Amicitia

[212] AMICITIA, æ, ( Tab. I.) der Nacht und des Erebus Tochter, Hygin. Præf. p. 2. wurde auch als eine Göttinn angesehen. Sie soll bey den Römern als eine junge Person mit entblößtem Haupte, und mit einem schlechten Rocke angezogen, seyn vorgestellet worden, auf dessen Säumen geschrieben gestanden, Mors & Vita, Tod und Leben, auf ihrer Stirn aber Aestas & Hyems, Sommer und Winter. Die Brust war ihr bis auf das Herz hinein offen, und sie wies mit der einen Hand darauf, wobey man denn las Longe & Prope, fern und nahe. Anon. ap. Gyr. Synt. I. p. 53. Es ist aber auf diese Vorstellung [212] nicht viel zu achten. Indessen soll doch die junge Gestalt bedeuten, daß eine wahre Freundschaft nie veralte; der entblößte Kopf, daß sie zu allem bereit sey; das schlechte Kleid, daß man sich dergleichen vor einen Freund anzuziehen, nicht schämen solle; die Worte Tod und Leben, daß man einem Freunde bis an den Tod treu und beständig zu bleiben verbunden sey; die Worte, Sommer und Winter, daß man weder in guten noch bösen Tagen von ihm abstehen solle: die offene Seite, daß ein Freund vor dem andern nichts verberge; die Worte, fern und nahe, daß weder die Länge der Zeit noch die Weite der Oerter die wahre Freundschaft aufhebe. Ibid.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 212-213.
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