Adler

[12] Adler war schon bei den orientalischen Völkern wie bei Griechen und Römern Symbol des Sieges und der Herrschaft, Begleiter des Zeus. Ähnlich erscheint er in der deutschen Mythologie als Bote und Begleiter Wodans. In Odins Saal hing an der westlichen Thür ein Wolf und darüber ein Adler. Karl d. Gr. soll zu Aachen im Gipfel des Palastes einen ehernen Adler aufgestellt haben, der einen Bezug zum Winde hatte; denn der Sturmwind wurde gern in Gestalt des Adlers gedacht, der seine Klauen in die Wolken schlägt. Nordische Götter und Riesen legen ein Adlerkleid an.

Reiche Verwendung fand der Adler in der christlichen Kunst. Im Alten Testamente erscheint er als Symbol Gottes, der sein Volk auf Adlers Flügeln trägt; als Symbol des zwiefältigen Geistes Gottes (nach 2. Könige 2, 9) wird der zweiköpfige Adler dem Propheten Elisa beigegeben. Augustin deutet den Adler als Raubvogel auf die finstern Mächte, welche die Seele rauben, Dante mit dem Löwen zusammen auf die beiden Naturen Christi. Als Attribut Johannis des Evang. ist er der zum Himmel anstrebende, sich selbst verjüngende Vogel der Sonne, dann, weil Johannes der Evang. der theologus hiess, Emblem der Theologie überhaupt und als solches dem hl. Augustin, dem Schutzpatron der Theologie, beigegeben.

Als Feldzeichen erscheint der Adler zuerst bei den Persern, dann als Feldzeichen der römischen Legionen. Den zweiköpfigen Adler nahmen zuerst die orientalisch-römischen Kaiser als Reichsinsignien an, um dadurch ihre Ansprüche auf beide römische Reiche anzudeuten; von da ging er mit dem Titel eines römischen Kaisers auf den deutschen Kaiser über. Seitdem der Adler als Amtszeichen in die Wappen vieler deutscher Reichsfürsten überging, spielt er in der Heraldik eine grosse Rolle; namentlich erscheint er hier als auffliegender einköpfiger Adler, mit offenem Schnabel, ausgeschlagener Zunge, mit ausgereckten Fängen, erhobenen Flügeln und ornamental behandeltem Schwanz, den Kopf meist nach rechts gewendet. Schnabel und Krallen sind oft rot; oft hat er Kleestengel in den Füssen.

Häufig wurden die Evangelienpulte auf dem Lettner und die selbständigen tragbaren Lesepulte so gestaltet, dass die Pultfläche von den Flügeln eines Adlers gebildet, oder das Pultbrett von einem Adler getragen wurde. Müller und Mothes, Arch. Wörterbuch. Anzeiger f. Kunde d.d.V. 1864. Nr. 1–4.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 12.
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