Agdistis

[140] AGDISTIS, is, entstund aus einem zufalle im Schlafe, als Jupiter sich vergeblich Gedanken auf die Cybele gemacht hatte. Weil er aber beyderley Geschlechtes war, so nahmen ihm die Götter das eine, und ließen ihn also bloß ein Frauenzimmer bleiben. Inzwischen wuchs aus dem, was ihm abgeschnitten worden, ein Mandelbaum; und, als Nana, des Flusses Sangar Tochter, dessen Früchte in den Busen. steckte, so verloren sich dieselben, sie aber bekam daher den Attes, der von einer ganz ungemeinen Schönheit war. Sie ließ ihn wegsetzen, verliebete sich aber mit der Zeit sterblich in ihn. Als er nun hernachmals des Königes zu Pessinunte Tochter heurathen sollte, so kam Agdistis eben dazu, als beynahe die Hochzeit vollzogen war. Aus Eifersucht machete sie den Attes in soweit unsinnig, daß er sich selbst dasjenige abschnitt, was ihn zum Manne machte. Dieses brachte sie zur Reue, und sie erhielt vom Jupiter, daß kein Glied dieses jungen Menschen verwesen sollte. Pausan. Ach. c. 17. Andere hingegen geben vor, daß er aus einem Steine geboren worden, der Agdus geheißen, und daher auch seinen Namen bekommen habe, sey dabey so schön, als stark [140] geworden, doch aber habe ihn Bacchus im Schlafe seiner Mannheit beraubet, da denn aus dem auf die Erde gefallenen Blute ein Granatenbaum erwachsen, von dessen Frucht obbemeldete Nymphe den Attes geboren, um welchen sich endlich Cybele und Agdistis dermaßen gezanket, daß Attes dabey am kürzesten weggekommen, jedoch aber hernach durch beyder eifersüchtigen Frauen Anstalt die Ehre erhalten, daß ihm jährlich sein besonderer Gottesdienst erwiesen wurde. Es fehlet hierbey an Gelehrten nicht, welche bey dieser verwirrten Historie wollen, Cybele und Agdistis seyn eigentlich nur eine Person gewesen. Voss. Theol gentil lib. I. c. 20. & Gyrald. Synt. IV. p. 139.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 140-141.
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