Inkunabeln

[454] Inkunabeln, Wiegendrucke, vom lat. incunabula = Wiege, nennt man die Erzeugnisse der Buchdruckerkunst in der ersten Zeit ihrer Erfindung; die Grenze der Inkunabeln setzt man meist ins Jahr 1500; doch sind auch andere Grenzen, wie 1520 und 1536 in Anwendung gekommen. Die Zahl der Drucke des 15. Jahrh. wird auf etwa 1500 berechnet; ihre Seltenheit wird, abgesehen vom Alter, durch die kleineren Auflagen der ersten Buchdrucker bedingt. Anfangs druckte man meist auf Pergament, später fast ausschliessend auf Papier. Beim Pergament unterscheidet man Kälberpergament, in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden gewöhnlich, namentlich für Foliobände gebraucht: Pergament von totgeborenen Lämmern, von Lämmern, welche gelebt haben, und Schafpergament. Das Format war anfangs Folio; um das Jahr 1470 gab es aber schon Bände in Oktav und Duodez. Die Lettern sind in den ältesten Drucken die gotischen; später werden diese, zuerst in Italien, durch die runde antike Schrift ersetzt. Griechische Lettern finden sich zuerst in einzelnen Wörtern und zwar in Holz geschnitten; das erste mit gegossenen Lettern gedruckte griechische Buch ist Lascaris Grammatica graeca, Mediol. 1476. 4. Die grosse Schrift, die man bei Messbüchern und Psaltern anwandte, heisst Missaltypen. Die Initialen wurden gewohnlich nicht eingedruckt, sondern in anderen Farben, meist rot, eingeschrieben; da diese Arbeit der Rubrikatoren oft längere Zeit nach dem Drucke geschah, findet man häufig Inkunabeln ohne Initialen. Oft sind die letzteren in Gold und kostbar verziert. Auch im Kontexte finden sich viele mit roter und blauer Farbe eingetragene Anfangsbuchstaben, die gedruckten sind zuweilen mit roter und blauer Farbe bloss durchstrichen. Signatur heisst das Zeichen, welches die Buchdrucker unten auf die Vorderseite des Blattes setzen, um bei dem Einbinden Verwirrung zu vermeiden; in den alten Drucken brauchte man dazu gewöhnlich die Buchstaben des Alphabetes, unter Umständen so lange vervielfacht, als es nötig ist. Kustoden nennt man das unter der letzten Linie jeder Seite stehende Wort, welches auf die nächstfolgende Seite hinweist und auf dieser das erste Wort ist. Laufen die Zeilen ununterbrochen durch die Breite der Seite durch, so heisst das ein Druck mit auslaufenden Zeilen; sind die Seiten in der Mitte geteilt, so hat man Kolumnendruck, in Foliobänden der vorherrschende. In den frühesten Drucken findet man keine fortlaufende Zählung der Blätter, und als diese eingeführt wurde, zahlte man stets bloss die Blätter. Die Blattzahlen sind anfangs mit römischen Zahlen ausgedrückt, erst später mit arabischen Ziffern. Titelblätter besitzen[454] die ältesten Inkunabeln nicht, sondern am Ende eine Schlussschrift, date, Colophon, in welcher gewöhnlich der Name des Druckers, sowie Ort und Jahr des Druckes angegeben sind; oft fehlt aber eine dieser Bezeichnungen oder alle. Titelblätter mit genauer Angabe beginnen 1485. Das erste Buch, worin sich Kupferstiche finden, ist in Florenz 1477 erschienen: Antonius da Siena, Monte Santo di Dio; Holzschnitte kommen früher vor. Külb in Ersch und Gruber.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 454-455.
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