Narcissvs

[1686] NARCISSVS, i, Gr. Νάρκισσος, ου, ( Tab. IV.) des Cephissus und der Liriope, Ovid. Metam. III. v. 342. oder, wie sie andere nennen, der Lirioessa, einer Nymphe, Sohn. Eustath. ad Hom. II. B. v. 408. Als Liriope bey seiner Geburt den Tiresias befragete, ob er alt werden würde, so gab solcher zur Antwort, [1686] wenn er sich nicht kennen lernete. Ovid. l. c. Er war von einer so ungemeinen Schönheit, daß sich auch die Nymphe Echo in ihn verliebete, und, da sie dargegen von ihm beständig verachtet wurde, sich darüber dergestalt abhärmete, daß von ihr nichts, als die Stimme, übrig blieb. Allein, als er nachher sich selbst in einem klaren Brunnen, aus welchem er trinken wollte, gewahr wurde, so verliebte er sich dergestalt in sich selbst, daß er endlich auch vor Liebe vergieng und in eine Bluhme seines Namens verwandelt wurde. Ovid. l. c. Seine Eigenliebe soll so groß gewesen seyn, daß er sich auch nach seinem Tode noch in dem Wasser des Styx bespiegelt habe. Ovid. l. c. 505. Andere wollen, es habe ihn insonderheit einer, mit Namen Aminias, geliebet, und, da er ihm kein Gehör gegeden, so hätte sich dieser endlich selbst umgebracht, allein dabey die Götter angerufen, seine Rächer zu seyn. Dieses sey denn erfolget, als sich Narcissus selbst im Wasser gesehen; und, da er seiner Phantasie kein Genügen thun können, so habe er sich endlich selbst erstochen, da denn aus seinem Blute gedachte Bluhme hervor gewachsen. Conon Narr. 24. Nach einer andern Erzählung hatte er eine Zwillingsschwester, die ihm vollkommen ähnlich war, ihre Haare eben so trug, als er, sich eben so kleidete, und so gar mit ihm auf die Jagd gieng. Diese liebete er zärtlich, verlor sie aber durch den Tod; daher er oft zu einer Quelle gieng, und zur Beruhigung seiner Liebe sich einbildete, daß er darinnen seine Schwester sähe, ob er gleich wußte, daß es sein eigener Schatten war. Pausan. Bœot. c. 31. p. 589. Allein, da er doch keinen genugsamen Trost daher nehmen konnte, so vergieng er endlich vor Leiden, oder stürzete sich auch, nach einigen, selbst mit in den Brunnen und ersoff. Eustath. l. c. Cf. Nat. Com. l. IX. c. 16. Daß die Narcissen nicht erst von ihm entstanden, erhellet daher, daß Proserpina dergleichen gepflickt haben soll, als sie Pluto geraubet; Pausan. l. c. daher ihr denn auch [1687] solche Bluhme geheiliget gewesen. Phanodemus ap. Nat. Com. l. c. Es soll aber obige Erzählung von ihm und seiner Schwester einen wahren Grund in der Historie haben. Banier Entret. XIX. ou P. II. p. 277. Desf. Erl. der Götterl. V B. 383 S. Außerdem kann man ihn als ein Bild der närrischen Eigenliebe ansehen, nach welcher einer andere Leute verachtet, endlich aber ein Narr iwird, und selbst vergeht, Omeis Mythol. in Narcissus, p. 170. oder gleichsam nur in eine Bluhme verwandelt wird, die keine Frucht bringet. Masen. Spec. Ver. occult. c. XXIII. n. 11.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1686-1688.
Lizenz:
Faksimiles:
1686 | 1687 | 1688