-Brigadeführer Zenner und dem hervorragend tüchtigen Leiter des SD, SS-Obersturmbannführer Dr. jur. Strauch, haben wir in Weißruthenien in den letzten 10 Wochen rund 55000 Juden liquidiert. Im Gebiet Minsk-Land ist das Judentum völlig ausgemerzt, ohne daß der Arbeitseinsatz dadurch gefährdet worden ist. In dem überwiegend polnischen Gebiet Lida sind 16000 Juden, in Slonim 8000 Juden« und so weiter »liquidiert worden. Durch einen dorthin bereits berichteten Übergriff des Rückwärtigen Heeresgebietes sind die von uns getroffenen Vorbereitungen für die Liquidierung der Juden im Gebiet Glebokie gestört worden. Das Rückwärtige Heeresgebiet hat, ohne Fühlung mit mir zu nehmen, 10000 Juden liquidiert, deren systematische Ausmerzung von uns sowieso vorgese hen war. In Minsk-Stadt sind am 28. und 29 Juli rund 10000 Juden liquidiert worden, davon 6500 russische Juden – überwiegend Alte, Frauen und Kinder – der Rest bestand aus nichteinsatzfähigen Juden, die überwiegend aus Wien. Brünn, Bremen und Berlin im November des v. J. nach Minsk auf den Befehl des Führers geschickt worden sind.

Auch das Gebiet Sluzk ist um mehrere tausend Juden erleichtert worden. Das gleiche gilt für Nowogrodek und Wilejka. Radikale Maßnahmen stehen noch für Baranowitschi und Hanzewitschi bevor. In Baranowitschi leben allein in der Stadt noch rund 10000 Juden, von denen 9000 Juden im nächsten Monat liquidiert werden.«

Und weiter:

»In Minsk-Stadt sind 2600 Juden aus Deutschland übriggeblieben. Außerdem sind noch sämtliche 6000 russische Juden und Jüdinnen am Leben, die als Arbeitseinsatz während [613] der Aktion bei den sie beschäftigenden Einheiten verblieben sind. Minsk wird auch in Zukunft noch immer den stärksten Judeneinsatz behalten, da die Zusammenballung der Rüstungsbetriebe und die Aufgaben der Eisenbahn das vorläufig notwendig macht. In sämtlichen übrigen Gebieten wird die Zahl der zum Arbeitseinsatz kommenden Juden vom SD und mir auf höchstens 800, nach Möglichkeit aber auf 500, festgesetzt...«

Dann berichtet das Schreiben weiter über die Lage der Juden; das brauche ich, meines Erachtens, nicht alles zu verlesen. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber auf den letzten Absatz lenken, und zwar auf den letzten Satz:

»Ich bin mit dem Kommandeur des SD in Weißruthenien darin völlig einig, daß wir jeden Judentransport, der nicht von unseren vorgesetzten Dienststellen befohlen oder angekündigt ist, liquidieren, um weitere Beunruhigungen in Weißruthenien zu verhindern.«

Weiter oben habe ich einen oder zwei Sätze ausgelassen, die ich verlesen wollte:

»Mir und dem SD wäre es natürlich das liebste, nach Wegfall der wirtschaftlichen Ansprüche der Wehrmacht, das Judentum im Generalbezirk Weißruthenien endgültig zu beseitigen. Vorläufig werden die notwendigen Ansprüche der Wehrmacht, die in der Hauptsache Arbeitgeber des Judentums ist, berücksichtigt.«

Ich muß Ihnen gleich sagen, daß auch dieses Dokument in Ihrem Amt in Berlin aufgefunden wurde. Es ist ein Brief...

ROSENBERG: Das erscheint mir sehr unwahrscheinlich, daß es in meinem Büro in Berlin vorgefunden wurde. Wenn, dann kann es sich höchstens darum handeln, daß der Reichskommissar Ostland seine gesamten Akten nach Berlin gebracht hat, in Kisten verpackt. In meinem Büro ist es damals nicht gewesen, und dieser Brief ist mir auch nie vorgelegt worden. Es steht ja hier mit Stempel: »Der Reichskommissar für das Ostland«, und nicht »Der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete«. Ich habe gestern aber erklärt, daß mir eine Anzahl solcher Vorgänge als Einzelaktionen in den Kämpfen mitgeteilt worden war, und daß ich diesen einen Bericht aus Sluzk persönlich bekommen habe, und der Gauleiter Meyer sofort beauftragt wurde, bei Heydrich hier Vorstellung zu erheben, eine Untersuchung anzuordnen. Und das setzt ja voraus, daß er eine solche generelle, daß auch der Gauleiter Meyer eine solche generelle Aktion auf Befehl von einem Zentrum nicht gekannt und nicht angenommen habe.

MR. DODD: Ich möchte Sie nur auf die seltsame Verkettung der Ereignisse aufmerksam machen, daß zwei Ihrer bedeutendsten [614] Mitarbeiter im Jahre 1942 in dieser Weise, ohne Ihr Wissen, in Verbindung gestanden haben.

Haben Sie nicht gestern vor dem Gerichtshof ausgesagt, Sie seien der Ansicht, daß die meisten oder ein großer Teil der den Juden im Osten zugefügten Unannehmlichkeiten durch Handlungen der örtlichen Bevölkerung verursacht wurde. Erinnern Sie sich, das gestern gesagt zu haben?


ROSENBERG: Ich habe diese Übersetzung eben nicht bekommen.


MR. DODD: Ich fragte Sie, ob es nicht Tatsache ist, daß Sie gestern vor dem Gerichtshof ausgesagt haben, daß ein großer Teil der Unannehmlichkeiten, die die Juden im Osten zu erdulden hatten, durch die örtliche Bevölkerung dieser Gebiete verursacht wurde.


ROSENBERG: Ja, das wurde mir am Anfang mitgeteilt von zurückkehrenden Persönlichkeiten, daß nicht Lokalbehörden, sondern Bevölkerungsteile... und ich kannte ja die Stimmung aus dem Osten von früher und ich konnte mir wohl vorstellen, daß es den Tatsachen entspreche.

Zweitens habe ich erklärt, daß mir mitgeteilt wurde, daß von der Polizei neben den Exekutionen verschiedener anderer Widerstandsnester und Sabotagezentren auch eine größere Anzahl von Juden erschossen wurden, in verschiedenen Städten, und dann habe ich den Fall Sluzk hier behandelt.


MR. DODD: Ich glaube, Sie werden zugeben, daß Ihr Mann Koch in der Ukraine alle Arten schrecklicher Untaten begangen hat. Ich verstehe nun nicht, warum Sie die Teilnahme Lohses und Kubes an der Vernichtung oder Liquidierung der Juden bestreiten, und warum Sie leugnen, daß Bräutigam, ein wichtiges Mitglied Ihres Stabes, und Leibbrandt, ein weiteres wichtiges Mitglied Ihres Stabes, über das Programm Bescheid gewußt haben. So waren also mindestens fünf Leute Ihrer Verwaltung in dieser Richtung tätig, und es waren keine kleinen Leute.


ROSENBERG: Ich möchte feststellen, daß eine Verordnung des Reichskommissars für das Ostland vorliegt, die in Übereinstimmung...


VORSITZENDER: Wollen Sie die Frage zuerst beantworten? Geben Sie zu, daß diese fünf Personen die Vernichtung von Juden durchgeführt haben?


ROSENBERG: Ja, daß sie über eine Anzahl von Liquidierungen von Juden Bescheid wußten, das gebe ich zu, und das haben sie mir ja auch gesagt, oder wenn nicht sie, dann habe ich es von anderer Seite gehört. Ich möchte nur eines erklären, daß entsprechend den allgemeinen Gesetzen des Reiches der Reichskommissar für das Ostland eine Verordnung erlassen hat, wonach das uns selbstverständlich [615] feindlich gesinnte Judentum in bestimmten jüdischen Vierteln der Städte zu konzentrieren sei, und ich habe bis zum Schluß noch gehört, bis 1943/44, daß in diesen Städten solche Arbeiten in diesen jüdischen Ghettos noch in größtem Maße durchgeführt wurden.

Ich darf hier ergänzend noch auf einen anderen Fall hinweisen, der mir auch zur Kenntnis kam, nämlich, daß ein Gebietskommissar...


MR. DODD: Ich wünsche nicht, daß Sie auf irgendein anderes Thema übergehen. Sie haben die Frage beantwortet und Ihre Antwort erklärt. Ich bitte Sie nicht um weitere...


ROSENBERG: Was ich eben noch hinzufügen wollte, das begründet noch einen Teil meiner Antwort, einen sehr konkreten Fall, nämlich, ein Gebietskommissar in der Ukraine war beim Gericht angeklagt worden, daß er in einer jüdischen Gemeinde auf Grund von Drohungen Erpressungen verübt hätte und Pelze, Kleider und so weiter nach Deutschland geschickt hätte. Er wurde vor Gericht geholt, er wurde zum Tode verurteilt und ist erschossen worden.


MR. DODD: Das ist sehr interessant, aber ich halte es nicht für eine notwendige Erklärung Ihrer Antwort. Ich möchte Sie bitten, zu versuchen, sich auf die Antworten zu beschränken. Ich möchte in einigen Minuten fertig sein.

Sie sind natürlich auch der Mann, der, wie Sie gestern vor dem Gerichtshof ausgesagt haben, den Brief geschrieben hat, in dem die Soforthinrichtung von hundert Juden in Frankreich vorgeschlagen wird, obwohl Sie sagten, nach Ihrer Meinung sei dies – was? – ein etwas falsches Urteil, oder nicht ganz gerecht, oder etwas Ähnliches? Ist das richtig?


ROSENBERG: Ich habe gestern dazu meine Erklärungen abgegeben.


MR. DODD: Ich weiß, aber ich möchte heute einige Minuten darüber sprechen.

Haben Sie gestern gesagt, daß es nicht richtig, daß es nicht gerecht gewesen sei? Ja oder nein? Haben Sie das nicht vor dem Gerichtshof gestern ausgesagt?


ROSENBERG: Da müssen Sie wörtlich zitieren, wenn Sie von mir ja oder nein haben wollen.


MR. DODD: Ich frage Sie noch einmal. Haben Sie gestern vor diesem Gerichtshof ausgesagt, daß Ihr Vorschlag in jenem Schreiben, im Dokument 001-PS, falsch und nicht gerecht sei? Das ist eine ziemlich einfache Frage, und Sie können sie beantworten.


ROSENBERG: Ich habe erklärt, daß es menschlich unrecht war.


MR. DODD: Es war Mord; war es nicht ein Mordplan? Ja oder nein?


[616] ROSENBERG: Nein, sondern ich habe Geiselerschießungen, die ja öffentlich von der Wehrmacht bekanntgegeben wurden, als eine in außerordentlichen Kriegszuständen offenbar allgemein angenommene Tatsache hingenommen, und diese Erschießungen von Geiseln sind ja in der Presse veröffentlicht worden. Also ich mußte hier annehmen, daß hier völkerrechtlich in bestimmten Kriegszuständen das als eine angenommene Repressalie angesehen werden kann, und deshalb kann ich das nicht zugeben...


MR. DODD: Haben Sie damals als gütiger Philosoph oder als Soldat gesprochen? In welcher Eigenschaft haben Sie diesen Brief 001-PS geschrieben, als gütiger philosophischer Prediger über Weltanschauung und Kultur, oder als Mitglied der Wehrmacht?


ROSENBERG: Ich habe hier, wie aus dem Dokument ersichtlich, gesprochen davon, daß hier eine bestimmte Sabotage und Mordaktion gegen deutsche Soldaten geführt wird, die das auch von mir angestrebte gute künftige Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich für immer vergifteten. Aus diesem angegebenen Grund ist dieser Brief, den ich an sich menschlich bedaure, geschrieben worden.


MR. DODD: Das kommt etwas spät, glauben Sie nicht?

Der Zeuge Höß... Sie waren wohl im Gerichtssaal, als er aussagte?


ROSENBERG: Ja, ich habe ihn gehört.


MR. DODD: Sie haben doch diesen schrecklichen Bericht über zweieinhalb bis drei Millionen Morde an größtenteils jüdischen Personen gehört, den er vom Zeugenstand aus gegeben hat.


ROSENBERG: Jawohl.

MR. DODD: Obwohl es hier nicht im einzelnen klargestellt wurde, so können Sie mir doch glauben, daß, es so war, und wenn Sie es bestreiten wollen, so steht Ihnen dies frei, und wir werden es dann später beweisen. Sie wissen, daß Höß Ihre Bücher und Ihre Reden gelesen hat?


ROSENBERG: Ob Höß meine Bücher gelesen hat, weiß ich nicht. Antijüdische Bücher gibt es seit 2000 Jahren.


MR. DODD: Sie haben im Oktober 1944 den Rücktritt von Ihrer Stellung als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete angeboten.


ROSENBERG: Oktober 1944.


MR. DODD: Es war nicht viel, was Sie zu jenem Zeitpunkt aufgeben wollten, nicht wahr? Die Deutschen waren praktisch aus Rußland bereits zurückgedrängt, das ist doch Tatsache? Am 12. Oktober 1944 war die Deutsche Wehrmacht praktisch aus Rußland bereits vertrieben worden. Sie war auf dem Rückmarsch, nicht wahr?


[617] ROSENBERG: Ja, es handelte sich um meine weiteren Aufgaben, um die politisch-psychologische Behandlung mehrerer Millionen Ostarbeiter im Reich, es handelte sich weiter um die Flüchtlinge, die aus dem Ostland und aus der Ukraine nach Deutschland kamen und es handelte sich um Abwicklung der wirtschaftlichen Geschäfte. Und vor allen Dingen hatte ich auch damals noch die Hoffnung, daß unter Umständen auch eine militärische Wende im Osten ja immer noch eintreten könnte.


MR. DODD: Und jeder, fast jeder in Deutschland, der überhaupt informiert war, wußte, daß der Krieg im Oktober 1944 bereits verloren war, oder nicht? Sie wußten, daß der Krieg im Oktober 1944 verloren war?


ROSENBERG: Nein, das wußte ich nicht.


MR. DODD: Sie haben das nicht gewußt?


ROSENBERG: Nein, ich habe das nicht gewußt.


MR. DODD: Ich will diese Antwort annehmen. Das ist alles. Ich habe keine weitere Frage mehr.


VORSITZENDER: Dr. Thoma! Wollen Sie den Zeugen noch einmal verhören?


[Keine Antwort.]


General Rudenko, wollen Sie noch einige zusätzliche Fragen stellen?

GENERAL RUDENKO: Ich habe einige Fragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Angeklagten in den Ostgebieten zu stellen.

VORSITZENDER: Gut, Herr General.


GENERAL RUDENKO: Angeklagter Rosenberg! Wann begannen Sie persönlich und unmittelbar an den Vorbereitungen für den Angriff gegen die Sowjetunion teilzunehmen?


ROSENBERG: Überhaupt nicht.


GENERAL RUDENKO: Stand Ihre Ernennung zum Beauftragten für die besetzten Ostgebiete am 20. April 1941 nicht in direktem Zusammenhang mit der Planung zum Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion?


ROSENBERG: Es war ja keine Planung mehr, an der ich teilgenommen habe, sondern die Folge eines bereits gefaßten Entschlusses, zu dem ich ja nicht zur Beratung herangezogen worden war, sondern die Mitteilung, daß hier ein Entschluß gefaßt sei und die militärischen Befehle ergangen seien. Ich habe also nichts... denn ich muß ja Ihnen die Frage mit Ja oder Nein möglichst beantworten. Ich habe soeben auf Grund des Wortlautes mit Nein geantwortet.


[618] GENERAL RUDENKO: Sie bestreiten also nicht, daß es im April 1941 gewesen ist?


ROSENBERG: Das liegt ja vor, daß ich einen Auftrag bekommen habe.


GENERAL RUDENKO: Mit dieser Ernennung hat Hitler Ihnen sehr große Vollmachten erteilt. Sie arbeiteten mit den höchsten Reichsbehörden zusammen, erhielten von ihnen Informationen und beriefen die Zusammenkünfte der Reichsbehörden ein, Sie arbeiteten insbesondere mit Göring, dem Wirtschaftsminister und mit Keitel zusammen. Können Sie mir das bestätigen? Bitte antworten Sie kurz!


ROSENBERG: Es sind hier wieder mal drei Fragen an mich gerichtet worden. Die erste Frage, ob ich große Vollmachten bekommen habe: Eine Vollmacht hatte ich dort überhaupt nicht bekommen, also nein. Die zweite Frage: ob ich Besprechungen gehabt habe, beantworte ich mit ja, denn selbstverständlich habe ich mit den für den Osten vorgesehenen obersten Reichsbehörden Besprechungen gehabt, wie es meine Pflicht dem Auftrage entsprechend war.


GENERAL RUDENKO: Beantworten Sie bitte kurz folgende Frage: Hatten Sie mit dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht gleich nach Ihrer Ernennung am 20. April 1941 eine Besprechung?


ROSENBERG: Jawohl, ich habe Feldmarschall Keitel einen Besuch gemacht.


GENERAL RUDENKO: Hatten Sie im Zusammenhang mit Ihrer Ernennung ein Gespräch mit Brauchitsch und Raeder über die Lösung der Ostprobleme?


ROSENBERG: Mit Brauchitsch habe ich, meiner Erinnerung nach, nicht gesprochen und mit Admiral Raeder habe ich, meiner Erinnerung nach, in dieser Zeit auch keine Unterhaltung gehabt.


GENERAL RUDENKO: Hatten Sie eine Unterredung mit dem Angeklagten Funk, der Dr. Schlotterer zu seinem ständigen Vertreter ernannte?


ROSENBERG: Der damalige Reichsminister Funk ist selbstverständlich kurz von diesem Auftrag an mich unterrichtet worden und hat als Verbindungsmann Dr. Schlotterer ernannt.


GENERAL RUDENKO: Unterhielten Sie sich mit General Thomas, Staatssekretär Körner, Staatssekretär Backe und Ministerialdirektor Riecke über die wirtschaftliche Ausbeutung der Ostgebiete?


ROSENBERG: Ich glaube nicht, daß ich mit Thomas gesprochen habe, und die anderen Herren habe ich nach und nach einzeln [619] kennengelernt. Riecke habe ich später als Verbindungsmann zum Wirtschaftsstab Ost ins Ministerium übernommen. Backe, den habe ich später sicher auch mal getroffen, wie das im Laufe der Zeit selbstverständlich ist. Mit General Thomas, ich weiß gar nicht, ob ich den persönlich kennengelernt habe, höchstens ganz kurz.


GENERAL RUDENKO: Gut. Dann lege ich Ihnen Dokumente vor, in denen Sie selbst darauf hinweisen. Sie führten Gespräche mit dem Außenminister, deren Ergebnis darin bestand, daß der Angeklagte Ribbentrop Großkopf zum ständigen Verbindungsmann zu Ihrer Dienststelle ernannte, zum Vertreter der politischen Abteilung dagegen Dr. Bräutigam bestimmte. Ist das richtig?


ROSENBERG: Das ist richtig, weil der Außenminister selbstverständlich kurz unterrichtet wurde, und für den Gesandten den damaligen Generalkonsul Großkopf...


GENERAL RUDENKO: Haben Sie die verantwortlichen Vertreter der Propaganda, Fritzsche, Schmidt, Glasmeier und andere empfangen?


ROSENBERG: Ja, das wird ja wohl so gewesen sein. Ich habe die Herren damals zum großen Teil zum erstenmal persönlich kennengelernt. Es ist selbstverständlich, daß ich mit diesem Auftrage mich unterrichten mußte.


GENERAL RUDENKO: Unterhandelten Sie mit dem Stabschef der SA über die Abstellung der erfahrensten SA-Führer zu Ihrer Verfügung?

ROSENBERG: Ich habe selbstverständlich auch mit dem Stabschef der SA über eventuell geeignete Mitarbeiter bei einer eventuellen Besetzung der Ostgebiete gesprochen.


GENERAL RUDENKO: Somit werden Sie im Zusammenhang damit nicht ableugnen wollen, daß ein Verbindungszentrum für die vorbereitenden Maßnahmen zum Angriff auf die Sowjetunion vorhanden war?


ROSENBERG: In dieser Form nicht. Denn die gesamten Aufgaben für die Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion waren ja militärisch geteilt; sie waren vorbereitend wirtschaftlich für Göring geteilt; sie waren, wie sich später herausstellte, besonders klar bei der Polizei geteilt. Ich hatte hier eine politische Verbindungsstelle bekommen, um die politischen Probleme des Ostens zu besprechen und den verschiedenen Stellen Vorstellungen über diese politische, eventuell kommende Verwaltung und die Richtung dieser Politik zu machen. Ich habe das im wesentlichen in dem Sinne getan, wie in meiner Rede vom 20. Juni.


GENERAL RUDENKO: Gut. Eineinhalb Monate vor dem verräterischen Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion haben Sie die [620] Unterweisungen für alle Reichskommissare in den besetzten Ostgebieten bearbeitet. Wollen Sie das ableugnen?

ROSENBERG: Ich habe dieses gestern schon erwähnt. Es sind sofort pflichtgemäß von mir und meinen Mitarbeitern einige vorläufige Entwürfe bearbeitet worden. Diese Entwürfe, die hier vorliegen oder die mir bisher vorgelegt worden sind, sind in dieser Form nicht hinausgegangen.


GENERAL RUDENKO: Ich werde auf diese Frage später noch zurückkommen. In Ihrem Bericht, den Sie Hitler am 28. Juni 1941 über die Vorarbeiten hinsichtlich der mit den Ostgebieten zusammenhängenden Fragen übermittelten, sagten Sie, daß Sie ein Gespräch mit Admiral Canaris hatten. Im Verlauf dieses Gespräches baten Sie Canaris, zum Zwecke der Abwehr Leute auszuwählen, die neben ihren Abwehrarbeiten auch politisch tätig sein könnten. Ist das richtig?


ROSENBERG: Nein, das stimmt nun nicht. Sondern ich hörte, daß Admiral Canaris eine bestimmte Gruppe von, ich glaube, Ukrainern und Angehörige anderer Völker dafür, sei es Sabotage oder sonstige Arbeit, bestimmt hatte. Er ist einmal bei mir gewesen, und ich habe ihn gebeten, sich nicht in die politische Arbeit, in die politische vorbereitende Arbeit einzumengen, und das hat er mir zugesagt.


GENERAL RUDENKO: Sie streiten Ihr Zusammentreffen mit Admiral Canaris nicht ab?

ROSENBERG: Das Zusammentreffen – nein.


GENERAL RUDENKO: Und auch nicht das Gespräch, in dem Sie ihn baten, zum Zwecke der Abwehr gewisse Leute zu Ihrer Hilfe auszuwählen? Bestreiten Sie das?


ROSENBERG: Nein – ja, das verneine ich. Ich verneine aber nicht, daß selbstverständlich, wenn Canaris eine interessante, wichtige politische Meldung hatte, es von ihm richtig gewesen wäre, wenn er mich gelegentlich auch davon unterrichten wollte. Ich habe keine Spionageabwehr oder Organisation für Spionage gehabt. Ich bin in diesen Jahren überhaupt nicht...


GENERAL RUDENKO: Wir werden Ihnen dieses Dokument vorlegen.

Herr Vorsitzender! Wir können vielleicht jetzt eine Pause machen, weil ich dem Angeklagten noch eine Reihe von Fragen vorzulegen habe.


VORSITZENDER: Gut.


[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]


Quelle:
Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg. Nürnberg 1947, Bd. 11, S. 576-622.
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