Acca Lavrentia

[18] ACCA LAVRENTIA, oder, wie sie auch vielfältig genannt wird, Larentia, æ, war, nach einigen, des Faustulus Frau und Amme des Romulus und Remus, die aber, als sie nach des Faustulus Tode, den Carutius, einen reichen Tuscier, geheurathet hatte, endlich auch dessen Vermögen überkommen, und solches bey ihrem Absterben hinwiederum dem Romulus vermacht, welcher denn dagegen verordnet, daß ihr jährlich zu Ehren öffentliche Parentalien gehalten werden sollten. Macer apud Macrob. Saturn. l. I. c. 10. Andere hingegen behaupten, daß sie erst zu des Ancus Martius Zeiten gelebet und eine der berühmtesten Huren gewesen, die des bemeldeten Carutius Reichthum auf eine gar besondere Art erlanget. Denn als dereinst der Küster in dem Tempel des Herkules vor langer Weile diesen seinen Gott auf ein Würfelspiel ausforderte, mit der Bedingung, daß wer gewinnen würde, von dem andern eine gute Mahlzeit und ein hübsches Mägdchen auf die Nacht haben sollte. Als er nun hierauf die Würfel in des Herkules Hand geleget, so habe dieser das Spiel gewonnen; da denn der Küster, nach gegebener Mahlzeit, ihm diese Acca zugeführet und des Nachts in dem Tempel bey ihm verschlossen. Wie solche des Morgens wieder ihre Wege [18] gegangen, so habe sie vorgegeben, daß Herkules ihr befohlen, das nicht aus den Händen gehen zu lassen, was ihr zuerst gutes aufstoßen würde. Da nun Carutius ihr begegnet, und sich dabey ungemein in ihre Schönheit vergaffet, habe sie ihn dergestalt zu fassen gewußt, daß er sie endlich gar geheurathet und ihr alle sein Vermögen überlassen. Als sie nachher gestorben, so habe sie das römische Volk zum Erben eingesetzet, wofür ihr Ancus Martius in dem Velabro ein schönes Grabmaal errichten lassen, und zugleich die Verordnung gemacht, daß ihr jährlich ihr besonderes Opfer gebracht werden sollte; Macrob. ipse l. c. wie denn auch solches in den von ihr so genannten Accalibus durch den Flaminem Quirinalem beständig geschah. Gell. N. A. lib. VI. c. 7. et ad eum Gronovius l. c. Noch andere melden, daß sie durch ihre Buhlerey so viel zusammen gebracht, daß sie endlich dem römischen Volke den Aggrum Turacem, Semurium, Lincerium und Solinium vermachen können, Cato apud Macrob. l. c. und werden sonst die ihr zu Ehren angestelleten Accalia auch vielfältig Larentalia, oder auch Larentinaila, genannt, welche denn jedesmal den 23 December, oder nach dem römischen Calender, den X. Cal. Ian. einfielen. Gyrald. Calend. Rom. et Graec. Opp. Tom. II. p. 847. Wie aber dergleichen Hure göttlich zu verehren die größte Schwachheit war: also haben auch die ersten Verfechter der christlichen Religion, Cyprian, de Idolor. Vanit. c. 2. §. 6. Minutius Felix Octau. c. 25. §. 9. und Lactanz Instit. lib. I. c. 20. nicht ermangelt, solches den Römern empfindlichst vorzurücken. Sie soll auch eben die Wölfinn gewesen seyn, welche, nach gemeinem Vorgeben, den Romulus und Remus erhalten, als sie Amulius, ihres Großvaters Bruder, so fort nach ihrer Geburt in die Tieber werfen lassen; und wie lupa bey den Lateinern auch eine gemeine Metze heißt, so soll sie ihres lüderlichen Lebens halber eben mit solchem Namen beleget worden seyn, welches aber hernach die [19] Römer, um solche Schande einiger maßen zu bemänteln, auf eine rechte Wölfinn gedeutet. Dempster. ad Rosin. lib. I. c. 1. et Voss. Theol. Gent. lib. I. c. 12. Gleichwohl scheint es, daß es zwo Personen dieses Namens gegeben habe, welche man wohl von einander unterscheiden müsse, nämlich des Romulus und Remus Säugamme, und die Buhlerinn, welche den Carutius geheurathet und hernach unter dem Namen der Flora verehret worden. Denn ob ihnen gleich beyden Feste geweihet waren, so wurden diese Feste doch zu verschiedenen Zeit gefeyret. Der Säugamme ihres fiel in den December, der Buhlerinn ihres hingegen in den Aprilmonat. Diese letzte wurde auch Tarutia oder Tarentia genannt; die Säugamme aber hatte keinen andern Namen. Baniers Erläut. der Götterl. III B. p. 645.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 18-20.
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