Aristaevs

[419] ARISTAEVS, i, Gr. Ἀρισταῖος, ου, ( Tab. XIV.)

1 §. Namen. Denselben hat er von ἄριστος, der beste, und könnte man ihn darnach lateinisch gar füglich Optimium nennen. Ohne solchen Namen aber hieß er auch noch Agreus, von ἀγρέυω, ich jage, und Nomius. von νέμα, ich weide, weil er in diesen beyden Dingen den Menschen viel gutes gewiesen. Diod. Sicul. l. IV. c. 83. p. 195.

2 §. Aeltern. Diese waren Apollo und die Cyrene, des Hypsäus Tochter, welche jener an dem Berge Pelion raubete, nach Libyen entführete, und also in der Gegend des von ihr benannten Landes Cyrene diesen Aristäus zeugete. Diodor. Sicul l. IV. Doch machen ihn andere zu einem Sohne des Bacchus, in dessen Tempel sich auch [419] sein Bild befand; Cic. Orat. IV. in Verr. c. 57. und noch andere zu des Cyrnus und der Nymphe Theramenes Sohn, Theagenes ap. Nat. Comit. lib. V. c. 19. allein, da auch bis vier Aristäi gewesen seyn sollen, so können sie alle wohl recht haben. Bachylides ap. Schol. Apollon. adlib. II. v. 500.

3 §. Ammen und Auferziehung. Jene waren die Nymphen, denen ihn Apollo anvertrauete, die ihm denn nicht nur seine drey Namen gaben, sondern auch nebst dem Honig- und Oelbaue, zugleich die Kunst, mit der Milch nutzbarlich umzugehen, gewiesen. Diod. Sic. l. c. Nachher übergab er ihn auch dem Chiron, Apollon. lib. II. v. 512. daß er ihn, wie andere seines gleichen, in den gehörigen Wissenschaften unterweisen mußte.

4 §. Familie. Er begab sich aus Cyrene nach Theben, und heurathete daselbst des Kadmus Tochter, die Autonoe, mit welcher er den unglücklichen Aktäon zeugete. Diod. Sic. l. c. Ohne solchen hinterließ er noch den Charmus und Kaläkarpus. Id. ib. c. 84. Es verhalfen ihm aber selbst die Musen zu der Heurath mit der Autonoe, nachdem sie ihm die Medicin und Wahrsagerkunst gewiesen hatten. Apollon. lib. II. v. 513.

5 §. Thaten und Schicksal. Was er von den Nymphen erlernet, wies er andern wieder, und ward daher für den Erfinder des Oelbaues gehalten. Cic. da N.D. L. III. c. 18. genoß auch sogleich in Libyen seine göttliche Ehre dafür. Als aber sein besagter Sohn von dessen eigenen Hunden war zerrissen und gefressen worden, so begab er sich, mit Genehmhaltung des Orakels seines Vaters, in die Insel Ceon oder Ceam, und stillete eine grausame Pest in Griechenland. Aus besagter Insel gieng er wieder nach Libyen hinüber; und, als ihn seine Mutter mit einer Flotte versehen, so schiffete er nach Sardinien, schlug hieselbst seinen beständigen Sitz auf, bauete solche Insel mit Pflanzung allerhand Gewächse an, und zeugete in selbiger die zuletzt gemeldeten beyden Söhne. Nachher besuchete er noch [420] andere Inseln im mittelländischen Meere, und wies insonderheit den Sicilianern vieles von seinen Künsten. Endlich machete er sich nach Thracien, erlernete von dem Orpheus, und zugleich von dem Bacchus, auch sonst viel nützliche Dinge; und, nachdem er sich eine Zeitlang an dem Berge Hämus aufgehalten, wurde er endlich nicht mehr gesehen. Diod. Sicul l. c. Er soll sich in eine Höhle gestürzet haben, damit man nichts von ihm fände, und die Menschen glaubeten, er wäre ein Gott geworden. Den Ort, wo solches geschehen, hätte man daran erkannt, daß allda ein Orakel entstanden wäre. Gregor. Nazianz. Orat. 47. in Iulian. & ad ill. Nonnus. Indessen soll er den Nutzen des Laseris, eines Krautes, erfunden, Diphilus ap. Nat. Com. lib. V. c. 19. und den Göttern den ersten Ochsen geopfert haben, da ihnen sonst an deren Stelle nur Kräuter und Blumen gebracht worden. Andotion ap. eumd. l. c. So will man auch, daß er die Stadt Cyrene erbauet, Boccac. l. V. c. 13. und die Menschen überhaupt erst zu einem recht menschlichen Leben angeführet habe. Nat. Com. l. c. Allein, so ein gutes Lob ihm dieses alles giebt, so schlecht klingt es im Gegentheile, daß er der Eurydice, einer Nymphe, und Gemahlinn des Orpheus, selbst Gewalt anzuthun gesuchet; und dadurch ihren Tod veranlasset. Es machten aber auch daher die übrigen Nymphen, daß ihm alle sein Vieh und seine Bienen starben, wogegen er seine Hülfe wieder bey seiner Mutter, der Cyrene, suchete. Serv. ad Virgil. Georg. IV. v. 317. Diese wies ihm darauf, wie er aus abgeschlachteten Ochsen und Kühen wieder Bienen erzeugen, allein auch dabey die erzürnten Nymphen zuförderst wieder begütigen sollte. Virgil. l. c. v. 530. sqq.

6 §. Verehrung. Man verehrete ihn insonderheit in der Insel Cea, Athenagor. ap. Voss. Theol. gentil. lib. I. c. 13. ingleichen in der Insel Co, Sicilien Diod. Sic. l. c. und in Arkadien. Serv. ad Virgil. Georg. I. v. 4. Er führete auch so gar den Beynamen Jupiter, Schol. Apollon. ad lib. II, v. 500. und wird zuweilen [421] selbst mit dem Apollo für eine Person gehalten. Voss. Theol. gentil. lib. VII. c. 10. Eigentlich aber hält man ihn für einen König in Arkadien, der sich besonders auf die Wartung der Bienen beflissen, und deren Abgang zu ersetzen gewußt habe. Ban. Erl. der Götterl. III B. 660 S.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 419-422.
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